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Jahr buch
der
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Landesanstalt und Bergakademie
Berlin
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*1
1881.
Berlin.
Verlag der Simon ScHROPp’schen Hof- Landkartenhandlung
(J. H. Neumann).
1882.
*///«
Inhal t.
I. Mittheilungen aus der Anstalt.
Seite
1. Bericht über die Thätigkeit der Königl. geologischen Landosanstalt im
Jahre 1881 vii
2. Arbeitsplan für die geologische Landesaufnahme im Jahre 1882 . . . xiv
3. Personal -Nachrichten xix
II. Wissenschaftliche Mittheilungen.
Abhandlungen von Mitarbeitern der Königl. geologischen
Landesanstalt.
Geologische und petrographische Beiträge zur Kenntniss des Harzes. Von
Herrn K. A. Lossen in Berlin. II. Ueber den Zusammenhang zwischen
Falten, Spalten und Eruptivgesteinen im Harz 1
Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm am Nordrande des rheini-
schen Schiefergebirges. Von Herrn E. Kayser. (Hierzu Tafel I — III.) 51
Das ostthüringische Roth. Von Herrn E. E. Schmid in Jena. (Hierzu
Tafel IV.) 1)2
Terebratula Ecki nov. sp. und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen.
Von Herrn W. Frantzen in Meiningen 157
Beitrag zur geologischen Kenntniss der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe
in Thüringen. Von Herrn II. Loretz in Frankfurt a. M 175
Ueber Transversalschieferung und verwandte Erscheinungen im thüringischen
Schiefergebirge. Von Demselben. (Hierzu Tafel VII.) 258
Diabas im Culm bei Ebersdorf in Ostthüringen. Von Herrn E. Dathe
in Berlin 307
Gletschererscheinungen im Franken walde und vogtländischen Berglande.
Von Demselben 317
Ueber die geologischen Verhältnisse der Seeberge und des Galberges bei
Gotha, mit besonderer Berücksichtigung der Lagerungsverhältnisse.
Von Herrn Max Bauer in Königsberg i. Pr. (Mit Tafel VIII und IX.) 331
Ueber die Bimssteine des Westerwaldes. Von Herrn Gustav Angelbis
in Bonn
a
393
Seite
Lieber das Spaltensystem am SW.- Abfall des Broekenmassivs, insbesondere
in der Gegend von St. Andreasberg'. Von Herrn E. Kayser in Berlin.
(Hierzu Tafel X und XI.) 412
Ueber das Ober-Rothliegende, die Trias, das Tertiär und Diluvium in der
Trier’schen Gegend. Yon Herrn H. Grebe in Trier. (Hierzu Tafel XII.) 455
Die Sande im norddeutschen Tieflande und die grosse diluviale Abschmelz-
periode. Von Herrn G. Berendt in Berlin 482
Ein Süsswasserbecken der Diluvialzeit bei Korbiskrug nahe Königs- Wuster-
hausen. Von Herrn Ernst Läufer in Berlin 496
Die Lagerungsverhältnisse des Diluvialthonmergels von Werder und Lehnin.
Von Demselben. (Hierzu Tafel XIII, XIV u. XV.) 501
Aufschlüsse in den Einschnitten der Stargard- Cüstriner Eisenbahn. Von
Demselben. (Hierzu Tafel XVI.) 523
Ueber das Vorkommen geschiebefreien Thones in den obersten Schichten
des Unteren Diluviums der Umgegend von Berlin. Von Herrn Felix
Wahnschaffe in Berlin 535
Die Lagerung der diluvialen Nordseefauna bei Marienwerder. Von Herrn
Alfred Jentzsch in Königsberg i. Ostpr. (Hierzu Tafel XVII.) . . . 546
Ueber Kugelsandsteine als charakteristische Diluvialgeschiebe. Von Dem-
selben. (Hierzu Tafel XVIII.) 571
Ein Tiefbohrloch in Königsberg. Von Demselben 583
Die Steinkohlen -führenden Schichten bei Ballenstedt am nördlichen Harz-
rande. Von Herrn Ch. E. Weiss in Berlin 595
Briefliche Mittheilung. Herr H. Bücking an Herrn W. Hauchecokne. Ueber
basaltische Gesteine der nördlichen Rhön 604
Abhandlungen von ausserhalb der Geologischen
Landesanstalt stehenden Personen.
Die Entwickelung des Plaeners im nordwestlichen Theile des Teutoburger
Waldes bei Lengeri eh. Von Herrn R. Windmöller. (Hierzu Tafel XIX.) 3
Die Löwenberger Kreidemulde , mit besonderer Berücksichtigung ihrer
Fortsetzung in der preussischen Ober-Lausitz. Von Herrn G. Williger.
(Hierzu Tafel XX u. XXL) 55
Beschreibung des Strontianit- Vorkommens in der Gegend von Drensteinfurt,
sowie des daselbst betriebenen Bergbaues. Von Herrn Paul Menzel
in Bochum 125
Fossile Hölzer aus der Sammlung der Königlichen geologischen Landesanstalt
zu Berlin. Von Herrn Conwentz in Danzig 144
I.
Mittheilungen aus der Anstalt.
1.
Bericht über die Thätigkeit
der Königlichen geologischen Landesanstalt
im Jahre 1881.
Wie in den Vorjahren waren der Harz, Thüringen, die Pro-
vinz Hessen-Nassau, die Rheinprovinz und die Provinz Branden-
burg auch im Jahre 1881 die Gebiete, welchen die Aufnalnne-
thätigkeit der geologischen Landesanstalt fast ausschliesslich zu-
gewendet wurde. Eine Erweiterung der Arbeitsgebiete fand nur
durch die ersten Anfänge geologisch-agronomischer Aufnahmen in
Ost- und Westpreussen statt.
Im Mittelharz ist von dem Landesgeologen Professor Dr. 1. Der Harz.
Lossen die Untersuchung der Lagerungsververhältnisse der Elbin-
geroder Devon-Mulde in den Sectionen Elbingerode und Blanken-
burg und der dort auftretenden Eruptivgesteine fortgesetzt worden.
Weiter hat derselbe einen Theil der Aufnahmezeit auf die Durch-
forschung des Granit- und Gabbro - Gebietes der Gegend von
Harzburg verwendet.
Landesgeologe Professor Dr. Kayser hat innerhalb der im
Vorjahre vollendeten Section Riefensbeek die Anschlüsse an die
Section St. Andreasberg revidirt und den Verlauf der aus dem
Oderthaie nach NW. über den Acker - Bruchberg setzenden
neuaufgefundenen Hauptverwerfung verfolgt. Demnächst ist von
demselben die Aufnahme der Section St. Andreasberg vollendet
und sind insbesondere die innerhalb derselben aufsetzenden Gang-
spaltennetze speciell untersucht und kartirt worden.
VITT
2. Das thürin-
gische Becken.
Im Westharze ist von Bergrath Dr. von Groddeck die
Revision der früheren Aufnahmen behufs Uebertragung auf die
neubearbeiteten Generalstabskarten fortgesetzt worden. Derselbe
hat den Versuch einer Gliederung der Oberharzer Culm-Grauwacke
durch Kartirung charakteristischer Conglomeratvorkommnisse in
Angritf genommen. Sodann ist von demselben ein zuerst im
Jahre 1877 bekannt gewordenes Vorkommen eines eruptiven Ge-
steins in der Nähe von Lautenthal näher untersucht und als ein
weithin aushaltender Gesteinsgang verfolgt worden.
Sekretär Halfar hat die vielfach gestörten Lagerungsverhält-
nisse der Devonbildungen in der Umgebung des Auerhahn in der
Section Zellerfeld untersucht und kartirt.
Am Nordrande des Harzes ist durch den Landesgeologen
Professor Dr. Kayser die Untersuchung der jüngeren Gebirgs-
schichten zwischen Blankenburg und Ilsenburg in Angritf ge-
nommen worden.
Südlich von Halle sind von Professor Dr. von Fritsch die
Sectionen Halle, Gröbers, Merseburg, Kötschau, Weissenfels und
Lützen in der Aufnahme soweit gefördert worden, dass sie nur
noch einer Schlussrevision bedürfen. Auch innerhalb der Sectionen
Kölsa, Schkeuditz und Mölsen sind von demselben Aufnahme-
arbeiten ausgeführt worden.
Landesgeologe Dr. Speyer hat die Bearbeitung der Sectionen
Berlingerode und Dingelstedt westlich des Ohmgebirges in An-
griff genommen.
Von Professor Dr. Bauer ist in der Section Fröttstedt die
Fortsetzung der an den Seebergen und dem Galgenberg bei Gotha
auftretenden Verwerfungserscheinungen kartirt worden. Weiter
hat derselbe die Bearbeitung der Section Ohrdruf südlich von
Gotha mit einer ersten Orientirung in den Formationen des Roth-
liegenden, des Zechsteins und des Buntsandsteins begonnen und
das Blatt Langula druckfertig hergestellt.
Im Thüringer Walde selbst setzte Landesgeologe Professor
Dr. WEISS die Untersuchungen in der Section Brotterode fort.
Dieselben erstreckten sich auf den südlichen Tlieil des Rothliegenden
von Winterstein und die dortigen Eruptivgesteine, sowie auf das
IX
krystallinische Grundgebirge und die Zechsteinformation der Gegend
von Liebenstein.
Professor Dr. von Fritsch brachte die Sectionen Suhl und
Schleusingen zum Abschluss. Ferner bearbeitete er die nord-
östlichen Gebirgspartien von Section Schwarza, sowie in Section
Themar das Zechsteinvorkommen von Eichenberg und Grub.
Professor Dr. Bücking brachte in dem ehemaligen Aufnahme-
gebiet des Directors Dr. Emmrich die Revision der Section Ober-
katz zum Abschluss. Im Thüringer Walde bearbeitete er im
Anschluss an die Aufnahmen des Landesgeologen Professor Dr.
Weiss auf Section Brotterode den nordwestlichen Theil der Section
Schmalkalden.
Bergingenieur Frantzen vollendete die Neubearbeitung der
Section Meiningen.
Dr. Proesci-ioldt bearbeitete die Triasgebiete innerhalb der
Sectionen Schwarza und Themar östlich von Meiningen , sowie
den grössten Theil der Section Rentwertshausen.
Geheimer Hofrath Professor Dr. Schmid brachte die Unter-
suchung und Kartirung der Sectionen Arnstadt, Plaue, und Ilmenau
zum Abschluss.
Professor Dr. Liebe setzte die Aufnahmearbeiten im östlichen
Thüringer Wald in den Sectionen Waltersdorf, Naitschau, Greiz,
Schleiz und Hirschberg fort.
Dr. Datiie kartirte die nördliche Hälfte der Section Loben-
stein sowie innerhalb der Section Hirschberg den Weidmannsheiler
Forst.
Dr. Loretz revidirte und ergänzte seine Aufnahmen der
Sectionen Eisfeld, Steinheide, Spechtsbrunn, Meeder, Neustadt und
Sonneberg im südlichen Theil von Meiningen, welche nunmehr
druckfertig vorliegen. Derselbe begann alsdann die Untersuchung
der angrenzenden Sectionen Masserberg, Breitenbach, Coburg und
Steinach.
In der Provinz Hessen-Nassau setzte Landesgeologe Dr. Moesta
seine Arbeiten für die Sectionen Melsungen, Altmorschen, Seifferts-
hausen und Ludwigseck im nördlichen Theil des Regierungsbezirks
Cassel fort.
Hessen-
Nassau.
X
Professor Dr. von Könen revidirte seine Aufnahmen der
Sectionen Eiterfeld und Geisa nördlich der Rhön, welche nebst
den Sectionen Hersfeld, Friedewald, Dorndorf und Lengsfeld
druckfertig hergestellt worden sind.
Landesgeologe Dr. Speyer begann die Untersuchung und
o o o o
Kartirung der Sectionen Salzschlirf und Hünfeld bei Fulda, von
welchen die erstere innerhalb des Preussischen Antheils bis auf
eine letzte Revision fertiggestellt wurde. Demnächst wurde von
ihm ein Theil seiner früheren Aufnahmen in den Sectionen Grossen-
lüder und Fulda revidirt.
Im nördlichen Theil des Regierungsbezirks Wiesbaden hat
Dr. Angelp.is die im Vorjahre begonnene Kartirung der Section
Westerburg beendet, welche nebst den druckfertigen Sectionen
Langenbach, Wildenstein, Marienberg, Rennerod und Mengers-
kirchen den hohen Westerwald zur Darstellung bringt. Derselbe
hat weiter die dem westlichen Abfall dieses Gebietes angehörende
Section Selters druckfertig hergestellt.
Im südlichen Theile des Regierungsbezirks Wiesbaden hat
Landesgeologe Dr. Koch seine Thätigkeit der Vollendung der
O O O O
Sectionen Limburg, Eisenbach, Kettenbach, Idstein, Feldberg
und Homburg gewidmet, welche er dem ' Abschluss nahe ge-
führt hat.
4. Die Kheiu- Im südlichen Theile der Rheinprovinz hat Landesgeologe
provmz. Grebe an der Mosel und nördlich derselben die Sectionen Bitburg,
Dreis, Wittlich und Bernkastel zum Abschluss gebracht und die
Section Echternacher Brücke zum grössten Theil bearbeitet.
5. Die Gegend In diesem Gebiete, innerhalb dessen bei der geologischen
von Berlin und Aufnahme zugleich die agronomischen Verhältnisse untersucht und
kartirt werden, führten südwestlich von Berlin Dr. Läufer und
Dr. Wahnschaffe die letzte Revision der Sectionen Ketzin und
Werder aus, so dass die Publikation der die weitere Umgebung
von Potsdam umfassenden Sectionen Ketzin, Fahrland, Werder,
Potsdam, Beelitz und Wildenbruch in Angriff genommen werden
konnte.
Die Sectionen Berlin und Friedrichsfelde sind von Professor
Dr. Berendt unter Hülfeleistung des Dr. Keilhack druckfertig
hergestellt worden.
XI
Südöstlich von Berlin hat Dr. Wahnschaffe den grösseren
Theil der Section Rüdersdorf aufgenommen.
Aus dem Gebiete nordöstlich von Berlin ist die Section
Bernau durch Dr. Läufer vollständig, die Section Schönerlinde
durch Dr. Keilhack etwa zur Hälfte kartirt worden.
Behufs der Ergänzung der geologischen Uebersichtskarte der
Umgegend Berlins in 1 : 100 000 ist ferner die Section Grünthal
durch Dr. Läufer, die Section Werneuchen durch Dr. Wahn-
schaffe untersucht worden.
In dem Aufnahmegebiet westlich der Elbe bei Stendal be-
endete Professor Dr. Scholz die Aufnahme der Section Klinke
und begann diejenige der Section Gardelegen.
Professor Dr. Grüner vollendete die Untersuchung der Section
Lüderitz und ging demnächst zur Bearbeitung der Section Scherne-
beck über.
In der Provinz Westpreussen begann Dr. Jentzscfi die Auf-
nahmen mit der Untersuchung der Section Marienwerder. Ein
Theil der westlich angrenzenden Section Münsterwalde ist von
Dr. Meyer bearbeitet worden.
In der Provinz Ostpreussen wurden von Dr. Klebs die Auf-
nahmen mit der Untersuchung der Section Süssenberg bei Ileils-
berg eröffnet.
Im Laufe des Jahres sind zur Publikation gelangt:
1. Lieferung XVII, enthaltend die südthürin-
gischen Blätter Roda, Gangloff, Pörmitz,
Triptis, Neustadt und Zeulenroda .... 6 Blätter.
2. Lieferung XIX, enthaltend die nordthürin-
gischen Blätter der Gegend südwestlich von
Halle: Riestädt, Schraplau, Teutschenthal,
Ziegelroda, Querfurt , Schafstedt , Wiehe,
Bibra und Freiburg 9 »
zusammen 15 Blätter.
Bisher waren publicirt 76 »
Es sind mithin im Ganzen publicirt . . .91 Blätter.
Weiter gelangten zur Ausgabe von Abhandlungen und sonstigen
Arbeiten :
6. West-
preussen.
7. Ostpreussen.
Stand der
Publikationen.
XII
Debit der
Publikationen.
1. Abhandlungen, Band III, Heft 2 : Untersuchung des Bodens
der Umgegend von Berlin, bearbeitet von Dr. E. Läufer
und Dr. F. Wahnschaffe, 283 S.
2. Abhandlungen, Band III, Heft 3: Die Bodenverhältnisse
der Provinz Schleswig-Holstein, von Dr. Ludwig Meyn,
mit Anmerkungen sowie dem Schriftenverzeichnisse und
Lebensabrisse des Verfassers von Dr. G. Berendt, 52 S.
Nebst einer geologischen Uebersichtskarte der Provinz
Schleswig - Holstein im Maassstabe 1:300 000 von Dr.
L. Meyn und einem Bildniss desselben in Lichtdruck.
3. Jahrbuch der Königlich Preussischen geologischen Landes-
Anstalt und Bergakademie zu Berlin für das Jahr 1880.
Gross 8°, CV und 350 S. Nebst X Tafeln.
4. Aus der Flora der Steinkohlenformation von Dr. E. Weiss.
Nach dem vorjährigen Berichte betrug die Zahl der debitirten
Kartenblätter am Schlüsse des Jahres 1880 (S. CV) 8496 Blätter.
Im Jahre 1881 wurden verkauft:
von
Lieferung I, Gegend von
Nordhausen
40 Bl.
»
» II,
» »
J ena ....
38
»
»
» III,
» »
Bleicherode
19
»
»
» IV,
» »
Erfurt ....
21
»
»
V,
» »
Halle ....
10
»
»
» VI,
» »
Saarbrücken
I. Theil . . .
69
»
»
» VII,
» »
II. » ...
63
»
»
» VIII,
» »
Rieche! sdorf .
39
»
»
X,
» »
Saarburg
40
»
»
» XI,
» »
Berlin (Nauen etc.)
4
»
»
» XII,
» »
Naumburg a. S. .
22
»
»
» XIII,
» »
Gera
50
»
»
» XIV,
y> »
Berlin (Oranien-
bürg)
18
y>
»
» XV,
» »
Wiesbaden
111
»
»
» XVII,
» »
Triptis, Neustadt
456
»
»
» XIX,
» »
Querfurt . . .
585
»
so dass im Ganzen im Handel debitirt sind . . .10081 Blätter.
/
XIII
Von Abhandlungen wurden verkauft:
Band I, Heft 1. (Eck, Rüdersdorf) 3 Exempl.
» » » 2. (Schmid, Thüringischer Keuper) . 3 »
» » » 3. (Laspeyres, Rothliegendes von Halle) 3 »
» » » 4. (Meyn, Insel Sylt) 3 »
Band II, » 1. (Weiss, Steinkohlen-Calamarien) . . 6 »
» » »2. (Orth, Rüdersdorf) 2 »
» » » 3. (Berendt, Umgegend Berlins, Nord-
west) 2 »
» » » 4. (Kayser, Devonfauna des Harzes) . 2 »
Band III, » 1. (Weiss, Flora von W ünschendorf ) . 7 »
» » »2. (Läufer und Wahnschaffe, Boden-
untersuchung) 44 »
» » » 3. (Meyn, Schleswig-Holstein) . . .131 »
Von den sonstigen Publikationen wurden verkauft:
Jahrbuch der Anstalt für das Jahr 1880 .... 26 Exempl.
Weiss, Aus der Flora der Steinkohlenformation . .261 »
XIV
2.
Arbeitsplan
für die geologische Landesaufnahme
im Jahre 1882.
I. Harz.
Im Mittelharz wird der Landesgeologe Professor Dr. Lossen
die Aufnahme der Elbingeroder Mulde in den Sectionen Blanken-
burg und Elbingerode und demnächst die Untersuchung der kry-
stallinischen Gresteine westlich des Brockens in der Section Harz-
burg fortsetzen.
Im Westharz wird Bergrath Dr. von Groddeck die Revision
seiner früheren Aufnahmen auf der Grundlage der neuen topo-
graphischen Generalstabskarte fortsetzen.
Sekretär Halfar wird die Abgrenzung der Calceola-Schichten
in der Section Zellerfeld vollenden und seine früheren Arbeiten
im nördlichen Theil dieser Section in Zusammenhang und zum
Abschluss bringen.
Am Nordrande des Harzes wird Professor Dr. Dames die
Section Quedlinburg fertigstellen und die Bearbeitung des nicht
paläozoischen Theiles der Sectionen Blankenburg und Derenburg
beginnen.
Am Westrande des Harzes wird Professor Dr. von Könen
die Bearbeitung der Section Gandersheim, deren Aufnahme bereits
durch den Landesgeologen Dr. Speyer begonnen worden, weiter-
führen.
XV
2. Im nördlichen Thüringen
wird Professor Dr. von Fritsch die Aufnahmen in den Sectioneu
Halle, Gröbers, Kölsa, Merseburg, Kötschau, Weissenfels und
Lützen revidiren.
Geheimer Hofrath Professor Dr. Schmid wird die Section
Dietendorf bearbeiten.
Professor Dr. Bauer wird die Aufnahme der Section Ohrdruf
fortsetzen.
Dr. Bornemann wird die Section Wutha zum Abschluss zu
bringen suchen.
Ingenieur Frantzen wird die Gliederung des unteren Muschel-
kalks innerhalb eines Theiles der Section Berka in ihrer Beziehung
zu der Entwickelung im Meiningen'schen durchzuführen versuchen.
3. Im Thüringer Wald und südlich desselben
wird der Landesgeologe Professor Dr. Weiss die Bearbeitung der
Sectionen Brotterode und Friedrichsroda fortsetzen. Derselbe wird
ferner in Gemeinschaft mit Herrn Professor Dr. von Fritsch
eine vergleichende Untersuchung des Rothliegenden in der Um-
gebung des Granits von Zella und Goldlauter ausführen.
Professor Dr. von Fritsch wird die Aufnahmen der Sectionen
Suhl und Schleusingen und des nordöstlichen Theiles der Section
Schwarza revidiren.
Derselbe wird auf Section Tambach das Gebiet untersuchen,
welches südlich des von Herrn von Seebach bearbeiteten Theiles
der Section liegt, jedoch unter Ausschluss des von der Strasse
von Schnellbach nach Steinbach-Hallenberg gegen Südwesten be-
legenen Flächenraumes, welchen Professor Dr. Bücking bear-
beiten wird.
Professor Dr. Bücking wird nächst der Aufnahme des er-
wähnten Theiles der Section Tambach die Section Schmalkalden
zum Abschluss bringen und, wenn die Zeit es gestattet, den
nördlichen Theil des Gebietes westlich des Schwarza -Thaies auf
Section Schwarza bearbeiten.
XVI
Ingenieur Frantzen wird den südlichen Theil dieses Gebietes
in Section Schwarza untersuchen und die Aufnahme der Section
Dingsleben in Angriff nehmen, wobei er von Norden her be-
ginnen wird.
Dr. Proesciioldt wird die Section Rentwertshausen revidiren
und die Aufnahme der Section Themar zum Abschluss bringen.
Weiter wird derselbe innerhalb der Section Schwarza das
Triasgebiet östlich des Schwarza-Thaies fertig kartiren.
Geheimer Hofrath Professor Dr. Schmid wird die Aufnahme
der Sectionen Crawinkel und Stadt Ilm weiterführen.
Dr. Loretz wird die Bearbeitung der Section Masserberg
Ö Ö
unter Berücksichtigung des Anschlusses an die Sectionen Schleu-
singen und Ilmenau zum Abschluss bringen und demnächst die
Revision der Section Gräfenthal weiterführen. Sofern die Zeit es
gestattet, wird er die Aufnahme der Sectionen Steinach, Oeslau
und Coburg fortsetzen.
Professor Dr. Liebe wird die Aufnahme der Sectionen
Naitschau und Greiz zum Abschluss zu bringen suchen und die
der Sectionen Gefell, Schleiz, Hirschberg und Lobenstein weiter
fördern.
4. In der Provinz Hessen -Nassau
wird Landesgeologe D» Moesta die Blätter Melsungen, Alt-
morschen, Seiffertshausen und Ludwigseck zum Abschluss bringen.
Sofern die Zeit es gestattet, wird er demnächst die Bearbeitung
der Sectionen Cassel und Oberkaufungen in Angriff nehmen.
Professor Dr. Bücking wird die Kartirung der Section Kella
beginnen.
Professor Dr. Bauer wird die Aufnahme der Section Tann
weiterführen.
. Professor Dr. Kayser wird im Taunus die noch erforderliche
Revision einzelner Theile der Sectionen Feldberg und Homburg
ausführen und die Aufnahme der Section Schaumburg im An-
schluss an die Vorarbeiten des Landesgeologen Dr. Koch be-
ginnen.
XVI!
I)r. Angelbis wird die Aufnahme der Sectionen Montabaur
und Girod vollenden und, wenn die Zeit es gestattet, die Tertiär-
und Basaltvorkomxnen in der Section Hadamar bearbeiten.
5. In der Rheinprovinz
wird Landesgeologe Gkebe die Sectionen St. Wendel und Freisen
der bayerischen Grenze entlang revidiren und demnächst die Auf-
nahmearbeiten in dem nördlich der Mosel liegenden Theile des
Regierungsbezirks Trier weiterführen.
6. In der Provinz Schlesien
wird Dr. Dathe die Aufnahmearbeiten in den Sectionen Neurode,
Wünscheiburg und Frankenstein beginnen.
7. Im Aufnahmegebiet des Flachlandes
a) westlich der Elbe
werden Professor Dr. Scholz und Professor Dr. Grüner die
Aufnahme der Sectionen Gardelegen und Schernebeck zum Ab-
schluss bringen und demnächst die Bearbeitung der Sectionen
Stendal, bezw. Tangermünde in Angriff nehmen.
Dr. Klockmann wird die Aufnahme der Section Arneburg
beginnen.
b) in der Umgegend von Berlin
wird Professor Dr. Berendt die im Maassstabe 1 : 100 000 be-
reits ausgeführte Section Biesenthal im Specialkarten -Maassstabe
1 : 25 000 fertigstellen.
Dr. Läufer wird in gleicher Weise die bereits im Maass-
stabe 1 : 100 000 aufgenommene Section Grünthal bearbeiten.
Dr. Waiinschaffe wird die Section Rüdersdorf zum Abschluss
bringen und die in 1 : 100 000 bereits vorliegenden Sectionen Alt-
Landsberg und Werneuchen fertigstellen.
o O
Dr. Keilhack wird die begonnene Section Schönerlinde be-
enden und die in 1 : 100 000 aufgenommene Section Wandlitz im
Specialkartenmaassstab bearbeiten.
XVTII
c) in Westpreussen
wird Dr. Jentzsch die im Vorjahre begonnene Aufnahme der
Section Marienwerder abschliessen und alsdann die anstossende
Section Rothhof fertig zu stellen suchen.
d) in O s t p r e u s s e n
wird Dr. Klees in gleicher Weise Section Süssenberg abschliessen
und das anstossende Blatt Heilsberg bearbeiten.
e) in der Gegend von Halle
wird Dr. Läufer nach Abschluss der Aufnahmen in der Umgegend
Berlins das Diluvial- und Alluvialgebiet im nördlichen Theil der
Sectionen Gerbstädt , Gönnern und Gröbzig einer vergleichenden
Untersuchung und Kartirung im Hinblick auf die bei Berlin aus-
geführten Arbeiten unterziehen.
XIX
3.
Personal - Nachrichten.
Die Bergakademie erlitt am 10. März 1881 durch den Tod
des Professors Albert Rhodius, Docent der höheren Mathematik
und der Markscheide- und Messkunst, einen schweren Verlust.
Die von demselben vorgetragenen Lehrgegenstände sind auf
zwei Lehrkräfte vertheilt worden.
Die mathematischen Vorträge und Uebungen hat Professor
Dr. A. W angerin von der Berliner Universität mit Beginn des
Sommersemesters 1881 übernommen.
Als Docent der Markscheide- und Messkunst ist der Ober-
bergamts-Markscheider A. Schneider, bis dahin bei dem König-
lichen Oberbergamte in Bonn, mit Beginn des Wintersemesters
1881/82 berufen worden.
Bei der geologischen Landesanstalt ist Dr. II. Bücking in
Folge seiner Berufung als ausserordentlicher Professor bei der
Universität Kiel am 1. October 1881 ausgeschieden.
Die Stelle desselben ist dem Dr. E. Dathe von demselben
Zeitpunkt ab verliehen worden.
In der Flachlandsabtheilung sind die Geologen Dr. A. Jentzscii
und Dr. R. Klebs in Königsberg vom 1. April und Dr. C. Iveilhack
in Berlin vom 1. Juni 1881 ab als Hiilfsarbeiter einejetreten.
II.
Wissenschaftliche Mittheilungen.
'
Abhandlungen
von
Mitarbeitern
der König!, geologischen Landesanstalt.
I
Geologische und petrographische Beiträge
zur
Kenntniss des Harzes.
Von Herrn K. A. Lossen in Berlin.
II. lieber den Zusammenhang zwischen Falten,
Spalten und Eruptivgesteinen im Harz l).
Spalten, gleichviel ob erfüllt als (fange oder leer als Klüfte,
sind Ibisse, Sprünge, wie man wohl im gewöhnlichen Lebeh sagt,
während der Bergmann und Geolog das letztere Wort nur da
an wenden , wo zugleich längs der Zerreissung der Gebirgsglieder
eine gleichzeitig oder nachträglich erfolgte Verschiebung des Aus-
einandergerissenen — eine Verwerfung — stattgefunden hat. An
die Erklärung der Entstehung solcher Risse wird man in einem
gefalteten Gebii’ge erst dann herantreten dürfen, nachdem einiger-
massen Klarheit gebracht ist in den gefalteten Schichtenaufbau;
greifen aber in diesen letzteren überdies noch ungeschichtete
Eruptivmassen ein, so wird auch das Verständniss der Art und
Weise ihres Zusammenhanges mit dem geschichteten Gebirgskörper
als Vorbedingung zur Erklärung der Spalten gelten müssen.
Somit kann es nicht Wunder nehmen, dass trotz des früh-
zeitigen Bergbaues im Harze und trotz der demzufolge frühzeitigen
O O ö O
') Nach einer Reihe von dem Autor vor der D. geol. Ges. gehaltenen Vor-
trägen, ergänzt durch einige im Sommer 1881 gewonnene Resultate. Zur besseren
Orientirung für den Leser diene des Autors geognostische U ebersich tskarte vom
Harz (1:100 000) und die auf gleicher topographischer Grundlage (Auhagen’s
Harzkarte) von der geologischen Landesanstalt herausgegebene Höhenschichtenkarte.
1
2
K. A. Lossen, geologische und petrographische
geologischen Würdigung des Gebirges Versuche zur Erklärung
der Entstehung des Harzer Gangspaltennetzes relativ spät auf-
treten. Zwar konnte man nicht wohl übersehen, dass die vorzüg-
lichsten durch den Bergbau bekannt gewordenen Erz - Gänge im
Oberharze und im Unterharze (Neudorf - Strassberger und Harz-
geroder Gänge) im Allgemeinen im Sinne der Gebirgsaxe aus
OSO. nach WNW. und somit quer gegen das in h. 3 angesetzte
Generalstreichen, richtiger gegen die herrschendere südwestnord-
östliche Streichrichtung der Schichten verlaufen. Dabei blieb
aber auch die längste Zeit die Erkenntniss stehen, gleichviel ob
man sich mit den ältesten Forschern die Schichtenmasse mit ge-
meinsamem Streichen und südöstlichem Fallen als Ganzes oder
aber lieber nach Hausmann ’s Anschauung als durch die Diabas-
eruptionen schollenweise zerstückt gehoben vorstellte. Ein Fort-
schritt war erst möglich , nachdem palaeontologische und bei dem
notorischen Versteinerungsmangel in den allermeisten Harzschichten,
namentlich, jenen voraufgehend und folgend, sehr mühsame petro-
graphisch-stratographische Detailuntersuchungen ein reich geglieder-
tes lebendiges Bild an Stelle jenes eintönigen Schiefergebirges mit
der schematischen Generalstreichlinie hatten treten lassen.
Viele haben an diesem Bilde gearbeitet. Lange Zeit be-
schränkte sich die eingehendere Kenntniss der Gebirgsschichten
fast ausschliesslich auf das nordwestliche Drittel des Gebirges, auf
das natürliche Beobachtungsgebiet der Klausthaler Geologen und
des Oberharzer Bergmanns. Zu isolirt lagen weiter östlich die
Arbeitsfelder des bis in hohes Alter emsigen Jasche und des
genialen thatkräftigen J. C. L. Zincken. Später gewann vorzüglich
F. A. Roemer auch dem Unterharze scliätzenswerthe und in ge-
wissem Sinne grundlegende Resultate ab, leider aber wesentlich nur
palaeontologische, deren zu einer geologischen Uebersichtskarte
des Gebirgs versuchte Verwerthung misslingen musste, weil sie
der nur Hand in Hand mit der petrograpliisch - stratographischen
Forschung zu gewinnenden Klarlegung der Schichtengliederung
und des Schichtenaufbaues vorauseilte.
Erst den frühesten Forschungen der geologischen Landesanstalt
blieb, wie der Nachfolger auf E. A. Roemer’s Lehrstuhl ausdrücklich
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
3
anerkannt hat, Vorbehalten vom Ostharze her den Faltenbau des
Gebirges aufzuhellen1). In einer ersten, zu Eude des Jahres2)
1867 von dem Verfasser gegebenen Zusammenfassung der durch
die Arbeiten E. Beyrich’s, R. Stein ’s und die eigenen bis dahin
gewonnenen Einzelerfahrungen zum Gesammtergebniss wurden be-
reits nach Aufzählung der vielfach neu erkannten oder abweichend
von F. A. Roemer geordneten Formationsglieder die Sattelaxe
der Tauner (»liegenden«) Grauwacke im Unterharze und die
drei Muldensysteme dieses Gebirgstheiles, die Süd mul de, die
Ost- oder Selke- Mulde, und die Elbingeroder Mulde,
hervorffehoben und zugleich die l>is dahin geläufige irrige Vor-
Stellung von dem durch den ganzen Harz fast ausnahmslos herr-
schenden südwestnordöstlichen Generalstreichen widerlegt.
Derselbe Aufsatz wies auch bereits dein Di alias und Granit
eine von der Auffassung Hausmann 's wesentlich verschiedene
Rolle zu. Ersterer wurde im Einklang mit den trefflichen localen
Beobachtungen Obebeck ’s 3) aus der Umgebung von Goslar und
Wolfshagen, in seinen einzelnen Varietäten als niveaubeständig
innerhalb der Schichtenreihe, als symmetrisch wiederkehrend in
den einzelnen Sattel- und Muldenflügeln und somit als älter wie
die Schichtenfaltungen und denselben nur passiv eingefügt er-
kannt. Dagegen wurde dem Granit, welcher anfänglich der
Werner sehen Schule als ältestes Formationsglied und Basis für
das ganze Gebirgsgerüst, v. Raumer sodann als Einlagerung zwi-
schen den Schichten, L. v. Buch, Hausmann, Fr. Hoffmann end-
lich als eine dem Schichtenbaue fremde, störend von unten ein-
gedrungene Masse gegolten hatte, damals schon eine activ bei
dem Gebirgsbau mitwirkende Rolle zugewiesen, aber nicht in dem
Sinne der Erhebungstheorie 4). Es wurde vielmehr ausgeführt,
dass die Massive des Granits nach Lage und Umriss die deut-
lichsten Beziehungen zum Verlaufe der Schichten erkennen lassen,
') v. Gp.oddeck, Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuss.
Staat, 1873, Bd. 21, S. 1.
2) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XX, S. 216 ff., vergl. auch Bd. XXI, S. 283.
3) Maja, 1856, S. 50 ff.
4) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XX, S. 224 bis 225, Bd. XXI, S. 328.
1*
4
K. A. Lossen, geologische und petrographische
dergestalt, dass sein Eindringen zwischen die Sedimente in den
bereits im Zug begriffenen Faltungs- und Gebirgsbildungsprocess
formgebend eingegriffen haben müsse.
O o o
Die weitere Entwicklung dieses Gedankens an der Iland der
eigenen Beobachtungen und derjenigen sämmtlicher Vorgänger und
Mitarbeiter führte dann zu dem als Schlüssel für den Bau des
H arzes aufgestellten Satze, dass die einseitig (heteroklin)
zusammengeschobene Falte bei gesteigertem Drucke
in eine dem Streichen nach durchrissene Falte mit auf-
wärts geschobenem Hangenden und diese bei abermali-
ger fortgesetzter Steigerung des Drucks in eine Zer-
spaltung mit aufgepressten Eruptivgesteinen übergehen
könne. Damit war die Grundlage für jene einheitliche
Auffassung von dem inneren Baue des Gebirgs gegeben,
welche zugleich mit diesem Satze ausgesprochen wurde und welche
die Berechtigung gab, nunmehr zur Publication der geognostischen
Uebersichtskarte des Harzes, verbunden mit einer Irlöhenschichten-
karte auf derselben topographischen Grundlage (Auhagen s Harz-
karte 1 : 100 000), vorzuschreiten.
Diese der Deutschen geologischen Gesellschaft zuerst im Früh-
jahre 1876 und wiederholt 1877 auf der Generalversammlung in
Wien von dem Verfasser vorgetragene Theorie x) erklärt: Der
Harz, dieser »eine Berg« des Lasius, das » unzer stückte
Massengebirge« Fr. Hoffmann’s, ist getreu seiner orographi-
schen Gestaltung und seiner geographischen Lage zwischen dem
Rheinisch - Westfälischen Schiefergebirge im Westen und den
Hercynisch - Sudetischen Gebirgen im Süden und Osten, so wie
äusserlich, so auch innerlich ein Gebirgsknoten, in
welchem sich die beiden einseitig von SO. und von SW. her
*) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XXVIII, S. 168. Vergl. auch Sitzungsberichte
der Ges. naturforschend. Freunde z. Berlin, 1881, S. 24 ff., wo der Zusammen-
hang mit den Lothablenkungszahlen erörtert wurde. Zur Orientirung sei dabei
bemerkt, dass die dort mitgetheilten Lothablenkungswerthe seither durch das
geodätische Institut eine kleine Correctur erfahren haben, darum nicht genau mit
den richtigeren Zahlen der Uebersichtskarte stimmen; diese Correctur, die von
der Messungsgrundlage (Seeberg bei Gotha) ausgeht, betrifft die Zahlen in gleichem
Sinne, ändert daher an dem Resultat nichts.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
5
zusammengeschobenen Faltensysteme jener Nachbargebirge kreuzen,
durchdringen und hemmen. In den rechtwinklig aufeinander stehen-
den Hauptdurchmessern1) der Granit -Massive des Brockens und
des Rammbergs kehren die Streichrichtungen der beiden sich
kreuzenden Faltensysteme wieder. Lage und Umriss dieser zwei
Haupt - Granitmassive und ihrer Contacthöfe, verglichen mit dem
Schichtenbaue, weisen2) deutlich darauf hin, dass Brocken und
Rammberg einseitig südost- und südwestwärts geneigt in den
dynamischen Brennpunkten des kreuzweise durcheinander gefalteten
Gebirgsbaues stehen, als in den Maximaldruckregionen einseitig
geneigt in magmatischem Zustande aufgepresste Eruptivmassen. Es
tragen sonach die Granitstöcke auf den einander zugekehrten weniger
steilen Seiten in ihrem Hangenden die durch Druck und Gegen-
druck stark ineinander gepressten, dem Fallen und Streichen nach
gestauten, verbogenen, schliesslich tief aufgeborstenen und dem-
zufolge von Eruptivgängen durchsetzten älteren Schichtgruppen,
umgekehrt sind auf den von einander abgekehrten Steilseiten im
Liegenden jüngere Schichtgruppen niedergedrückt 3).
Aus dem Verständnisse der beiden sich kreuzenden Falten-
systeme und der darin eingezwängten in ihren Druckwirkungen
auf den Schichtenbau sich Widerpart haltenden Granitkerne er-
wuchs wie von selbst die Auffassung, dass die das Gebirge durch-
setzenden Gangspalten als F o 1 g e w i r k un g gehe m m t e r F a 1 1 ung,
beziehungsweise einer dabei bis zur Schichtenzerreissung gesteiger-
ten Spannung zu betrachten sind. Schon 1870 war in den Erläute-
rungen zu der die Südmulde darstellenden ersten Lieferung der
Detailkarten des Harzes4) darauf hingewiesen worden, dass die
]) II auptdurclimesser, weil im Brockenmassiv deutlich ein zweiter kürzerer
Durchmesser zwischen Hasserode und Harzburg hervortritt, welcher in seiner
kercynischen Richtung dem Rammberge entspricht.
2) Unter Berücksichtigung cles weiter unten näher zu besprechenden Um-
stands, dass in der Nordhälfte des Brockenmassivs ein dem Rammberg ver-
gleichbarer hercynischer Antheil sich geltend macht.
3) So ist es wenigstens im Grossen und Ganzen, auf die Zugwirkungen, die
neben den Druckwirkungen nicht fehlen, ist weiter unten hingewiesen.
4) Geol. Specialkarte v. Preussen u. d. Thüring. Staaten. 1. Lief., Text zu
Bl. Benneckenstein, S. 7 ; Bl. Hasselfelde, S. 8.
6
K. A. Lossen, geologische und petrograpbische
ungleiche physikalische Beschaffenheit der in Faltung begriffenen
Massen eine ungleiche Widerstandsfähigkeit und zufolge dessen
eine trotz ursprünglicher gleichartiger Lagerung im Endresultat
bis zur Discordanz gesteigerte ungleiche Art der Fortpflanzung des
Faltungsdruckes verursache. Speciell war die grössere Beweglich-
keit des in sich verschiebbaren und dadurch faltungs- und pres-
sungsfähigeren Schiefersediments gegenüber der grösseren Sprödig-
keit und Steifheit des Grauwacken- und z. Th. auch des Kiesel-
schiefersediments betont worden. Zahlreiche seitliche und geneigte
Ausquetschungen, oder aber Verdrückungen der Schiefer zwischen
den mehr als Ganzes bewegten, gestauten, örtlich über die Schiefer
hinweg geschobenen oder dieselben zusammendrückenden spröden
Massen führten zu dieser Erklärung.
Die fortgesetzte Detailaufnahme gab häufig Veranlassung zur
Anwendung dieser Grundsätze auf bestimmte Theile des Gebirgs.
Insbesondere aber war die in Verdrückung, Ueberschiebung und
Querfaltung bis zur Schichtenzerreissung und -Verwerfung ausge-
drückte Deformirung der SW. — NO. eingesenkten Selkemulde durch
das Auszwängen des NW. — SO. gerichteten Rammberg- Massivs,
sowie überhaupt das Verhält n iss der dieses Massiv umgebenden
Schichten zum Granitkerne Gegenstand der Betrachtung des Ver-
fassers Q. Dabei ergab sich von selbst, dass die jener lediglich
aus dem Schichtenbaue nachgewiesenen grossen Querverwerfungl 2 3)
im Selkethal parallel laufenden altbekannten Unterharzer Erzgänge,
besonders der weithin fortsetzende Neudorf-Strassberger Gangzug,
auf die gleiche Ursache zurückzuführen seien. Als dann die Detail-
untersuchungen des Verfassers in die nordöstliche Umgebung des
Brocken-Massivs vor und damit dem Oberharze näher rückten, damals
galt es die dort von A. v. Groddeck und A. Halfar und die weiter
gegen Harzburg und südöstlich bis Andreasberg und bis über Elend
hinaus durch E. Kayser gewonnenen Resultate mit den Ergebnissen
l) Vergl. Zeitschr. d. D. geol. Ges. 1872 — 1874, Bd. XXIY, S. 177; Bd.
XXVI, S. 376 (wo Z. 17 von oben der Bindestrich zwischen >NW.« und »Ueber-
schiebungen« als sinnstörender Druckfehler zu tilgen ist), Bd. XXVII, S. 448 ff.
3) Siehe die am meisten thalabwärts das Selkethal kreuzende goldene Ver-
werfungslinie in der Uebersichtskarte.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
7
älterer Forscher und den eigenen, vor Allem aber mit den aus dem
Unterharze geschöpften Grundzügen vom Baue und der Gliederung
des Gebirges zu jenem Gesammtbilde zusammenzufassen. Diese
durch freundliches Entgegenkommen seitens der genannten Herren
Mitarbeiter unterstützte Arbeit ist, soweit sie den Zusammenhang-
der Oberharzer mit den Unterharzer Schichten betrifft, ausser in
der seit 1867 begonnenen, jetzt vollendeten Uebersichtskarte in
einem in der Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft
Bd. XXIX, S. 612 — 624 veröffentlichten Artikel dargestellt.
Es lag nahe die am Rammberge gewonnene Anschauung von
der Entstehung der Gang- und Verwerfungsspalten durch die Ein-
wirkung der hercyni sehen Granitaufpressung auf das bereits gefaltete
Schichtgebirge mutatis mutandis auch für eine Erklärung des Ober-
harzer Gangspaltensystems zu verwerthen. Denn es konnte der
Beobachtung nicht entgehen, dass in der grossen als Brockenmassiv
zusammengefassten Eruptivmasse, wie schon Jasche nach seiner
Auffassungsart erkannt hatte und die Entdeckung der dem Bode-
gange entgegenstrebenden Hasseröder granophyrischen Granitapo-
physen bestätigte1), neben dem nordostwärts gegen den Unterharz
streichenden Granitsystem zugleich auch ein hercynisch gerichtetes
gegen Unter- und Oberharz gekehrtes vorhanden ist. So hat sich
denn auch der Verfasser in einem Pfingsten 1876 auf Wunsch des
Herrn Berghauptmanns Ottiliae vor dem Oberbergamtscollegium
in Klausthal gehaltenen und später vor der Deutschen geolo-
gischen Gesellschaft noch eingehender ausgeführten2), ungedruckt
gebliebenen Vortrage kurz dahin ausgesprochen, das einseitige An-
drängen des Granits in der hercynischen Richtung lediglich gegen
die nördliche Hälfte des Oberharzes, wie es sich in der auffälligen
Breite und intensiven Wirkung der Contacterscheinungen abspiegelt
und im Ockerthaler Granit durch die Erosion blosgelegt ist, habe
jene Spannung im Schichtenbaue erzeugt, als deren Ausgleichung
das Oberharzer Gangspaltennetz aufzufassen sei. Wohl auch wurde
im Einzelnen dabei auf die umgebogenen, gebrochenen und längs
0 Zeitschr, d. D. geol. Ges. Bd. XXVIII, S. 405 ff.
2) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XXIX, S. 206.
8
K. A. Lossen, geologische und petrographische
reciproker Spalten verrückten Streichlinien der Schichten in den
beiden Parallelprofilen Ober - Schulenberg - Ocker und Gosethal-
Rammelsberg, auf die Aufstauung und Heraushebung der Unter-
devonschichten bei Ocker, auf das Absinken der Schichten südlich
des Lautenthal - Festenburger Gangzuges zufolge dieses Heraus-
hebens u. a. hingewiesen als Deformirungserscheinungen an dem
ursprünglich in gerader ungebrochener Linie SW. — NO. streichen-
den Devonsattel zwischen dem Innerste- und Ockerthale, hervor-
gerufen durch den quer dagegen andrängenden Granit. Auch
wurde dieses Andrängen nie nach dem durch die Erosion bloss-
gelegten oberen Querschnitte des Gebirges allein beurtheilt, viel-
mehr stets ein unterirdischer Zusammenhang aller Granitmassen
des West-Harzes und speciell des Ockergranits mit dem abweichend
von der Hauptmasse des Brockengranits im Sinne des Rammberg-
Massivs hercynisch erstreckten Granite zwischen Hasserode und
Harzburg vorausgesetzt und das nachweislich relativ jüngere Alter
der hercynischen Faltung gegenüber der nordost- südwest gerich-
teten niederländischen betont. Im klebrigen wurde von einer
detaillirteren Auseinandersetzung Abstand genommen bis dahin, dass
die Fortschritte der Detailkartirung der Gegend zwischen Ilse und
Ocker ein klareres Yerständniss des Verhältnisses des Granits zum
Gabbro und beider zu dem Schichtgebirge mit seinen eingelagerten
alten Eruptivgesteinen gebracht haben würden.
Unterdessen hat v. Groddeck im Spätjahre 1876 (Bd. XXIX
der Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft, S. 442 ft'.),
anknüpfend an seine wichtige Entdeckung der die Schichten ver-
werfenden Keilwasserspalte, eine detaillirtere Theorie von der Ent-
stehung der Oberharzer Gangspalten gegeben. Indem er den durch
sein auffällig gegen NNW. gerichtetes Streichen von den nam-
hafteren Oberharzer Gangspalten abweichenden Gang in die
BoRCHERs’sche Gangkarte eintrug, fiel ihm auf, »dass alle Gänge
des Oberharzes, im grossen Ganzen, strahlenförmig vom oberen Kell-
wasserthal auslaufen. Es tx-eten deutlich 3 Hauptgangstrahlen
hervor. Der südliche Strahl mit einem Generalstreichen in h. 7,
wird von dem Silbernaaler Gang, vereinigter Burgstädter und
Rosenhöfer Zug und dem Schulthaler Zug gebildet. Der östliche
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
9
Strahl ist der neue in h. 12 streichende Gang. Den mittleren
Gang bilden der Lautenthaler Hahnenkleer und der Bockswieser
Festenburger Schulenberger Zug, die einem Generalstreichen in
h. 9 folgen. Der südliche und östliche Strahl laufen von der
Steilen Wand im oberen Kellwasserthale aus, wo Bruchbergquarzit
und Brockengranit zusammenstossen. «
Diese formalen Verhältnisse, zusammengehalten mit dem Um-
stande, dass die Schichten an der Steilen Wand und im Fort-
streichen so auf der ganzen Flucht » an den nordwestlichen Ab-
hängen des Bruchbergs und Brockens« stark zusammengefaltet
sind und unter steilen Winkeln südostwärts fallen, während sich
je mehr gegen NW. von diesen Abhängen, um so mehr eine all-
mäliffe Verflachung der Schichtenfalten einstellt, führten v.Groddeck
zu der Annahme, »dass bei der Hebung des Gebirges der Bruch-
bergquarzit und der Brockengranit sich in der Richtung von SO.
nach NW. bewegten und dabei die vor ihnen liegenden Schichten
zusammenschoben.« Aus der ferneren Annahme, »dass diese Ge-
steinsmassen mit verschiedener Intensität auf die in der Be-
wegungsrichtung vor ihnen liegenden Schichten einwirkten«, wird
alsdann das sternförmige Zerreissen der also zusammengeschobenen
Schichten, »das Ausstrahlen der oberharzer Gangspalten vom oberen
Kellwasserthale aus, wo Bruchbergquarzit und Brockengranit zu-
A b sammenstossen« , nach nebenstehen-
dem Schema hergeleitet. Mein sehr
^ CK ^ t t
verehrter Freund sehliesst seinen Auf-
< — **
£' ß satz mit der Bemerkung, es könne
, ^ meine Ansicht, dass am Harze ein
<_/? und dieselbe Kraft die Schichten über-
einander geschoben und die Granit-
massen emporgepresst habe und dass durch die bei der Granit-
eruption eingetretene Spannung in den Gesteinsschichten die Harzer
Gangspalten aufgerissen seien, mit seiner Theorie anscheinend in
besten Einklang gebracht werden.
In der That ist diese Uebereinstimmung bis zu einem ge-
wissen Grade , aber auch nur bis zu einem gewissen Grade , vor-
handen. Sie besteht darin, dass wir beide für die von meinem
10
K. A. Lossen, geologische und petrograpliische
Freunde so vortrefflich geschilderte einseitig von SO. her zu-
sammengeschobene, in anderen Theilen des Harzes ähnlich wieder-
kehrende Faltung des Oberharzes, eine aus dieser Richtung her
wirkende Kraft annehmen, dass wir beide dem Granit eine Rolle
bei der Faltung zuweisen und dass wir aus den Beobachtungen
auf eine ungleiche Einwirkung auf die nordöstliche und die süd-
östliche Schichtenhälfte des Oberharzes schliessen. Der Unter-
schied in der beiderseits entwickelten Anschauung liegt, sowie mir
scheint, vorzugsweise an der Verschiedenheit des Standpunktes bei
dem Ueberblick über den ganzen Gebirgsbau. Mein um die
Kenntniss des Oberharzes und speciell um die geologische Rolle
seiner Gangspalten als Verwerfer der Schichtenfalten so hoch ver-
dienter Freund, dem seine mannichfaltigen Berufsgeschäfte nicht
gestatten in erster Linie Harzgeologe zu sein, schaut meiner
Meinung: nach die Frage etwas einseitig von dem allzusehr be-
schränkten und scheinbar relativ einfach gebauten Gebirgs-
fragmente des Oberharzes an. Nur so wird es verständlich, dass
seine Theorie ganz absieht von dem einen der beiden Falten-
systeme, die den Gebirgsbau des Harzes beherrschen und von deren
gegenseitigem Altersverhältnisse *), wie ich es z. B. in der Defor-
mirung der mit dem Oberharzer Schichtensysteme gleichgerichteten
Selkemulde durch das jüngere hercynische Rammbergmassiv aus-
gedrückt fand. Nur so kann man ferner die Unbestimmtheit in
der Rolle, die er dem Granit anweist* 2), gerecht beurtheilen. Es
:) Wenn ick 1867 in jener allerersten Mittheilung über die in den Faltenbau
des Harzes umformend eingreifende Graniteindrängung dieses Eindringen der
Granitstöcke als »wesentlich gleichzeitig« bezeichnet habe, so trifft dies ja für die
Eruptionszeit in der Zeit der productiven Steinkohlenformation wesentlich zu.
Den relativen Unterschied ergaben erst spätere Untersuchungen.
2) Das im Frühjahr 1876, allerdings nur sehr summarisch zusammengefasst,
in den Sitzungsberichten der Deutschen geologischen Gesellschaft mitgetheilte
Haupt -Erg ebniss meiner Studien über den Bau des Harzes, in dem das jüngere
Alter des hercynischen Systems, wie es sich schon aus der Deformirung der
Selkemulde und aus dem Bodegange ableiten liess, nicht ausdrücklich erwähnt
und von dem hercynischen Antheil des Brocken-Granitmassivs nicht speciell die
Rede ist, war meinem Pfingsten 1876 überdies von Klausthal abwesenden Freunde
vor der ersten Aufstellung seiner Theorie wohl entgangen und so hat er meine
ihm über die Entstehung der Oberharzer Gangspalten und des Rammeisbergs
zufolge der Einwirkung des Ockerthaler Granits auf den Devonsattel angedeuteten
Mittheilungen missverstanden (vergl. v. Groddeck a. a. 0. S. 447).
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
11
galt ihm eben nur den mechanischen Effect ungleichen Drucks
hervorzuheben, darum wird geradezu gesagt, man könne sich an
Stelle des Brockengranits ebensogut eine gleich grosse Dolomit-
masse denken ; ob der Granit fest oder flüssig1 gewesen sei , das
wird mit vollem Bewusstsein unentschieden gelassen. So wenig
man nun aber den Oberharz als für sich entstanden von dem
übrigen Gebirgsbaue des Harzes getrennt denken kann, so wenig
ist eine solche Selbstbescheidung consequent durchführbar. Denn
obwohl v. Groddeck weder feststellt, ob der Bruchbergquarzit
oder der Granit grösseren Druck ausgeübt habe, noch auch, ob
beide gleichzeitig oder einer nach dem anderen und welcher von
beiden zuletzt gedrückt habe, deutet er doch ausser der lediglich
auf die Faltungsweise der nordwestlich angrenzenden Schichten
basirten schlichten Aussage, der Granit sei bei der Hebung des
Gebirges in der Richtung von SO. nach NW. bewegt worden,
als gewissenhafter Beobachter das Grenzverhältuiss zwischen Quarzit
und Granit an der Ausstrahlungsstelle an. Dabei zeigt sich nun,
dass die Schichtenverwerfung, welche zu der schönen Entdeckung
der auch örtlich durch Aufschürfung als Gang erkannten Kell-
wasserspalte führte, den Quarzit selber verwirft, so dass der Granit
nicht nur, wie v. Groddeck hervorhebt, beiderseits der Spalte
hinter dem Quarzit folgt, sondern auch längs der Bruchlinie öst-
lich der Steilen Wand netten den diese Wand zusammen-
setzenden, quer gegen das Streichen durchbrochenen
Quarzitschichten steht. Damit wird aber der Strahlungspunkt
für diese h. 12 streichende Spalte um die Breite der Steilen
W and gegen S. gerückt und hört, da nach v. Groddeck’s eigner
Angabe der ideal verlängerte Schulenberger Zug überhaupt nicht
in das obere Kellwasserthal hineinläuft, für alle drei Strahlen auf
Strahlungspunkt zu sein. Der südliche und der mittlere Gangzug
v. Groddeck’s laufen vielmehr, wie ein Blick auf die Karte lehrt,
unter etwas verschiedenem Winkel spiesseckig auf die Keil wasser-
spalte zu, ganz wie der Gemkenthaler Zug weiter nördlich: das
Ausstrahlen von einem Punkte ist für mich nicht bewiesen.
Es fordert die Theorie streng' genommen auch gar keine
ö O O
Strahlung, vielmehr wird ein einfacher Querriss EF nach um-
stehendem Schema unter sonst gleichen Umständen stets die ein-
12
K. A. Losskn, geologische und petrographische
fachste Folge des rechtwinklig un-
gleich stark wirkenden Faltungs-
drucks sein , falls sich letzterer
überhaupt im Beissen und nicht
vielmehr im höheren Anschwellen
und convexen Vorbiegen der Falte
gegenüber dem stärkeren Drucke
äussert. Zugleich aber drängt sich
unwillkürlich die der Auffassunarsweise v. Groddeck’s fernliee;ende
Frage auf: hat der Granit als Eruptivgestein längs der Steilen
Wand den Quarzit durchrissen und seitwärts verdrängt oder ist
auch er, wie der Quarzit, verworfen?
Diese Frage, die bei der Zusammenstellung der Harzüber-
sichtskarte Ende 1876 an mich herantrat, weist freilich auf die
Unterliarz-Seite des Brockengranits nach St. Andreasberg hinüber.
Gerade hierbei aber sollte sich die Zugehörigkeit der altehrwürdigen
Bergstadt und ihres Beviers zum Oberharz, beziehungsweise der
untrennbare Zusammenhang zwischen Unter- und Oberharz in
einer ganz überraschenden, für die Weiterentwicklung der Kennt-
niss vom geologischen Bau des Harzes folgenreichen Art erweisen.
Für St. Andreasberg lag damals ausser Hermann Credner's vor-
trefflicher, auf den langjährigen Erfahrungen des Bergraths Strauch
fassender Abhandlung aus den sechziger Jahren Q eine vorläufige,
von Gängen und Büscheln zunächst abstrahirendeKartirung(l : 25000)
voiiE.Kay.ser auf einer nur unvollkommenen topographischen Grund-
lage2) aus dem Sommer 1874 vor, also aus einer Zeit, in der uns die
Kenntniss von der Kellwasserspalte noch fehlte und in der mein
Freund noch viel weniger über meine Vorstellung von dem Verhältnisse
des Granits zu den Schichtfalten näher unterrichtet sein konnte,
als v. Groddec.k zur Zeit der Aufstellung seiner Strahlungstheorie.
Abstossen der Schichten gegen den Granit galt ihm sonach als
ein Durchgreifen des Eruptivgesteins und die Frage nach der
Verwerfung des Granits mitsammt den Schichtgesteinen, welche
sich auch mir hier zum erstenmal im Harze aufdrängte, lag ihm fern.
r) Zeitschr. d. D. geol. Ges. 1865, Bd. XVII, S. 163 ff.
2) Die metrische Aufnahme des Generalstabs fehlte damals noch,
Beiträge zur Kermtniss des Harzes.
13
Als ich nun bei Zusammenstellung der v. GRODDECK’schen
und KAYSER’schen Kartirungsresultate wahrnahm, dass unten im
Oderthaie unter den Hahnen kl eer Klippen die Grauwacken- und
Schiefer-Hornfelsschichten ebenso gegen den gegenüber unter den
Rehberger Klippen hoch aufragenden Granit abstossen, wie jenseits
des Oderteiches der Granit gegen den Quarzit der Steilen Wand,
dass also eine gleichsinnige Verschiebung längs der gerade in s
Oderthal hineinfallenden Verlängerung der Keil wasser-Spalte statt-
habe, da stand das Bild einer grossartigen Spaltenverwerfung
mit einmal klar vor mir. Ich erinnerte mich, dass schon den
Alten das obere Oderthal in seinem geradgestreckten, dem oberen
Kellwassertlial entgegengesetzten Laufe als Spaltenthal gegolten
hat; ich sah die überraschende Harmonie zwischen dem Gebirgs-
relief und der Verwerfung., indem ich die das Hahnenkleer Plateau
um 300 Fuss J) überragende Rehbergswand gleich der Steilen
Wand als den höher stehenden Gebimstheil im Lienenden der
nach der Aufschürfung steil ostwärts einsenkenden Verwerfungs-
spalte erwog; ich maass die Höhendifferenz der unteren Grenze
der beiden dem Granit des Rehbergs, wie des Hahnenklees auf-
ruhenden Grauwackenhornfelsdecken im Betrag von rund 400 Fuss1)
und ich zeichnete die Verwerfungslinie vorläufig in die Karte ein.
Dabei aber fiel mir zugleich sehr auf, dass wenig südlich von
der Stelle, wo die Seitenverschiebungen längs der aus dem Keil-
wasser ins Oderthal in idealer Linie quer durch den Granit ge-
zogenen Spalte auf hören, die Ruschein von St. Andreasberg an-
heben.
Ich zeichnete mir dieselben aus Strauch -Credner’s Grund-
riss 2) in das geologische Bild der Gegend ein und fand, dass sie
sehr spiesseckig gegen die Schichten und circa 00° gegen die
Oder-Spalte3) streichen. Es traf also die bisher geläufige Ansicht,
0 Decimalfuss = 0,37662 Meter.
2) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XVII, Taf. HI.
3) Der Kürze halber werde ich fortab die meiner Ueberzeugung nach aus
dem Keilwasser ins Oderthal übersetzende Spalte die Oderspalte nennen. Es
sprechen hierfür aber auch sachliche Gründe. Einmal kann man nirgends im
Harz den Effect der Spialten-Verwerfung mit einem Blick so sichtlich wahrnehmen
als im Oderthaie; sodann giebt es nur einen Oderfluss im Harz, während die
14
K. A. Lossen, geologische and petrographische
dass Ruschein und Schichten parallel streichen, nicht zu; überdies
erinnerte ich mich der meiner Erfahrung nach meiner Haupt-Quarzit-
Zone angehörigen von F. A. Roemer bekannt gegebenen Unter-
Devon -Fauna von dem Dreijungferngraben und ich kam zum
Schluss, dass Schichten eines relativ so hohen Niveaus der Tauner
Grauwacke des Sagemühlenbergs nur zufolge einer Verwerfung
so nahe kommen könnten. Fs befestigte sich in mir die Vorstellung,
die Ruschein möchten einen längs der nördlichen Neufanger Ruschei
normal eingesunkenen und längs der südlichen Fdelleuter Ruschei
durch eine Ueberschiebung begrenzten Gebirgskeil einschliessen, und
ich war sehr befriedigt, aus Urei »neu s sorgfältigen Aufzeichnungen
der langjährigen Erfahrungen Strauch s zu ersehen, dass der Treff-
punkt der den Keil einschliessenden Ruscheln gegen W. wohl be-
kannt, gegen O. dagegen mindestens fraglich sei* 2); ich schloss
daraus, die Ruscheln möchten gegen O., d. h. gegen die Oder-
spalte, sich überhaupt nicht vereinigen.
Im Herbste 1879 ging ich auf einige Tage nach St. Andreas-
berg, um selbst an Ort und Stelle die bei der Ausarbeitung der
Harzübersichtskarte gewonnene und in Vorträgen vor der Deutschen
geologischen Gesellschaft vertretene Auffassung zu prüfen. Eei
der Begehung des zum nicht geringsten Tlieile aus Schiefer- und
Kalkhornfelsen bestehenden Gebietes kam mir die Erfahrung vom
Rammberge her trefflich zu statten. Sofort am ersten Tage konnte
ich an zwei Stellen die Verwerfung der Schichten längs der Neu-
fanger Ruschei feststellen: einmal in den Feldern nördlich des
Schachtes der Grube Katharina Neufang, wo der Hauptquarzit
südlich der Ruschei bis auf ganz geringen Abstand an die Tauner
Grauwacke nördlich der Ruschei herantritt; sodann im Sperren-
thale, wo die Schichten oberhalb und unterhalb der hier das Thal
durchquerenden und im Lettenstollen abgebauten Ruschei im Bach-
bette und in den Thalgehängen deutlich anstehen, so dass sich
Bezeichnung Kellwasser nur allzu häufig wiederkehrt, wie denn z. B. gerade in
der Nähe der südlichen Endigung der von Norden her aus dem Kellwasser ins
Oderthal herüberstreichenden Verwerfungsspalte ein zweites Kellwasser in die
Oder einmündet; ein drittes tliesst vom Schneeloch her in die Ilse.
J) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XX1N, S. 614 — 615.
2) a. a. 0. S. 185.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
15
das Abstossen der beiderseits abweichend (in h. 2'ä/^ nnd h. 4 1/2)
orientirten Streichlinien an der Ruschei direct beobachten lässt.
Mit Freund Kayser, der nun von Sieber herüberkam und alsbald
meiner Auffassung beitrat, konnte ich westwärts bis zum Treff-
punkte der Grenzruscheln noch eine ganze Reihe bestätigender Beob-
achtungen machen. Ostwärts dagegen verloren wir bald die Spur
der Neufanger Ruschei und konnten uns ebensowenig von der
idealen Ergänzung Strauch ’s bis zu einem Treffpunkte im Oder-
thaie überzeugen. Dagegen richtete ich die Aufmerksamkeit auf
den Wenn sglückter (Gideoner) Gang, der nach der Mittheilung
Credner’s1) durch Mächtigkeit, Nebengesteins-Füllung nnd Hohl-
räume ein so ganz abweichendes Verhalten von allen dortigen
Silbererzgängen zeigt und als östlichster Gang nach heutiger
Erfahrung eher als Ostgrenze der reichen Edelgänge gelten darf, als
jene ideale, wie mir scheint, der Symmetrie halber in der Fortsetzung
der nachgewiesenen Neufanger Ruschei ersonnenen Bogenlinie bis
zum Oderthaie, der immerhin einzelne verruschelte Stellen im
Gebirge als hypothetische Anhaltspunkte gedient haben mögen.
Damit war eine neue Grundlage gegeben für eine eingehen-
dere geologische Untersuchung des St. Andreasberger Gangreviers
im Zusammenhänge mit der Kartirung der ganzen Gegend. War
die von Hrm. Credner vertretene Auffassung2) von der Entstehung
der Ruschein im Gefolge der Diabas - Eruption von dem Augen-
blicke an hinfällig, da der Diabas von dem Verfasser als all-
gemein vor der Faltung des Gebirges in bestimmten Horizonten
zwischen den Schichten desselben eingeschaltet uachgewieseu
war, so trat mit dem Nachweise der Verschiebungen auch der
Di ab asmassen längs der Ruscheispalten das Bildungsgesetz der
letzteren in den Rahmen des Entstehungsgesetzes der Harzer
Ueberschiebungen oder Verwerfungen schlechthin ein. Ruschein
o o
sind wohl niemals offene Spalten gewesen, welche, wie Credner
annahm, durch einfallende Gesteinswände gefüllt wurden, sie sind
vielmehr eine Verrusehelung d. h. Zerdrückung der Schichten längs
parallel oder sehr spiesseckig zu den Falten verlaufenden Gleit-
J) a. a. 0. S. 197.
2) a. a. 0. S. 230.
16
K. A. Lossen, geologische und petrographische
flächen, liervorgegangen aus reinen Falten Verwerfungen oder ans
einem windschiefen Verbiegen, beziehungweise Ueberbiegen schief
gedrückter oder gedrehter Falten. Also gilt es nunmehr aus dem
Faltungsprocesse und dem Eingreifen des Granits in denselben
die Bildung der Kuscheln darzuthun.
Auch in den Profilen des Oderthaies und längs des Rehberger
Grabens, die ich im verflossenen Frühjahre noch ein zweitesmal
auf anderthalb Tage besucht habe, konnte ich den ersten Beob-
achtungen Kaysers manches hinzufügen, was meine Deutung der-
selben im Sinne der aus dem Keilwasser ins Oderthal fortsetzen-
den Spaltenverwerfung bekräftigte. Dreierlei sei daraus angeführt:
Geht man vom Grabenhause am Graben entlang nach dem Oder-
teiche hin zu, so gelangt man bald aus den Hornfelsen der Tauner
Grauwacke in den Granit, doch so, dass man bis jenseits der be-
rühmten Rehberger Klippen die Unterkante der Grauwackendecke
nicht allzu hoch, höchstens 100 Fuss, meist aber in geringerem Ab-
stande zur Linken über sich hat. Untersucht man das Gestein ge-
nauer, so bemerkt man bald, dass es auf diese ganze Erstreckung
zur porphyrartigen Structur hinneigt, einmal wurden sogar Stücke
mit der für abnorm erstarrten Granit oft so charakteristischen
Granophyrstructur gefunden. Erst in weiterer Entfernung gegen
N., wo die untere Grenze der Grauwacke mehr in die Höhe rückt,
folgt am Graben ein gleichmässig körniger Normalgranit: es ist
also jene abweichende der Porphyrstruetur angenäherte Ausbildung
an die ursprüngliche, durch die Grauwacke vor der Erosion hier
bewahrte Erstarrungsrinde des Granits gebunden, ln dem Steil-
absturze der Rehbergswand zwischen dem Graben und dem Oder-
thaie steht der normale Granit an, jenseits des Flusses und der
unter dem Thalschutte herstreichenden Verwerfungslinie dagegen
kehrt da, wo sich in der Tiefe der Granit neben der Fahrstrasse
unter dem Grauwackenhornfels hervorhebt, die porphyrartige Structur
des Gesteins wieder und so kann man die Verwerfung des Granits
direct aus der Verrückung seiner Erstarrungsrinde nachweisen.
Auch die kleinen von unten in die Grauwackenhornfeldsdecke
verzweigten Granitapophysen, denen seit F. Hoffmann's meister-
hafter Beschreibung der Rehberger Graben seine Anziehungskraft
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
17
verdankt, so sehr, dass das Auge von der viel grossartigeren Er-
scheinung der Spaltenverwerfung abgelenkt worden ist, finden sich
in der Tiefe des Oderthaies wieder. Es giebt daselbst unmittel-
bar nördlich der zweiten oberhalb des Andreasberger Rinderstall’s
gelegenen Oderbrücke eine mir durch Kayser’s Kartirung be-
kannt gewordene Stelle, welche besondere Aufmerksamkeit ver-
dient, weil auf kurze Erstreckung die Grauwacken vom Hahnen-
klee herüber auf das andei’e Oderufer übertreten, so dass hier der
Fuss der Rehbergswand eine niedrige Vorlage von Grauwacke be-
sitzt. Hier fand ich im Bette der Oder selbst, da wo der Fluss über
die Grauwackenklippen rauscht , 400 Fuss Q unter den Rehberger
Klippen, die kleinen Granitgänge in der Grauwacke wieder.
Der Zweck, der mich an diese Stelle geführt, war indessen
ein anderer. Ich hoffte hier, wo die Verwerfungsspalte nicht unter
dem Thalschutte liegen kann, sondern zwischen jener Grauwacken-
vorlage und der Granitwand des Rehbergs hindurchstreichen muss,
Ganggestein als directen Beweis für ihr Vorhandensein zu finden.
Das Resultat war indessen trotz zweier sehr mühsamer Klettertouren
an den steilen, mit Granitblockwerk überrollten und mit dichtem Un-
terholze bewachsenen Gehängen leider ein ungünstiges. Nur einen
Brocken quarzigen Ganggesteins fand ich an der übrigens durch
Wasserreichthum ausgezeichneten unteren Contactstelle von Granit
und Grauwacke. Günstigere Resultate erzielte ich in der Auf-
suchung von Ganggestein in der Umgebung des Oderteiches.
Hier konnte ich Freund Kayser alsbald eine Anzahl durch Quarz-
blöcke, z. Th. mit Manganerzeinwachsungen, ausgezeichnete Stellen
namhaft machen, die zur näheren Festlegung des Verlaufs der
Gangspalte, da wo sie beiderseits von Granit begrenzt wird, dienen
konnten. Die auffälligste dieser Stellen, welche Niemand über-
sehen kann, ist in der Serpentine, mit der die Oderthalstrasse vom
Oderteiche zum Thal niedersteigt. Ebenso leicht zu finden ist eine
zweite, ausser durch manganerzführende Gangquarze durch Nässe
und Eisenocherbildung ausgezeichnete Stelle nahe der SO. -Ecke
des Teiches in dem nach Oderbrück führenden Fusswege. Ganz
Decimalfuss = 0,37662 Meter.
2
K. A. Lossen, geologische und petrographische
dieselben Gangquarze fand ich bei dem Grabenhause aufgestapelt
und erfuhr durch Nachfragen von dem Grabensteiger Hipperling,
dass sie 1866 bei dem Ablassen des Oderteiches in grosser An-
zahl aus dem Teichgrunde gewonnen worden seien. So forschte
ich denn auch nicht vergebens auf der Westseite der Nordhälfte
des Teiches nach solchen Blöcken zwischen dem z. Th. auch hier
in porphyrartiger Structur ausgebildeten Granitblock werk. Wenn
man weithin im anstehenden Granit, wie z. B. im Profile längs
des Rehberger Grabens, keine Spur von einem Quarzgange gefunden
hat und dann mit einmal auf so auffällige Blockanhäufungen stösst,
kann man nicht daran zweifeln, dass sie einem durchsetzenden Gange
ihr Dasein verdanken. Die Füllung der Gänge ist dabei für den
Geologen, der zunächst die Entstehung des Spaltennetzes im
Zusammenhänge mit der Gebirgsfaltung und Hervorpressung der
Eruptivgesteine verfolgt, erst von secundärer Bedeutung; dass aber
auch Bergbau umging in der Nachbarschaft der Oderspalte, dafür habe
ich in 3 alten, im östlichen Ufer der Oder im Forstorte Dietrichs-
thal zwischen dem Hahnenklee und dem Rinderstalle angesetzten
Stölln und zugehörigen Pingen Belege gefunden. Die meines
Wissens bisher nirgends in der Harzliteratur oder auf mir zugäng-
lichen Karten und Rissen erwähnten Baue dienten zur Auf-
schliessung von vorzugsweise Quarz, Eisenglanz, Kalkspath und
Kupferkies führenden, von der Endigung der Hauptspalte seitwärts
ablaufenden Gangtrümern, welche ich in h. 8 gegen OSO. bis
zu den Dreekthälern hinüber verfolgen konnte, also bis in die
Nähe des zwischen dem Rinderstalle und dem Ostende der Edel-
leuter Ruschei beiderseits der Oder bekannten Gangsystems.
Damit schloss ich meine durch die Ausarbeitung der Harz-
übersichtskarte bedingte Recognoscirung des Oderthaies und des
St. Andreasberger Gangreviers ab, indem die weitere Aufhellung
des geologischen Zusammenhanges der Oderspalte und der südlich
davon folgenden Gänge mit den Ruschein selbstverständlich nur
von der meinem Collegen Kayser anvertrauten geologischen
Detailaufnahme der ganzen Gegend erwartet werden durfte ’).
J) Vergl. E. Kayser’s Abhandlung in diesem Bande dieses Jahrbuches.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
19
Welches aber auch das Resultat dieser eingehenderen Unter-
suchungen sein wird, wie immer dieselben mit den vom Oberharze
her gegen den Bruchberg hin fortgesetzten sich die Hand reichen
mögen zur Vervollständigung und zum besseren Verständnisse der
Entstehung des Gangspaltennetzes im Westharze, stets wird die
nur durch die vereinigte Forschung der Harzgeologen nach Richtung
und Wirkung ermittelte mindestens 14 Kilom. lange Oder- Spalte
eine normgebende Linie ersten Ranges im Spalten- und Falten-
systeme des Harzes bleiben müssen und darum mag es meinem
Freunde v. Groddeck, der mit der Entdeckung des Nord-
endes »die sei' Verwerfüngsspalte mir den Hebel zur Bewältigung
des Problems darreichte, immerhin zur aufrichtigen Freude ge-
reichen, dass ich ihm seinen Strahlungspunkt von der Steilen Wand
südwärts bis zu den Andreasberger Ruschein gerückt habe. Denn
es wird wohl allseitig gern zugestanden werden, dass der Kraft,
welche den Granit und das ihm aufruhende Schichtgebirge ein-
schliesslich der obersten Culmschichten durchgespalten hat, eine
Hauptrolle im Gebirgsbildungsprocesse zufallen müsse.
Wie aber lässt sich diese Kraftäusserung mit dem Satze, dass
im Harze ein und dieselbe Kraft die Schichten übereinandergeschoben
und die Granitmassen emporgepresst habe und dass durch die bei
der Graniteruption eingetretene Spannung die Harzer Gangspalten
aufgerissen seien, in Einklang bringen? Ich glaube nicht im Sinne
des durch v. Groddeck für die Ausstrahlung; der Gänge von einem
Punkte geltend gemachten, meines Erachtens allzuscharf formulirten
Satzes1): »Hängt die Spaltenbildung mit der Faltung genetisch zu-
sammen, so lässt sich das nur durch einen bei der Faltung senkrecht
gegen die Streichungsrichtung, nicht überall gleich stark wirkenden
Druck erklären.« Denn, wenn wir uns nun den Ausstrahlungspunkt
bis zu den Ruschein von St. Andreasberg nach S. gerückt vorstellen,
so giebt der Verlauf der südostwärts noch weiter zurückliegenden
Massen, der Diabase und der Tauner Grauwacke in der Gegend
von Oderhaus u. s. w., uns gar keinen Anhaltspunkt für einen
solchen von SO. her rechtwinklig aber ungleich wirksam gewesenen
F altungsdruck.
Die Lehre von den Lagerstätten der Erze, 1879, S. 316.
2
20
K. A. Lossen, geologische und petrographisclie
Die Gangspalten im Harze verlaufen überhaupt, vielleicht mit
ganz geringfügigen Ausnahmen, sammt und sonders nicht quer-
s cli 1 ägig, sondern spiess eckig zu den Streichen der Schichten;
solche spiesseckigen Brüche hängen aber nicht so sehr von einem
»bei der Faltung« senkrecht, aber ungleich gegen das
Streichen der Schichten wirkenden Drucke, als vielmehr von einem
solchen ab, der schief gegen schon mehr weniger gefaltete
Schichten wirkt; sie sind meist die Ausgleichungen einer Span-
nung, hervorgerufen durch Druck oder Zug, welcher die gefalteten
Schichten ihrer Streichlinie nach umzubiegen oder zu knicken und
zu falten bestrebt ist. .
In der meinerseits schon 1867 (vergl. oben) ganz bestimmt
formulirten Auffassung, dass die Graniteruption in das bereits in
Faltung begriffene Gebirge, die Faltung vollendend, umformend
und unterbrechend eingegriffen habe, liegt ebenso, wie in der
eingangs erwähnten, 1870 in den Texten zu der ersten Lieferung
der Specialkarte des Gebirges gegebenen Darlegung von der ver-
schiedenen Nachgiebigkeit der Gesteine gegen den Faltungsdruck
je nach ihrer grösseren Steifigkeit oder aber Faltungs- und Pressungs-
fähigkeit, ein leicht verständlicher Hinweis auf die Herkunft eines
solchen schief zu der ursprünglichen Faltungswirkung wirkenden
Druckes oder Zuges. In der aus der deformirten, quer gegen die
ursprüngliche Muldenlinie gefalteten, rückwärts gestauten und durch-
rissenen Selkemulde vorzüglich abgeleiteten und auch sonst vom
Harze und anderwärts her best beglaubigten Theorie von dem jün-
geren Alter der liercynischen Faltung gegenüber dem im Harze
herrschenden niederländischen Faltensysteme ist aber ein noch viel
ausgesprochenerer Hinweis darauf gegeben. Am Unterharze kann
man sehr deutlich allerwärts den Zusammenhang zwischen
dem Streichen und dem Fallen nach windschief gebo-
genen Falten und spiesseckigen Spalten nachweisen.
Wenn der Nachweis eines solchen Zusammenhanges vom
Oberharze her trotz der dort die Forschung begünstigenden unter-
irdischen Aufschlüsse noch nicht versucht worden zii sein scheint
— ich finde in v. Groddeck’s vortrefflicher Lagerstättenlehre zum
wenigsten darüber nichts — , so mag das z. Th. an der Monotonie
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
21
des Culms, z. Th. aber daran liegen, dass man dort die Theorie
vom Gebirgsbaue mit Vorliebe nach dem Baue der Alpen be-
misst1). Es ist ja nur zu begreiflich, dass die grossartige
Heim’ sehe Leistung, die übrigens nach dem Satze »viel Feind,
viel Ehr« auch in manchem Punkte lebhaft bekämpft wird, die
wohlverdiente Beachtung findet, und gern spreche ich hier dankbar
aus, dass dies Buch, wie Suess’ Meisterwerk über die Alpen und
auch die Discussion mit den Klausthaler Freunden in mancher
Hinsicht klärend auf meine von Haus aus mir eigene Theorie
über den Bau des Harzes eingewirkt hat. Aber »eines schickt
sich nicht für alle« : der Harz ist nun einmal kein Kettengebirge,
sondern ein als Gebirgsknoten nachgewiesenes wind-
schiefes, elliptisches Massengebirge mit ausgepresstem
Eruptivmagma in den dynamischen Brennpunkten,
eine Gebirgsform , die in Heim s Eintheilung der Gebirge nicht
vorkommt2); Ueberschiebungen von verschiedenen Seiten her, von
Heim kaum gefunden3), sind im Harze recht häufig; in ihm herrschen
Schiefer und Grauwacken, Diabas und Granit, nicht aber Kalksteine
vor; da, wo diese letzteren aber einmal local herrschen, wie in der
Gegend von Elbingerode, ist zufolge ihres spröden Materials die
ungleichförmige Lagerung, d. h. wie ich letzten Sommer nachge-
wiesen habe, spiesseckige Schichtenverwerfung4) ganz allgemein.
Wenn in dem von Heim bearbeiteten Antheile der Alpen thatsächlich
wesentlich nur Falten, Spalten aber nur höchstens ganz untergeordnet
*) Yergl. die Citate aus Heim in v. Groddecis’s Lagerstättenlehre, S. 24 und
315, sowie in G. Köhler’ s u. F. Wunderlich’s neueren lehrreichen Schriften.
2) Untersuchungen über den Mechanismus der Gebirgsbildung, Bd. II, S. 220
erklärt A. Heim »die sogenannten Gebirgsknoten« gradezu als »nur durch die
Erosion modellirte Gestalten, die nicht in der Faltung der Erde begründet sind«;
den Harz speciell kennt Heim so wenig, dass er denselben (a. a. 0. S. 208) mit
dem Wesergebirge in ein gegen NW. abgeschwächt gefaltetes Kettengebirge
zusammenzieht.
3) a. a. 0. S. 221.
4) In die Ueber sichtskarte konnten diese Discordanzen noch nicht als Ver-
werfungslinien eingetragen werden, wie denn deren auch in der ersten Lieferung
des detaillirten Harzkartenwerkes manche fehlen und es überhaupt misslich ist,
dass wir in unseren geologischen Karten bislang vorzugsweise nur die Spalten,
nicht aber die Falten Verwerfungslinien deutlich hervortreten lassen.
22
K. A. Lossen, geologische und petrographische
zu finden sind, was Angesichts der Grossartigkeit der Dislocat-ionen
und Presslings Wirkungen vielleicht doch noch der Bestätigung be-
darf, so passt er zum Vergleich mit dem Harze jedenfalls nur in
beschränkter Weise. Wenn man daher am Oberharze bereits dahin
gelangt ist, Diabase als bis zu einem gewissen Grade plastisch
gemacht J) anzusehen und selbst der Bammelsberger Erzcoloss als
im festen Zustande gefältelt und bis zum Lettenbesteg im Mittel-
schenkel verquetscht* 2) erachtet wird, so will ich jetzt und an dieser
Stelle die Berechtigung zu solchen Vorstellungen, so wenig wie
die ganze HEiM’sche Theorie discutiren. Die Theorie vom Baue
des Harzes ist auf Harzer Boden seit 1867, also vor der erst 1878
x) F. Wunderlich, Beitrag zur Kenntniss der Kieselschiefer u. s. w. , S. 9.
Wenn ich mich hier abgeneigt zeige, eine solche einfach theoretisch gefolgerte
Plasticität alter Eruptivgesteine entgegenzunehmen, so geschieht dies mit dem
Hinweise darauf, dass gerade die genaue Untersuchung solcher nach primärer
Structur und primärem Mineralbestande wohlbekannter Massen uns einen Grad-
messer für die Richtigkeit der Theorie giebt; in welcher Weise die Diabase im
Harz unter Ausbildung secundärer Mineralien als metamorphische Eruptivgesteine
Druckschieferung angenommen haben, habe ich mehrfach gezeigt (vergl. Zeitschr.
d. D. geol. Ges. 1872, Bd. XXIV, S. 706 — 707 in Anm. *) und S. 763; Sitzungsber.
d. Ges. naturf. Freunde in Berlin, März 1878); vergl. auch den Text zu BlattWippra.
2) Erfreut, dass die von mir 1876 auf Grund eigener Untersuchungen unter
und über Tag den bisherigen Anschauungen entgegengestellte Auffassung über
Stellung der Erzlagerstätte im Gebirgsplan und Genesis derselben eine so rege
Betheiligung der Fachgenossen (vergl. A. Stelzner’s Brief an K. A. Lossen in
Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XXXII, S. 809 und G. Köhler, die Störungen des
Rammeisberger Erzlagers bei Goslar in Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinen-
Wesen XXX, Heft 1) an der Untersuchung des Rammeisberges hervorgerufen
hat, kann ich doch an dieser Stelle nicht in die Discussion der complicirten Frage
eintreten. Es sei daher hier nur constatirt, dass Stelzner wie Köhler der von
mir gegebenen Deutung der sogenannten WiMMER’schen Leitschicht im Liegenden
der Lagerstätte als Ruschei beitreten und dass auch der Zusammenhang zwischen
flacher Lagerung und steilstehender Transversalschieferung jenseits der Ruschei
mit der steilstehenden, der Schieferung wesentlich confonnen Schichtung diesseits
von Köhler ganz in meinem Sinne aufgefasst wird. Auch die von mir nach den
Schichtenbiegungen über Tag und den Rissen Wimmer ’s angedeutete Verbindung
des alten und des neuen Lagers im Sinne einer Falte im Streichen kehrt (a. a. 0.
Texttafel b, Fig. 3) bei Köhler wieder. Kurz, die Grundlinien für die durch
Wimmer’s Deutung des sogen, hangenden Trums angeregte Auffassung der Lager-
stättenform sind, wie mir scheint, nahezu die gleichen, nur in der genetischen
Deutung liegt die Differenz (vergl. unten).
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
23
gegebenen theoretischen Darlegung Heim ’s, langsam aber stetig
gewachsen. Dass sie sich in dem einen ihrer Grundprincipien,
dem Uebergange einseitig zusammengeschobener Falten in Falten-
verwerfungen (Wechsel) mit aufgepresstem Hangenden, mit Heim’s
Theorie begegnet, kann für mich nur einen Grund mehr abgeben,
auf dem Boden der eigenen Beobachtungen zu bleiben, wie denn
ja auch mein hochverehrter Freund v. Groddeck seine Gangtheorie
(1876) vor der Publication I I ei m s und vom Harze, allerdings ein-
seitig vom Oberharze her, entwickelt hat.
Um gerecht zu sein, muss ich nun anerkennen, dass der Ober-
harz im Bruchberge und Acker ein kleines Kettengebirge für sich
ganz allein besitzt. Dass die Gangtheorie v. Groddeck ’s unter
Vorzugs weiser Berücksichtigung dieser Kette entstanden ist, hat
ihr das Gepräge des nur aus einer Himmelsrichtung her recht-
winklig, aber ungleich stark wirkenden Massenschubs aufgedrückt.
Wäre mein Freund von seiner Auseinandersetzung über das Ver-
halten der Ganglinien zu dem Kalkmassiv des Ibergs in erster
Linie ausgegangen, er wäre vielleicht zu einem ganz anderen End-
resultate gelangt. Hier ist das Gangnetz so zersplittert, dass das
»Generalstreichen«, der Fluch aller darauf basirten geologischen
und besonders aller Gangtheorieen, ganz verloren geht. Aber auch
sonst ist im ganzen Oberharze lange nicht soviel Generalstreichen
vorhanden, wie es auf den ersten flüchtigen Blick scheint. Die starke
Zusammenpressung der Schichten im SO. bedingt ja allerdings im
Allgemeinen eine viel grössere Geradlinigkeit der Streichen, als in
den meisten Tlieilen des Unterharzes, das erleichtert aber nicht
sowohl die klare Erkenntniss des Schichtenbaues, im Gegentheil
erschwert es dieselbe. Bei seiner seit 1876 sehr vorgeschrittenen,
ebenso mühevollen, als verdienstlichen Detailgliederung und -Kar-
tirung der Oberharzer Culmformation wird das meinem Freunde
so wenig entgangen sein, als der Umstand, dass auch in der Fall-
linie durch Faltenverwerfungen bedingte complicirtere Verhältnisse,
als die in seinem Profile durch den Oberharzer Grünsteinzug ge-
zeichneten ]) vorhanden sind. Auch der Bruchberg, an welchem
) Zeitsehr. d. D. geol. Ges. 1876, Bd. XXVIII, S. 366.
24
K. A. Lossen, geologische und petrographische
ich solche »Wechsel«, d. h. in der Streichlinie oder nahezu in
derselben verlaufende Störungen mit Aufschiebung des Hangenden,
als an dem grossartigsten Beispiele unseres Gebirges, für den Ober-
harz zuerst zu erläutern suchte x), ist nicht so nach der Schnur ge-
richtet, wie man den Worten v. Groddeck’s »das parallele Streichen
(h. 3 — 5) und gleichgerichtete steile Einfallen (ca. 60 — 70° SO.)
sämmtlicher Schichten zwischen Osterode und Harzburg, welches
auch durch die Ockerthaler Granitpartie nicht wesentlich geändert
wird« * 2) entnehmen könnte. Gerade ihn haben die älteren Harz-
geologen, die doch gewiss dem Generalstreichen huldigten, wegen
seiner »in h. 2 streichenden«, in »mehrerer Rücksicht als ein be-
sonderes Lagerungsganze« zu betrachtenden, »z. Th. diagonal gegen
die umgebenden Schieferschichten gerichteten und nur theilweise
der Schichtung des Grauwacken-Thonschiefergebirges conformen« 3)
Massen besonders hervorgehoben. In der That ist der mehr nord-
wärts gerichtete Stauungsknick in der Axe der Quarzitkette zwischen
Acker und Bruchberg auffällig genug, um so auffälliger, als eine
Depression der Höhe damit verbunden ist und der fast h. 12 strei-
chende Schatzkammerzug bei Altenau verlängert darauf trifft.
E. Kayser, dessen Aufmerksamkeit ich auf diese Unregelmässigkeit
im Baue des Bruchberges lenkte, hat durch seine überraschenden
Resultate gezeigt 4), wie lohnend es sein kann, Knickungen in der
Streichlinie zu beachten.
Viel auffälliger noch sind indessen im nördlichen Oberharze die
oben schon (S. 7 u. 8) theilweise als Deformirung des Devonsattels
daselbst bezeiehneten , aber auch in den Culmschichten bemerk-
lichen Abweichungen der Streichlinien: am Tillyberge bei Riechen-
berg zwischen Langelsheim und Goslar und vom Rammeisberge
bis in’s Eckerthal oberhalb der Rabenklippe misst man auf Schritt
und Tritt Streichen in Stunde 2, 1, 12, 11, 10, 9, 8, 7, 6 oder
B Zeitschr. d. D. geol. Ges., Bd. XXIX, S. 620 ff, vergl. auch v. Groddeck,
ibid. S. 444 und A. Halfar, ibid. Bd. XXXIII, S. 350.
2) Zeitschr. d. D. geol. Ges., Bd. XXIX, S. 440.
3) Zimmermann, Harzgebirge, S. 81 u. 117.
4) Vergl. Zeitschr. d. D. geol. Ges. 1881, Protocoll der April- und der
November -Sitzung, über die »Ackerspalte«, sowie den Aufsatz des genannten
Autors in diesem Bande des Jahrbuchs.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
25
eine in solchen Stunden gerichtete, die Streichlinien schneidende
Transversstructur , d. h. Pressungsstructur. Was ich gegenüber
dein trügerischen Generalstreichen seit 1867 für den Unterharz
geltend gemacht habe, gilt auch hier. Dieselbe Tendenz einer
gegen 0. convexen Umstauung des herrschenden nieder-
ländischen Falten Systems in das her cyni sehe, welche in
der Selkemulde, in der Elbingeroder Mulde bei Hüttenrode wie
auf der Ostseite des Brockens, kurz überall gegen den Nordrand
des Gebirges hinzu sich geltend macht, kehrt auch hier mit
charakteristischen Schichtbrüchen verknüpft deutlich wieder.
Am reinsten aber tritt diese gegen Ost gespannte Bogenlinie
als Ausdruck der aus der älteren Richtung in die jüngere über-
gegangenen Druckwirkung im Ostrande des Brockenmassivs aus
dem Grundplane des Gebirges hervor. Die tektonische Bedeu-
tung der Oder-Spalte spricht sich nun darin deutlich
aus, dass ihre von allen weithin fortsetzenden1) Gängen
des Oberharzes abweichende nordnordwestliche Rich-
tung der Sehne oder Drehungsaxe zu diesem Bogen
entspricht und ebenso ihre östliche Fallrichtung der
Spannung dieses Bogens: Die Zerspaltung des im Sinne
des niederländischen Faltungssyste m s aufgepressten
Granits von St. Andreasberg ist sonach als Folge des
Wechsels der Faltungsrichtung im Sinne des hereyni-
schen Systems aufzufassen, wobei sich das östliche Einfallen
der Spalte als Resultirende aus der nordwestlichen Druckrichtung des
niederländischen Systems und der südwestlich gekehrten Rückstau-
richtung des im oberen Querschnitt durch die Erdkruste grossen theils
entgegengesetzt wirkenden hercynischen Systems erklärt. Auf der
Ostseite des Brockens kehren in der Elbingeroder Mulde solche
Verwerfungslinien mehrfach wieder. Am grossartigsten aber tritt
uns die Zerspaltung des ganzen Gebirges nach der Streich- und
0 Als Gänge von kürzerer Erstreckung in der Streichrichtung der Oder-
spalte sind zu verzeichnen: der Schatzkammerzug bei Altenau, der Segen des
Herrn westlich von Ober- Schulenberg und die Schwerspathgänge südlich des
Jägersblecker Teichs, letztere beide sind bei der Eintragung in die Uebersichts-
karte übersehen worden.
26
K. A. Lossen, geologische und petrographische
der Fallrichtung der Oderspalte in dem durch die Porphyre und
Melaphyre von unten auf erfüllten Gangsysteme im Zwischen-
gebiete zwischen Brocken und Rammberg entereffen.
Ich habe die Bedeutung dieser Gänge gerade in dem am
meisten gestörten Gebirgsbaue zwischen den einander zugekehrten
Seiten der Granitstöcke schon mehrfach hervorgehoben und dabei
auch ihren Verlauf in der Richtung einer Sehne der gegen Ost
convexen Schichtenbögen oder einer Mittellinie (Drehungsaxe, ver-
gleiche weiter unten) der Z-förmig zusammengezogenen Stauungs-
falten jenes Zwischengebietes betont1). Aber erst, nachdem ich die
petrographische Beschaffenheit der einzelnen Spaltengesteine näher
untersucht hatte, gelang mir dann im Frühjahr 1880 der bündige
Nachweis des, wie ich darthun zu können glaube , für den Bau
des ganzen Gebirges wichtigen Spaltenbildungsgesetzes. Die Klar-
legung desselben kann zugleich als Maassstab für unsere einstige
und jetzige Kenntniss vom Harze dienen.
Der vortreffliche Beobachter Zimmermann hatte schon in
seinem Harzgebirge eine für das in Rede stehende Gesetz bedeut-
same Mittheilung gemacht. Er giebt (S. 489) gelegentlich der
Beschreibung des Tanner Bergreviers von einem im Hasselhäu
zwischen Trautenstein und Tanne beobachteten Porphyrgange an:
»hier zeigt es sich, dass der Porphyr das ältere Gestein ist, denn
während derselbe bis an den Grünstein (sc. Diabas) heransetzt,
wird er von diesem abgeschnitten, findet sich aber auf der anderen
Seite desselben in den Heiligenstöcken und nach Königshof hin
wieder.« Als ich diese Stelle las, fand ich in ihr eine evidente
Bestätigung meines Gesetzes, obwohl ich das Alter der beiden
einander kreuzenden Eruptivgesteine gerade umgekehrt dahin dar-
gethan habe, dass der pr aegr an i tische Diabas schon vor dem
Hauptfaltungs- und Gebirgsbildungsprocesse zwischen die Schichten
eingeschaltet wai^ der postgraniti sehe Porphyr dagegen Spalten-
räume erfüllt, deren Entstehung nur zufolge der Gegenwirkung
der beiden sich in ihrer Richtung kreuzenden Faltungs- und Granit-
auspressungsprocesse verstanden werden kann. Es setzt offenbar,
!) Zeitsehr. d. D. geol. Ges., Bd. XX, S. 453; Bd. XXVIII, S. 406; Bd. XXIX,
8. 201; auch E. Kayser an der zuletzt angezogenen Stelle.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
27
und darin liegt ein Theil jener erkannten Gesetzmässigkeit, der
zufolge gehemmter Faltung in dem ganz in einander
gepressten Gebirgstheile aufgerissene und zugleich1)
mit Porphyr erfüllte B erstungsriss an der ein Hemmniss
bildenden Diabasmasse ab und erleidet eine (bis zu
einem gewissen Grade der Auslenk u n g d e r S p a 1 1 e n v e r-
gleichbare) seitliche Verschiebung. Was hier an einer
Stelle und für eine Spalte beobachtet worden ist, das lässt sich
an den nahezu parallelen 1 1 Hauptgangspalten , welche zwischen
Königshof und Neuwerck die Bode kreuzen, und auch an den
Spalten des Auerbergsystems in häufiger Wiederholung nachweisen.
Bis auf ganz vereinzelte Ausnahmefälle findet die z. Th. unter der
Mitwirkung meines Freundes Kayser in nahezu 100 Fällen kar-
tirte Spaltenverschiebung durch den ganzen Harz, vom Poppenberge
bei Ilfeld bis nach Wernigerode und vom Auerberge bis in die
Nähe von Benzingerode stets in dem Sinne statt, dass das nörd-
lichere Stück des abgelenkten Ganges nach Osten ge-
rückt ist. Dieses staffelförmig aus Südwest gegen Nordost ge-
ordnete Vorrücken der einzelnen dem Streichen nach zwischen
Stunde 1 1 und 1 durchschnittlich schwankenden ein und dem-
selben Zuge angehörigen Gangstücke entspricht den in dieser
SW. — NO.- Richtung und nicht umgekehrt zusammengedrückten
Z-förmigen Stauungsknicken. Man sieht leicht ein, wie durch den
Verschiebungsprocess zufolge des Parallelismus der 11 Gänge
Gangstücke ganz verschiedener Gangzüge und darum von ganz
abweichendem Gesteinscharakter in ein und dieselbe Flucht des
geraden, wenn auch unterbrochenen Fortstreichens gelangen müssen.
An anderer Stelle soll der petrographische Charakter der Einzel-
spalten, dessen Verständniss erst die Lösung des Problems ermög-
lichte, gemeinsam mit einer topographisch geologischen Beschreibung
des Gangspaltennetzes erläutert werden.
1 ) Dass die Ausfüllung dieser Berstungsrisse mit der Entstehung der Spalten
zusammenfallen muss, was ich früher Angesichts der Abhängigkeit ihrer Richtung
vom Faltungsprocesse für nicht noth wendig erachtet habe, folgt zweifelsohne aus
der Ausfüllung der gleichsinnig abgelenkten Einzelrisse ein und desselben Spalten-
zuges durch dasselbe Eruptivmaterial.
28
K. A. Lossen, geologische und petrograpkische
Nur einiger für den Gebirgsbau nicht unwesentlicher Umstände
sei hier noch gedacht :
Ich habe diese Eruptivgesteine als postgranitisch bezeichnet,
weil ich das Entstehen solcher Berstrisse, die alle Falten schneiden
und an den gefalteten Gesteinen zersplittern und abgelenkt werden,
mir nur nach dem unter Auszwängung der Granitmassen erfolgten
Maximum des Faltenwerfens vorstellen kann. Dafür spricht ausser
der mittleren Streichrichtung aber auch die Gesammtform des
Spaltensystems, das in der Richtung einer Linie vom Ende
des Bodegangs auf die Hasseröder Granophyr- Apophysen hinzu
bei Elbingerode sichtlich eingeschnürt ist, nördlich und südlich
dieser Linie aber divergirt, und zwar in dem nördlichen, dem
Brockenmassiv näher liegenden und darum nach der Ostgrenze
desselben orientirten Theile am wenigsten, in dem südlichen, der
Rammbergaxe mehr parallelen Theile innerhalb weniger intensiv
ineinandergepresster Schichten am meisten. Verwerfungen längs
dieser Gesteinsgänge sind recht selten, sonst müssten sie in der
Elbingeroder Mulde, wo der Wechsel mächtiger Kalk-, Grauwacken-,
Diabas- oder Schalsteinbildungen die Controle sehr erleichtert,
ausserordentlich oft zu beobachten sein; das eben charakterisirt diese
Spalten als relativ junge Berstrisse in einem durch die Faltung ganz
versteiften Gebiete, wie denn ja auch der dem rheinischen Schiefer-
gebirge zugekehrten steilen Westseite des Gebirges ein gleichge-
richteter junger Hauptbruch zu Grunde zu liegen scheint. Doch
fehlen Verwerfungen nicht ganz, wie ein sehr schönes Beispiel
an dem von der Marmormühle unterhalb Rübeland nach dem
Garkenholze übersetzenden Alelaphyrgange zeigt, auf dessen Ost-
seite im Hangenden ein normaler Sattel gegen N. abgesunken ist,
während westlich im Liegenden eine krummlinige westsüdwestlich
weithin fortsetzende spiesseckige Hauptverwerfung mit geringeren
Nebenstörungen angrenzt. Hier deckt sich also wohl der Berstriss
mit einer älteren gleichsinnigen Spaltlinie. Andererseits kommen
solche nahezu westöstlich gerichteten spiesseckigen, z. Th. deutlich
mit Ueberschiebung der angrenzenden liegenden Schichten auf die
jüngeren Kalk- und Diabasmassen verbundenen Störungen, welche
den Andreasberger Ruschein am besten verglichen werden können,
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
29
in der Elbingeroder Mulde oft vor und werden daher oft von den
Eruptivgängen gekreuzt. Dabei nimmt man, abgesehen von dem
soeben besprochenen Falle, in dem die spiesseckige Störung an dem
Gesteinsgange endet, meistens ein ungehindertes Hindurchsetzen des
Ganges durch die Störungslinie wahr, zuweilen aber wird auch der
Gang an der Verwerfung abgelenkt. Es zeigt sich hier also ganz
deutlich das jüngere Alter der die Berstungsrisse erfüllenden Gesteins-
gänge und, sieht man einmal von dieser ihrer besonderen Natur ab,
aus dem Vergleiche der beiden letzteren Fälle mit dem ersterwähnten,
dass die nahezu nordsüdlich gerichteten Spalten zwar meistens jünger,
als die fast ostwestlich gerichteten sind, dass dies jedoch nicht all-
gemein im Harze gilt. Es wiederholen sich hierin Verhältnisse
im Grossen, wie man sie im Kleinen durch den St. Andreasberger
Bergbau seit längerer Zeit kennt. Dort sind die nahezu südwärts
fällenden Ruschein älter als die nordostwärts fällenden Gänge inner-
halb der Ruschein , die in ihrer Streichlinie sich der Oderspalte
nähern, dagegen lenken der Gnade Gottes’er und der Berginanns-
troster Gang bei fast nördlichem Einfallen und einem den Ruschein
nahezu parallelen Streichen wieder an diesen ersteren Gängen aus.
Alles in Allem mahnen derartige Erfahrungen zu grosser Vorsicht
gegenüber einem Versuche, lediglich aus der Streichrichtung der
Gänge eine Eintheilung oder einen Altersnachweis herzuleiten.
Am Oberharze habe ich im Laufe des vergangenen Sommers
unter Anwendung' der Unterharzer Erfahrungen in Begleitung meines
Freundes v. Groddeck, durch welchen ich die erste Kunde von dem
Vorkommen erhielt, nördlich vom Gegenthaler Gangzuge im linken
Gehänge des Innerstethaies einen Quarz, Glimmer und Feldspat h
führenden, z. Th. stark zersetzten porpliyrischen Eruptivgang ver-
folgt, der offenbar in die Gruppe der postgranitischen Eruptiv-
gesteine gehört1). Derselbe streicht den Eruptivgängen zwischen
1 ) Die local längs der Gangspalte bemerkliche Umwandlung der oberdevo-
nisclien Schiefer und Kalke in Hornfels und Kalkhornfels, welche vor der Kennt-
niss der Streichrichtung des Ganges eine dem Bodegang - Porphyr analoge
Porphyrfacies des Granits voraussetzen liess, steht doch in vortrefflichem Ein-
klänge mit den Contactinetamorphosen, welche die postgranitischen Porphyre und
Melaphyre in den durchsetzten Devonkalken von Elbingerode und Rübeland her-
vorgerufen haben.
30
K. A. Lossen, geologische und petrographische
Brocken und Rammberg und der Oder -Spalte parallel und darf
nach dem Voraufgehenden sonach als weiterer Beweis für die
Wirkung der hercynischen Kraft im Oberharze gelten.
Was nun die übrigen Oberharzer Gangspalten betrifft, so
können dieselben, wie das v. Groddeck ja auch annimmt, nur im
Zusammenhänge mit seiner Kellwasser-Spalte oder jetzt der Oder-
Spalte erklärt werden. Die Ausgleichung der durch Einwirkung
des hercynisch gerichteten Granits auf den ursprünglich rein nieder-
ländischen Faltenbau des Oberharzes hervorgerufenen Spannungen
wird also auch hier den Erklärungsgrund abgeben müssen. Im
Einzelnen wird ein Erklärungsversuch ausser der Streich - und
Fallrichtung und dem Verwerfungseffecte der Gangspalten die Ein-
senkungsrichtungen der Sattel- und Muldenlinien des Faltenbaues,
die örtliche Häufung der Falten und Faltenverwerfungen, ihre aus
der steigenden oder abnehmenden Aufrichtung ein und derselben
Schicht im geraden Fortstreichen und aus dem einseitigen Aus-
bleiben eines Theils der normalen Schichtfolge ersichtliche Ver-
biegung, die aus solchen Verbiegungen hervorgehenden Stauungs-
knicke und Kuschelbildungen, schliesslich die Discordanz zwischen
dem Streichen und Fallen der Schichtung und demjenigen der
Transversal-, d. h. Pressungsstructur in Rechnung ziehen müssen.
Ehe die Vollendung der Detailkartirung eine eingehende Ver-
gleichung und Abwägung dieser zahlreichen Einzelerscheinungen
O o O O O
des Gebirgsbaues ermöglicht haben wird, lässt sich eine allseitig
befriedigende, jedenfalls aber nicht auf einseitige Druck-
wirkung, sondern auf die beiden im Harz nachgewie-
senen Faltungssysteme unter Berücksichtigung von
Zug und Druck zu basirende Theorie selbstverständlich nicht
geben. Grade die der grossartigen Ueberschiebnng des Bruch- und
Ackerherges zugekehrte Seite des Oberharzes, welche v. G roddeck,
E. Kayser und A. Halfar neuerdings so beachtenswerthe For-
schungsergebnisse geliefert hat, dürfte auch der fortgesetzten sorg-
fältigen Untersuchung den Lohn nicht versagen, zu geschweigen
von der erst theilweise in Angriff genommenen Detailkartirung der
Gegend beiderseits des Kahleberg-Rammelsberger Sattels von Lan-
gelsheim bis zur Ecker.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
31
Immerhin ladet das in der Uebersiclitskarte dargestellte Bild
des Oberharzes, für welches ich vorwiegend auf die Resultate
meiner drei Herren Mitarbeiter angewiesen war, zu einem prüfenden
Erklärungsversuche ein. Dabei tritt zunächst der Umstand hervor,
dass auf der ganzen SO.- Seite des Oberharzes, von der Gegend
des Austrittes der Söse aus dem Gebirge an bis zur Kattenäse
östlich Harzburg, Mittel- und Oberdevon Q zwischen dem unter-
devonischen Bruchbergquarzite oder dem Granite und der Südost-
grenze der Culmformation fehlen, weiter nordwestwärts dagegen
auf der ganzen Flucht von Osterode bis Harzburg , die kurze
Strecke zwischen dem Polsterthaler Teiche und dem Kellwasser
beiderseits Altenau ausgenommen, aus dieser Formation auftauchen
in einem langgestreckten Zuge von Sattelfalten, richtiger in einer
der auf die Culmschichten übergeschobenen Bruchbergkette paralle-
len Reihe von Faltenverwerfungen. Darf man darin den Ausdruck
einer anfänglich gleich mässig von SO. nach NW. fortschrei-
tenden Zusammenschiebung des ganzen Oberharzer Schichten-
O O
Systems erblicken, wobei die, wie aus dem Ausbleiben des Mittel-
und Oberdevons zwischen Quarzit und Culm ersichtlich, ungleich-
mässigen Gleitbewegungen wesentlich nur in der Ebene der Fall-
richtung stattfanden, so fällt nun um so mehr auf, dass die Bruch-
bergkette selbst keineswegs eine so gleichmässige Ausdehnung
durch das ganze Gebirge besitzt, vielmehr an den Radauquellen
rasch abbricht und erst jenseits des in der hereynischen Richtung
gegen den Oberharz vortretenden Granits zwischen der Ecker und
Radau wieder fortsetzt in jener 1877 von mir näher beschriebenen * 2)
gegen den Unterharz muldenförmig aushebenden und dabei theil-
weise diesem Granitantheile parallel gerichteten Erstreckung. Es
fällt dies bei Betrachtung des Grundplanes des Gebirges doppelt
auf, weil weiter in NW. gegenüber dieser Lücke in der Quarzit-
kette im SO., sich der ansehnliche, gegen NW., bezw. SW., ilber-
:) Oberdevon , welches von diesem oder jenem als muthmaasslich vorhanden
betrachtet ist, wäre doch erst sicher nachzuweisen, immerhin würde das Fehlen
des Mitteldevons auch dann noch obige Darstellung gerechtfertigt erscheinen
lassen.
2) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XXIX, S. 620 ff.
32
K. A. Lossen, geologische und petrographische
schobene Kalileberg-Rammelsberger Unterdevonsattel aufthürmt, in
dessen dem Hügellande zugekehrter breiter Stirn der Nordrand
des Gebirges culminirt.
Untersucht man dann die Grenze des Brockengranits gegen
den Oberharz, so bemerkt man, dass von SW. nach NO. fort-
schreitend immer jüngere Schichtgruppen an dieselbe herantreten:
unterhalb Schlaft die Tauner Grauwacke, oberhalb Schlaft bis zur
Steilen Wand der Untere Wieder Schiefer, an der Steilen Wand
und den Lerchenköpfen der Bruchbergquarzit, jenseits der Lerchen-
köpfe Culmschichten. Dieselbe Erscheinung kehrt auf der Nord-
westseite des Bruchberges wieder, unter der Schusterklippe und
noch bis über das Schneedwasser grenzen Culmschiefer und Culrn-
kieselschiefer an den Quarzit, unter der Wolfsklippe bis zum
Radauthal dagegen Culingrauwacke ; auch diese Culmkieselschiefer
selbst sind im SW. in normaler Ordnung auf Culmschiefer (Aequi-
valente der Posidonienschiefer) aufgeschoben, weiter nordöstlich
dagegen auf Culingrauwacke. Aehnliche Ungleichheiten in der
Begrenzung lassen sich auch an der zerrissenen und gegen NW.
überschobenen Sattelfalte des Osteroder Grünsteinzugs und an den
zahlreichen kleinen zwischen ihm und dem Bruchberge naclige-
wiesenen analogen Auffaltungen des Culms erkennen. Sie alle ge-
hören in die Kategorie der spiess eckigen Faltenverwerfungen1).
Da, wo die Faltenverwerfung im Liegenden des überge-
schobenen Formationsglieds gleichsinnig nach einer Richtung, wie
x) Seit der Auffindung von Homalonoten in dem Wissenbaclier (Goslarer)
Schiefer auf der NW. -Seite des Osteröder Diabaszugs- (vgl. A. Halfar und
E. Beyrich in Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XXXIII, S. 502 und 518) können
diese auf der Uebersichtskarte mit den über den Calceolaschiefern lagernden echten
mitteldevonischen Goslarer Schiefern zusammengefassten Schichten nicht mehr als
mitteldevonisch gelten , sie treten vielmehr in Beziehung zu den echten unter-
devonischen Wissenbacher Schiefern am Rhein und zu den Zorger Schiefern mit
nautilinen Goniatiten am Herzoglichen Wege bei Hüttenrode im Unterharz (vgl.
Lossen in ds. Jahrb. Bd. I, S. 44). Zur Erkehntniss des Diabaszugs als eines
mit Faltenverwerfung verbundenen, nicht aber normalen, einseitig zusammen-
geschobenen Sattels bedurfte es gleichwohl dieses wichtigen Fundes nicht; das
einseitig nordwestliche Auftreten der genannten Schiefer und das Angrenzen
sehr verschiedener Glieder der Culmformation auf beiden Seiten genügten
sattsam dazu.
Beiträge zur Kermtniss des Harzes.
33
längs der nordwestlichen Brockengranitgrenze gegen NO., zuuimmt,
kann wohl kein Zweifel obwalten, dass ein von SW. nach NO.
wachsender Druck aus SO. oder aber Zug immer jüngere
Schichten untergestaut hat unter die aufwärts geschobenen Massen.
Es ist also a priori, keineswegs ausgemacht, dass ein Druck constant
im Sinne der niederländischen Faltung rechtwinklich aus SO.
gegen die gefalteten Schichten des Oberharzes fortwirkend gedacht
werden dürfe, wie das von meinem Freunde entworfene Schema
zu seiner Ausstrahlungstheorie voraussetzt. Wenden wir hier, wo
wir es mit dem Bruch- und Ackerberge, der einzigen deutlichen
Bergkette, welche im Harz auftritt, zu thun haben, einmal die von
Herrn Heim vertretenen Anschauungen an x), so müsste man unter
der Voraussetzung: der Fortdauer des Faltungsdruckes aus SO. und
einer von SW. gegen NO. wachsenden Steigerung desselben eine
O O O O
gegen den Oberharz gerichtete Convexität in der Faltenbildung
O ö O O
ausgedrückt finden. Eine solche ist indessen nicht oder doch so
gut wie nicht vorhanden; wohl biegen die Schichten in der De-
pression zwischen Bruchberg und Acker in Stunde 2 um und auf
der SO. -Seite der Steilen Wand ist eine ähnliche Stelle vorhan-
den, indessen gerade hier durchsetzen und verrücken die Acker-
spalte* 2) und die Oderspalte die Kette, die jenseits der letzteren
rasch versinkt, so dass den gewaltigen Massen des Brockens gegen-
über nur mehr das im Verhältniss zur Kette viel niedrigere Culm-
Plateau längs der concaven Granitgrenze erscheint.
Die Convexität und der Steilabfall des Brocken-
massivs liegen vielmehr sehr deutlich auf der Unter-
harz-Seite, das lehrt nicht nur die von der Erosion doch nicht
ganz ins Gegentheil des ursprünglichen Reliefs verkehrte Ver-
theilung der Haupterhebungen, vielmehr noch der Bogen der
Granitgrenze selbst und der sich ihm ansclnniegende Verlauf der
nordnordöstlich bis Stunde D/2 umwendenden und hier allerwärts
») a. a. 0. Bd. 2, S. 222 ff.
2) Ueber die von E. Kayser entdeckte Ackerspalte, die, wie so manche
anderen schönen neueren Beobachtungen meines Freundes nicht mehr in die
Ueber sichtskarte eingetragen werden konnte, vergleiche dessen Abhandlung in
diesem Jahrbuche.
3
34
K. A. Lossen, geologische und petrographische
vom Granit Q abfallenden Schichten in der unmittelbaren Nach-
barschaft dieser Grenze. Doch nur schmal ist diese Anschmie-
gungszone, bald folgt das vom Nordostrande des hercynischen
Brockengranitantheils auslaufende, der Oderspalte nahezu parallele
Hasseroder Quarz- und Erzgangspaltensystem, dessen gegen S.
durch das Drengethal u. s. w. bis mindestens zum Spitzenholze zu
verlängerende Verwerfungslinie die Westgrenze des stark gefalteten
Senkungsgebiets der Elbingeroder Devonmulde und des ganzen
unter jenen hercynischen Granit gedrückten Gebirgstheils bildet.
In diesem Senkungsgebiete, namentlich aber in der von N. her
auf die jüngeren Devonschichten aufgeschobenen Randzone des
Gebirges ist der Kampf der beiden den Gebirgsbau bedingenden
Faltensysteme so augenscheinlich, dass das an jener Anschmie-
gungszone leicht irregeführte Urtheil sich alsbald Orient irt und
dieselbe nunmehr im Zusammenhänge mit den früheren Dar-
legungen (vergl. S. 25) als eine bis zur Zerreissung gespannte
Aufbiegungszone bereits gefalteter Schichten erkennt; als Maass-
stal) für die Aufbiegung möge die Mittheilung dienen, dass z. II.
die am Hahnenklee bei St. Andreasberg in 1900 Decimalfuss
Höhe anstehenden Kalkhornfelsschichten auf dem Hohnekopfe
2275 Fuss hoch lagern. Sattelfalten als östliche Vorlagen vor
dieser Aufbiegungszone erkennt man leicht in der Elbingeroder
O o O
Mulde, so s. B. in den Kieselschiefer -Massen des Schäbenholzes
u. s. w.
Also Concavität des Brocken -Granitmassivs gegen den Ober-
harz, Convexität gegen den Unterharz, Biegung, Brechung und
Unterstauung der Bruchbergkette von SW. gegen NO. dort. Auf-
biegung der Schichten in gleicher Richtung hier, westlich jener
Niederziehung das Auftauchen des gegen NO. immer straffer ge-
spannten Kahleberg-Rammelsberger Devonsattels, östlich dieser Auf-
biegung die überaus stark gefaltete, tief eingesenkte Elbingeroder
Devonmulde ; das sind offenbar in Wechselwirkung
stehende tektonische Ve r h ä 1 1 n i s s e ! Sieht man unter diese m
Gesichtspunkte die langgedehnten Faltenlinien der dem Brocken
Syenit- Granit und Diorit etc. mit eingerechnet.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
35
zugekehrten Oberharzregion an, so erkennt man deutlich, wie Anzahl
und Breite der Falten oder Faltenverwerf ungen «re^eu SW. hin
sich steigert, wie die Falten dagegen gegen den Concavitäts-
winkel der Granitgrenze hinzu immer schmaler und spärlicher
werden, gleichsam wie Wellen, die in ein Strudelloch laufen. Demi
jeue breiten Heraushebungen der mittel- und oberdevonischen Erup-
tivgesteine des Schmalen- und Breitenbergs bei Harzburg, die man
wohl als das Wiederauftauchen des Osteroder Diabaszugs be-
zeichnet hat, sind mit nichten dessen directe streichende
Fortsetzung. Dieselbe ist vielmehr in der ganz schmalen
Diabas- und Magneteisenerzmasse des Spitzenberges zu finden,
welche neben der breiten Diabasmasse des hinteren Schmalen-
bergs herstreicht und dann gegen ONO. unter den Culmschichten
untertaucht. Zwischen ihr und den beiden in unregelmässiger ein-
seitiger Aufschiebung hervorgestossenen breiten Massen *), die ich
als die Vorläufer des in der Verschiebung seiner Süd- und Nord-
hälfte ganz analogen Bammelsberg-Kahleberger Sattels ansehe, muss
eine namhafte Ruschelkluft vorhanden sein, an der die Oderspalte
abzusetzen scheint, und die nach Westen z. Th. in den Gemken-
thaler Gangzug übergehen mag, der nach ihr umbiegt, ähnlich, wie
sich der Burgstädter Zug an das rusclielartige Gangstück zwischen
dem Rosenhöfer und dem Schulthaler Gangzuge anschliesst und
diese letzteren beiden Gänge desgleichen.
Obwohl keine Karte und kein Riss meines Wissens diese
Ruschelkluft angiebt, muss sie vorhanden sein, denn sie ist die
Grenze zweier Gebirgstheile , die ganz verschiedene Bewegungen
gemacht haben, des einen, dessen Sattellinien gegen NO. in den
D Erst die Gliederung dieser Massen in Eruptivgesteine verschiedener Art
und verschiedenen Alters lässt einigermaassen auch deren tektonische Rolle er-
kennen. Dieser Gliederung standen und stehen noch grosse Schwierigkeiten ent-
gegen zufolge der ausserordentlich intensiven Contactmetamorphosen, welche diese
Eruptivgesteine erlitten haben. Im Allgemeinen sind aber die Orthoklas-Gesteine
die ältesten, die Granat-reichen Diabas- Gesteine die mittleren Alters ( Blatterstein-
Aecpuivalente) und die häufig variolitähnlich ausgebildeten körnigen Diabas-Gesteine
die jüngsten. Letztere setzen ausser der in der Ueber sichtskarte bereits ange-
gebenen Partie am Schmalenberge auch die nordnordwestliche Hälfte des Breiten-
bergs zusammen, so dass die einseitige Heraushebung der Massen sehr deutlich ist.
3*
30
K. A. Lossen, geologische und petrographische
einspringenden Winkel der Granitgrenze hinein einsenken, und
des anderen, dessen Sattellinien sich in der gleichen Richtung heraus-
heben. Solche Ruschein oder spiesseckige Falten Verwerfungen,
längs derer also seitlich gleitende neben den in der Fallrichtung
gehenden Bewegungen stattgehabt haben, die zum Verquetschen
ganzer Schichtengruppen führen können, sind für den Zusammen-
hang zwischen Falte und Spalte sehr bedeutsam. Sie sind offen-
bar älter, als die echten Spalten, welche an ihnen absetzen oder in
weniger spiesseckiger Richtung von ihnen ablaufen. Die Oder-
spalte und die Oberharzer Gänge sind also etwas jüngeren Alters
als dieselben.
Auch die Granitgrenze gegen den Oberharz stellt, wie wir
O o O J
oben gesehen, auf lange Erstreckung eine solche spiesseckige Linie
dar, längs welcher zwei Gebirgsstücke ganz verschiedene auf- und
niedergehende Bewegungen vollzogen haben. Wie aber ist das oben
geschilderte Verhalten des Granits zu erklären? Wie kommt es,
dass die Bruchbergkette von SO. her gegen den Oberharz ge-
schoben ist, längs der in der Fortsetzung der Kette folgenden Granit-
grenze aber die Wirkungen eines Zugs gegen den Unterharz
hin sich bemerklich machen? Ich kann darauf nur erwidern,
dass ich den für den Harz durchweg erkannten Umschlag der
ursprünglich niederländischen Faltungsrichtung in die jüngere her-
cynische als zureichenden Grund ansehe. Vergegenwärtigen wir
uns den Effect eines solchen Wechsels aus der Vorstellung des
Vorgangs selbst. Es sollen aus SO. einseitig zusammengeschobene
Falten in solche umgestellt werden, die aus SW. her einseitig
zusammengeschoben sind, es sollen also die Streichlinien der Falten
um einen rechten Winkel etwa gedreht werden; nun streichen
aber die älteren niederländischen Falten nicht nur aus SW. gegen
NO. , sondern sie stehen zugleich so zu sagen auf einer schiefen
gegen NW. einsinkenden Treppe und haben überdies eine Fall-
richtung der Sattellinie, die wir nach dem breiten Faltenwürfe
zwischen Osterode und Lauterberg für die zerrissene Sattelfalte
der Tanner Grauwacke von Andreasberg, wie für die Faltenver-
werfung der Bruchbergkette nur als gegen NO. gerichtet ansetzen
können; ebenso stehen die hercynischen Falten auf einer NO.-wärts
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
37
niederfülirenden Treppe und auch sie haben eine Senkung der
Sattellinie, die deutlich gegen NW. neigt. Daraus erhellt doch
soviel, dass Drehungsbewegungen oder, wo sie gehemmt sind,
D rehungsspannung und zwar nicht nur im horizontalen,
sondern auch im vertikalen Sinne, also Spiraldrehungen1)
stattfinden müssen. Auch das lässt sich sagen, dass diese spi-
ralen Verbiegungen rechts gewunden sein müssen,
denn da im NW. sich der Treppenfuss des vorhandenen nieder-
ländischen Faltenbaues mit dem Tiefpunkte der Sattellinie des
angestrebten hercynischen begegnet, so findet dort unter Zug-
wirkung von O. her eine abwärtsgehende Bewegung jüngerer
Schichten statt, und da im SO. der Treppenkopf des ersteren mit
dem Höhenpunkt der Sattellinie des letzteren zusammentrifft, nach
dieser Richtung' unter Faltenwerfen ein Aufsteigen relativ älterer
Schichten. In SW. , wo der Höhenpunkt der Sattellinie der
niederländischen Falten liegt und der Treppenkopf der hercynischen
entstehen soll, wird naturgemäss am meisten Ruhe sein und nur
der Beginn der steigenden Bewegung sich zeigen, die andererseits
schliesslich gegen NO. mehr und mehr in eine absteigende über-
geht, weil hier der Tiefpunkt der Sattellinie des älteren Falten-
systems und das Absteigen der Treppe des in Bildung begriffenen
Zusammentreffen.
Das Endresultat wird nun sein, dass die von Haus aus ein-
seitig, also mit steilerem NW. - Flügel gebaute und in der Sattel-
linie gegen NO. geneigte Falte sich gegen O. immer convexer
krümmt und aufstaut, während gegenüber auf der Westseite jener
einspringende Winkel sich mehr und mehr ausbildet, wo starker
Zug die südwestnordöstlich streichenden Falten -Wellen so zu
sagen ins Strudelloch reisst. Die Sattellinie aber wird, je tiefer
sie liegt, umsomehr gegen NW. umgestaut und niedergezogen,
B Schon 1872 habe ich die im Fallen und im Streichen hin- und her-, auf-
und niedergebogenen »Korkzieherfalten« der Tanner Grauwacke in der Umgebung
des Rammbergs hervorgehoben (vergl. Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XXIV,
S. 177) und schon 1867 der »durch die Verdrückung der Schichten zwischen
Brocken und Rammberg in Folge der Gegenwirkung der beiden Eruptivmassen
entstandenen Z- Knicke« Erwähnung gethan (vergl. dieselbe Zeitschr. Bd. XX,
S. 223 — 224. Danach E. Suess, d. Entstehung d. Alpen, S. 76).
38
K. A. Lossen, geologische und petrographische
wobei die Falte nothwendigerweise im oberen Querschnitt durch
die Erdkruste der hercynischen Druckrichtung entgegen nach SW.
übergebosren und aufgeschoben wird. Sie wird also in den ein-
springenden Winkel hineingedrückt, so dass da, wo zu Beginn
des Umstauungsprocesses starker Zug aus OSO. und O. herrschte,
nunmehr starker Druck aus O. und ONO. wirkt. Am entgegenge-
setzten südwestlichen Ende des Sattels macht sich das Bestreben eines
Ausweichens der hier herrschenden Specialfalten gegen W. geltend.
Das ist der Vorgang der Deformirung solcher niederländisch
streichenden Sättel des Harzes im Sinne des jüngeren hercynischen
Faltensystems, das ist zugleich der Schlüssel für das Verhalten des
Brockengranits zu den ihn umgebenden Schichten.
Diese Auffassung, zu der ich bei aufmerksamer Betrachtung
der geognosti sehen Uebersichtskarte gelangt bin, führt zu der
Erkenntniss von dem windschiefen Baue des ganzen Gebirges,
welcher sich auch in der Richtung, in welcher der Diluvial-Lehm
von aussen in den Harz eindringt, und, wie der Vergleich der
Höhenschichtenkarte lehrt, auch im Gebirgsrelief und in dem Thal-
verlaufe deutlich ausgedrückt findet.
Die Harzer Gangspalten und auch die allermeisten
Ruschein oder spiesseckigen Faltenverwerfungen er-
kennt man nunmehr deutlich als Torsionsspalten. Ihre Streich-,
F all- und V erwerfungsrichtung ist leicht verständlich im Sinne des
Ausgleiches der bei der Schichtenverbiegung entste-
henden Spannungen. Die Ruschein wurden oben im Allge-
meinen als die älteren Störungen bezeichnet, denn die in der
Streich- und Fallebene gleitenden Bewegungen, welchen sie ihre
Entstehung verdanken, schaffen ja erst die Hauptspannung; eine
absolute Giltigkeit ist diesem höheren Alter aber nicht beizumessen.
Die Oderspalte verläuft in der Sehne der Verbiegungsbögen oder
wie wir jetzt richtiger sagen in der Axrichtung der Spiral-
drehung, sie scheint von keiner anderen Spalte gekreuzt; ihre,
wie der Ackerspalte und der Andreasberger Ruschein Entstehung
hängt deutlich zusammen mit dem convexen Vorstauen der Granit-
massen gegen den Unterharz, mit dem Auf biegen der Schichten
daselbst und mit dem Biegen, Brechen und Unterdrücken der
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
39
Bruchbergkette auf der Concavseite. Deutlich kann man meines
Erachtens z. B. in den von Kayser so trefflich dararestellten
O
Verbiegungen der Sättel und Mulden in der Region zwischen
Lauterberg und dem Westende der Andreasberger Ruschein jenes
Hinstreben der Massen nach der Unterdrückungsstelle auf der
Westseite des Granitmassivs erkennen.
Andere Spalten, diejenigen der altbekannten Oberharzer Gänge,
hängen ebenso deutlich mit dem Andrängen des Granits gegen den
Rammelsberg-Kahleberger Sattel zusammen. Nach dem Unterbiegen
der Bruchbergkette muss das Eruptivmagma in breiter Masse nord-
westwärts gedrungen sein, so dass dadurch die scheinbar so unge-
störten, aber in grosser Ausdehnung bis westwärts der Oderspalte
metamorphosirten Culmschicliten etc. unten abgehoben sind. Der
uns in seinen Verzerrungsverhältnissen jetzt besser verständliche
Devonsattel, dessen nordwestwärts gekehrte Sattelspitze unter dem
Flötzgebirge ruht, zeigt den charakteristischen einspringenden Winkel
auf der Westseite. Dorthin strebt sichtlich die bis zum Hessenkopfe
vorgeschobene, schwerlich ungestörte, Muldung des Oberdevons,
der andererseits von dorther die Ruscheizone (sogenannte Leit-
schicht) des Rammeisbergs entgegen läuft. Flach wellig liegen
die transversal gepressten Schichten auf der Nordseite dieser
Störungszone, auch sind hier, wie so oft im Harz, die Diabaslager
einseitig allein vorhanden ; auf der Südseite dagegen finden wir
wieder langgezogene, über den Glockenberg und Thomasmartins-
berg u. s. w. hinziehende Falten und Faltenverwerfungen, die gegen
den einspringenden Winkel hinzu sich verlieren, während jenseits im
Ockerthale an der convexen Ostseite des Hauptsattels sich die steil
aufgerichteten Falten gegen NO. drängen. An Stelle einer scharf
ausgeprägten Convexität tritt hier ein die Bogenspannung durch-
reissender Quersprung1), der Birkenthal er Gang, drüben auf der
Concavseite ist mehr Biegung vorhanden, doch setzt auch hier ein
reciproker Sprung durch den südlichen Schenkel des einspringen-
J) Dass auch Zerspaltung im Sinne der Oderspalte nicht ganz fehlt, scheinen
mir die zahlreichen kleinen Erzgänge im Steinbruche über dem Bremsberge am
Rammeisberg und die gleichsinnigen in dem weiter nordöstlich gelegenen Noth-
durft1 sehen Bruche zu beAveisen.
40
K. A. Lossen, geologische und. petrographische
den Winkels. Diese beiden Sprünge, welche die Nord- und
die Südhälfte des Sattels in der Torsionsrichtung gegen
einander verschieben, lehren, dass hier die Schichten schon
recht steif waren, so dass sie der Verbiegung nur schwierig
folgten. Um so grossartiger ist das Oberharzer Gangspaltennetz
südlich des Sattels, vor allem der vereinigte Lautenthal -Hahnen-
kleeer und Bockswiese-Festenburg-Schulenberger Zug, neben der
Bruchberg-Ueberschiebung und der Oderspalte die wichtigste tekto-
nische Linie des Oberharzes und gleich diesen beiden noch deut-
lich im Relief des Gebirges kenntlich. Auch hier und in den
weiter südlich folgenden gleichsinnigen Sprüngen hat die Ver-
werfung im Sinne der Drehung stattgefunden. Es steht aber die
Grossartigkeit dieses Gangspalten Systems im umge-
kehrten Verhältnisse zu der relativ geringen, wenn auch
immerhin sehr kenntlichen, Deform irung des Devonsattels:
begreiflicherweise, denn je weniger der hercynische Faltungsdruck
zur Umgestaltung der älteren niederländischen, schon zu sehr ver-
steiften Falten fähig war, um so mehr musste er sie brechen.
Leicht auch versteht man, dass jene grossen Verwerfungs-
linien nicht auf der Nordwest-, Nord- oder Ostumgrenzung des
Sattels gegenüber oder in der Nähe des Ockergranits aufsetzen;
hier sind die Massen zu sehr ineinandergezwängt , Verwerfungen
aber bedingen, wie H. v. Dechen (Ueber grosse Dislocationen
S. 10) treffend ausführt, ein Auseinanderziehen der Schichten, im
Gegensatz zur Faltung und Pressung; dazu gehört aber die Mög-
lichkeit des Auseinanderweichens und diese kann bei derart recht-
sinnig verdrehten SW. — NO. -Sätteln vorzüglich gegen SW., wo
während des ganzen Faltenumstauungsprocesses in den hangenden
Schichten nothwendig am wenigsten Störung eintrat, gesucht werden.
Ein Blick auf den Rammberg, die deformirte Selkemidde mit dem
gegen SO. vorliegenden diabasreichen Sattel der Unteren Wieder
Schiefer und das dem grösseren Viaass der Faltung dort ent-
sprechend schwächer ausgebildete Unterharzer Gangspaltensystem
zeigt ein ganz analoges Verhältniss.
Was nun das Divergiren der Spalten nach W. hin anlangt,
welches in der Strahlungstheorie v. Groddeck's eine gewisse Rolle
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
41
spielt, so erklärt sich die Gesammtheit des Spaltenverlaufs wohl
am einfachsten aus dem Gesammtverlaufe der Falten und Falten-
verwerfungen. Hier hat ja mein sehr verehrter Freund1) schon in
sehr ansprechender Weise die Wechselwirkung der Masse des
Ibergs und des Bruchbergs hervorgehoben 2). Die zahlreichen
neuen Spalten, welche E. Kayser3) in der Umgebung von Andreas-
berg kennen gelehrt hat, werden nebst den von A. Halfar und
vor Allem den in Klausthal selbst gesammelten Erfahrungen, wenn
man Gänge und Ruschein auseinander hält, sicherlich gestatten,
dereinst ein auch in den Detailzügen klares Bild des Ganzen zu
geben.
Da die Oder- und Ackerspalte, wie auch die Andreasberger
Ruschein in Anbetracht des südlich von einer Ueberschiebung be-
grenzten tiefliegenden keilförmigen Stückes, welches sie ein-
schliessen, gegen O., NO. und NON., also im Sinne der Nieder-
drückung der Bruchbergkette die Schichten gesenkt haben und da
wir uns dieses Unterdrücken in Beziehung gedacht haben mit dem
Herausheben des Rannnelsberg -Ivahleberger Unterdevonsattels, so
wird man sich auch n o th w e 1 1 d Ger w eise die von St. Andreasberg aus-
O o
strahlenden Spalten in gleicher Wechselbeziehung zu den Oberharzer
x) a. a. 0. S. 446.
2) v. Groddeck hält das NW. — SO. erstreckte Massiv des Ibergs und Winter-
bergs für einen ungeschichteten Kalkstock (Korallenstock), der »bei der Faltung
des Gebirges seine Lage nicht wesentlich geändert hat«, er schliesst dies aus
dem Verhalten der meist, aber doch, wie die nach den Aufnahmen meines
Freundes eingetragenen Fallen und Streichen lehren, nicht durchaus SW. — NO.
streichenden Falten der Culmgrauwacken , welche ȟber und an den Kalk ge-
lagert« sind (a. a. 0. und daselbst Bd. XXX, S. 540). Ich gestehe offen, dass
ich nach meinen Erfahrungen aus der Gegend von Elbingerode und Rübeland
hier meinem Freunde nicht ganz zu folgen vermag und dass ich, gestützt auf
die einseitige Verbreitung von unteren Culmschichten , welche er selbst auf der
Nord- und Nordostseite des Kalkstocks nachgewiesen hat, in demselben eher eine
einseitig im Sinne des hercynischen Systems aufwärts gestossene ältere Masse
erblicken möchte. Immer aber salvo judicio meliore , gern lasse ich mich durch
die in Aussicht gestellte Detailbeschreibung eines Besseren belehren. Ohnedies
wird durch diese meine abweichende Auffassung an der Rolle der Kalkmasse als
Hemmniss für das Spaltenwerfen und somit Ursache für die Zersplitterung des
Spaltennetzes mit Annäherung an dieses Hemmniss nichts geändert.
3) Siehe dessen Abhandlung in diesem Jahrgange des Jahrbuchs.
42
K. A. Lossen, geologische und petrographische
Gängen denken müssen; wenn wir also oben die Entstehung der
einen Spaltengänge mit dem ersteren, die der zweiten mit dem
letzteren Faltungsvorgange in engere Beziehung gebracht haben,
so darf doch nicht vergessen werden, dass ein und dieselbe
Ursache, der Wechsel in der Faltungsrichtung und
demzufolge die Spiraldrehung der Schichten, alle diese
Erschein un ge n b e h e r r s c h t.
Denkt man an eine Altersfolge der Spalten, so wird nach
dem Vorstehenden naturgemäss die Andreasberger Gruppe für
etwas älter gelten müssen als die Oberharzer; innerhalb der beiden
Gruppen aber wird man dem Effecte der treppenförmigen Ab-
stufung der Sprünge folgend das Alter in der ersteren für die
Ruschein als das älteste und für die Oderspalte als das jüngste
anzusetzen, in der Oberharzer Gruppe dagegen umgekehrt von
NO. gegen SW. vorschreitend immer jüngere Sprünge anzunehmen
haben, soweit es sich um echte Gänge und nicht um spiesseckige
F altenverwerfungen handelt.
Wir haben oben von absteigenden Treppen gesprochen, auf
welchen die Falten des Harzer Schichten Systems stehen.
Was sind diese Treppen? Ich antworte im Sinne meiner Theorie
vom Baue des Harzes: der staffelförmig abgestufte Granit. Längst
kannten wir aus Friedrich TIoffmann’s Mittheilungen der v. Velt-
HElM’schen und der eigenen Beobachtungen das steile staffel-
förmige Aufsteigen des die Schichten über sich »abhebenden« Ross-
trappe-Granits auf der dem Aussenrande des Harzes zugekehrten
Seite, als ich zeigte, dies sei die liegende Seite* 2) des Stockes und
je tiefer die Stufe, um so jünger die darauf stehende Schicht. Ich
werde daher nicht unverständlich sein, wenn ich meine Theorie
bildlich dahin erläutere, dass ich sage, es steigen im Hangenden über
dem Granit die älteren Schichtensysteme auf der flacheren Granit-
treppe aufwärts, im Liegenden so zu sagen unter dem Granit die
L Uebersickt d. orograph. u. geognost. Verhältn. d. nordwestl. Deutschlands,
S. 387 ff.
2) Ueber das Verhalten des Granits auf der entgegengesetzten, hangenden
Seite vergl. Zincken’s Aufsätze in Karsten und v. Dechen’ s Arch, und Brandes
in Zeitschr, f. d. Gesammt-Naturw. 1869, S. 7,
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
43
jüngeren Schichten die steilere Treppe abwärts. Die Treppen sind
die Wellenberge des Granit ischeu Magmas, welche die Bewegungen
des Faltungsprocesses der festen Kinde mitmachen. Wie auch immer
das Verhältnis des in der Kruste eingeschlossenen Magmas zu den
Schrumpfungsbewegungen gedacht werden mag, aus den räum-
lichen Beziehungen von Granit und Schichtgebirge im Harze folgt
deutlich, dass die Bewegungen des Granits und der Schichten im
Grossen und Ganzen gleichsinnige gewesen sein müssen. Den-
noch wird man nie den Unterschied ausser Acht lassen dürfen, der
darin liegt, dass flüssige Massen den Druck anders fortpflanzen als
feste J), wenn auch noch so sehr biegsam gedachte, und dass sie für
Ebl )e - und Fluthwirkungen empfänglicher sind. Wir kennen zur
Stunde die Ursache nicht, welche die Richtung des Faltungsdrucks
bestimmt, oder den Umschlag einer solchen Richtung in eine andere
bewirkt, wir wissen daher auch nicht, welche Rolle bei einem solchen
Richtungswechsel etwa diese Differenzen spielen können. Das aber
dürfen wir wohl voraussetzen, dass sich ein solcher Richtungs-
wechsel im Magma leichter und rascher vollzieht, als in der darauf
ruhenden Kruste, sowie dass das Magma an allen jenen Eigen-
schaften Tlieil hat, welche wir an den unter hohem Druck ein-
U Da ich in allen meinen Arbeiten über clen Harz der Diagenesis Guembel's
gegenüber stets consequent den Dislocationsmetamorphismus vertreten
und bereits 1867 in meiner Arbeit über die linksrheinische Fortsetzung des
Taunus (vergl. E. Sukss, die Entstehung d. Alpen, S. 13) die Beziehungen des
Metamorphismus zum gebirgsbilclenden Processe erörtert habe , da ich ferner ge-
zeigt habe, wie sich Contact- und Regionalmetamorphismus dynamisch gestörter
Gebiete auch auf die passiv dem Gebirgsbaue eingeschalteten alten Eruptivge-
steine erstreckt, da ich überdies zahlreiche Beispiele windschief gedrehter und ver-
worfener Plagioklaslamellen und dergl. unter dem Mikroskope im polarisirten Lichte
beobachtet habe, so ist die physikalische und chemische Umformung fester
Massen für mich kein fremder Gedanke, dennoch liebe ich es nicht, einseitig
die Festigkeit der Gesteine bei der Gebirgsbildung zu betonen; das Gestein, wie
es jetzt fertig vor uns liegt, ist mir vielmehr der Ausdruck für die seit seiner
ersten Sedimentirung oder Erstarrung durchgemachte geologische Geschichte, gleich-
viel, ob lose oder mehr oder weniger fest; es ist aber vielleicht verzeihlich, wenn
wir nach dem Sprachgebrauchs des gewöhnlichen Lebens das Wort fest statt fertig
unwillkürlich gebrauchen und dieser Ungenauigkeit des Ausdrucks habe auch ich
mich schon schuldig gemacht (vergl. jedoch Zeitschr. d. D. geol. Ges. 1872,
Bd. XXI Y, S. 741).
44
K. A. Lossen, geologische und petrographische
geschlossenen Laven voraussetzen dürfen und die sich aus den zahl-
reichen Flüssigkeits-Einschlüssen und den Einschlüssen von liquider
Kohlensäure im Granit, sowie aus seinen Contactwirkungen einiger-
maassen herauslesen lassen. Man darf sich also die in gewissem Sinne
unter dem Bilde einer hydraulischen Presse verständliche Druck-
wirkung des Granitmagmas gegen die Schichten nicht allzu sche-
matisch nach der Schablone des Faltenbildungsgesetzes vorstellen.
Dessen muss man sich erinnern, wenn man daran geht die
bisher nicht in Betracht gezogenen Beziehungen der Harzburger
Gabbrostöcke zum Brockengranit zu erörtern. Dieselben
liegen im einspringenden Winkel auf der Concavseite
der Granit masse, also da, wo die Quarzitkette des Bruchbergs
mit dem Richtungswechsel des Faltendrucks untergedrückt wurde,
wo Zug nach dem Unterharze hin und demzufolge Spannung sich
einstellte. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich mir die Gabbro-
stöcke in Berstungsrissen in diesem gespannten Rindentheile auf-
gepresst vorstelle, die sich zufolge des Unterdrückens der gewal-
tigen Quarzitkette bildeten, wie ja auch nach Seckendorff’s und
Hausmann s Mittheilungen Quarzitstücke mit Unterdevonversteine-
rungen, denen des Kahlebergs analog, im Gabbro gefunden sind.
Der nach E. Iva yser's Darstellung in die Karte eingetragene Yer-
lauf der durch Anorthit, Bronzit (Bastit) und Serpentin (Olivin)
ausgezeichneten Zonen im Gabbro streicht Stunde 2 oder — im
obersten fiscalischen Steinbruche bei dem Radau -Wasserfalle —
Stunde 1 1 ; zwischen beiden Stunden schwanken auch die meiner-
seits gemessenen Streichrichtungen zahlreicher feinkörniger, durch
Wechsel feldspathreicher und feldspatharmer Zonen gebänderter
Schlierenstreifen, welche ich in den weiter thalabwärts gelegenen
Brüchen prächtig aufgeschlossen fand. Dabei ist das Einfallen stets
sehr steil gegen W. gerichtet. Das sind also die Streichstunden
der Eruptivspalten des Mittelharzes, die wir oben bereits als Berst-
risse bezeichnet haben. Dass aber Gabbro und nicht Granit darin
aufgestiegen ist, lässt sich unter der Annahme verstehen, dass die
zu oberst unter der festen Kruste lagernde sauere Magmenzone zu
der Zeit, da der Richtungswechsel des Faltendruckes die Granit-
massen gegen den Unterharz hin am höchsten aufgepresst hatte,
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
45
unter dieser Region des Harzes vorübergehend durch die Aufpres-
sung erschöpft war, so dass die tiefer lagernde basische in der
Aufpressung nachrückte. Dass aber eine solche Erschöpfung that-
sächlich sich einstellte, dafür darf auch das Vorhandensein eines
schmalen Saumes basischerer körniger Eruptivgesteine, Quarz-
diorite, Augitquarzdiorite u. s. w., am Ostrande des Massivs,
also da, wo die tiefgelegensten Massen durch den Faltendruck auf-
wärts geschoben wurden, angeführt werden. Als dann das Cfranit-
magma allmälig wieder aus den nachbarlichen Regionen sich ergänzt
hatte, fand bei seinem Nachschub die eigenthümliche Verquickung
beider Magmen, welche sich auf beiden Seiten und local in der
Mitte des Massivs (Meinekenberg, Grube) nach weisen lässt, und
das gangförmige Eindringen des hercynischen Granits in die bereits
mehr oder weniger festen Gabbromassen statt.
Im ein springenden Winkel des durch die hercy-
nische Faltungsrichtung deformirten Rammelsbero--
Kahleberger Sattels liegt die Erzlagerstätte des Ram-
me lsb er ge s. Diese ihre geologische Stellung im Ge-
sammtbaue des Harzes ist die Grundlage meiner übrigens auf
die W immer1 sehe Auffassung des hangenden Trums als einer Falte
und überdies auf achttägige eigene Beobachtungen unter und über
Tag zwischen der Hohekehl und der Bleiche basirten Anschauung
über ihre Entstehung, wie ich dieselbe in einem bislang ungedruckt
gebliebenen Berichte an die Vorgesetzte Behörde aus dem Früh-
jahre 1877 darzulegen versucht habe. Heute würde ich mich selbst-
verständlich im Einzelnen bestimmter und mich selbst berichtigend
aussprechen, bestimmter auch als in den 1880 Freund Stelzner
mündlich gemachten Mittheilungen. Nur ein Punkt sei hier hervor-
gehoben: Wenn im einspringenden Winkel auf der Nordwestseite
des Brockenmassivs Berstrisse Gabbro ausquellen Hessen, so ist
meiner Ansicht nach in jenem einspringenden Winkel bei Goslar
eine Gabbro - Therme zur Zeit, als dort Zug vorherrschte, in die
zufolge der Zugwirkung entstandenen Erzräume aufgestiegen; dass
die Absätze dieser Therme dann später, als bei fortgesetzter Ver-
biegung des Sattels dessen Nordende über die Massen im einsprin-
genden Winkel aufgeschoben wurde, durch den Druck im Detail
46
K. A. Lossen, geologische und petrographische
gefaltet und schliesslich, worauf Stelzner Werth legt, noch etwas
transversal gepresst und zerklüftet worden sind, scheint mir ganz ein-
leuchtend. Auch hier gilt es also die be iden Faltungsrichtungen
des Harzes, Druck und Zug, Biegungen und Quetschungen in
der Fall- und in der Streichrichtung, Faltung, Drehung,
Spannung, Zerreissung, Pressung in richtiger Aufeinander-
folge in Betracht zu ziehen. Wenn ich erwäge, ein wie so
rascher Umschwung in der Auffassung der noch vor wenigen
Jahren nach Art der Nierenkalkstructur beurtheilten Lagerstätten-
form sich vollzogen hat, seit Wimmer s Darlegung des hangenden
Trums als einer Falte und meiner Darlegung der »Leitschicht«
als einer Büschel zwischen dem flach wellig gelagerten gepressten
Dachschiefergebiete und der steilstehenden, überschobenen, in ge-
neigte und streichende Stauungsfalten gezwängten Lagerstätten-
region, so giebt mir das einige Zuversicht auch auf einen weiteren
Umschwung der Auffassung. Einstweilen befriedigt es mich nicht
wenig, in dem gründlichen Kenner des dem Harze so verwandten
norwegischen Gebiets, in Altmeister Kjerulf, dem Vertreter »der
Erzlineale« 1), einen erprobten Kampfgenossen zu besitzen. Die
ausgezeichneten Beobachtungen Köhler s, welche bereits anfangen
neben den Faltungen in der Fallebene, auch den Falten im Streichen
am Kammeisberge gerecht zu werden, geben mir Hoffnung, dass
wir der richtigen Auffassung der Lagerstätte immer näher rücken.
Welches nun auch das Endergebniss sein möge, soviel erhellt doch
auch aus dieser Controverse , dass nur die Kenntniss von dem
geologischen Baue des ganzen Gebirges die richtige Grundlage für
das tiefere Verständniss auch der Erzlagerstätten abgeben kann.
Als Beleg dafür sei noch kurz angemerkt: Sind wir im Recht
mit unserer Vorstellung von dem räumlichen Verhältnisse des
Granits und der ihm vergesellschafteten Eruptivgesteine zu dem
Faltenbaue, so folgt daraus unmittelbar der Satz, dass ein und
dieselbe mehr weniger querschlägig, bezw. spiesseckig
zu den Falten verlaufende Gangspalte in der heutigen
*) Siehe dessen Geologie des südlichen und mittleren Norwegens. Gurlt’s
Uebersetzung S. 293 ff. Taf. XVIII und XIX.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
47
Gebirgsob erfläche in sehr verschiedenem Niveau über
der welligen Granitoberfläche in der Tiefe herstreicht.
Das wird man zu beachten haben, wenn man daran geht, die Aus-
füllung unserer Gangspalten in Beziehung zum geologischen
Baue verstehen zu lernen. Dass dies Verständniss für die aller-
meisten und namentlich die grossen Gänge des Harzes nicht im
Sinne einer reinen Lateralsecretion zu suchen sei, darüber wird
der Harzer Bergmann kaum jemals im Zweifel gewesen sein, heute
aber liegt das klar zu Tage. Es ist doch unverkennbar, wie die
Rothgiltigerze1) und andere edle Silbererze, die Antimon- und Arsen-
erze, die Kobalt-, Nickel- und Wismutherze und der Magnetkies
von St. Andreasberg über Braunlage bis nach Hasserode eine
z u s a m m e n g e h ö r i g e E r z f o r m a t i o n im Hangenden des
Brockengranitmassivs darstellen, die ihren grössten 'Reichthum
in dem gegen die Granitoberfläche eingesunkenen Keile zwischen
den Ruschein entwickelt, wo ihr, um auch aus der beibrechenden
Gangmasse und dem Nebengesteine etwas Charakteristisches zu er-
wähnen, der Flussspath und Kalkspath neben dem Quarze und
zufolge der Einwirkung auf die Diabase die Zeolithe2), der Axinit,
der Epidot und der Granat nicht fehlen. Wie so ganz anders ist
die viel höher über der Granitoberfläche stehende Erz-
führung und Füllung im Ober harze jenseits auf der Concav-
seife oder der liegenden Seite des B r o c k e n g r a n i t s !
Zwischen beiden Gangsystemen liegt die 0 d e r s p a 1 1 e als reineres
Quarzgang syst ein, das doch ausser den Eisen- und Mangan-
oxyden hie und da arme Kupfererze und etwas Kalkspath
x) Nach Zuckert (Zincken, östl. Harz, S. 134) auch auf dem Ludwig Rudolf
auf dem Steinfelde bei Braunlage.
2) Nach des um die Diabase des Harzes so wohl verdienten 0. Schilling’s
Nachrichten auch zu Braunlage. Auch den Kalkspathreicbthum der Andreasberger
Gänge darf man wohl ungezwungen auf die Berührung der Thermalwasser mit den
von unten her in die hängenderen Schichten des Ruschelellipsoids sattel-, nicht
gangförmig, hereinragenden Diabasmassen beziehen; dass die Diabase zur Zeit der
productiven Steinkohlenformation, der Gebirgskernbildungszeit des Harzes, schon
kalkspäthige Zersetzungsprodukte führten, geht zweifellos daraus hervor, dass in
den Granitcontacthöfen jedes Kalkspathmändelchen des metamorphosirten passiven
Eruptivgesteins zu einem kleinen Predazzo wird (Spitzenberg, Riefenbachthal und
Schmalenberg bei Harzburg, Braunlage an der warmen Bode u. s. w.).
48
K. A. Lossen, geologische und petrographische
(vgl. oben S. 18) zu führen scheint und sich hierin den Trese-
burger Gängen und denjenigen in der näheren Umgebung des Ranun-
bergs 1) und in dem Granit des Rammbergs selbst analog zeigt.
Gerade die Oderspalte, aus deren Fortsetzung auf dem Ochsenberge
(vgl. v. Groddeck a. a. O. S. 443) man Gangletten, Gangthon-
schiefer, Gangkalkspath mit Schwefelkiesconcretionen erschürft hat,
streicht oberflächlich durch sehr verschiedene Schichten, doch darf
man nicht das Abheben der Schichten durch den Granit von unten
vergessen, denn die Oderspalte läuft auf ihre ganze Erstreckung
durch Granit und metamorphische Schichten, im letzteren Falle
nach aller Erfahrung im Harz, wie mir scheinen will, zu nah über
der alten Granitoberfläche, als dass sie reiche Anbrüche erhoffen
lassen dürfte. Am Unterharze setzt bei der Erichsburg ein Gang
im Granit auf, der Quarz, Flussspath und etwas Kupferkies führt,
das ist also ein Repräsentant dieser quarzreichen, er z armen
Formation, der uns nach Lage und Füllung hinüberleitet2) zu
der Unter harzer Gangformation. Es giebt für einen geo-
logisch geschulten Bergmann wohl kaum ein dankbareres Thema,
als ein Vergleich der Anhaltinisch - Stoibergischen mit den Ober-
harzer Gängen unter Berücksichtigung der durch die geognostische
Uebersichtskarte und ihr Verständniss gegebenen Gesichtspunkte!
von einer erschöpfenden Behandlung dieses Themas kann selbst-
verständlich nicht die Rede sein, nur das sei für eine solche
Zukunftsarbeit bemerkt: Die Gangform des Unter harzer
Spaltennetzes nähert sich, namentlich in dem mäch-
tigen und weithin fort setz enden Neudorf-Stras sb erg er
Gangzuge der Form der Oberharzer Gänge, trotzdem
nähert sich die Füllung durchweg unter Bewahrung ihrer
■ o o ö
V Daraus führt Zincken (Acta Acad. Caes. Leop. Carol. Nat. Cur. Yol. XXI,
P. II. S. 708) auch Schwefel- und Arsenikkies an; zu Treseburg und Altenbrak
neben dem Kalkspath auch Flussspath, unter den Kiesen aucli Magnetkies.
2) Bergrath Kegei. in Goslar, dem wir so scharfsinnige Beobachtungen über
die Anhaitinischen Gänge verdanken (vergl. Berg- u. Hüttenmänn. Zeit. 1877,
S. 397 ff.), theilt mir mit, dass von Neudorf gegen Harzgerode und Mägdesprung
hinzu, also gegen den Granit hinzu, wie ich es auffasse, der Quarz als Ganggestein
mehr und mehr zunimmt, und dass dasselbe Verhalten in den Oberharzer Spalten
gegen N. und 0., also gegen den Ockergranit hinzu, statthat.
Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
49
Eigenart viel mehr der des St. Andreasberg-Hasseroder
(rang Systems, das rührt offenbar daher: die Gänge durchsetzen
das Hangende des Rammberg-Granits, nicht das Liegende
des Granits, wie die Oberharzer Gänge, aber in weiteren
Abständen von dem Contacthofe als bei St. Andreas-
berg. Daher die gemischte Natur ihrer Füllung. So finden wir
denn hier den bei St. Andreasberg wenig hervortretenden Flussspath
z. Th. in ausserordentlich grossen Massen (Suderliolz, Flussschacht,
Louise) und von grosser Verbreitung neben Spatheisenstein, Quarz,
Kalkspath und -selbst etwas Schwerspath (Stollngang) 1 ) , ferner
Bleiglanz, Schwefelkies, Kupferkies, Blende, Bournonit, Zundererz,
Federerz, Fahlerz wie am Oberharze, wo jedoch die Rolle der
4 letztgenannten Andreasberger Mineralien meines Wissens viel
mehr zurücktritt, schliesslich aber Nickelglanz, Antimonnickelglanz,
Arsenik- und Magnetkies, Wolfram und Scheel kalk. Die
beiden letztgenannten Mineralien allein genügten den Zusammen-
ö O ö
hang der Gangbildung mit der Granitaufpressung augenfällig zu
machen , wenn man auch nicht auf der Grube Birnbaum 2) mit
dem Gange den Porphyr (Facies des Granits?) seiner Zeit an-
gefahren hätte. Rechnet man noch den Antimonreichthum und
Arsengehalt der in Quarz brechenden Erze des Wolfsberger
Gangsystems3) hinzu, so tritt die stoffliche Verwandtschaft mit
') Zincken, a. a. 0. Acta Leopold, cet. S. 706.
2) Bübert, Karst. Arch. Bd. XVI, S. 204 ff.
3) Wohl ist mir bekannt, dass Zincken und nach ihm wohl andere (Schönichen
z. B.) dieses System, sowie die Gänge in der Krummschlacht und bei Stolberg
überhaupt auf die Porphyreruption des Auerbergs beziehen. Es würde zu weit
führen, hier die Beziehungen von Rammberg und Auerberg zu besprechen, es
genüge die Mittheilung, dass ich das Auerbergsystem, welches nach seinem Spalten-
verlauf und seiner Spaltenverschiebung gegen SW. (vgl. oben S. 27) den post-
granitischen Massen angehört, gleichwohl als eine sehr frühzeitig erfolgte Wieder-
holung des Ausbruchs der saueren Massen der Rammbergregion aufzufassen mich
genöthigt sehe. Der sehr krystallreiche Porphyr führt Turmalin in mikroskopischen
Krystallgruppen und nähert sich dadurch wie durch andere Eigenschaften dem
Bodegange (Porphyr-Facies des Rammbergs). Auch fällt auf, dass diese ansehn-
liche granitverwandte Porphyrmasse als Ganzes ebenso jenem Verschiebungsgesetze
gegen SW. zu gehorchen scheint, wenn man ihre Ausbruchstelle mit der Lage des
Rammbergs vergleicht, und zwar fällt dies um so mehr auf, als auch zwischen dem
östlichsten, Glimmer führenden Melaphyrgange im Harz und der glimmerführenden
4
50 K. A. Lossen, geolog. und petrograph. Beiträge zur Kenntniss des Harzes.
den Gängen auf der hangenden Seite des Brockens noch mehr
hervor 1).
Und sind sie denn alle versiecht diese erzspendenden Granit-,
Gabbro- oder Porphyr-Thermen? Hat der der Basalteruption, der
Säuerlinge und der eigentlichen Heilquellen ledige Harz ausser
seinen schwachen Salzsoolen, die aus dein unter seinen Nordrand
untergequetschten salzführenden Flötzgebirge aufsteigen, kein ein-
ziges thätiges Zeugniss mehr aus der unter der Mitwirkung der
Granit- und Gabbro-Aufpressung zur oberen Carbonzeit erfolgten
Gebirgskernbildung ? Wer freute sich nicht mit mir, hier zum
Schlüsse auf die dem Bodegange entquellende Salz- und
Schwefelquelle bei Ludwigs hütte hindeuten zu dürfen! Wo
der Schöpfer Gesetze gegeben hat, versagt er dem in treuer Hingabe
an die Aufgabe Forschenden den Hinweis darauf nicht. Diese
Quelle, die schon Zincken 2) in seiner systematischen Uebersiclit
der Gänge und Lager des Harzes, welche metallführend sind, ganz
folgerichtig mit einreiht in die Spaltenausfüllungen, riecht und
schmeckt intensiv nach Schwefelwasserstoff, scheidet Schwefel auf
der Oberfläche des Quellspiegels ab und führt Kochsalz, Chlor-
calcium, Chlormagnesium, kohlensaure Kalk- und Talkerde.
Melaphyrdecke bei Neustadt, zwischen den Melaphyrgängen überhaupt und der
llfelder Melaphyrdecke , zwischen den Granitporphyren und der Decke des nahe
verwandten, nur etwas plagioklasreicheren llfelder Porphyrits, schliesslich zwischen
dem Brocken und dem Porphyr des Rabensbergs, und vielleicht auch zwischen Ocker-
granit und Knollen-Porphyr, dasselbe Verschiebungsgesetz zu herrschen scheint.
x) Die Schwerspath und Anhydrit führende Gangformation bei Lauterberg
zu besprechen liegt fern, so lange E. Kaysek’s Bericht darüber fehlt; dauerte die
Schwerspathbildung am Oberharze, wie v. Groddeck auf Grund des Rösteberger
Vorkommens annimmt, bis in die Zechsteinzeit fort, so sind die Verhältnisse solcher
Gangfüllung, da zwischen der Ablagerung des Rothliegenden und der des discordant
dazu liegenden Zechsteins der Harz als Ganzes bereits eine Schwankung ausgeführt
haben muss, nicht mehr so einfach; es ist auffällig, dass Schwerspath von den
Gängen im Grünen Schiefer zu Mohrungen an . und im llfelder Porphyrit bis zu
denen unter dem Zeclisteine des Röstebergs, bezw. zu den Oberharzer Gängen,
vorzüglich der Süd- und Westseite des Harzes angehört.
2) a. a. 0. Act. Leop. cet. S. 704, sowie ausführlich im Braunschw. Magazin,
47. Stück, Sonnabends, d. 22. Nov. 1817, S. 737 — 746.
Berlin, Mitte März 1882.
K. A. Lossen.
Beiträge zur Kenntniss von Oberdevoii und
Culm am Nordrande des rheinischen Schiefer-
gebirges.
Von Herrn E. Kayser.
(Hierzu Tafel I— III.)
Y o r b e m e r k n n g e n.
Im Winter 1880/81 lag mir eine Examenarbeit des damaligen
Bergreferendars, jetzigen Bergassessors, Herrn MatthiaSS über die
Schichten zwischen dem Elberfelder- oder Stringocephalenkalk und
dem Flötzleeren Sandstein in der Gegend von Velbert uördl.
Elberfeld zur Beurtlieiluug vor. Unter den Belegstücken zu dieser
Arbeit fielen mir besonders ein paar bis 2 Zoll lange, grobrip-
pige Exemplare von Productus aus dem dunklen Schiefer der
(auf Bleiglanz und Blende bauenden) Grube Prinz Wilhelm bei
Velbert auf, weil solche Formen, so gewöhnlich sie auch im
Kohlengebirge sind, für das Devon (dem sie gemäss ihres Fund-
ortes nach der DEOHBN’schen Karte unbedingt angehören mussten)
eine völlig neue Erscheinung waren.
Diese grossen Producten, wie auch die bemerkenswerthen sie
begleitenden Formen — darunter mehrere deutliche Reste von
Phacops — riefen in mir den Wunsch hervor, die Fundstätte der
interessanten Fauna durch eigene Anschauung kennen zu lernen.
Im vergangenen Sommer (1881) habe ich alsdann in Folge eines
meinem Wunsche entgegenkommenden Auftrages der Direction
der geologischen Landesanstalt acht Tage auf eine Begehung der
4
52
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
Grenzbildungen zwischen Devon lind Kohlengebirge verwenden
können. Besondere Aufmerksamkeit widmete ich bei dieser Be-
gehung dem Aufsammeln von Versteinerungen, und es ist mir
denn auch gelungen, sowohl in den oberdevonischen Schichten
der Prinz Wilhelmgrube und der Umgebung von Velbert überhaupt
als auch im Culm von Aprath (zwischen Elberfeld und Wülfrath)
eine reiche Ausbeute an interessanten, für diese Gegend zum
grossen Theil neuen Formen zu machen, die zu beschreiben der
Zweck dieses Aufsatzes ist.
Zur allgemeinen Orientirung über die geognostischen Ver-
hältnisse der fraglichen Gegend verweise ich auf Blatt Düsseldorf
der grossen DECHENsclien Karte von Rheinland -Westfalen (Maass-
stab 1 : 80,000). Man ersieht aus derselben , dass die Schichten
des Oberdevon, die in der Gegend von Iserlohn, Hagen und El-
berfeld ein verhaltnissmässig nur schmales Band zwischen Stringo-
cephalenkalk und Culm bilden, im NW. von Elberfeld, in der
Gegend von Wülfrath, Neviges und Velbert in Folge einer breiten,
sich hier ausbildenden, im Einzelnen wieder aus zahlreichen Special-
falten zusammengesetzten Schichtenaufsattelung eine sehr bedeu-
tende räumliche Ausdehnung erlangen.
Am S.O.-rande dieser Oberdevonausbreitung erscheinen über
den obersten Devonschichten — wie überall weiter östlich — als
tiefstes Glied des Kohlengebirges Culmscliichten, ein schmales
Band zwischen Oberdevon und Flötzleerem bildend. Weiter nach
N. und W. aber (schon bei der ehemaligen Kopfstation Neviges)
schiebt sich als ein weiteres Glied des Kohlengebirges unter dem
Culm noch Kohlen kalk ein, als eine zuerst nur wenige Fuss
starke, weiter gegen W. aber immer mächtiger werdende Bildung,
die schon nördl. Velbert über 100' und bei Ratingen unweit Düssei-
dorf mehrere 100' Dicke erlangt. In demselben Grade aber, als
der Kohlenkalk an Mächtigkeit allmälig zunimmt, nimmt der Culm
ab, bis er endlich auf der linken Rheinseite (bei Aachen und im
Belgischen) gänzlich verschwunden ist.
w as die Zusammensetzung der Schichtenfolge zwischen Mittel-
devon und Flötzleerem in der fraglichen Gegend betrifft, so ist
dieselbe aus mehreren älteren und neueren Arbeiten des Herrn
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
53
von Deciien bekannt1). Nach diesen Arbeiten, denen meine
eigenen Begehungen kaum etwas Neues zuzufügen vermochten,
gliedert sich jene Schichtenfolge von oben nach unten in fol-
gender Weise:
Hangendes : Flötzleerer Sandstein.
Alaunschiefer, Posidonienscliiefer, Kieselschiefer und
Kalksteine.
Obere Dolomitzone (Ratingen).
Hellfarb., dickbäuk., lialbkrystall. Kalkstein.
. Blaulichgraue bis grünliche Schiefer und Sandsteine
mit schwachen Kalkeinlagerungen.
An der Basis : schwärzliche sandige Schiefer (Aequi-
valente des Flinz?).
Liegendes : Stringocephalenkalk.
Am schwankendsten ist in dieser Schichtenfolge die Aus-
bildung des Culm. Zwar liegt — soweit ich mich überzeugen
konnte, allenthalben — an seiner obersten Grenze eine Zone von
Alaunschiefer; dagegen weisen die unter diesem liegenden Schichten
fast in jedem Profile kleine Unterschiede auf, die besonders durch
die sehr verschiedene Mächtigkeit und Reinheit der Kieselschiefer
und Kalksteine bedingt werden. Die Verknüpfung des Culm und
Kohlenkalks ist eine weit engere, als man bei der grossen petro-
graphischen Verschiedenheit beider Bildungen anzunehmen geneigt
sein könnte. Die Zusammengehörigkeit beider spricht sich nicht
nur in der oben erwähnten Reciprocität der Mächtigkeitsverhältnisse
aus, sondern auch in einer innigen petrographischen Verknüpfung,
die dadurch entsteht , dass nicht blos inmitten des reinen Kohlen-
kalks mitunter mehr oder minder mächtige Einlagerungen von
Kieselschiefer oder schwarzem alaunschieferartigen Schiefer2) auf-
x) Ueber die Schichten im Liegenden des Steinkohlengebirges an der Ruhr
(Verhandl. des naturhistor. Yer. f. Rheinl.-Westf., Bd. VII, 1850). Geognostiscke
Uebersicht des Regierungsbezirks Arnsberg (Ebendas. Bd. XII, 1855). Geogn.
Beschaffenheit des Regierungsbez. Düsseldorf (in v. Mülmann’s Statistik des Reg.-
Bez. Düsseldorf, Bd. I, 1864).
2) In den gewaltigen Steinbrüchen im Kohlenkalk bei Hefel nördl. Velbert
erreicht eine solche Schiefereinlagerung 1 1/2 Met. Mächtigkeit.
Oberdevon :
Culm :
Kohlenkalk :
54
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
treten, sondern dass sogar mitunter an der Grenze beider Bildungen
ein förmliches Alterniren von hellfarbigen, kohlenkalkähnlichen
Kalkbänken und Kieselschieferlagen stattfindet (zwischen der Prinz
Wilhelmgrube und der Gemeinde Richrath).
Was die Ausbildung des Ober de von betrifft, so fällt be-
sonders die grosse Entwickelung der oberen Abtheilung desselben,
des sog. Kramenzel auf, während die untere, anderweitig aus
schwarzen, mehr oder weniger reinen Schiefern bestehende Stufe des
Oberdevon, der bei Elberfeld noch deutlich hervortretende1) Flinz,
schon wetiig weiter westlich, bei Wülfrath, nicht mehr mit Sicherheit
zu erkennen ist. Es wäre indess möglich, dass gewisse, daselbst un-
mittelbar über dem Stringocephalenkalke liegende, nach oben ganz
allmälig in die Kramenzelschichten übergehende, schwärzliche, san-
dige Schiefer jene Stufe repräsentiren. Was den Kramenzel selbst
betrifft, so ist seine obere Grenze gegen das Kohlengebirge, mag
dasselbe nun mit Culm oder Kohlenkalk beginnen, überall scharf
und leicht aufzufassen. Im Allgemeinen ist für den Kramenzel
in der Gegend zwischen Elberfeld und Düsseldorf das fast voll-
ständige Zurücktreten der weiter östlich so häufigen rothen und
grünen Schiefer, sowie der Kalknieren-führenden Schiefer oder der
reineren Knollenkalkbänke charakteristisch. Statt ihrer herrschen
sandige Schiefer und Sandsteine von im frischen Zustande blau-
bis grünlich - grauer , bei beginnender Verwittenmg aber gelblich
oder bräunlich werdender Färbung vor, in denen nur hie und da
bis ein paar Zoll starke Einlagerungen von unreinem , plattigem
Kalkstein auftreten. Sehr verbreitet ist sowohl in den sandigen
als auch in den schieferigen Gesteinen ein Gehalt an weissem
Glimmer in kleinen Blättchen und Schüppchen — übrigens eine
Eigentümlichkeit fast aller sandigen Oberdevongesteine im Gebiete
des rheinisch-belgischen Schiefergebirges. Etwas auffallend ist auf
den ersten Blick die dunkelblauschwarze Farbe des kalkigen
Schiefergesteins, welches den grössten Theil der Halden der Prinz
1) In der Sammlung des Herrn Pastor Heinersdorff in Elberfeld sah ich mit
Cardiolci retrostriata und Tentaculiten erfüllte Linsen von dunklem, bituminösen
Kalkstein, die aus den Flinzschichten der nächsten Umgebung stammend, den
ähnlichen Vorkommen von Altenau und Bicken täuschend ähnlich sind.
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
55
Wilhelmgrube zusammensetzt. Sieht man aber von der dunkelen
Färbung ab, welche offenbar mit der frischen Beschaffenheit zu-
sammenhängt, welche die an der Oberfläche stets gebleichten Ge-
steine in grösserer Tiefe besitzen, so weist auch hier sowohl der
Glimmergehalt als auch das nicht seltene Sandigwerden des Gesteins
auf dessen Zugehörigkeit zum Oberdevon hin.
Es sollen nun zunächst die im Oberdevon von Velbert, dann
die im Culm von Aprath gesammelten Arten beschrieben werden.
Beschreibung der Arten.
Arten aus dem Oberdevon von Velbert.
Die in der Gegend von Velbert gesammelten Arten stammen
theils aus den eben erwähnten dunkelen Schiefern der Prinz
Wilhelm grübe (aus dem Liegenden der ca. horall streichenden
Erzgänge), theils aus den stark zersetzten, gelblichen, mürben,
grauwackenartigen Sandsteinen im O., S. und N. der Stadt, be-
sonders im Osten der Chaussee nach Werden, auf dem Wege
nach Hefel, unweit der Kohlenkalkgrenze.
In Betreff des Erhaltungszustandes der Versteinerungen ist
zu bemerken, dass die aus dem schwärzlichen, kalkigen Schiefer
der Prinz Wilhelmgrube stammenden Reste zum grossen Theil
noch mit der ursprünglichen Kalkschale versehen sind, z. Th. aber
in Steinkernen vorliegen. Leider sind die hier vorkommenden
Versteinerungen in der Regel mehr oder weniger verdrückt. Was
weiter die in den sandigen Gesteinen von Hefel gefundenen Fos-
silien betrifft, so kommen dieselben nur in Steinkernen und Ab-
drücken vor, welche letztere aber oft von ausgezeichneter Feinheit
sind. Giesst man sie mit Kautschuk aus, so erhält man das Bild
der ursprünglichen Schale, und wenn man ausserdem noch den
Steinkern besitzt, so kann man sowohl die äusseren als auch die
inneren Charaktere des Fossils auf das Vollständigste ermitteln.
56
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
Phacops granulatns Münst.
Taf. I, Fig. 1, 2.
— — Salter, Monogr. Brit. Trilob. p. 18, tb. 1, f. 1 — 4.
— — Gümbel, Fichtelgebirge, p. 494, tb. A, f. 15.
Von diesem Trilobiten liegt das abgebildete und ein zweites,
weniger gut erhaltenes Kopfschild sowie eine Anzahl Pygidien vor.
Nach Gümbel, der die Art zuletzt beschrieben und der Ge-
legenheit hatte, Graf Münster’ s Originalexemplare zu vergleichen,
unterscheidet sich dieselbe von dem verwandten Ph. latifrons durch
ihre starke Granulation , durch die nach der Stirn zu ausseror-
dentlich breit werdende, sich beträchtlich über den Randsaum er-
hebende Glabella, das Fehlen stärkerer Höcker (sowohl des mitt-
leren als auch der seitlichen) auf dem sog. Zwischenring, sowie
endlich durch die grosse Breite des Randsaums, namentlich an
den Hinterecken, in der Richtung nach vorn.
Besonders das letztgenannte Merkmal tritt bei unseren rhei-
nischen Stücken in auffälliger Weise hervor. Aber auch die starke
Granulation und die ausserordentliche Verbreitung der Glabella
an der Stirn sprechen dafür, dass nicht Phacops latifrons, sondern
die MÜNSTER’sche Art vorliegt. Die mit den beschriebenen Kopf-
schildern zusammen gefundenen Schwänze unterscheiden sich von
denen von Phacops latifrons nur durch ihre stark entwickelte Gra-
nulation.
Ph. granulatus ist, wie es scheint, ganz auf das Oberdevon
beschränkt. Graf Münster beschrieb ihn aus dem Fichtelgebirge,
Salter aus England. Aus dem rheinischen Gebirge ist er, soviel
ich weiss, bisher nur ein einziges Mal angegeben worden (Zeitschr.
d. Deutsch, geol. Ges. 1873, p. 659), während er aus Belgien un-
bekannt ist. Es wird indess zu untersuchen sein, ob der in Belgien
nach Angabe der dortigen Geologen im Oberdevon nicht seltene,
bis an die Basis des Kohlengebirges hinaufgehende, als latifrons
aufgeführte Phacops wirklich dieser oder vielleicht ebenfalls der
MÜNSTER’schen Art angehört !).
*) Ich benutze diese Gelegenheit zu der Bemerkung, dass sich unter dem
Namen Ph acops latifrons , soweit er auf Trilobiten aus dem Eifeier Mitteldevon
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
57
Gyroceras cnf. cancellatum F. Röm.
Taf. 1, Fig. 7.
Gyrtoceratites cancellatus F. Römer, Rhein. Uebergangsgeb. p. 80, tb. 6, f. 4.
Ein flachgedrücktes, gegen 25 Millimeter langes und etwa
10 Millimeter breites Bruchstück einer Windung, welches in Ab-
ständen von 3 Millimetern starke, leistenförmige Querrippen zeigt,
die von feinen, gedrängten, weniger als */2 Millimeter von einander
angewandt wird, zwei specifisch wohl unterschiedene Arten verstecken. Die eine
ist in F. Römer’ s Letlmea palaeozoica tb. 31, f. 2 a und 2 b abgebildet. Diese
weitaus häufigere, kleinere Art zeichnet sich durch ein stark gewölbtes,
namentlich nach den Seiten rasch abfallendes Kopfschild aus. Die Glabella ist
verhältnissmässig schmal, breit gewölbt und erhebt sich mit parabolischer
Contour beträchtlich über den Stirnsaum. Die zweite Art ist in dem
genannten RöMER’schen Atlas auf derselben Tafel in Fig. 2 c abgebildet. Sie wird
erheblich grösser und lässt sich sofort durch das breitere, flachere Kopfschild,
sowie besonders durch die breitere, flachere Glabella unterscheiden, die an der
Stirn mit flachbogiger Linie endigt und sich nicht oder nur sehr
wenig über dem Randsaum erhebt. Auch sonst sind noch Unterschiede
vorhanden, wie dass der sog. Palpebralhöcker und der Zwischenring bei der grösseren
Form im Allgemeinen stärker entwickelt sind, als bei der kleineren ; und da beide
Formen auch eine verschiedene vertikale Verbreitung zu besitzen scheinen, — ich
habe die grössere immer nur im Stringocephalenkalk gefunden — so dürfte eine
specifische Trennung beider durchaus erforderlich sein.
Weniger einfach ist die Entscheidung der Frage, mit welchen Namen die
beiden Arten bezeichnet werden sollen. Bronn hat (Leonhard’s Zeitschr. f. Mineral.
1825, p. 317, tb. 2) für die Eifel 2 Arten, Ph. latifrons und Schlotheimi, Steininger
(Mem. de la Soc. Geol. de France, I, p. 350 und Geogn. Besehr. d. Eifel p. 87)
noch eine dritte, Ph. Latreillii unterschieden; aber die späteren Autoren, wie
F. Römer und die Brüder Sandberger haben diese vermeintlichen Species wieder
zusammengezogen und seitdem werden alle mittel devonischen Phacopsformen der
Eifel als latifrons bezeichnet. Ich habe mich nun festzustellen bemüht, ob sich
vielleicht eine der Bronn ’schen oder Steininger ’schen Arten mit einer der von
mir oben unterschiedenen Arten deckt. Die Abbildungen und Beschreibungen
der genannten Autoren sind indess so ungenügend, dass mir dies trotz aller Mühe
nicht gelungen ist. Es wäre möglich, dass der Bp.oNN’sche Name Schlotheimi sich
auf die oben beschriebene, häufigere kleinere, sein latifrons aber auf die grössere
Art beziehen soll. Wenn ich aber schon darüber zu keinem sicheren Resultate
gelangen konnte, so gilt dies noch mehr von den Steinin ger’ sch en Namen, über
deren Bedeutung man wohl kaum jemals ganz in’s Klare kommen dürfte. Unter
diesen Umständen möchte ich mir den Vorschlag erlauben, den alten Namen
latifrons , der wohl zu den in der Literatur am meisten eingebürgerten gehört und
daher mit möglichster Schonung zu behandeln ist, auf die nicht nur in der Eifel
58
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
abstehenden Längsrippchen durchkreuzt werden. Möglicherweise
könnte die Art auf F. Römer’ s Gyr. cancellatum zu beziehen
sein, eine Form ans dem, dem obersten Mitteldevon angehörigen
Rotheisenstein der Gegend von Brilon. Prinz Wilhelmgrube.
Loxonema aiiglicum d’ORB.
Taf. I, Fig. 3.
— — de Köninck, Foss. Paleoz. Nouv. Galles du Sud, p. 124, tb. 4, f. 9.
Diese Art zeichnet sich durch ein sehr lang-conisches, aus
sehr zahlreichen (im erwachsenen Zustande gegen 20) Windungen
bestehendes Gehäuse aus. Dieselben nehmen langsam und gleich-
mässig an Höhe und Breite zu und tragen 12 — 14 starke, etwas
gebogene, rippenförmige Tuberkel, welche fast die ganze Höhe
der Windung einnehmen, indess nicht ganz bis an die obere Sutur
heranreichen, unter welcher letzteren in Folge dessen ein schmales,
glattes Band frei bleibt. Spiralwinkel 12°, Mündung oval.
Von dieser schönen Art liegt mir ein von Herrn Matthiass
in einem Steinbruche nördlich und ganz nahe von Velbert in un-
reinen, kalkigen Sandsteinen gefundener Hohldruck vor, nach dessen
Ausguss die Abbildung Fig. 3 hergestellt worden ist. Der untere
Tlieil des Gehäuses mit der Mündung ist nicht mehr vorhanden,
dagegen die 6 ältesten Windungen noch recht gut erhalten, und
diese stimmen in jeder Beziehung, namentlich in der äusseren
Sculptur, mit der Abbildung und Beschreibung de Könincks
überein.
Die Muschel wurde zuerst von Piiillipps aus dem Oberdevon
von Brushford (Palaeoz. foss. tb. 38, f. 188) abgebildet, aber auf
eine ähnliche carbonische Art, nämlich L. rugiferum desselben
Autors bezogen, welche sich durch grösseren Spiralwinkel (18- — 20°)
und fast die ganze Breite der Umgänge einnehmende Rippen
unterscheidet (vergl. de Köninck, 1. c. und Faune du Calc. Car-
bonif. de la Belgique, 3. part., Gasterop. 1881, p. 60). d’Orbigny
weitaus häufigste, sondern auch anderwärts, wie in Belgien, England und Nord-
Amerika (Ph. bufo Green) verbreitetste Art zu beschränken, die oben unterschiedene
grössere, dem Stringocephalenniveau angehörige Form aber neu zu benennen und
hinfort als Phacops Eifeliensis aufzuführen.
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
59
schlug später (Prodrome I, p. 62) für die devonische Schnecke
den Namen L. anglicum vor. Dieselbe besitzt eine grosse Ver-
breitung, da sie sich nicht nur am Ilmensee (Eichwald, Leth.
rossica, I, p. 1116), sondern auch in Neusüdwales (de Köninck, 1. c.)
wiederfindet. Ihr Wiedervorkommen in den obersten Devonschichten
des rheinischen Gebirges ist sehr interessant. Wahrscheinlich gehört
auch die von Trenkner (Paläontolog. Novitäten I [Abhandl. d.
Naturf. Gesellsch. zu Halle, Bd. X] tb. 1, f. 19) aus dem ober-
devonischen Kalk des Iberges im Harz als L. rugifera abgebildete
Form hierher.
Euomphalus aff. Schnurii Arch. Vern.
Taf. I, Fig. 10.
- — — Archiac & Vernkuil, Transact. Geol. Soc. Lond., 2. ser., p. 364, tb. 34, f. 7.
— acuticosta Sandbercer, Rhein. Sch. Nass. p. 210, tb. 25, f. 2.
Ein in den Schiefern der Prinz Wilhelmgrube gefundener
Abdruck , nach dessen Ausguss die obige Abbildung angefertigt
worden ist. Nur der äussere Umgang ist noch leidlich erhalten,
die inneren dagegen kaum mehr zu erkennen. Jener äussere Elm-
gang ist in der Mitte zu einem hohen, markirten Längskiel erhoben
und mit zahlreichen feinen aber scharfen Querstreifchen bedeckt.
Eine nähere Bestimmung ist bei der ungenügenden Erhaltung
nicht ausführbar ; die Art könnte indess mit der oben genannten,
im rheinischen Stringocephalenkalk nicht seltenen, nach Angabe
der Gebrüder Sandberger (1. c.) auch im oberdevonischen Eisen-
stein von Oberscheld vorkommenden Art verwandt sein.
Cucullaea? Hardingii Phill.?
— — Phillips, Palaeoz. foss. p. 40, tb. 18, f. 67.
Zu dieser in den sandigen Ablagerungen des englischen und
belgischen Oberdevon sehr verbreiteten, auch im gleichalterigen,
den Kohlenkalk unterlagernden Verneuili - Sandstein der Gegend
von Aachen sich findenden Art gehört wahrscheinlich eine oval-
geformte, gegen 30 Millimeter breite, etwa halb so lange Muschel
aus den dunkelen Schiefern der Prinz Wilhelmgrube. Der nicht
60
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
erhaltene Wirbel lag offenbar zwischen Mitte und Vorderseite.
Die äussere Oberfläche ist glatt, mit zahlreichen starken, aber
ungleichmässigen Rippen bedeckt.
Cypricardiiiia? sp.
Tat. I, Fig. 9.
Ein ebenfalls auf“ der Halde der Prinz Wilhelmgrube gefun-
dener Zweischaler von schräg - ovalem Umriss mit ganz nach
vorn gerücktem Wirbel und zahlreichen, etwas wulstig vortretenden
Anwachsringen, die — ähnlich wie bei Cypr. elongata Arch. Vern. —
von gedrängten, fadenförmigen Radialrippchen durchkreuzt werden.
Spirifer Verneuili Murcii.
Tat. II, Fig. 12-14.
disjunctus Davidson, Mon. Brit. Devon. Brachiop. p. 28, tb. 5, 6.
Es liegen mehrere Exemplare dieser bekannten und wichtigen
oberdevonischen Leitform vor, sowohl aus den Schiefern der Prinz
Wilhelmgrube (Fig. 13), als auch aus den Sandsteinen der Um-
gebung von Velbert, besonders von Hefel (Fig. 12 u. 14). Die
hier vorkommende Abänderung besitzt eine hohe Area und flügel-
förmig vei’längerte Seiten.
Spiriferina laminosa MUoy?
Tat'. I, Fig. 8.
Spirifera — Davidson, Brit. Carbon. Brach, p. 36, tb. 7, f. 17 — 22.
Spiriferina — » » » » Suppl. p. 277.
Ein in den Sandsteinen bei Hefel gefundener Hohldruck,
nach dessen Ausguss die obige Abbildung angefertigt worden
ist, zeigt eine stark cpier ausgedehnte, an den Schlossecken flügel-
förmig ausgezogene Ventralklappe. Der Sinus wird mässig breit,
aber nicht tief. Auf beiden Seiten desselben zählt man etwa 12
starke, schmale Radialrippen, die von sehr zahlreichen und mar-
kirten concentrischen Anwachsstreifen durchschnitten werden.
Es ist namentlich das letztgenannte Merkmal, welches es
mir wahrscheinlich macht, dass die beschriebene Klappe auf die
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
61
M’Coy'sche Art zu beziehen ist, die zwar vorwiegend carbonisch
ist, aber gelegentlich in England wie auch in Belgien schon im
allerobersten Devon auftritt.
Ich muss übrigens noch hervorheben, dass so stark geflügelte
Formen, wie die unsere, im Carbon noch nicht beobachtet zu
sein scheinen.
Athyris concentrica v. Buch.
Taf. I, Fig. 4.
Eine lose Y entralklappe von typischer Gestalt und Sculptur.
Grube Prinz Wilhelm.
Rhynclionella pleurotlon Piiill.
Taf. I, Fig. 5.
— — Davidson, Brit. Carbon. Brach, pl. 23.
» Brit. Devon. Brach, pl. 13, f. 11 — 13.
Zu dieser besonders im Kohlengebirge sehr verbreiteten, aber
in England und in Belgien auch im Ober- und mitunter schon
im Mitteldevon auftretenden Art gehört wohl unzweifelhaft das
abgebildete Exemplar aus den sandigen Schichten von Hefel,
sowie ein zweites aus den Schiefern der Prinz Wilhelmgrube.
Die kleine Muschel hat einen gerundet vierseitigen, quer aus-
gedehnten Umriss. Beide Klappen sind ziemlich stark gewölbt,
Sinus und Sattel wohl entwickelt. Auf denselben liegen 3 — -4,
auf jeder Seite gegen 7 einfache, starke, schon an den Buckeln
deutlich vortretende Kippen.
Orthis bergica n. sp.
Taf. II, Fig. 6 — 11.
Orthis tioga Hadl var. ?
Von gerundet vierseitigem Umriss, erheblich breiter als lang.
Grosse Klappe ziemlich schwach, die kleine etwas stärker gewölbt.
Schlossrand stets erheblich kürzer, als die grösste, in der Mitte
liegende Breite der Muschel, die Schlossecken gerundet. Schnabel
der grossen Klappe nicht merklich vorragend, die Areen beider
Klappen sehr schmal. Das auszeichnende Merkmal der Art liegt
62
E. Kaiser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
in einer mehr oder weniger starken kielförmigen Erhebung auf
der Mitte der Ventralklappe und einer entsprechenden sinusför-
migen Einsenkung der Dorsalklappe. Oberflächlich sind beide
Klappen mit zahlreichen, starken, sich durch häufige Spaltung
vermehrenden und zuweilen etwas gebündelten Radialrippchen,
sowie mit einigen ziemlich markirten, concentrischen Anwachs-
streifen versehen.
Das Innere der Ventralklappe zeigt einen stark vertieften,
verlängert fünfseitigen Muskeleindruck, der am unteren Ende von
einer flachen, breit-leistenförmigen mittleren Erhebung halbirt wird.
Im Innern der Dorsalklappe beobachtet man ausser zwei kräftigen
divergirenden Zahnplatten einen einfachen, sich nach unten in eine
kurze Meridianleiste fortsetzenden Schlossfortsatz. Unter demselben
liegt ein vierlappiger Muskeleindruck, von welchem vier sich nach
dem Rande zu verästelnde Gefässstämme aus laufen.
Die beschriebene Art stellt das häufigste in den oberdevoni-
schen Schichten von Velbert vorkommende Fossil dar und findet
sich sowohl in den schwarzen Schiefern der Prinz Wilhelmgrube
als auch in den glimmerigen Sandsteinen bei Hefel.
Unter den mir bekannten europäischen Devonarten kann
Orthis interlineata Sow. (Davidson, Brit. Devon. Brach, p. 91,
tb. 17, f. 18 — 23) aus dem englischen Oberdevon zum Vergleich
herangezogen werden. Diese Art ist der unserigen durch ihre
gerundet vierseitige, stark quer ausgedehnte Gestalt, den überaus
kurzen Schnabel und die geringe Wölbung des Gehäuses ähnlich.
Sie unterscheidet sich aber von der rheinischen Form durch noch
grössere Flachheit, besonders der Dorsalklappe, sowie durch das
Fehlen des mittleren Sinus und Sattels.
Wenn demnach eine Verwechselung mit der genannten engli-
schen Oberdevonart nicht möglich ist, so könnte eine solche sehr
leicht mit einer Form des nordamerikanischen Oberdevon, nämlich
Orthis tioga , aus den schieferigen Sandsteinen der Chemung-
gruppe (J. Hall, PalaeontoL, N.-York, vol. IV, pl. 8) stattfinden.
Denn sowohl im äusseren Umriss wie auch in dem Grade der
Convexität beider Klappen, der geringen Länge und Krümmung
des Ventralbuckels, dem Vorhandensein eines mittleren Sinus und
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
63
Sattels auf der Dorsal- resp. Ventralklappe , sowie endlich auch
in der Beschaffenheit der äusseren Rippchen , die Hall als öfters
gebündelt beschreibt und von denen in der oberen Hälfte des
Gehäuses jede zweite, in der unteren aber jede dritte bis vierte
stärker als die benachbarten sein soll — in allen diesen Merk-
malen findet eine Uebereinstimmung mit unserer bergica statt.
Ich würde diese letztere daher ohne Bedenken als Varietät zu
tioga gezogen haben, wenn nicht Hall den Schlossfortsatz seiner
Art als zweitheilig beschriebe, während derselbe bei der rheini-
schen Form ungetheilt ist. Auch sonst scheint das Innere der
kleinen Klappe (vergl. Halls Abbildungen, Fig. 25 u. 32) etwas
von dem der rheinischen Muschel abzuweichen, so dass ich es
für besser halte, die letztere mit dem neuen Namen 0. bergica zu
belegen. Auf alle Fälle aber bleibt ihre grosse äussere Aehu-
lichkeit mit der gleichalterigen amerikanischen Form sehr interessant.
Streptorliynclms iiinbraculum Schloth.
Taf. I, Fig. 10 u. 11.
— — Davidson, Brit. Devon. Brach, p. 76, tb. 16, 18.
Zu dieser bekannten, weit verbreiteten Devonart möchte ich
ein sowohl in den Schiefern der Prinz Wilhelmgrube (Fig. 11) als
auch in den Sandsteinen bei Hefel nicht selten vorkommendes, recht
beträchtliche Dimensionen erreichendes Fossil rechnen. Denn in
zwei Merkmalen, die M Coy für umbraculum (im Gegensatz zum
carbonisclien crenistria Phill.) als charakteristisch anführt, nämlich
in der grösseren Convexität der Dorsalklappe und im Vorhandensein
eines (in Fig. 12 deutlich hervortretenden) Sinus auf jener Klappe
findet eine offenbare Uebereinstimmung mit dem devonischen Typus
statt. Nur in der äusseren Schalensculptur spricht sich eine Hin-
neigung zum carbonisclien crenistria aus. Denn während nach
M’Coy die Zwischenräume der Rippen bei umbraculum glatt oder
nur mit schwachen und gleichmässigen Querstreifen erfüllt sind,
sollen dieselben bei crenistria von starken, unregelmässigeren, eine
starke Kerbung der Radialrippen erzeugenden Querrunzeln einge-
nommen werden (vergl. Davidson ’s Abbildungen 1. c. tb. 19, f. 1
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
64
und 2). Dies aber ist endlich auch die Beschaffenheit der Quer-
sculptur bei der in Rede stehenden rheinischen Form, so dass
diese mit der äusseren Gestalt der devonischen Form eine Sculptur
verbindet, die derjenigen der carbonischen Art nahe steht.
Es ist übrigens hervorzuheben, dass Davidson, der an der
specifischen Selbständigkeit von umbraculum und crenistria noch
starke Zweifel hegt, gewisse Steinkerne und Abdrücke aus dem
englischen Oberdevon (1. c. p. 81, tb. 18, f. 4) nicht zu umbraculum,
sondern zu Str. crenistria zieht.
Clionetes sp.
Ein schlecht erhaltenes Exemplar eines kleinen, stark quer
ausgedehnten Clionetes aus den Schiefern der Prinz Wilhelmgrube
sowie ein Abdruck einer ähnlichen Form aus dem Sandstein von
Hefel. Die Längsrippen vermehren sich hie und da durch Dicho-
tomie (oder auch durch Einschaltung?) und sind durch etwa ebenso
breite Zwischenräume getrennt. Sie werden von zarten, gedrängten
Querstreifen durchschnitten, ähnlich wie bei Ch. elegans de Kon.
(Monogr. Product. Chonet. pl. 20, f. 13) und Ch. setigera Hall und
Logani, Nop.w. & Pratt. (Hall, Pal. N.-York IV, tb. 22). Eine
nähere Bestimmung der vorliegenden Reste ist nicht möglich.
Stroplialosia prodnctoides Murch.
Tat. II, Fig. 3 u. 4.
— ■ — Davidson, Br. Devon. Brach, p. 97, tb. 19.
Eine im Devon und zwar besonders in dessen jüngeren Niveaus
häufige, ausserordentlich weit verbreitete Art. Sie kommt bei Vfelbert
sowohl im Haldengestein der Grube Prinz Wilhelm als auch in den
sandigen Schichten bei Hefel vor, woher die beiden abgebildeten
Stücke stammen. Ein unvollständiges Stück von der Prinz Wil-
helmgrube zeigt dieselbe feine, wellig- runzelige Q.uersculptur, wie
sie Davidson (1. c. Fig. 20) bei Exemplaren bei Phillips" Str.
( Productus ) membranacea abbildet.
am Norctrande des rheinischen Schiefergebirges.
65
Productus praelongus Sow.
Taf. II, Fig. 1 u. 2.
— — Davidson, Mon. Brit. Devon. Brach, p. 102, tb. 19, f. 22 — 25.
Eine ziemlich erhebliche Dimensionen erreichende Muschel
von 4 seifigem, überwiegend längsausgedehntem Umriss mit kräf-
tigem, stark gekrümmtem Schnabel. Ohren rechteckig, nieder-
gedrückt. Der mittlere Tlieil der grossen Klappe wird von einer
flachen, ziemlich breiten, longitudinalen Einsenkung eingenommen,
in deren Mitte sich eine starke, mitunter (Fig. 1) durch eine seichte
mittlere Furche getheilte, gerundete Falte erhebt. Auf dieser Falte
erheben sich hinter einander einige Stachelröhren. Die seitlichen
Theile der Muschel sind mit ziemlich starken, aber etwas ungleich-
mässigen Radialrippen bedeckt.
Von dieser interessanten Muschel liegt mir ein halbes Dutzend
mehr oder minder gut erhaltener Steinkerne aus dem dunkelen
Schiefergrestein der Prinz Wilhelmgrube vor. Sie stellt weitaus
O O
die grösste, mir bis jetzt aus devonischen Ablagerungen bekannt
gewordene Procluctus- Art dar.
Die rheinische Form stimmt sehr gut mit den Abbildungen
(namentlich mit Fig. 24 u. 25) überein, welche Davidson (1. c.)
von einer häufigen, aber ebenfalls nur in Steinkernen vorkommenden
Muschel aus den schieferig-sandig oberdevonischen Marwood- und
Piltonbeds von North Devon und West Somerset gegeben hat, nur
dass die englische Form kaum halb so gross ist, als die deutsche.
Beiden Formen gemein ist die vierseitige, verlängerte Gestalt, der
stark gebogene Ventralbuckel, die mittlere Einsenkung der Ventral-
klappe, die sich darin erhebende, mit Stacheln besetzte Längsfalte
und die Radialrippen auf den Seiten.
Wenn ich demnach die rheinische Form mit gutem Recht mit
dem Sowerby 'sehen Productus praelongus identificiren zu dürfen
glaube, so kann ich doch andererseits meine Bedenken in Betreff
der specifischen Selbständigkeit dieser Art nicht ganz unterdrücken.
Sie besitzt nämlich so grosse Aehnlichkeit mit Phillips carbo-
nischem mesolobus (vergl. Davidson, Brit. Carbonif. Brach, tb. 31,
f. 6 — 9), dass es mir fraglich erscheint, ob beide Formen mit
Recht getrennt werden. Nach M’Coy und Davidson soll der
66
E. Kayser, Beitrage zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
Hauptunterschied beider Formen darin liegen, dass die seitlichen
Theile bei mesolobus glatt, bei praelongus dagegen gerippt sind.
Stücke, wie das von Davidson 1. c. Fig. 6 abgebildete, zeigen
indess, dass Rippen auch der carbonischen Art wenigstens nicht
gänzlich fehlen. Es scheint mir daher noch etwas fraglich, ob
man beide Formen auf die Dauer wird getrennt halten können.
Will man indess an der Selbständigkeit der devonischen Form
festhalten, so müsste man den Hauptnachdruck legen: 1) auf die
stärkere Entwickelung der seitlichen Rippen und 2) auf das Be-
schränktsein der Stachelröhren der Ventralklappe auf die Mittel-
rippe , während bei mesolobus die Stacheln über die ganze Schale
zerstreut sind.
Productus sp.
Tat. II, Fig. 5.
In den glimmerigen Sandsteinen von Hefel hat sich noch ein
anderer Productus gefunden, von dem aber leider nur der einzige
abgebildete Abdruck der Dorsalschale vorliegt. Die stark concave,
ungemein stark in die Quere ausgedehnte Klappe hat eine glatte,
nur mit schwachen, etwas welligen Querstreifen bedeckte Oberfläche.
Dieselbe war mit sehr zahlreichen dünnen, über die ganze Schale
zerstreuten Stachelröhrchen bedeckt, die im Abdruck natürlich als
vertiefte, Nadelstich -ähnliche Punkte erscheinen müssen.
Crania trigonalis M’Coy.
Tat. I, Fig. 6.
— — Davidson, Brit. Carbon. Brach, p. 196, tb. 48, f. 14.
Nach der von Davidson gegebenen Abbildung zeichnet sich
die freie Klappe dieser Art durch flach konische Gestalt, einen
gerundet vierseitigen, trapezförmigen Umriss, nahe an die kürzeste
Seite des Trapezes herangerückten Scheitel und von demselben
auslaufende gedrängte, markirte, nach dem Rande zu durch
Spaltung vermehrte Rippen aus.
Mit dieser dem irischen Kohlenkalk angehörigen Form stimmt
ein von mir in den glimmerigen Sandsteinen bei Hefel gefundener
o o O
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
67
Abdruck der kegelförmigen Oberschale in allen Stücken gut
o O O
überein. M’Coy hatte die Art ursprünglich zu Orbicula gerechnet,
Davidson stellte sie zu Crania , jedoch mit Zweifel, da auch
ihm das Innere unbekannt war. Der von mir abgebildete Abdruck
der Innenseite der Oberschale zeigt, dass Davidson’ s Classification
die richtige war.
Die beschriebene Art ist die einzige in unserer Fauna, welche
bisher nur aus dem Kohlengebirge bekannt war.
Cyathophylliun ? sp.
Sowohl in den schwarzen Schiefern der Prinz Wilhelmgrube
als auch im Sandstein von Hefe! finden sich nicht selten bis ein
paar Zoll lang werdende, hornförmig gestaltete Einzelkelche einer
rugosen Koralle, die vielleicht zu dieser Gattung gehören.
Arten aus dem Culm von Aprath.
Die Versteinerungen der Culmscliiefer von Aprath sind bereits
im Jahre 1857 Gegenstand einer Dissertation Seitens des seitdem
verstorbenen J. H. Sarres gewesen. ( De petref actis quae in schisto
posiclonico prope Elberfeldam urbern inveniuntur. Dissert. inauguralis.
Berolini 1857.) Trotzdem dieselbe manches Neue enthält — der
Verfasser beschreibt unter Anderem 3 neue Producten, sowie ein
Pleurodictyum — so ist die Arbeit doch first ganz unbekannt ge-
blieben. Nicht einmal Herr von Dechen in seiner sonst so voll-
ständigen Uebersicht der mineralog. und geolog. Literatur der
Provinzen Rheinland -Westfalen (Bonn, 1872) erwähnt dieselbe.
Schon dieser Umstand liess es mir nützlich erscheinen, neue Mit-
theilungen über die Aprather Fauna zu geben und die 3 Producten,
die Sarres beschrieben, aber nicht bildlich dargestellt hat, ab-
bilden zu lassen. Herr Geheimrath Beyrich stellte mir zu diesem
Zweck die im hiesigen Universitätsmuseum aufbewahrten Origi-
nalien des Herrn Sarres gütigst zur Verfügung.
O O o o
5*
G8
E. Kays er, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
Ich selbst hatte den Vortheil, bei Aprath unter der local-
kundigen Führung des Herrn Pastor Heinersdorff aus Elberfeld
sammeln zu können und in Folge dessen in kurzer Zeit eine
sehr gute Ausbeute zu machen. Unter den von mir gefundenen
Fossilien lege ich einen besonderen Werth auf vollständige Exem-
plare zweier wichtigen Phillipsia - Arten. Ich habe dieselben auf
Tafel III abbilden lassen und freue mich darüber umsomehr, als
in der Literatur bis jetzt noch keine einzige Abbildung eines
vollständigen rheinischen Culmtri lobiten existirt und des-
halb die Frage, welche der sich so häutig findenden isolirten Köpfe
und Schwänze als zusammengehörig zu betrachten seien, noch
keineswegs entschieden war.
In Betreff des Erhaltungszustandes der Aprather Culmver-
steinerungen bemerke ich, dass dieselben fast ausnahmslos in
Steinkernen und Abdrücken Vorkommen, welche letztere indess
in den dünnschichtigen, meist etwas kieseligen bis wetzschiefer-
ähnlichen Schiefern mitunter von grosser Schönheit sind.
Phillipsia aequalis H. v. Meyer.
Tat. III, Fig. 7 u. 8.
Calymene (?) aequalis v. Meyer, N. Acta Aead. Leopold. Carol. XV, 2, p. 100,
tb. 36, f. 13, 1831.
Cylindraspis latispinosa Sandberger, Rhein.Schicht.Nass.,p.33,tb.3,f.4,4a(excl.caet.)
Proetus laevi-cauda Sarres, Dissert. p. 28 (ex parte?)
Die Autoren, welche nach H. v. Meyer den Namen aequalis
gebraucht haben, Burmeister, Emmricii, Sändberger, Sarres,
F. Römer, v. Könen, haben darunter sehr Verschiedenes ver-
standen. Ein Blick auf die betreffenden Abbildungen und Be-
schreibungen zeigt, dass der mit jenem Namen belegte Trilobit
bald ein längliches, spitz zulaufendes, bald ein kui’zes, breites
Kopfschild besitzen, bald mit längeren, bald mit kürzeren Hörnern
an den Hinterecken ausgestattet sein, bald eine breite, fast cylin-
drische, bald eine spitz zulaufende, spindelförmige Glabella haben
soll. Das sind so grosse Unterschiede, dass die fraglichen Tri-
lobiten unmöglich alle derselben Art angehören können.
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
G 9
Zur Feststellung der Charaktere der Speeles muss man auf
die alte, aber gar nicht so üble Abbildung H. v. Meyer’s zurück-
gehen, welche sich auf Reste eines Trilobiten von Herborn be-
zieht. Das von Meyer abgebildete Kopfschild besitzt einen hoch-
parabolischen, an der Stirn etwas spitzbogig gebrochenen Umriss
und eine schlanke, spindelförmige Glabella , deren Breite hinter
derjenigen der Seitentheile etwas zurückbleibt. Seitenfurchen sind
auf ihr nicht wahrzunehmen. Die Hinterecken des Kopfschildes
sind zwar etwas zugespitzt, aber nicht in Hörner verlängert.
Die Sammlung unserer Landesanstalt besitzt nun ein Kopfschild
mit noch erhaltener Kalkschale von Herborn, welches im Umriss
wie auch in der Form der (übrigens ungefurchten) Glabella sehr
gut mit H. v. Meyer’s Abbildung; übereinstimmt. Es unterscheidet
sich von der letzteren lediglich durch das Vorhandensein von
Hörnern, die indess kaum die halbe Länge des Kopfes erreichen.
Dieser scheinbare Unterschied erklärt sich indess daraus, dass
unser Stück zu den seltenen bei Herborn zu machenden Funden
mit noch erhaltener Schale gehört, während das von Meyer ab-
gebildete Stück offenbar nur Steinkern war. Ich glaube daher
nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, dass die Art stets mit
Hörnern versehen war, wenn dieselben auch erheblich kürzer
blieben, wie bei der folgenden Species.
Was nun den Taf. III, Fig. 7 in natürlicher Grösse abgebil-
deten Trilobiten von Aprath betrifft, so stimmt das Kopfschild
vollständig mit dem oben beschriebenen Herborner sowie mit
H. v. Meyer’s Abbildung überein und ich zweifle daher nicht,
dass die Aprather Form wirklich dessen aequalis entspricht.
Ich gehe nun zu einer kurzen Beschreibung meines Aprather
Steinkerns über.
Kopfschild von hoch -parabolischem, vorn etwas spitzbogig
gebrochenem Umriss, wenig breiter als lang. Um dasselbe läuft
ein verhältnissmässig breiter, flacher, (auch auf der äusseren
Schale) parallelgestreifter Randsaum [der ursprünglich an den
Hinterecken in nicht sehr lange Hörner ausgezogen war]. Die
ziemlich stark gewölbte, scharf begränzte Glabella ist hinten
etwa so breit, als die Seiten, verjüngt sich nach vorn allmälig und
70
E. Kaysek, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
endigt unweit des Randsaums mit gerundeter Spitze. Seitenfurchen
[auch auf dem Herborner Exemplar] nicht mit Bestimmtheit er-
kennbar. Nackenfurche tief, Nackenring breit, mit einem kleinen,
mittleren Tuberkel (Fig. 8 und mein Herborner Kopf). Verlauf
der Gesichtsnähte aus Fig. 7 u. 8 ersichtlich. Augen schmal,
halbmondförmig, reticulirt, etwa in der Mitte zwischen Stirn- und
Hinterrand liegend und nahe an die Glabella herangerückt. Das
ganze Kopfschild, besonders die Glabella, ist fein granulirt.
Der Rumpf zählt an meinem Aprather Stücke nur 8 Ringe.
Dies hängt indess offenbar mit dem noch unausgewachsenen
Zustande des fraglichen Exemplars zusammen, da ältere Indi-
viduen wahrscheinlich mindestens 9 Rumpfringe besitzen. Die Axe
ist ziemlich breit, die Pleuren schwach umgebogen und durch eine
starke, wenn auch nicht lange Furche getheilt.
Py gidium von halb - elliptischem Umriss, etwas kürzer als
das Kopfschild, von einem ziemlich breiten, glatten, ebenfalls
parallel gestreiften Randsaum umgeben. Axe bis an den Rand-
saum reichend und ziemlich spitz endigend. Sie ist sehr schwach
gegliedert, ihr Abdruck sogar fast glatt. Auch die Seiten sind
nur undeutlich gegliedert.
Um nun zum Schluss noch einige Mittheilungen über die von
verschiedenen Autoren unter dem Namen aequalis gegebenen Ab-
bildungen zu machen, bemerke ich, dass der von Burmeister
(Organisat. d. Trilobiten, tb. 5, f. 3) als Arcliegonus aequalis nach
einem Original des hiesigen Universitätsmuseums abgebildete Tri-
lobit von Altwasser in Schlesien mit einer nach der Stirn zu
nicht verschmälerten, sondern erweiterten Glabella unmöglich zu
H. v. Meyer’ s Art gehören kann, wie dies denn auch schon von
den Brüdern Sandberger (Rhein. Schichtens. Nassau p. 33) her-
vorgehoben worden ist. Aber auch die von F. Römer aus den
Culm-Schiefern von Bautsch in Mähren (Geologie von Oberschlesien,
tb. 6, f. 6) abgebildete und fraglich auf Phillipsia latispinosa Sandb.
— aequalis H. v. Meyer bezogene Form mit breitem, flachbogig
begränzten Kopfschild und sehr breiter, nach vorn zu nicht ver-
jüngter Glabella muss ich für eine ganz verschiedene Art halten.
Was weiter den von Emmricii (Schulprogramm 1844, f. 6) als
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
71
Phillipsia aequalis abgebildeten Kopf von Herborn betrifft, so
möchte ich denselben mit Herrn von Könen (Neues Jahrb. f.
Mineralogie etc. 1879, p. 312) für wenig glücklich restaurirt halten.
Die kurzen Hörner scheinen auf die Zugehörigkeit zu H. v. Meyers
Art hinzuweisen und auch die Gestalt der Glabella würde nicht
gerade dagegen sprechen. Das von den Gebrüdern Sandberger
(1. c. tb. 3, f. 4) abgebildete Kopfschild endlich möchte ich, auch
wenn es nach vorn nicht ganz so spitz zuläuft, wie bei meinem
Herborner und Aprather Exemplar, dennoch auf aequalis beziehen.
Die Naht verläuft nach den nassauischen Autoren vor dem Aug-e
etwas stärker nach auswärts, als bei der Aprather Form. Die
von denselben Gelehrten mit dem erwähnten Kopfe zu einer Art
verbundenen Rumpf- und Schwanzreste dagegen gehören sicherlich
einer anderen Art an. Denn jene Schwänze sind nicht blos breiter
und kürzer, sondern auch ohne Randsaum und — was das wich-
tigste ist — auf der Axe wie auf den Seiten deutlich gegliedert,
während der Schwanz der Aprather Form im Gegentheil nur sehr
schwach gegliedert ist.
Phillipsia longicornis n. sp.
Taf. III, Fig. 9, 10.
Der zweite von mir bei Aprath gefundene vollständige Trilobit,
der in Fig. 9 in natürlicher Grösse, in 9 a in 3facher Vergrösserung
abgebildet ist, dürfte wohl ohne Zweifel eine von Ph. aequalis ver-
schiedene Art darstellen.
Das Kopfschild ist breiter, als bei H. v. Meyer ’s Art und
läuft nach der Stirn nicht spitz zu, sondern endigt hier vielmehr
mit flachbogiger Contour. Es wird von einem ganz ähnlichen
Randsaum umgeben, wie aequalis, nur dass derselbe an den Hinter-
ecken zu langen , der Gesammtlänge des Kopfschildes gleichkom-
menden Hörnern ausgezogen ist — ein Unterschied, der schon
allein zur specifischen Unterscheidung der in Rede stehenden Form
hinreichen würde. — Die Glabella ist verhältnissmässig schmäler,
als bei aequalis, aber nach vorn etwas schwächer verjüngt. Sie
reicht bis in die Nähe des Randsaums und endigt liier mit ziemlich
72
E. Kaiser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
breiter Rundung. Von einer Furchung derselben ist Nichts wahr-
zunehmen. Der Nackenring meines Stückes ist schlecht erhalten,
ich kann daher über seine Form nichts Genaueres aussagen. Die
Form und Lage der Augen sowie der Verlauf der Gesichtsnähte
bei der fraglichen Art stimmen wesentlich mit Ph. aequalis überein.
Der Rumpf zeigt auch bei dem in Rede stehenden Stücke
nicht die volle Zahl von Ringen, sondern nur 7, was ebenfalls mit
dem jugendlichen Zustande, ausserdem aber auch mit einer geringen
Aufschiebung des Kopfes auf den Rumpf zusammenhängt, durch
die der Nackenring fast ganz zerstört worden ist. Axe ziemlich
stark gewölbt, erheblich schmäler als die Seiten. Pleuren durch
starke, weiter als bei aequalis zurückreichende Furchen getheilt.
Schwanzs c h i 1 d in Umriss und Beschaffenheit des Randsaums
nicht erheblich von aequalis verschieden. Dagegen ist die ziemlich
stark gewölbte Axe vergleichsweise schmäler und, ebenso wie die
Seiten, deutlich gegliedert. Auf der Axe zähle ich etwa 14, auf
den Seiten 8 Ringe. Die Seitenringe sind, ähnlich wie die Pleuren,
durch starke, schon in der Mitte der Ringe beginnende Rand-
furchen gespalten.
Das Fig. 10 abgebildete isolirte Randschild eines Kopfes möchte
wohl ebenfalls unserer neuen Art angehören.
Zu dieser Art gehört sehr wahrscheinlich auch ein vollständiges
sich im Besitz unserer Sammlung befindliches Exemplar eines
kleinen Trilobiten von Pierborn. Derselbe besitzt bei ähnlich con-
tourirtem Kopfschilde noch längere, der ganzen Körperlänge gleich-
kommende Hörner. Die ganze Körperaxe sammt der Glabella ist
verhältnissmässig breiter, als bei der Aprather Form, aber der
Abdruck des Schwanzes zeigt dieselbe kräftige Gliederung und
die Pleuren dieselbe Spaltung durch tiefe, lange Furchen. Da es
bekannt ist, dass bei vielen Trilobiten bei sonst wesentlich gleich-
bleibenden Merkmalen breite kurze und schmale lange Formen
nebeneinander Vorkommen (Unterschiede, die von manchen Forschern,
wie Salter, vielleicht nicht mit Unrecht als sexuell gedeutet werden),
so würde auch das fragliche Herborn er Exemplar als breite Form
des Fig. 9 abgebildeten Aprather longicornis angesehen werden
können.
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
73
Eine andere, ebenfalls breite Form unserer Art stellt vielleicht
auch Richters langhörn iger Proetus posthumnus (Zeitschr. d. Deutsch,
geol. Ges. XYI, tb. 3, f. 1) aus dem thüringischen Cuhn dar.
Es ist möglich, dass die Brüder Sandberger zu ihrer Cylin-
draspis latispinosa (= C. aequalis H. v. Meyer) auch zu longicornis
gehörigen Reste gezogen haben; allein thatsächliche Anhaltspunkte
habe ich für diese Annahme nicht. Die Beschreibung und Ab-
bildung, welche die genannten Forscher vom Kopfschild von lati-
spinosa geben, passt ganz gut auf aequalis, und was die von ihnen
zu latispinosa gerechneten Schwänze betrifft, so können dieselben
bei dem völligen Mangel eines Randsaums weder zu aequalis ge-
hören — wie Herr von Ivönen (1. c. p. 312 u. 315) annimmt —
noch auch zu longicornis. Es würde daher auch ganz ungerecht-
fertigt sein, wenn ich etwa den Sandberger sehen Namen lati-
spinosa für meine langhörnige Art beibehalten wollte.
Phillipsia cnf. Eichwaldi Fisch.
Taf. III, Fig. 6.
Es liegt mir von Aprath ein Kern eines ungewöhnlich grossen
Schwanzschildes vor. Dasselbe ist von kurz-halbelliptischem Um-
riss und besitzt einen breiten, parallel-gestreiften, schwach concaven
Randsaum, der ein paar Millim. tiefer liegt, als das übrige Pygi-
dium. Die deutlich begränzte Axe ist schwach gewölbt und sehr
breit und endigt schon in einiger Entfernung vom Randsaum mit
stumpf gerundeter, noch immer sehr breiter Spitze. Sie besteht
aus 10 — 12 deutlichen Ringen. Die Seiten sind sehr schwach
gewölbt und lassen 8 — 9 massig starke, nach dem Randsaum zu
verschwindende Ringe erkennen, die (wenigstens auf dem vor-
liegenden Steinkerne) nicht durch Furchen getheilt sind.
Das beschriebene Pygidium erinnert durch seine kurz-elliptische
Gestalt und breite Axe an Fischer' s Ph. Brongniarti (de Köninck,
Anim. foss. calc. carb. etc. pl. 53, f. 7) aus dem belgischen Kohlen-
kalk, mit dem de Iyoninck auch den ähnlichen von Phillips
(Geol. Yorkshire II, p. 239, tb. 22, f. 4) unter der Bezeichnung
Asaphus obsoletus abgebildeten Schwanz vereinigt. Beide Arten
74
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
erklärt v. Möller (Trilob. d. russ. Steinkoblenformation, Separatabz.
aus Bull. Soc. Imp. Natural. Moscou 1867, p. 14, 74) für synonym
mit Phillipsia ( Asaphus ) Eichwaldi Fisch. Indess endigt die Axe des
Apratlier Schwanzes noch etwas stumpfer, als bei dem oben an-
gezogenen, von de Köninck abgebildeten und gleicht in dieser
Hinsicht mehr dem von Phillips abgebildeten Pygidium. Noch
spitzer endigt die Axe bei der Abbildung, die Herr v. Möller
(1. c. Fig. 3) von dem Schwänze des russischen Eichwaldi giebt.
Phillipsia sp.
Tat. III, Fig. 11.
Ein anderes Apratlier Pygidium zeichnet sich bei massiger
Grösse durch kurzelliptischen Umriss und flach gewölbte Axe und
Seiten aus. Die Axe ist in der Mitte schwach kielförmig erhoben,
erheblich schmäler als die Seiten, verjüngt sich nach hinten rasch
und läuft in einiger Entfernung vom Rande in eine schmale, dolch-
förmige Spitze aus. Man zählt auf der Axe 13 deutliche Ringe.
Auf den Seiten liegen 9 markirte, flach -bogige Rippen, die
schon in geringer Entfernung von der Axe durch eine nach dem
Rande zu ziemlich breit werdende Mittelfurche getheilt werden.
In der Nähe des Randes verschwinden die Rippen und es entsteht
dadurch eine Art glatter Randsaum.
Die auszeichnenden Merkmale des beschriebenen Schwanzes
liegen in seiner kurzen, breiten Gestalt, seiner Flachheit, der deut-
lichen Gliederung von Axe und Seiten sowie in der langen, dolch-
förmigen Endigung der in der Mitte etwas kielförmig erhobenen
Axe. Auch bei der bekannten Ph. mucronata M Coy läuft die
Axe in eine lange Spitze aus, aber hier ist das ganze Hinterende
des Pygidiums iu eine Spitze ausgezogen.
Ich kenne keine ähnliche Art.
Sarres beschreibt (1. c. p. 30) noch eine
Phillipsia emarginata n. sp.
Die Glabella dieser Form soll nach der Stirn zu erweitert
sein, so dass hier ein Griffithides vorliegen würde. Sie soll ein
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
75
Paar Seiten-Furchen besitzen, welche jederseits an der Basis einen
3 eckigen Lappen abscheiden. 9 Rumpfringe.
Das Schwanzschild wird als lang und zugespitzt ( subacumi -
natum') und von einem glatten Randsaum umgeben beschrieben.
Axe mit 15, Seiten mit 8 Ringen.
Ich kenne diese Form nicht aus eigener Anschauung, da das
Original in der Universitätssammlung nicht vorhanden ist,
Cypritlina subglobulosa Sandb.
Sandberger, 1. c. p. 6, tb. 1, f. 4.
Diese Art ist bei Aprath nicht selten, aber wenig gut erhalten.
Goniatites crenistria Phill.
Sandberger, tb. 5, f. 1.
Sarres, p. 27.
Goniatites mixolobus Phill.
Sandberger, tb. 3, f. 13; tb. 5, f. 1.
Sarres, p. 27.
Orthoceras scalare Goldf.
Sandberger, tb. 19, f. 5.
Sarres, p. 28.
Orthoceras striolatum PI. v. Meyer.
Sandberger, tb. 19, f. 3.
Sarres, p. 28.
Pleurotomaria sp.
Sarres (Dissert. p. 26) beobachtete Fragmente von Pleuroto-
marien, die wahrscheinlich mehr als einer Art angehören.
Posidonia Becheri Bronn.
— acuticosta Sandberger, tb. 30, f. 9.
Sarres, p. 26.
Alle diese 5, im rheinischen Culm so häufige Arten sind
auch bei Aprath vertreten.
76
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
Pecteii densistria Sande.
— — Sandberger, p. 296, tb. 30, f. 12.
— — Sarres, p. 24.
— — v. Könen, Neues Jahrb. f. Min. 1879, p. 327, tb. 6, f. 2
Es liegt ein guter Abdruck der rechten Klappen vor, der mit
der von Herrn von Könen gegebenen Abbildung gut überein-
stimmt, nur dass das Byssusohr etwas stärker vorspringt. Mit der
Abbildung der Brüder Sandberger stimmt mein Stück weniger
gut überein.
Sarres beschreibt (p. 24) noch einen Pecten plicatus n. sp.,
den er mit densistria vergleicht , von dem sich seine Art indess
durch ungleich grosse Ohren unterscheiden soll. Da aber auch
die Ohren von densistria nicht gleich gross sind, so kann Herr
v. Könen mit seiner Vermuthung, dass die SARREs’sche Art mit
densistria ident sei, Recht haben.
Pecten cnf. grandaevus Golde.
Sarres , p. 26.
Sarres beschreibt (1. c. p. 22) unter dem Namen P. margi-
natus eine Art, die er mit dem bekannten GoLDFüSs’schen gran-
daevus (= subspinulosus Sandb. 1. c. tb. 80, f. 11) vergleicht, die
sich aber durch Ungleichseitigkeit [dieselbe kommt auch gran-
daevus zu], stärkere Breitenausdehnung, schwächere bis fehlende
Längsfalten auf den Ohren, Fehlen der für grandaevus charakte-
ristischen knotenförmigen Höcker auf den Radialfalten, sowie end-
lich durch dichter stehende Anwachsstreifen unterscheiden soll.
Die Prüfung des im hiesigen Museum aufbewahrten Originals
hat meine Zweifel, ob nicht doch nur ein schlecht erhaltener Ab-
druck von P. grandaevus vorliegt, nicht zu zerstreuen vermocht.
Pecten Lossen i v. Könen?
Neues Jahrb. f. Min. p. 328, tb. 6, f. 1.
Zu dieser neuen Art ist Herr von Könen geneigt, den durch
Sarres (p. 24) als linteatus Goldf. (Petref. Germ. II, tb. 114, f. 9)
beschriebenen Pecten zu rechnen. Das Original befindet sich nicht
im hiesigen Museum,
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
77
Rhynchonella? papyracea A. Röm.
Terebratula — A. Röm., Beitr. z. Kennte, d. n. w. Harzgeb., I, p.4S, tb. 8, f. 3 (1850).
Rhynchonella — Sarres, 1. c. p. 15.
Streptorhynclms crenistria Phill.
Taf. III, f. 12.
— — Davidson, Monogr. Brit. Carbonif. Brach, tb. 26, 27.
Diese bekannte, weitverbreitete Leitform des Kohlengebirges
kommt in sehr kleinen Individuen auch bei Aprath vor. Ich habe
dort einige sehr deutliche Exemplare gesammelt. Der kaum ge-
krümmte Schnabel, die verhältnissmässig hohe, rechtwinkelig zur
Längsaxe der Muschel stehende, in der Mitte von einer dreieckigen
Oeffnung durchbrochene Area und die starken , sich nach dem
Rande zu durch Einschiebung vermehrenden Radialstreifen lassen
an der Zugehörigkeit der nur wenige Mill. lang und breit werden-
den Form zur PHiLLiPs'schen Art keinen Zweifel.
Strophomeiia analoga Phill.
— — Davidson, 1. c. tb. 28.
Von dieser Art liegt ein deutlicher Steinkern vor.
Chonetes Laguessiana de Kon.
Taf. III, f. 17 — 18.
— — de Köninck, Monogr. Product. Chonet. p. 198, tb. 20, f. 6.
— Hardrensis Phile., Davidson, Mon. Br. Carbon. Brach, p. 186, tb. 47, f. 12 — 25.
— tuberculata M’Coy, Sarres, 1. c. p. 18 (ex parte).
Eine kleine, kaum über 8 Mi 11 im. lang und 16 Millim. breit
werdende, halbkreisförmige, stets stark quer ausgedehnte, convex-
concave Muschel. Die grösste Breite liegt im Schlossrand oder
zwischen diesem und der Mitte. Der Ventralbuckel ist klein und
hängt nicht über den Schlossrand über, die Area ist massig gross,
und in der Mitte von einer dreieckigen, durch ein Pseudodeltidium
überdeckten Oeffnung durchbrochen. Auf jeder Seite des Buckels
treten auf der Ventralklappe in der Nähe des Schlossrandes 2 — 3
schräg nach aussen gerichtete Stachelröhren auf. Die Oberfläche
der Schale ist mit zahlreichen fadenförmigen Radialrippchen be-
78
E. Kayser, Beiträge zur Kenntnis® von Oberdevon und Culm
deckt, die sich durch häufig wiederholte, in verschiedener Ent-
fernung zwischen Buckeln und Rand stattfindende Spaltung ver-
mehren und deren man am Rande zwischen 50 und 70 zählt.
Diese Art ist bei Aprath häufig. Sie stimmt gut mit den
Beschreibungen und Abbildungen überein, die de Köninck und
Davidson von der Muschel des belgischen und englischen Kohlen-
kalks gegeben haben.
Sarres hat die Art auf M Coy's Ch. tuberculata bezogen,
eine Art des irischen Kohlenkalks, die sich nach de Köninck (Mon.
Prod. Chon. 222, pl. 19, f. 4) von der ihr ähnlichen Laguessiana,
durch die eigentümliche Sculptur ihrer Rippen unterscheiden soll,
welche in der ersten Hälfte glatt, in der zweiten aber mit einer
Anzahl kleiner Tuberkel versehen sind 1). Die in der hiesigen
Universitätssammlung aufbewahrten Originalexemplare von Sarres
lassen indess nichts von einer derartigen Sculptur erkennen. Da-
gegen kommt bei Aprath eine andere Art (67t. rectispina ) vor,
welche granulirte Rippen besitzt. Sie ist es wahrscheinlich, bei
der Sarres die Granulation beobachtet hat, die er, da er bei
Aprath nur eine Chonetes-Art annahm, allen dort vorkommenden
Choneten zugeschrieben hat.
Chonetes rectispina v. Könen?
Tat. III, Fig. 13, 14.
Chonetes rectispina v. Könen, Neues Jahrb. f. Min. 1879, p. 327, tb. 7, f. 4.
? Chonetes longispina A. Rom., Beitr. n. w. Harzgeb. I, p. 47, tb. 8, f. 2, 1850.
Eine bei Aprath ziemlich häufige, bis 8 Millim. lang und
12 Milim. breit werdende Art von halbkreisförmigem, stets in die
Quere ausgedehntem Umriss. Die grosse Klappe mässig stark
convex, die kleine entsprechend concav. Die Oberfläche ist mit
zahlreichen feinen, oft dichotomirenden Rippchen bedeckt, deren
am Rande 80 oder mehr liegen. Unter der Lupe zeigen sie bei
!) Davidson (1. c. p. 191) scheint die Selbständigkeit der M’Cov’schen Art
nicht anerkennen zu wollen, da er sie als »very doubtfull so termed species«
anführt.
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
79
erhaltener Schale oder im Abdruck eine ziemlich starke Granu-
lation. Das auszeichnendste Merkmal der Art aber liegt in dem
Vorhandensein von 2 (oder vielleicht auch 3) langen, nahezu recht-
winkelig zum Schlossrande stehenden Stachelröhren auf jeder Seite
des Ventralbuckels.
Die Art, die Herr von Könen unlängst aus dem Culm
von Herborn beschrieben, ist mit der Aprather wahrscheinlich
ident, v. Könen zählte am Rande gegen 100 Rippen, über deren
etwaige Granulation indess keine Angaben gemacht werden. Viel-
leicht gehört hierher auch A. Römer’s Chon, longispina aus dem
Culm von Lautenthal, die 2 lange, ähnlich stehende Stacheln auf
jeder Seite des Ventralbuckels und am Rande 80 Rippchen besitzt.
Sie weicht nur durch stärkere Querausdehnung und etwas flügel-
förmig vortretende Seitenecken ab 1).
Möglicherweise könnte sich unsere Art auch mit der schon
vor langer Zeit durch M Cov aus dem irischen Kohlenkalk be-
schriebenen (Carbon, foss. Ireland, tb. 21, f. 9; de Köninck, Mon.
Product. Chonet. tb. 20, f. 11) Chon, perlata decken, einer kleinen,
ebenfalls stark quer ausgedehnten, fein gerippten Form mit vier
rechtwinkelig stehenden Stachelröhren auf jeder Seite des Wirbels.
Die Beschreibung M’Cov’s ist indess zu unvollständig, um hierüber
in’s Klare zu kommen 2).
Auch in den jüngsten Devonbildungen des Staates N.-York,
in den Chemung - Schichten , kommt eine verwandte Art vor,
Ch. setigera Hall (Palaeont. N.-York IV, p. 129, tb. 21, 22). Die-
selbe stimmt in ihrer halbkreisförmigen, quer ausgedehnten Gestalt
und den 2 — 3 nahezu rechtwinkeligen, sich auf jeder Seite des
Schlossrandes erhebenden Stacheln ganz mit der oben beschriebenen
Muschel überein und unterscheidet sich von derselben nur durch
die geringere Zahl der Rippen (36 — 50).
') Ist die Römer’ sehe Muschel wirklich ident, so würde der Name longispina
die Priorität haben.
2) Davidson (Mon. Brit. Carbon. Brach, p. 189) will der fraglichen Form
die specifische Selbständigkeit absprechen und betrachtet sie als Varietät seiner
Ilardrensis (== Languessiana).
80
E. Kayser, Beitrüge zur Kenntniss von Oberdeyon und Culm
Chonetes Buchiana de Kon.
Taf. III, Fig. 16.
— — de Köninck, Mon. Product. Chonet. p. 218, tb. 20, f. 17.
— — Davidson, Mon. Br. Carbon. Brach, p. 184, tb. 47, f. 1 — 7.
Von dieser leicht erkennbaren, bereits aus dem Carbon Eng-
lands, Belgiens und der Alpen (Bleiberg) bekannt gewordenen
Art liegt nur ein Steinkern einer sehr kleinen, in Fig. 16 dreifach
vergrösserten Ventralschale vor. Dieselbe ist halbkreisförmig, stark
in die Breite ausgedehnt und von massig starker Wölbung. Area
massig hoch, mit mittlerer Oeffnung und Pseudodeltidium ver-
sehen. Die im Vergleich zu den beiden -vorigen Arten sehr
kräftigen Rippen sind durch nahezu ebenso breite Zwischenräume
getrennt. Die mittleren Rippen sind alle einfach, die seitlichen
aber hie und da gespalten. Man zählt ihrer am Rande im Ganzen
gegen 30. Von der Quersculptur, die Davidson (1. e. tb. 55, f. 12)
abgebildet hat, ist an meinem Steinkerne nichts wahrzunehmen.
Chonetes polita M’Coy.
Taf. III, Fig. 15.
— — Davidson, Br. Carb. Brach, p. 190, tb. 47, f. 8 — 11.
Die einzige bekannte völlig glatte, nur mit schwachen concen-
trischeu Anwachsstreifen bedeckte Art. In diesem Merkmal, sowie
in der sehr starken Querausdehnung und der beträchtlichen, na-
mentlich am Buckel und in der Mittellinie starken Convexität der
Ventralklappe stimmt die Aprather Form gut mit Davidson s
Abbildungen überein.
Es liegen mir zwei Steinkerne der Ventralklappe vor.
Productus laevipuuctatus Sarres.
Taf. III, Fig. 5.
— — Sarres, dissertat. p. 21.
Eine kleine Form aus der nächsten Verwandtschaft des be-
kannten carbonischen Prod. sublaevis de Köninck (Monogr. Pro-
duct. Chonet. p. 75, pl. 7, f. 1 ; Davidson, Brit. Carbon. Brach.
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
81
p. 177, tb. 31, f. 1 — 2) = humerosus Sow. 1), die mit demselben
in der vierseitigen, längs ausgedehnten Gestalt, dem langen, stark
gekrümmten Wirbel und dem Vorhandensein eines schmalen,
furchenförmigen Sinus auf der Mitte der Ventralklappe überein-
stimmt, die sich aber von jener Art durch die Glätte der Schale
und eine eigenthümliche , aus kleinen knotenförmigen Tuberkeln
bestehende Sculptur der Epidermis auszeiclmet (Fig. 5 a).
Vou dieser Form liegt mir das Originalstück von Sarres vor,
ein vortrefflicher Abdruck der Ventralklappe, nach deren Abguss
meine Abbildung Fig. 5 angefertigt worden ist, und ausserdem
noch ein kleinerer Steinkern. Ich war längere Zeit ungewiss,
ob die Form nicht doch mit humerosus zu vereinigen sei, da
bekanntlich die Radialstreifung dieser Art durch Abreibung leicht
verloren geht. Allein bei der vortrefflichen Erhaltung der Ober-
fläche (wenn auch nur im Abdrucke) würde eine solche Annahme
wenig Wahrscheinlichkeit haben; ausserdem aber ist eine ähnliche
Sculptur der Epidermis, wie sie oben beschrieben wurde, bei
humerosus meines Wissens noch nie beobachtet worden. Es scheint
daher geboten, die Sarres’ sehe Art bis auf Weiteres als selb-
ständige Species anzusehen.
Prod. humerosus ( sublaevis ) selbst glaubt Herr von Koenen
im Culm von Herborn beobachtet zu haben (Neues Jahrb. f.
Mineral. 1879, p. 326).
Productus plicatus Sarres.
Taf. III, Fig. 1 u. 2.
— — Saures, Dissertat. p. 20.
? Productus Carringtonianus Davidson, Brit. Carb. Brach, p. 274, tb. 55, f. 5.
Sarres beschreibt diese Art als deprimirt, von halbkreisförmiger,
quer ausgedehnter Gestalt (Breite : Länge = 13 : 8), mit schwach
gewölbter Ventralklappe und niedrigem, schwach gekrümmtem
Schnabel. Die äussere Oberfläche soll mit ca. 16 etwas unregel-
x) Davidson hat neuerdings die interessante Beobachtung gemacht, dass die
mit dem Namen Pr. humerosus belegten Kerne nichts weiter als Steinkerne des
Inneren von sublaevis darstellen (Supplement Carbonif. Brach, p. 306, 1880). Da
der SowERBY’sche Namen älter ist, als der de Konincic’ sehe, so muss die Species
fortan als humerosus bezeichnet werden.
6
82
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
massigen, flachen, concentrischen Querringen, sowie mit ca. 30, in
concentrischen Reihen über die ganze Oberfläche vertheilten
Stachelröhren bedeckt sein. Die Unterschiede von Prod. punctatus
Mart, findet der Autor in weniger zahlreichen, unregelmässiger
angeordneten Querringen und im Fehlen eines Sinus, durch welches
letztere Merkmal die Aprather Form auch von plicatilis Sow. und
anderen verwandten Formen unterschieden sein soll. Während
Herrn Sarres nur ein paar schlecht erhaltene Stücke zu Gebote
standen, hatte ich das Glück, einige ausgezeichnet gut erhaltene
Exemplare (Fig. 1 u. 2) aufzufinden. Die auszeichnenden Merk-
male der Muschel liegen in ihrem halbkreisförmigen, quer ver-
längerten Umriss, der grossen Flachheit und Sinuslosigkeit der
Ventralklappe, dem kleinen, sich kaum über den Schlossrand er-
hebenden Wirbel und der aus ziemlich gedrängt stehenden, wenig
erhobenen Querringen bestehenden Oberflächensculptur. In dei
Vertheilung der sehr lang werdenden, schlanken Stachelröhren
finde ich keine Gesetzmässigkeit.
Alle diese Merkmale sind so eigenthümlich, dass die SARRES’sche
Art nicht leicht mit einer anderen, bis jetzt beschriebenen zu
verwechseln ist. Nur aus England hat Davidson eine Species,
Pr. C ar ring tonianus bekannt gemacht, die nach Abbildung und
Beschreibung mit der rheinischen grosse Aehnlichkeit besitzen
muss. Denn auch die englische Form zeichnet sich durch halb-
kreisförmigen, quer ausgedehnten Umriss, schwach gewölbte Ven-
tralklappe, sehr niedrigen Ventralbuckel und mässig regelmässige,
die ganze Oberfläche bedeckende, concentrische Querrunzeln aus.
Es wäre daher sehr möglich, dass beide fragliche Formen der-
selben Art angehören x).
1) In Begleitung von Productus Carringtonianus findet sieb (bei Narrowdale
in Staffordshire) noch eine eigenthümliche Rhynclionella , Rh. Wettonensis Davids.
(1. c. p. 274, pl. 55, f. 1 — 3). Auch diese Form scheint mit einer Art des deutschen
Culm ident zu sein, nämlich mit der von A. Römer (Beitr. z. Kenntn. d. nord-
westl. Harzgeb. I, 1850, p. 31, tb. 4, f. 25) aus den Culmkalken von Grund
beschriebenen, durch einen Sinus auf der kleinen und einen Sattel auf der grossen
Klappe ausgezeichneten Rhynclionella ( Terehratula ) contraria. Die Ver-
gleichung von Originalexemplaren der harzer Art mit Davidson’s Abbildungen
der englischen Muschel hat mir kaum einen Zweifel an der Identität beider
Formen übrig gelassen.
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
83
Productus concentricus Sarres.
Taf. III, Fig. 3 u. 4.
— — Sarres, Dissertat. p. 21.
Sarres beschreibt von Aprath noch eine dritte Productus-
art, die ebenfalls eine flach gewölbte, stark quer ausgedehnte
(Breite : Länge = 8 : 4) Ventralklappe besitzen, sich aber von dem
vorhin beschriebenen plicatus durch nur 10, weiter von einander
abstehende Querringe und einige wenige, unregelmässig ver-
theilte Stachelröhren auszeichnen soll. Ausserdem giebt Sarres
noch an, dass der Stirnrand etwas eingebuchtet und die Schloss-
ecken rechteckig seien.
Das einzige, im Besitz der Universitätssammlung befindliche
Originalexemplar — der Abdruck einer Ventralklappe, nach deren
Abguss die Abbildung Fig. 4 angefertigt worden ist — lässt in Be-
zug auf Erhaltung viel zu wünschen übrig. Besser erhalten sind
ein paar andere, von mir selbst gesammelte Steinkerne und Ab-
drücke, deren grösster in Fig. 3 abgebildet worden ist.
Durch die gelänge Wölbung der Ventralklappe, den kaum
über den Schlossrand vorragenden Wirbel und die concentrische
Quersculptur ist die Form offenbar mit Sarres plicatus verwandt.
Die Hauptunterschiede von dieser Art würden in der noch stär-
keren Querausdehnung, der geringen Zahl und Stärke der con-
centrischen Querringe, der schwachen Einbuchtung des Stirnrandes
und den — wie es in der That scheint — weniger zahlreichen
Stachelröhren zu suchen sein. Ich bin indess nicht ganz sicher,
ob concentricus wirklich eine selbständige Art oder nur eine Ab-
änderung von plicatus darstellt. Durch weiteres, besseres Material
wird diese Frage entschieden werden können.
Die Fig. 3 abgebildete Ventralklappe gleicht den zwei
Fig. 1 und 2 dargestellten Ventralklappen von plicatus auch in
der grossen Länge der Stachelröhren. Dieselben beschränken sich
aber bei dem fraglichen Exemplar auf den Schlossrand und sind
auf beiden Seiten des Wirbels schräg nach aussen gerichtet.
6
84
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
Discina sp.
Discina marginata Sarres, Dissertat. p. 22.
Diese von den Brüdern Sandberger (rhein. Sch. Nassau,
p. 372) aus den Schiefern von Wissenbach beschriebene Art
soll nach Sarres auch bei Aprath Vorkommen. Bei der grossen
Verschiedenheit des geognostischen Niveaus scheint diese Angabe
wenig glaubhaft.
Pleurodictynm Decheniaimm is. sp.
Tat. III, Fig. 20, 21.
v. Dechen, Verhandl. Naturhist. Ver. f. Rkeinl.-Westf. VII (1850), p. 201.
Pleurodictynm sp. indet. Sarres, Dissertat. p. 12.
Herr von Dechen hat zuerst das Vorkommen eines Pleuro-
dictyum in den Kieselschiefern der Culmformation in der Gegend
von Elberfeld (Peters-Katernsberg im NW. der Stadt) bekannt ge-
macht. Er präcisirt die Unterschiede der fraglichen Form vom
unterdevonischen Pleurodictynm problematicum dahin, dass die
Polypiten derselben fast drehrund (bei probl. prismatisch), die
reihenweise geordneten Tuberkeln auf den letzteren [die Ausfüllun-
gen der die Wände der Polypiten durchbohrenden Verbindungs-
poren] zahlreicher, die Form des Stockes mehr kugelig (bei probl.
mehr scheibenförmig) und der serpelähnliche , in der Mitte von
problematicum zu beobachtende Körper nicht vorhanden sei.
Auch Sarres findet die Hauptunterschiede der carbonischen
Form in der stärkeren Wölbung des Stockes und der gerundeten
Gestalt der Polypiten, welche er als kurzkonisch beschreibt.
Ich habe bei Aprath mehrere Exemplare des fraglichen Fossils
gesammelt und kann mich der Ansicht der beiden Autoren , dass
eine von problematicum verschiedene Species vorliegt, nur an-
schliessen.
Die Culmform ist viel kleiner, stärker gewölbt bis halbkuge-
lig und von rundem (bei probl. meist von ovalem) Umriss. Die
meist nicht sehr zahlreichen Polypiten sind kürzer und ge-
drungener, als bei der Unterdevon - Art, indess — ebenso wie bei
dieser — von mehr oder weniger unregelmässig polygonaler Ge-
stalt. Die benachbarten Polypiten sind durch zahlreiche, ver-
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
85
hältnissmässig starke, in geraden Reihen geordnete Querstäbchen
verbunden. Die bei problematicum ausser diesen letzteren noch
vorhandenen (von Dörnchen auf der Innenseite der Kelchwandungen
herrührenden) vertieften Punkte habe ich an meinen Aprather
Stücken ebensowenig wahrnehmen können, als die bei der Devon-
form nicht selten zu beobachtende (von Radiallamellen herrührende)
Längsstreifung der Polypitenkerne.
Pleurodictyum Sei canum Giebel (Kayser, älteste Devonfauna
des Harzes, Abhandl. z. geol. Specialkarte von Preussen etc.
Bd. II, Heft 4, tb. 33, f. 8) scheint der Culmform näher zu stehen,
als problematicum. Dasselbe hat mit Dechenianum die geringe Grösse,
stärkere Wölbung und rundlichen Umriss des Stockes gemein
und unterscheidet sich vielleicht nur durch verhältnissmässig län-
gere und schlankere, sehr regelmässig prismatische Polypiten.
Eine andere Art des Harzer Unterdevon, PL Zorgense Kayser
(1. c. f. 9, 10) unterscheidet sich von der Aprather auf den ersten
Blick durch die sehr unregelmässige, sich von der polygonal-
prismatischen sehr entfernende Gestalt der Polypiten.
Cladochonus Michelini M. Edw. & IIaime.
Taf. III, Fig. 19.
Pyrgia — M. Edw. H., Polyp, foss. terr. paleoz. 1851, p. 310, tb. 17, f. 8.
Cladochonus — de Köninck, Nouv. rech. Anim. foss. etc. 1872, p. 153, tb. 15, f. 6.
— — F. Römer, Letlmea, palaeozoica 1867, tb. 39, f. 8.
— — Nicholson, Geolog. Magazin 1879, p. 289.
Eine ausgezeichnete kleine Form, deren Stöcke ans Polypiten
bestehen, die von den Autoren treffend mit einem Tabakspfeifchen
verglichen worden sind. Die kleinen trichterförmigen Kelche, in
denen Edwards & IIaime sowie de Köninck Andeutungen von
etwa 20 Radiallamellen beobachtet haben, setzen sich nämlich nach
unten mit schwacher Krümmung in einen langen schlanken Stiel
fort, dessen dicke Epithek eine schwache Querstreifung zeigt.
Besonders charakteristisch ist die Vermehrungsweise der Polypiten,
die in der Weise erfolgt, dass an der Aussenseite eines älteren
Kelches, dicht unter dessen Mündung, ein oder meist zwei neue
Polypiten hervorsprossen, die sich von dem älteren unter grossem
86
E. Kaysee, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
Winkel divergent nach aussen entfernen, um sich an ihren Enden
unter Umständen wieder in gleicher Weise zu vermehren.
Bei Aprath ist die interessante kleine Koralle nicht selten.
Ich sammelte sie in mehreren Exemplaren, welche die schwache
Runzelung der starken Epithek und die Pseudosepten im Innern
der Kelchmftndungen gut erkennen lassen. Das Fossil stimmt
sehr gut mit dem des Tournaier Kohlenkalks, aus dem die Art
zuerst bekannt wurde. Später hat Nicholson sie auch in den
unteren Carbonbildungen von Schottland nachgewiesen.
o O
Zaphrentis? sp.
Kleine, bei Aprath sich nicht selten findende hornförmige
Einzelkelche einer rugosen Koralle könnten dieser Gattung an-
gehören.
Pflanzenreste
sind bei Aprath sehr häufig. Sie gehören besonders Algen an,
befinden sich aber gewöhnlich in einem Erhaltungszustände,
der nach dem Urtheile meines Collegen E. WEISS keine nähere
B estimmung erlaubt.
Sarres beschrieb aus dem Aprather Culm von Pflanzen
Drepanophycus distans n. sp. und Noeggerathia tenuistria Goepp.
(Dissert. p. 11, 12).
Sch ln ssbem erklingen.
Im Vorstehenden wurden beschrieben:
a) aus dem Oberdevon:
1. Phacops granulatus Mst.
2. Gyroceras cnf. cancellatum F. Röm.
3. Loxonema anglicum d'Orb.
4. Euomphalus aff. Schnurii Arch. Vern.
5. Cuctdlaea? Hardingii Phill.?
6. Cypricardinia ? sp.
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
87
7. Spirifer Verneuili Murch.
8. Spiriferina laminosa M’Coy?
9. Athyris concentrica v. Buch.
10. Rhynchonella pleurodon Phill.
11. Orthis bergica n. sp.
12. Streptorhynchus umbraculum Schl.
1 3. Chonetes sp.
14. Strophalosia productoides Murch.
15. Productus praelongus Sow.
16. Productus sp.
17. Crania trigonalis M’Coy.
18. Cyaihophyllum sp.
b) aus dem Culm:
1. Phillipsia aequalis v. Meyer.
2. Phillipsia longicornis n. sp.
3. Phillipsia cnf. Eichwaldi FlSCH.
4. Phillipsia sp.
5. Phillipsia emarginata Sarres.
6. Cypridina subglobulosa Sandb.
7. Goniatites crenistria Phill.
8. Goniatites mixolobus Phill.
9. Orthoceras scalare Gdf.
10. Orthoceras striolatum v. Meyer.
1 1 . Pleurotomaria sp>.
12. Posidonia Becheri Bronn.
13. Pecten densistria Sandb.
14. Pecten cnf. grandaevus Gdf.
15 Pecten Losseni v. Koenen?
16. Rhynchonella ? papyracea A. Rom.
17. Streptorhynchus crenistria Phill.
18. Strophomena analog a Piiill.
19. Chonetes Laguessiana de Kon.
20. Chonetes rectispina v. Koen.?
21. Chonetes Buchiana de Kon.
22. Chonetes polita M’Coy.
88
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
23. Productus laevipunctatus Sarres.
24. Productus plicatus Sarres.
25. Productus concentricus Sarres.
26. Piscina sp.
27. Pleurodictyum Dechenianum n. sp.
28. Cladochonus Michelini Edw. & H.
29. Zaphrentis ? sp.
Was zunächst die oberdevonische Fauna betrifft, so liegt
ihr Hauptinteresse darin, dass wir hier zum ersten Male aus der
oberen Abtheilung des rheinischen Oberdevon, der Clymenienstnfe,
eine reichere Brachiopodenfanna kennen lernen. Ueber-
all, wo sich jene Stufe im rheinischen Gebirge versteinerungs-
führend zeigte, hatte man bisher ausser Cephalopoden, die sowohl
an Arten als auch besonders an Individuenzahl sehr zu über-
wiegen pflegen, in einiger Häufigkeit nur Lamellibranchiaten
und Gastropoden angetroffen, während andere Thierordnungen,
namentlich Brachiopoden, so gut wie gänzlich unbekannt ge-
blieben waren. Ueberhaupt sind solche meines Wissens in einiger
Häufigkeit nur in der Gegend von Aachen angetroffen worden,
in den mächtigen gelblichen Sandsteinen, die dort als Unter-
lage des Kohlenkalkes auftreten (vgl. Zeitschr. d. Deutsch, geol.
Ges. XXVII, 1879, p. 852). Während aber auch bei Aachen das
Vorkommen von Brachiopoden sich auf einige wenige Arten
(. Spirifer Verneuili , Rhynchonella cnf. pleurodon und Streptorhyn-
chus umbraculum') beschränkt, so sind im Obigen aus der Gegend
von Velbert 11 Bracliiopodenarten beschrieben worden und allem
Anschein nach würde sich diese Zahl durch längeres Sammeln
noch sehr vermehren lassen.
Durch diesen Reichthum an Brachiopoden neben Zweischalern
und Gastropoden, aber fast ganz zurücktretenden Cephalopoden
steht die Fauna von Velbert der Fauna der jüngeren Oberdevon-
schichten des südlichen Belgiens und der angrenzenden Ge-
genden von Nord -Frankreich nahe. Denn auch hier kommen
trotz der weiten Verbreitung, die im genannten Gebiete gerade
das Oberdevon hat, die bezeichnenden Clymenien vielleicht nur
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
an einem Punkte, in der Gegend von Etroeungt vor1), während
Brachiopoden durch die ganze Schichtenfolge des Famennien Gos-
selet’s hindurchgehen und überall so häufig sind, dass dieser
Autor auf sie seine Zoneneintheilung basirt (Yergl. Gosselet,
Esquisse geol. du Nord de la France etc. I, p. 852. Lille 1880).
Zu den wichtigsten Brachiopoden des Famennien gehören
nach Gosselet Spirifer Verneuili , Cyrtia Murchisoniana , mehrere
z. Th. neue Rhyn choneilen, Atrypa reticularis , Athyris Royssii, Spi-
riferina laminosa, Spirifer mosquensis, Streptorhynchus crenistria etc.
Ausserdem führt Mourlon aus den sandigen Gliedern der Schichten-
folge, den sog. Psammiten des Condroz, noch Productus praelongus,
Strophalosia productoid.es , Rhynchonella pleurodon und pugnus und
einige andere Arten an (Bull. Acad. R. Belgique, 2. s. Bd. 39,
No. 8, p. 52. 1875). Es ist bemerkenswerth, dass ganz ähnlich,
wie bei Velbert neben überwiegenden devonischen Formen auch
ein paar Carbonarten ( Spiriferina laminosa und Crania trigonalis )
erscheinen, auch in den obersten Devonschichten Belgiens Arten
wie Spiriferina laminosa, Spirifer mosquensis, Athyris Royssii und
Streptorhynchus crenistria auftreten, Formen die gewöhnlich nur im
Carbon Vorkommen. Bei der Lagerung; der betreffenden Schichten
an der unmittelbaren Basis des Kohlengebirges kann diese Er-
scheinung indess nicht befremden; und dass, die fraglichen Ablage-
rungen trotz dieser Beimengung vereinzelter carbonischer Typen
doch noch der Devonformation angehören, das geht schon aus dein
Vorkommen der Gattung Phacops (in Belgien latifrons, bei Velbert
granulatus ) selbst in den allerobersten Schichten, dicht unter dem
Kohlengebirge hervor.
Eine ganz ähnliche, brachiopodenreiche Fauna wie bei Velbert
und in Belgien findet man endlich auch in den allerobersten De-
vonbildungen des nördlichen Devonshire, den Pilton- und
Marwood- Schichten wieder. In diesen wesentlich sandig ausge-
bildeten Ablagerungen, die Salter als in seichterem Meere sedi-
Sie wurden hier schon vor langer Zeit durch Hebert angegeben (Bull. Soc.
geol. de France 2. s. VII, p. 1165). Ihr Vorkommen scheint indess nicht ganz
zweifellos zu sein, da dasselbe weder von Gosselet noch von einem anderen
neueren französischen oder belgischen Autor erwähnt wird,
90
E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss von Oberdevon und Culm
mentirte Aequivalente der bekannten Clymenienkalke von Pether-
win ansieht, tritt eine ziemlich reiche Fauna auf, die aber eben-
falls fast gar keine Cephalopoden, dagegen sehr zahlreiche Brachio-
poden und daneben Lamellibranchiaten und Gastropoden enthält
(Yergl. Salter, Q,u. J. Geol. Soc. Lond. 1863, p. 474). Aus
deu an der Basis des Carbon liegenden Piltonbeds nennt Salter
Spirifer Verneuili, Athyris concentrica , Productus praelongus, Stro-
phalosia productoides, Orthis interlineata, Streptorhynchus crenistria ,
Phacops latifrons etc.; aus den darunter liegenden Marwoodbeds
dagegen Spirifer Verneuili , Spiriferina laminosa , Rhynchonella pleu-
rodon und viele Zweischaler, wie Cucullaea Hardingii, Avicula
Damnoniensis etc. Auch hier treffen wir demnach zum grossen Theil
ganz dieselben Brachiopodenarten wieder, wie in Belgien und bei
Velbert. Auch hier ist die Gattung Phacops noch vorhanden,
daneben aber treten schon vereinzelte carbonische Typen auf.
Was nun die oben beschriebene C ulmfauna betrifft, so
haben wir über diese nur wenig zu sagen.
Die Culmbildungen werden jetzt wohl allgemein als Flach-
meeräquivalente des in tieferem und offenerem Meere abgelagerten
Kohlenkalks angesehen. Diese Auffassung wird durch die Fauna
beider Bildungen durchaus unterstützt. Denn während der Kohlen-
kalk eine reiche, sehr mannigfaltig aus Cephalopoden, Gastropoden,
Zweischalern , Korallen etc. zusammengesetzte Fauna besitzt, so
hat die Culmfauna eine sehr eintönige und gleichartige Zusammen-
setzung aus einigen wenigen Cephalopoden ( Goniatiten und Or-
thoceren) und Pelecypoden, während Brachiopoden sehr zurück-
treten und Gastropoden und Korallen ganz zu fehlen pflegen.
Dass indess die Culmfauna unter Umständen eine mannigfaltigere
und damit derjenigen des Kohlenkalks ähnlichere Zusammen-
setzung erlangen kann, beweisen die Culmkalke des Iberges bei
Grund im Harz, welche eine Reihe für den Culm ungewöhnlicher
Cephalopoden und Brachiopoden ( Nautilus , Bactrites , Productus,
Spirifer ) und Gastropoden enthalten (Vergl. A. Römer, Beitr. z.
Kenntn. des n. westl. Harzgeb. V, 1866, p. 32, ff.). Für das
am Nordrande des rheinischen Schiefergebirges.
91
rheinische Schiefergebirge hat uns eine solche grössere Formen-
Mannigfaltigkeit erst die unlängst erschienene Arbeit von Könen’ s
über die Culmfauna von Herborn kennen gelehrt (Neues Jahrbuch
f. Mineralog. etc. 1879). Unter 44 von dem genannten Autor
im Ganzen aufgeführten Arten treffen wir nicht nur ein Gyroceras
und zwei (nicht bestimmte) Nautilusarten, sondern auch mehrere
Brachiopoden, unter denen zwei, Terebratula hastata und Procluctus
humerosus (= sublaevis') zugleich Haupt leit formen des Kohlen-
kalks sind, sowie ein Cyathophyllum. Etwas ganz Aehnliches finden
wir nun auch bei Aprath wieder. Denn auch hier treten in Be-
gleitung der gewöhnlichen Culmfossilien mehrere Korallen, ver-
schiedene Arten von Productus und Chonetes, eine Strophomena ,
ein Streptorhynchus und Pleurotomarien auf. Es ist bemerkens-
werth, dass etwa die Hälfte dieser für das Culm ungewohnten
Formen bekannte Kohlenkalkarten darstellen, wie Cladochonus
Michelini, Chonetes Buchiana , polita und Laguessiana, Strophomena
analoga und Streptorhynchus crenistria 1).
!) Es sei hier noch erwähnt, dass von Dechen (Verhandl. Naturhistor. Ver.
f. Rheinl. - Westf. VII, p. 200) aus dem Plattenkalk von Iserlohn zwei andere
typische Kohlenkalkarten, Productus latissimus und semistriatus (= antiquatus)
anführt.
Das osttliiirin gische Rötli.
Von
Herrn E. E. Schmid in Jena.
(Hierzu Tafel TV.)
E i n 1 e i t u n g.
Nach dem Abschlüsse der geologischen Kartographirung Thü-
ringens durch B. v. Cotta und Heinr. Credner kannte man nur
zwei scharf und durchgreifend geschiedene, allerdings sehr ungleich
mächtige Abtheilungen der Formation des Buntsandsteins, von
denen man nach den darin vorwaltenden Gesteinen die obere,
minder mächtige, als diejenige der bunten Mergel oder des
Röths, die untere, weitaus mächtigere, als diejenige der bunten
Sandsteine im engeren Sinne bezeichnete. Diese letztere nahm
auf den Karten einen so breiten Raum ein, dass durch ihre
Abgrenzung die Lagerungsverhältnisse nur unvollkommen veran-
schaulicht wurden. Aus diesem Grunde war ein wesentlicher
Fortschritt darin anzuerkennen, dass Beyrich die unteren Sand-
steine am Südrande des Harzes nochmals in zwei Abtheilungen
sonderte je nach dem Vorwalten starker Sandsteinbänke, oder
sandig-thoniger Schiefer (Letten) und diese Sonderung schon auf
den ersten Lieferungen der geologischen Specialkarte des König-
reichs Preussen und der thüringischen Staaten, kartographisch
durchgeführt, vorlegte. Die weitere Durchführung namentlich
nach dem Ostrande des Thüringer Beckens zwischen der Saale
und Elster bot jedoch erhebliche Schwierigkeiten, weil gerade die
E. E. Schmid, das ostthüringische Röth.
93
untersten Schichten des bunten Sandsteins, welche neben der
Elsteraue unterhalb Gera anstehen, recht dickbänkig sind und den
Abhängen das Aussehen der mittleren Buntsandsteine verleihen.
Nach vielfacher Begehung des weder sonst interessanten, noch
wegen des ausgebreiteten Waldbestandes gut aufgeschlossenen
Sandsteingebietes fasste ich ein Niveau mitten im Buntsandstein
auf, unter welchem der Abhang vielorts scharf, fast überall deut-
lich steiler einfällt und unzweifelhaft auf einen verschiedenen
Widerstand gegen die Erosion zu Folge verschiedener Reichlich-
o o o
keit der thonigen Beimengungen hinweist. Nachdem ich dieses
o o o
Niveau im östlichen Thüringen als ein beständiges erkannt hatte,
wurde mir durch Beyrich die günstige Gelegenheit dargeboten,
es in seiner Begleitung mit demjenigen zu vergleichen, welches
im nördlichen Thüringen und am Fusse des Harzes, speciell längs
der Unstrutaue bei Wiehe als Grenze zwischen mittleren und
unteren Buntsandstein angenommen worden war und mich
von ihrer Uebereinstimmung zu überzeugen. Dieses Niveau ist
es, welches sich auf den von mir bearbeiteten Blättern Bürgel,
Roda, Stössen, Eisenberg, St. Gangloff u. a. der geologischen
Specialkarte des Königreichs Preussen und der thüringischen Staaten
als Grenzlinie eingezeichnet findet. Freilich ist es nicht in Ab-
rede zu stellen, dass dasselbe nicht an allen Stellen gleich deut-
lich hervortritt, an manchen sogar zweifelhaft ist in Folge des
Uebergangs der untersten Glieder des mittleren Buntsandsteins aus
festem Sandstein in losen Quarzsand und Quarzstaub, der zwar
au den meisten, aber doch nicht an allen Stellen stetig im Fort-
streichen nachweisbar ist. Diese losen Sande habe ich zum mitt-
leren Buntsandstein stellen zu müssen geglaubt, indem ich nicht
sowohl die Gebundenheit der Gesteine, als vielmehr ihren Thon-
gehalt als entscheidend ansehe. Freilich ist ferner anzuerkennen,
dass den unteren Buntsandsteinen Ostthüringens zwischen Saale
und Elster eine Einlagerung fast gänzlich fehlt, die für diejenigen
des Harzrandes charakteristisch ist, nämlich die der sogenannten
Rogensteine. Aber eine wenn auch wenig mächtige und ausge-
o o o o
dehnte, so doch ganz typisch entwickelte Einlagerung davon fand
ich jenseits der Elster, am Wege von Crossen nach Cosweda
94
E. E. Sch.mil) , das osttliüringische Rötk.
(s. Blatt Langenberg) auf, und später wurde noch eine andere
durch Liebe aufgefunden.
Von dem Elstergrunde bei Gera aus bilden mittlerer und
unterer Buntsandstein den Rand der Thüringer Mulde über die
Hochflächen um Münchenbernsdorf hinweg; nach dem Orlagrunde
oberhalb Neustadt und begleiten denselben bis Blankenburg a. d.
Schwarza. Weiter nordwestlich durchschneidet eine Spaltung, zu
deren beiden Seiten zufolge einer Verwerfung Dyas und mittlerer
Buntsandstein in gleiches Niveau gerückt , und der untere Bunt-
sandstein von der Oberfläche verdrängt ist, den Fuss des Thüringer
Waldgebirges. Die westlichen Ränder der Thüringer Mulde fallen
in längster Erstreckung mit den Höhen des Eichsfeldes zusammen,
welche wenig unterbrochen von höheren Abtheilungen der Trias
eingenommen werden.
Im Innern der Thüringer Mulde wird Buntsandstein in dem
Faltungsgebiete von Blankenhein, Kranichfeld und Berka an die
Oberfläche gepresst, und zwar nur mit seiner oberen und mittleren
Abtheilung.
Theilt man die ganze Formation des Buntsandsteins in oberen,
mittleren und unteren, so wird die vorstehende Betrachtung ge-
nügen , diese Eintheilung als eine gut durchführbare zu erweisen.
Aber für den Maassstab der neuen geologischen Specialkarte des
Königreichs Preussen und der thüringischen Staaten macht sich
das Bedürfniss nach weiterer Gliederung geltend. Für den unteren
Buntsandstein längs dem Fusse des Harzes sind zu diesem Zwecke
die bereits erwähnten mehrfachen Rogensteinbänke mit bestem
Erfolge benutzt worden. Aber diese Bänke fehlen im Osten und
Süden Thüringens. Für den mittleren Buntsandstein könnte man
an die zugleich technisch so bedeutsamen kaolinischen Einlage-
rungen denken, aber deren kartographische Benutzung würde eine
nicht geringe Zahl für diesen Zweck ausgeführter Anschürfungen
erfordern. Die conglomeratischen Bänke sind weder so mächtig,
noch so ausgebreitet, noch so beständig, um für diesen Zweck ins
Auge gefasst werden zu können.
Der obere Buntsandstein scheint einer speciellen Gliederung
am zugänglichsten zu sein, da er eine Mannichfaltigkeit durchaus
E. E. Schmid, das ostthiiringisclie Roth.
95
verschiedenartiger Gesteine in sich scliliesst, und eine Mehrzahl
wohlerhaltener Versteinerungen darbietet, während die beiden
unteren Abtheilungen ausser den Chirotherien- Fährten, den Schalen-
abdrücken der Gervillia Murchisoni , kaum nennenswerthe organische
Ueberreste enthalten.
Zu untersuchen, wie weit dieser Schein der Wahrheit ent-
spreche, war mir besonders nahe gelegt, weil mir ein ansehnlicher
Theil desjenigen Gebietes zur Aufnahme anvertraut war, welches
die besten und desshalb die entscheidenden Aufschlüsse darbietet;
ich nenne besonders die Blätter Jena, Bürgel, Cahla und
Blankenhain.
Diese Untersuchung erhielt unwillkürlich eine grössere Breite
und ein ferneres Ziel, indem sie sich auf die Gesammtheit der
Gesteine des ostthüringischen Röth , auf die Verwandschaft der-
selben unter sich und zu denjenigen des übrigen Buntsandsteins
ausdehnte. Sie gehörte geraume Zeit zu den stehenden Aufgaben
des hiesigen mineralogischen Institutes und wurde namentlich von
o o
zweien meiner älteren Schüler, Dr. Popp und Dr. Prausnitz mit
Eifer und Erfolg betrieben. Namentlich verdanke ich diesen
Beiden die chemischen Analysen einer Anzahl von Röthgesteinen,
welche im hiesigen agricultur - chemischen Laboratorium unter
o o
Leitung von Professor Reiciiardt ausgeführt wurden.
O o
GemeogtSieife der Gesteine des ostthüringischen Röth.
Die grosse Mannichfaltigkeit und Buntscheckigkeit der Ge-
steine des ostthüringischen Röth beruht nicht sowohl auf einer
grossen Anzahl verschiedenartiger Gemengtheile, als vielmehr
auf einer grossen Verschiedenheit der Mengungsverhältnisse von
wenigen wesentlichen Gemengtheilen , nämlich von thonigen
Silicaten, dolomitischen Carbonaten, Ferrit, Quarz und Gyps
mit noch einigen anderen mehr als accessorisch anzusehenden
Mineralien.
96
E. E. Schmid, das ostthüringische Röth.
I. Silicate.
Die Silicate sind theils mechanische Trümmer älterer Gesteine,
theils chemische Zersetzungen und Umwandlungen derselben, theils
endlich beides zugleich.
1. Glimmer und seine Abkömmlinge.
Unter den mechanischen Trümmern sind Glimmerblätter
die auffälligsten und häufigsten. Viele von ihnen sind von ma-
kroskopischer Grösse, die meisten jedoch nur von mikroskopischer.
Die Blattflächen, entsprechend der vollkommenen Spaltungsrichtung
des Glimmers, sind gewöhnlich glatt und eben, sehr selten gebogen,
noch seltener, und zwar nur im Falle sehr fester Cämentation des
Gesteins, flach gefaltet (s. Fig. 8). Der Band zeigt zwar hin
und wieder, aber nie ringsum geradkantige , d. h. unzweifelhaft
krystallinische Begrenzung, zumeist jedoch trägt er die Kenn-
zeichen von Abreibung: und Abbruch an sich. Die abgeriebenen
Ränder sind uneben und lassen Auflockerung nach der Haupt-
spaltungsrichtung an mehrfachen, nicht gleichlaufenden Umrissen
erkennen. Die Abbrüche lassen sich sehr treffend mit Scherben
dünnen Fensterglases vergleichen, besonders wegen ihrer Schärfe
und Glätte. Wenn sich Querschnitte darbieten, zeigen sie häufig
eine Aufblätterung nach der Spaltungsrichtung. Bei Weitem
die meisten Glimmer sind farblos, aber auch gelbe, braune und
grüne, jedoch immer blasse Farben treten auf. Bei einiger Inten-
sität der Färbung fehlt Dichroismus in der dem Glimmer eigen-
thümlichen Weise nicht. Krystallinische Einschlüsse, gegen deren
Ursprünglichkeit Nichts einzuwenden ist, sind ebenso selten, als
eigenthümlich. Bei schwacher Vergrösserung erscheinen sie als
feine, schwarze, gerade Linien, bei starker erhalten sie deutlich
doppelte, breite und dunkle Umrisse, innerhalb deren auch im
polarisirten Lichte und zwischen verdrehbaren Nikols dieselbe Hel-
ligkeit und Färbung hervortritt, wie ausserhalb. Es liegt daher
durchaus kein Grund vor, einen Unterschied zwischen Einschluss
und Umschluss anzunehmen. Sieht man aber demnach die spies-
sigen Leisten für denselben Glimmer an, wie den Umschluss und
E. E. Schmid , das ostthüringiscke Röth.
97
die breiten Seiten der Leisten ebenso wie diejenigen der sie ein-
schliessenden Blätter für die Richtung der Hauptspaltbarkeit, so
passt dazu die Form der ersten nicht. Diese lässt sich wohl noch
bei dem farblosen Glimmerblatt von Fig. 1 auf bisher bekannt ge-
wordene Glimmerleisten beziehen, aber nicht mehr bei dem grünen
Glimmer von Fig. 2. Die Leisten dieses Glimmers verschmälern
sich stetig und laufen in nadelförmige Spitzen aus. Jedenfalls
liegt in diesen Vorkommnissen eine Verwachsung von Glimmer
mit Glimmer vor, aber doch nicht eine gleichartige mit den von
G. Rose1) beschriebenen. Rose hebt es nachdrücklich hervor,
dass wenn verschiedenartige Glimmer mit einander verwachsen
sind, ihre Lage zu einander und zu dem Umschluss eine krystal-
lographisch bestimmte ist. Beides trifft in den vorliegenden Fällen
nicht zu, namentlich in dem in Fig. 2 dargestellten unbestimmt
büschelförmiger Aneinanderlagerung der Einschlüsse. Mitunter
krystallinisch , gewöhnlich amorph, machen sich gelbbraune, roth-
braune und opake Ferritumhüllungen und Einlagerungen bemerk-
bar (s. Fig. 8). Sie zeigen ganz das Verhalten von Eindring-
lingen, die mit der Wasserführung des ganzen Gesteins Zusammen-
hängen und von Ausscheidungen, die mit der Zersetzung des
Glimmers selbst in ursächlichem Zusammenhänge stehen.
Die Zersetzung der Glimmer kann allerdings deren chemische
Zusammensetzung durchgreifend verändert und zur Bildung kaolin-
artiger Substanzen, d. h. wasserhaltiger Thonerde-Silikate geführt
haben, ohne dass äussere Form und optisches Verhalten es erkennen
lassen, wie ich2) am Beispiele der kaolinischen Beimengungen zu
dem mittleren und unteren Buntsandsteine des östlichen Thüringen
nachgewiesen habe. Dieselbe ist aber auch mit sehr augenfälligen
Formveränderungen verbunden, welche in der Zusammenziehung
zu nierförmigen oder traubigen bis oolithischen Massen an der Ober-
fläche und zwischen den Blätterdurchgängen und im Zerfällen zu
einzelnen sphärischen Linsen besteht. Die Substanz dieser Um-
1) S. Pogg. Ann. 138, 177 ff. 1869.
2) S. E. E. Schmid, die Kaoline des thüringischen Bundsandsteins in Zeitschr.
der Deutsch, geol. Ges. Bd. 28, S. 87 ff. 1876.
7
98
E. E. Schmid , das ostthüringische Röth.
wandlungsformen ist farblos, homogen und einfach brechend
bis auf eine mitunter eben wahrnehmbare Spur von Aggregat-
Polarisation. Sie sind scharf- Umrissen und schmal - umsäumt,
obgleich sie, wie Fig. 6 und 7 zeigen, nicht eben sehr flach -ge-
wölbte oder in grösserer Breite ebene Oberflächen besitzen. Nicht
nur nach ihrer Grösse, sondern auch nach ihrem übrigen Habitus
lassen sie sich in drei Abtheilungen bringen, zwischen denen ein
stetiger Uebergang nicht stattfinden dürfte. Die erste Abtheilung
umfasst die nierförmigen Aggregate mit den längsten Krümmungs-
halbmessern, aber ohne allseitig scharfe Sonderung der einzelnen
Knollen (s. Fig. 3), die zweite die traubigen Aggregate mit deut-
licher Sonderung der einzelnen Knollen (s. Fig. 4), die dritte die
oolithischen Aggregate einzelner sphärisch umgrenzter Linsen
(s. Fig. 5).
Die nierförmigen Aggregate lassen sich treffend als Miniatur-
bilder von Haufwolken ( Cumuli ), wie sie vom aufsteigenden Luft-
strom unserer heissen Sommertage erzeugt werden, bezeichnen.
Sie ragen nicht selten, wie es Fig. 3 zeigt, über den Bruchrand
des Glimmerblättchens hinaus; ob sie schon gebildet waren bevor
das Blättchen zerbrach, oder ob sie sich auf dem schon abge-
brochenen Blättchen fortentwickelten über die Grundlagen desselben
hinaus, muss dahingestellt bleiben.
Die traubigen Aggregate sind meist dicht geschlossen, indem
die einzelnen Knöllchen so eng aneinander stossen, dass die wegen
seitlichen Reflexes unter dem Mikroskope düster erscheinenden
Fugen zwischen ihnen auf der Grundlage der Glimmerspaltungs-
fläche, auf der sie auf liegen, ein stumpf polygonales Netz bilden
und sich erst weiter nach aufwärts selbständig abrunden; dieselben
haben aber auch häufig theilweise oder ganz — d. h. ringsum —
freie Ränder; ihr Durchmesser beträgt 0,03 bis 0,015 Millim.
Die oolithischen Aggregate sind Miniaturbilder der Kalk- und
Eisen-Oolithe namentlich der letzteren, deren Knöllchen mit den vor-
liegenden Strukturlosigkeit gemein haben. Der Rand der Knöllchen
erscheint vollkommen kreisförmig; ihr Durchmesser beträgt 0,005
bis 0,003 Millimeter. Gewöhnlich liegen auf demselben Glimmer-
blatt nur einerlei Aggregate nebeneinander wie bei Fig. 4 und 5,
oo © Ö 7
E. E. Schmid , das ostthiiringische Roth.
99
mitunter auch alle drei Arten derselben bald bis zur Berührung
zusammengedrängt, bald durch freie Glimmerflächen von einander
getrennt, wie in Fig. 3. Sie erscheinen auch einzeln von der
Glimmerunterlage abgelöst. Jedoch machen gerade diese letzteren
keinen beträchtlichen Theil der lockeren und durch Schlämmen
nach der Feinheit der Theilchen scheidbaren Silicatgesteine aus.
Es ist mir aus der Literatur nicht bekannt, dass der eben
geschilderte Process der Form Veränderung des Glimmers schon
beachtet worden wäre. Ich kann daher über die Weite seiner
Bedeutung keine Vermutlmng aussprechen; nur zu der Behauptung
berechtigen mich meine eigenen Beobachtungen, dass dieselben
Umsetzungsformen der Glimmer auch im mittleren und unteren
Buntsandstein Ostthüringens sehr gewöhnliche Erscheinungen sind.
Das Urtheil über die Stellung, welche die vorliegenden Glimmer
innerhalb der Glimmergruppe einnehmen, entbehrt einer genügenden
erfahrungsmässigen Grundlage. Die Glimmerblättchen treten in
keinem der von mir eingehend geprüften Rö tilgest ei ne für sich
auf, sondern im Gemenge mit anderen gleich leicht aufschlämm-
baren Silicaten; dieselben sind so klein, dass ihre optischen
Charaktere bezüglich der Lage der optischen Axen nicht festge-
stellt werden können. Die später anzuführenden chemischen Unter-
suchungen ergeben, dass der eine Theil von ihnen zu den leicht
aufscliliesslichen Magnesium reichen Glimmern gehört, der andere
zu den Magnesium armen, schwer oder nicht aufscliliesslichen ;
keinesfalls sind sie fluorreich, wahrscheinlich fluorfrei. Die Kao-
linisirung derselben ist nicht soweit vorgeschritten, wie derjenigen
des mittleren Buntsandsteins, welche bei nahezu gleicher Klarheit
und Grösse der Blättchen fast ganz in wasserhaltige Thonerde-
Silicate, also in kaolinische Substanzen übergegangen und technisch
als solche verwendbar sind.
Wenn überhaupt die nierförmigen, traubigen und oolithischen
Aggregate Umwandlungsprodukte des Glimmers sind, an den sie
sich so innig anschliessen, so liegt die Vermuthung nahe, die
Umwandlung sei eine kaolinische, d. li. sie bestehe vornehmlich
in Wegführung von Alkalien und alkalischen Erden mit einem
Theile der Kieselsäure und Zuführung von Wasser, wenn sie auch
7 *
100
E. E. Schmid , das osttküringische Roth.
nicht immer zu einem reinen wasserhaltigen Thonerde-Silicate ge-
führt hat. Diese Vermuthung begründet sich auf die schon mehr-
fach betonte Analogie mit den Kaolinen des mittleren Buntsand-
steins und mit ihr stehen die Resultate der chemischen Analyse
im Einklang. Dieselben Aggregate fielen mir bei der Unter-
suchung der kaolinischen Gemengtheile und Gesteine des mittleren
Buntsandsteins allerdings weniger auf, weil sie weniger massenhaft
und scharf hervortreten, sind jedoch auch in ihnen so weit ver-
breitet, dass man annehmen darf, sie theilen die Zusammensetzung
derselben als wasserhaltiger Thonerde-Silicate. Sie gehören aber
zu den leichter zersetzbaren Modificationen derselben, da sie unter
dem Rückstand der Digestion eines mergeligen Dolomites mit
Chlorwasserstoffsäure zwar noch reichlich und wasserhaltend ge-
funden wurden, dagegen aus dem Rückstände einiger daran reicher
dolomitischer Mergel nach anhaltender Digestion und wiederholter
Eindampfung mit Chlorwasserstoffsäure, Aufnahme der gelösten
Theile durch Wasser und der frei gewordenen Kieselsäure durch
Sodalösung spurlos verschwunden, während die Glimmerblätter
selbst nicht eben auffällig vermindert waren.
Glaukonitische, d. h. wasserhaltige, eisenschüssige, amorphe
Silicate sind als Verwitterungs-, oder, allgemeiner gesagt, Um-
setzungsprodukte der Glimmer recht selten zu beobachten.
Die Glimmer und ihre Abkömmlinge sind durch die Röth-
Gesteine wohl am weitesten verbreitet und nehmen an ihrer Bildung
einen ebenso massenhaften als wesentlichen Antheil.
2. Feldspath und seine Abkömmlinge.
Gemengtheile, an denen sich nicht nur die krystallographischen
und physiographischen , sondern auch die chemischen Charaktere
des Feldspath es nachweisen lassen, kommen im mittleren Bunt-
sandstein, namentlich in seinen conglomeratischen Entwickelungen
noch von recht leicht fassbarer Grösse vor, im oberen Buntsand-
stein erreichen sie nicht mehr makroskopische Grösse. Selbst
solche rhombisch- oder oblong-tafelförmige oder prismatische Körner,
wie sie in Figur 10, 11 und 12 dargestellt sind, gehören zu den
Seltenheiten. Die krystallinische Umgrenzung derselben ist seltener
E. E. Schmid, das ostthüringische Röth.
101
einfach, als durch Vor- und Rücksprünge abgesetzt; ihre Spaltbar-
keit ist durch Haarspalten oder langgezogene Cav erneu angezeigt;
ihre bräunliche Farbe löst sich bei stärkster Vergrösseruna: weder
immer, noch vollständig in Durchstäubung auf; chromatische
Polarisation ist vorhanden, aber nicht lebhaft und nie in der den
Viellingen eigenen bandartigen Streifung; auch tritt nicht immer
zwischen gekreuzten Nikols vollständige Verdunkelung ein. Das
Verhalten dieser Feldspathkörner ist also ganz dasjenige der
Ortholdas-Feldspathe alter, mannichfaltigen Umwandlungsprocessen
ausgesetzter Gesteine. Selbst solche Feldspathkörner, die mit bald
scharfkantigen, bald weniger oder mehr abgeriebenen Spaltungs-
stücken Übereinkommen, machen einen beträchtlichen Gemengtheil
nur weniger Röthgesteine aus. Unregelmässig abgerundete, wohl
abgeriebene, sehr trübe und nicht deutlich spaltbare Brocken,
welche sich mindestens sehr wahrscheinlich aufFeldspath beziehen
lassen, sind häufiger.
Daran schliessen sich mit ebenfalls sehr grosser Wahrschein-
lichkeit als Feldspathabkömmlinge dunkle, von vielfach sich
kreuzenden, unebenen Sprüngen durchzogene, in krümeligem Zer-
falle begriffene Brocken an, die allmälig in Aggregate sehr kleiner,
sich von einander lösender Knöllchen übergehen. Sie sind nur an
ihren äuss ersten , dünnsten Rändern gelblich durchsichtig. Die
einzelnen Knöllchen (s. Fig. 13) sind sehr klein; ihr Durch-
messer beträgt nur 0,010 — 0,017 Millimeter; sie sind alle abge-
rundet, aber ebensowenig sphärisch, als einheitlich; sie haben viel-
mehr meist deutlich traubige Gestalten und lassen zwischen den
einzelnen Trauben auch wohl opake Einklemmungen erkennen,
welche mitunter Aehnliclikeit mit Kernen erhalten. Das V orkommen
der Kerne ist aber durchaus kein wesentliches und die dadurch
erzeugte Aehnlichkeit der Knöllchen mit Aggregaten von orga-
nischen Elementartheilen oder Zellen dürfte eine rein zufällige sein.
Die Knöllchen brechen das Licht nicht einfach, jedoch so, dass
sie nicht nur im Ganzen, sondern auch in ihren einzelnen Trauben
aus optisch verschiedenartig orientirten Theilen bestehen. Die eben
beschriebenen Aggregate sowohl, als auch die Knöllchen, in welche
sie zerfallen, sind sehr verbreitet und nehmen einen beträchtlichen
102
E. E. Schmid, das ostthüringisclie Roth.
Antheil an der Bildung: der thonigen Gesteine oder der Letten.
Aehnliche Formen von Abkömmlingen der Feldspathe, namentlich
kaolinartiger, sind mehrfach gegeben worden; ohne mich auf eine
specielle Vergleichung einlassen zu wollen, schliesse ich mit der
Bemerkung, dass ich mir Mühe gegeben habe, ihre Beschreibung
und Abbildung naturgetreu zu geben mit Fernhaltung krystallo-
graphischer oder organologischer Vorurtheile.
In einem, allerdings günstigen, Falle (Hornstein vom Jenzig
bei Jena) ergeben die oben beschriebenen Spaltungsstücke noch
sehr nahe die Zusammensetzung eines trisilicatischen Kali-Natron-
Feldspathes, in einem anderen sehr analogen Falle dagegen (Horn-
stein vom Kugelberg bei Calda) fehlten Alkalien gänzlich, war
aber nur wenig Wasser dafür eingetreten. Die durch Chlor-
wasserstoffsäure unlöslichen und unaufschliesslichen Theile von
Letten, Mergeln und Dolomiten bieten häufig Zusammensetzungen,
die auf Gemenge von Kali- Natron -Feldspath mit Glimmer und
Kaolin hinweisen, wenn auch der erste wegen sehr feiner Ver-
theilung mikroskopisch nicht exact nachweisbar ist.
Ueber die chemischen Verhältnisse der Knöllchenaggregate
lässt sich nur so viel sagen, dass die Lösungsrückstände, in denen
sie vorwalten, im Vergleich zu dem gewöhnlichen Kaolin wasserarm
sind, ihr Wassergehalt schwankt bei fünf Proben zwischen 0,5 °/o
und 7 %, und dass sie zugleich 7 — 8 °/o Alkalien enthalten, dem-
nach ihre Stellung zu den Kaolinen schlechthin bedenklich er-
scheint, vielmehr als ein Zwischenstadium zwischen Feldspath und
Kaolin zu bezeichnen ist. Im Rückstände einiger mergeliger Letten
nach anhaltender Digestion mit Chlorwasserstoffsäure und nachher
Sodalösung erscheinen sie gemengt mit Glimmerblättchen und
wenigen Feldspath ähnlichen Brocken sehr reichlich und ebensogross
wie unter den aufgeschlämmten Theilen des Lettens, aber fast ganz
frei von gelblicher oder bräunlicher Färbung oder Bestäubung und
zugleich nahe wasserklar. Jedenfalls gehören sie zu den sehr schwer
zersetzbaren Umwandlungsprodukten des Feldspathes.
Die Feldspathe und ihre Abkömmlinge stehen hinsichtlich ihrer
Verbreitung durch die Gesteine des Rothes den Glimmern und
Quarzen nur wenig nach, treten jedoch viel weniger selbständig auf.
E. E. Schmid, das ostthüringische Röth.
103
3. Mikroschörlit. 4. Mikrozirkon. 5. Mikrolithen.
Kleine Krystalle, wie sie hin und wieder im mittleren Bunt-
sandstein Vorkommen, fehlen auch dem oberen nicht. Beispielsweise
mögen die folgenden Erwähnung finden.
In dem nach Digestion mit Chlorwasserstoffsäure zurückge-
bliebenen Rückstände eines thonigen Dolomits vom östlichen Ab-
hange des Jenzig bei Jena fand ich ein Krystallfragment von
hexagonalem Habitus und derjenigen Aehnlichkeit mit Turmalin
(s. Fig. 14), welche mir1) bereits bei Untersuchung der Kaoline
des mittleren Buntsandstein aufgefallen und von mir als Mikro-
schörlit benannt worden war, ohne dass damit mehr als die
Form- Aehnlichkeit behauptet sein sollte. Einige dieser Vorkomm-
nisse haben später WiCHMANN 2) voi’gelegen; dieselben sind von
ihm als wirkliche Turmaline anerkannt und als authigene Sand-
gemengtheile in Anspruch genommen worden.
In demselben Rückstände lagen noch zwei offenbar abgeriebene,
aber sehr glatte, durch sehr lebhafte chromatische Polarisation
ausgezeichnete Krystalle von tetragonal - prismatischem Habitus
(s. Fig. 15), die ich vorläufig wegen ihrer Formenähnlichkeit mit
Zirkon als Mikrozirkon bezeichne, ohne damit mehr als die
Möglichkeit, oder auch Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zur
Species Zirkon behaupten zu wollen.
Demselben Rückstände waren ausserdem noch Bröckchen aus
gelben, braunen bis opaken Theilen zusammengesetzt, beigemengt,
die deutliche Doppelbrechung besitzen und gelbe, einfachbrechende
Kry Stallkörnchen. Die specifische Stellung beider lasse ich dahin
gestellt sein.
Die Dünnschliffe der Hornsteine lassen namentlich in der
Umgebung grösserer Quarzkrystalle und Krystallbrocken , gelbe
Stäbchen und gelbliche Körnchen erkennen. Die Stäbchen liegen
oft parallel zu einander und rechtwinklig gegen die Quarzflächen. Ich
wage nicht, sie mit einer besonderen Mineralspecies zu vergleichen,
muss sie daher, wie die vorigen, bei den Mikrolithen belassen.
!) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 28, S. 94, 95, 1876.
3) Neues Jahrb. für Min. 1880, Bd. 2. Briefwechsel S. 2.
104
E. E. Schmid, das osttMringisclie Roth.
II. .Freie Kieselsäure.
6. Quarz und Chalcedon.
Die den Gesteinen des Rötli beigemengten Quarze erreichen
nur selten makroskopische Grösse; sie stellen sich selten als ganze
Krystalle dar oder auch nur als Bruckstücke von Krystallen, die
wenigstens zum grösseren Theile ihres Umfangs geradkantig be-
grenzt sind, sondern in der Mehrzahl der Fälle als lediglich von
unebenen Bruchflächen umschlossene Brocken. Diese Quarze sind
von Cavernen durchschwärmt, von denen bei schwacher Ver-
grösserung die wenigsten sich deutlich öffnen, bei starker Ver-
grösserung hingegen alle unvollkommen abgerundete Umrisse erhal-
ten, innerhalb deren Libellen eingeschlossen sind. Die Cavernen
sind theils scharf- und schmal-, theils breit -umsäumt. Glas ei er,
sowie vom Bande aus eingestülpte Glasschläuche bieten sich
häufig genug dar, um die Herkunft der Quarze aus porphyrischen
Gesteinen wahrscheinlich zu machen. Auch kleine Apatitprismen
und Mikrolithe fehlen als Einschlüsse in ihnen nicht.
Neben den Körnern und Brocken ächten d. h. optisch ein-
heitlich orientirten Quarzes finden sich auch Ausfüllungsmassen
von optisch confus orientirten, fest miteinander verbundenen Quarz-
keilen und Flasern oder Chalcedonen, innerhalb deren übrigens
ebenfalls Cavernen, Apatite und Mikrolithe anftreten.
Der Umstand, dass die Quarzkörner und Brocken nie quar-
zitiscli überkrustet sind, erscheint deshalb bemerkens werth, weil
solche Ueberkrustungen im mittleren Buntsandstein sehr gewöhn-
lich sind.
Quarzitische Einstreuungen fehlen nur sehr wenigen Köth-
gesteinen, namentlich den lettigen ; viele derselben sind reich daran,
werden dann sandig und gehen in eigentliche Sandsteine über.
III. Carbonate.
7. Dolomite.
Die carbonatisclien Gemengtheile, als Ganzes zusammenge-
nommen, enthalten stets Calcium und Magnesium zugleich, und
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
105
zwar oft in so nahe gleichen Aequivalenten, dass man sie danach
als echte Dolomite zn bezeichnen hätte. Allein sie lösen sich
bereits in verdünnter und kalter Chlorwasserstoffsäure so rasch auf,
dass sie wahrscheinlicher mechanische Gemenge, als isomorphe
Mischungen sind. Gewöhnlich tritt auch Eisencarbonat hinzu,
welches jedoch meist unter Verfärbung der Gesteine in das Gelbe
und Braune in Eisenoxydhydrat übergegangen ist. Von Mangan-
Carbonat sind nur Spuren nachweisbar. Obgleich die carbonati-
schen Gemengtheile sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch
nur selten krystallographisch bestimmbar sind, so liegt doch kein
Grund vor, sie einem anderen Krystallsystem , als dem rhomboe-
drischen unterzuordnen, wofür ja auch der meist hohe Magnesium-
gehalt spricht, der den rhombischen Carbonaten fern bleibt. Die
Carbonate walten nicht selten bis zur Selbständigkeit vor; sie
treten ebenso häutig; bis zum vollständigen Verschwinden zurück.
8. Malachit.
Kleine, aber doch makroskopisch deutliche Malachitkörn-
chen, Rothkupfererzkerne umschli essend, sind seltene Accessorien,
namentlich der Hornsteine.
IV. Sulpliate.
Von Sulphaten nimmt Gyps einen sehr wesentlichen Antheil
an der Bildung des Röth, Bittersalz und Cölestin einen sehr un-
bedeutenden. Das erstere stets als secundärer, der zweite nur als
accessorischer Gemengtheil.
9. Gyps.
Der Gyps ist stets krystallinisch, häufig polysynthetisch ent-
wickelt. Er erscheint jedoch gewöhnlich nur kurz- und schmal-
späthig, schuppig, oder faserig, seltener breitspäthig, am seltensten
feinkörnig bis makroskopisch dicht.
Sein Vorkommen ist ein sehr verbreitetes, theils selbständiges,
theils an andere Mineralien, namentlich dolomitische Carbonate,
thonige Silicate und Quarzite gebundenes.
106
E. E. Schmid, das ostthüringische Röth.
10. Bittersalz.
Die Ausblühung des Bittersalzes an den Gypsfelsen der
Teufelslöcher bei Jena ist bereits von dem ebenso scharfsinnig
beobachtenden, als genau beschreibenden Bätsch1) bemerkt und
festgestellt worden. Wackenroder2) hat dieselbe aus der Ein-
wirkung des Wassers auf ein Gemenge von Calcium-Sulphat und
Magnesium - Carbonat erklärt. Enthielte der Gyps das Bittersalz
als eine ursprüngliche Beimengung, so würde es sich an jeder
feuchten Gypswand zeigen; das ist aber nicht der Fall, vielmehr
ist es gerade an den Teufelslöchern mit feinst vertheiltem Dolomit
gemengt. Das Bittersalz ist ein secundäres Mineral, welches sich
an der Aussenseite und zwischen den klaffenden Schichtenfugen
derjenigen Gypswände reichlich ansammeln kann, die gegen Wind
und Regen einigermaassen geschützt sind. Die Ausblühung ist
während trockener Sommer und Herbste mitunter so reichlich,
dass sie den Gypswänden ein schneeweiss - bestäubtes Aussehen
giebt. Sie besteht übrigens nicht ausschliesslich aus Bittersalz,
sondern aus einem Gemenge desselben mit Gyps, Dolomit und
Letten. Eine technische Bedeutung hat sie nicht, wohl aber übt
der Bittersalzgehalt des Wassers, welches durch dolomitführende
Gypsfelsen hindurch gegangen ist, gelegentlich einen Einfluss auf
den Gesundheitszustand der Wohnstätten aus, welche sich solchen
Wassers für ökonomische Zwecke bedienen müssen. Eine Bitter-
salzhaltige Quelle, welche aus den Gypsfelsen der Teufelslöcher
entspringt, hat man zwar als einen Gesundbrunnen gerühmt; die
Quellen, auf deren Benutzung J ena-Priessnitz bei J ena angewiesen
ist, wirken dagegen während anhaltend trockner Sommer und
Herbste entschieden gesundheitswidrig.
11. Cölestin.
Von Cölestin finden sich im Röth blos Spuren und zwar
nur im mittleren Rhizocoralliumdolomit und im Hornstein, welche
!) Bätsch, Taschenbuch für mineralogische Excursionen in die umliegende
Gegend von Jena. Weimar 1802. S. 303.
2) Wackenroder, Beiträge zur Kenntniss der Formation des Muschelkalkes
und des bunten Sandsteins bei Jena. Jena 1830. S. 22 ff.
E. E. Schmid, das ostthöringisclie Roth.
107
am Abhange des Hausberges ziemlich breit, ausstreichen. Diese
Spuren sind deutlich krystallinisch, namentlich spaltbar, aber doch
nicht krystallographisch definirbar, blass- bis dunkel fleischroth.
Im lüiyzocoralliumdolomit treten sie häufiger auf, als im Horn-
stein. Der erste ist cavernös von resorbirten Muschelschalen,
und an der Innenseite solcher Cavernen sitzen die Cölestine gruppen-
weise häufiger auf, als sie in einzelnen Körnchen von der Gesteins-
masse eingeschlossen sind, wie in den Hornsteinen. Vor dem Lötli-
rohre decrepitiren sie so heftig, dass es schwer hält, eine Probe
davon so lange in der Flamme zu erhalten, bis sie ge-
schmolzen ist und carminroth.es Glühlicht giebt. Mit Natrium-
carbonat schmelzen sie zu einem weissen hepatischen Email
zusammen ; in Salpetersäure lösen sie sich sehr langsam und
schwer auf. Die rothe Färbung ist allerdings den Cölestinen
nicht gewöhnlich, ist aber von mir Q gerade bei einem aus-
gezeichneten Cölestinvorkommen in der Trias beobachtet worden,
nämlich bei dem der untersten Keuperschichten im Salzschachte
bei Erfurt.
V. Phosphate.
12. Apatit.
Die Beimengung des Apatits ist eine zwar sehr sparsame,
aber zugleich allgemein verbreitete. Sie ist eine theils selbstän-
dige, d. h. gleichwerthige mit den übrigen Gemengtheilen und
dann von wenigstens mikroskopisch ansehnlicher Grösse (s. Fig. 12),
theils eine den Quarzkörnchen untergeordnete, dann sehr minutiöse.
Der Apatit erscheint stets iu deutlich hexagonalen, wenn auch
krystallographisch nicht ins Einzelne definirbaren Krystallen von
meist gelber bis gelbbrauner, düsterer Farbe, herrührend von fer-
ritischen Beimengungen; parallel der Hauptaxe sind längliche, die
äusseren Umrisse mehr oder weniger genau wiederholenden Hohl-
räume oder Einschlüsse nicht eben selten.
!) Pogg. Ann. 120, 637 ff. (1863).
108
E. E. Schmid, das ostthüringische Röth.
Der Gehalt an Apatit beträgt nach Maassgabe der später auf-
zufülirenden chemischen Analysen in den Hornsteinen zwischen
0,19 °/o und 0,4 °/0, in den Mergeln 0,29% bis 1,187%, in den
Dolomiten etwa 1,58%.
VI. Chloride.
13. Steinsalz.
Wie den mittleren, so darf man auch den oberen Buntsand-
stein Ostthüringens nicht zu den Salz führenden Formationsgliedern
der Triasgruppe zählen, die man im Uebrigen als das Salzgebirge
zu bezeichnen für gut befunden hat.
Steinsalz selbst ist im thüringischen Röth noch nicht auf-
gefunden worden, auch wird sein Vorkommen durch einen mehr
als gewönlichen Salzgehalt der aus ihm entspringenden Quellen
nicht angezeigt, sondern nur durch verzogene cubische Hervor-
ragungen über die Schichtflächen gypsführender Sandsteine, welche
die charakteristischen Eigentümlichkeiten der Chlornatrium -Kry-
stalle an sich tragen, in welchen man 1) desshalb Afterkrystalle von
Steinsalz anerkennt. Ich habe ausser der einen schon vor langer
Zeit von mir2) beschriebenen Fundstätte dieser sogenannten kry-
stallisirten Sandsteine am Hausberge, da wo sich der Oberweg
von Jena nach Ziegenhain mit einer breiten Regenfurche kreuzt,
einen weiteren aus der Umgebung von Jena nicht namhaft zu
machen. Wohl aber hat Speyer3) schwache Sandsteinschichten
mit der gleichen Steinsalz - Pseudomorphosen den Röthmergeln
zwischen Freiburg a. U. , Donndorf und Querfurt eingelagert ge-
funden.
VII. Oxyde und Oxydhydrate.
14. Ferrit.
Obgleich die sehr oft tiefrothe Farbe des Röth lediglich von
beigemengten Eisenoxyd und Eisenoxydhydraten, mitunter wohl
J) S. Zenker, Historisch- topographisches Taschenbuch v. Jena.
2) S. Schmid und Schleiden, die geognostischen Verhältnisse des Saalthaies
bei Jena. 3, 12.
3) Zeitschr. d. Deutsch, gool. Ges. Bd. 29, S. 205. (1877).
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
109
auch etwas Eisenoxydoxydul, also Roth-, Brauu- und Magnet-
eisenstein, die unter dem Namen Ferrit zusammengefasst werden
sollen, herrührt, so zeigt sie doch nicht sowohl einen hohen Gehalt,
als vielmehr eine sehr feine Vertheilung an.
Grössere Anhäufungen von reinem Ferrit fehlen gauz; die-
selben erreichen nicht einmal makroskopische Grösse und stellen
sich unter dem Mikroskop vorzugsweise als Durchstäubung und
Trübung, oft von kaum körnig-auflösbarer Feinheit dar. Roth-
eisenstein erweist sich überall als primärer Gemengtheil; Braun-
eisenstein dürfte meist als ein Verwitterungsprodukt eisenschüssiger
Carbonate anzusehen sein; auf Magneteisenstein werden wohl die
opaken Ein- und Umlagerungen des Glimmers zu beziehen sein.
15. Rothkupfererz.
Die dunkeln Kerne der Malachiteinschlüsse in den Horn-
steinen sind so klein und selten, dass nur wenige Versuche mit
ihnen angestellt werden konnten. Vor dem Löthrohr lassen sie
sich zu Kupfer reduciren; sie geben nur schwache, ja nicht ein-
mal deutliche Schwefel -Reactioneu; sie sind weder milde noch
glänzend; ihr Strich ist rothbraun. Ihr Verhalten stimmt demnach
mit dem des Rothkupfererzes überein, dem mitunter etwas Kupfer-
glanz beigemengt ist.
VIII. Smlpliide.
16. Schwefelkies. 17. Kupferkies. 18. Kupferglanz.
19. Bleiglanz.
Wie die Erzführung für die thüringischen Trias überhaupt,
so ist sie im Besouderen für das Röth und namentlich in Bezug
auf die Sulphide ohne allen Belang.
In den dolomitischen und quarzitischen Gesteinen des Röth,
auch im Gyps1) finden sich mitunter Körnchen von Schwefel-
kies, Kupferkies, Bleiglanz, wohl auch Kupferglanz, als
Grundlage der Rothkupfererz- und Malachiteinschlüsse.
x) Siehe Bätsch, Taschenbuch für mineralogische Excursionen in die um-
liegende Gegend von Jena. S. 289. 1802.
110
E. E. Schmid, das ostthüringisehe Rötli.
IX. Schwefel.
20.
Der scharf beobachtende und durchaus zuverlässige Bätsch1)
beschreibt ein von befreundeter Hand an der vorderen Seite des
Hausberges bei Jena gefundenes Gyps - Rollstück , an welchem
Schwefel in einer etwa 2/ 3 Zoll breiten und Vs Zoll dicken Masse
theils an-, theils auflas: und Oebt von ihm eine völlig; exacte Be-
J 00 O
Stimmung. Dieser Fund geht jedoch bis auf den Anfang dieses
Jahrhunderts zurück und hat sich seitdem nicht wiederholt. Ich
halte ihn für authentisch, um so mehr, als er keine neue Mineral-
aggregation betrifft.
X. Bituminöse Kohle.
21. Gagat.
Zu derjenigen Modification von bituminöser Kohle, welche
man Gagat nennt, stellt Bätsch 2) einen von ihm selbst im Thon
zwischen den Gypsschichten an den Teufelslöchern bei Jena ge-
fundenen, nicht über 2 Linien langen und 1 Linie dicken Brocken
einer schwarzen, etwas milden, auf frischem Bruche harzglänzenden,
mit bituminösem Geruch verbrennlichen Substanz. Obgleich sich
dieses Vorkommen seit dem Jahre 1796 nicht wiederholt hat, so
liegt durchaus kein Grund vor, ihn anzuzweifeln. Nach Batsch’s
Beschreibung war er demjenigen sehr ähnlich, den ich3) zu Anfang
der 40 er Jahre wiederholt aus dem untersten Muschelkalke der
Cölestingruben von Wogau bei Jena erhielt, und in dessen Rück-
stände nach andauernder Auslaugung mit Ammoniak Schleiden4)
eine Mannichfaltigkeit von wohlerhaltenen gymnospermen und
*) Bätsch, Taschenbuch, für mineralogische Excursionen in die umliegende
Gegend von Jena. S. 298 (1802).
2) Bätsch, Taschenbuch für mineralogische Excursionen in die umliegende
Gegend von Jena. S. 299 — 301 (1802).
3) E. E. Schmid und Schleiden , die geognostischen Verhältnisse des Saal-
thales bei Jena. S. 19 (1846).
4) E. E. Schmid und Schleiden, die geognostischen Verhältnisse des Saal-
thales bei Jena. S. 67, Taf. V, Fig. 1 — 17.
E. E. Schmid , das ostthüringische Roth.
111
dikötyledonisclien Pflanzenresten entdeckte. Auch diese Fundgrube
schien erschöpft zu sein, hat aber in neuester Zeit wieder etwas
ergeben, zufolge des Aufschwungs, den die Cölestingräberei während
des letztvergangenen Jahres genommen hat.
22. Bitumen.
Die dunkele Farbe mancher, namentlich lettiger Röthgesteine
rührt von bituminösen Beimengungen her, die sich jedoch nicht,
weder in makroskopisch, noch in mikroskopisch selbständigen
F ormen darbieten .
Schluss.
Von den Gemengtheilen des Röthes ist mit Ausnahme der
Sulphate keiner dem mittleren und unteren Buntsandstein fremd.
Zugleich fehlt dem Röth keiner der Gemengtheile des mittleren
und und unteren Buntsandsteins, wenn man von den Conglomeraten
absieht, die aber auch im letzteren zu den Seltenheiten gehören.
Aber das Menguugsverhältniss ist ein wesentlich anderes.
Die Gesteine des ostthüringischen Röthes.
Das ostthüringische Röth ist im Wesentlichen ein Mergel-
gebilde mit untergeordnetem Gyps. Die Mergel aber sind sehr
mannichfaltige und wechselnde Gemenge von thonigen Silicaten
und dolomitischen Carbouaten mit Quarz und gehen durch Vor-
walten und Zurücktreten der einzelnen Gemengtheile in schieferige
Thone — Letten — , Dolomite, Quarzsandsteine und
Ho rn st eine über. Die Gypse stellen sich zwar auch ganz rein
dar, gewöhnlich aber im Gemenge mit thonigen Silicaten und
dolomitischen Carbouaten.
[. Mergel.
Die Mergel sind weich, d. h. der Zusammenhalt ihrer Ge-
mengtheile ist so schwach, dass er meist schon durch Reiben mit
112
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
dem Fingernagel aufgehoben wird; dieselben sind im trocknen
Zustande bröcklich, im feuchten zäh bis plastisch. Ihr Bruch ist
glatt bis erdig, eben bis flachmuschelig ins Unebene. Sie fühlen
sich seltener rauh, häufiger fettig an und werden, mit einem
harten Gegenstände gerieben, seltener matt, häufiger glänzend.
Ihre Fai’be ist vorwaltend ziegelroth, geht aber durch fast alle
Zwischenstufen in licht- grau, -bläulich oder -grünlich über; sie
wechselt vielfach, bald mit scharfen, bald mit verwaschenen Grenzen,
sowohl Schicht- als Fleckenweise; die Flecken entwickeln sich
sowohl innerhalb einzelner Schichten, als auch stärkerer Schicht-
complexe.
Ihre Schieferung' ist meist sehr dünn und erzeugt verbunden
mit ihrer Schwindung beim Austrocknen einen hohen Grad von
Bröcklichkeit.
Wasser saugen sie meist sehr begierig auf, werden damit zu-
erst schlüpferig , quellen dann auf und zerweichen oft von selbst,
stets unter Nachhülfe sehr mässigen Druckes zu plastischem Teige,
der sich in Wasser, besonders heissem zum grössten Theil bis
vollständig aufschwämmen lässt, aber nach tagelanger Ruhe wieder
vollkommen absetzt. Der wieder abgesetzte Teig zieht sich wäh-
rend des Austrocknens wieder stark zusammen und zerreisst. da-
bei in polygonale Stücke. Dem entspricht das Verhalten der
Mergel beim Wetterwechsel im Freien. Nach anhaltender Nässe
bilden sie einen weichen, glitschigen Boden, nach anhaltender
Trockenheit einen harten, von vielen Rissen , in welche der Stock
oft fusstief einsinkt, durchzogenen oder mit leicht beweglichen
Bröckchen überschütteten Boden.
Wasser nimmt zugleich aus den Mergeln eine bald grössere,
bald geringere Menge von Calciumsulphat und eine stets schwache
Spur von Chlornatrium auf.
Unter Chlorwasserstoffsäure entwickeln die Mergel, auch ohne
vorherige Erwärmung, Kohlensäure. Aber dabei werden nicht nur
die Carbonate, sondern auch ein Theil der Silicate zersetzt, Ferrite
und Apatite gelöst.
Wendet man concentrirte Chlorwasserstoffsäure an, dampft
langsam und wiederholt bis zur Trockniss ein, und nimmt wiederum
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
113
mit verdünnter Salzsäure auf, so enthält die Lösung ausser Kalk-
und Talkerde mit etwas Eisenoxydul auch reichlich Eisenoxyd mit
etwas Manganoxyd und Thonerde mit etwas Kali und Natron.
Der ungelöste Rückstand ist stets sehr licht -grünlich, -bläulich
oder -grau. Er enthält neben unzersetzten Silicaten und Quarz
auch freie Kieselsäure, die von Sodalösung aufgenommen wird.
Diese letztere gehört selbstverständlich den durch Chlorwasser-
stoffsäure aufschliesslichen Silicaten an.
Als Beispiele von dolomitischer bis lettiger Beschaffenheit der
Mergel wurden drei makroskopisch homogene, glatt, flachmuschelig
bis eben brechende Proben ins Einzelne untersucht, nämlich :
1) eine lichtgrünlich graue, kaum fettig anzufühlende, beim
Reiben mit einem Polirstahl mattwerdende ; sie stammt vom west-
lichen Abhange des Jenzigs bei Jena;
2) eine dunkelziegelrothe , nicht fettig anzufühlende, beim
Reiben mit dem Polirstahl mattwerdende, ebenfalls vom west-
lichen Abhange des Jenzigs bei Jena;
3) eine grünlichgraue, fettig anzufühlende, beim Reiben mit
einem Polirstahl glänzend werdende, vom Abhange des Kugelberges
über Gumperda bei Cahla.
Alle drei Proben enthalten lufttrocken einige (2 — 5) Procente
Wasser, die sie bei Erwärmung bis 100° C. verlieren. Wasser
saugen sie gleich schnell und gleich reichlich auf und zerweiclien
bei gewöhnlicher Temperatur langsam, bei Siedehitze schneller,
jedoch nicht ohne Nachhülfe eines leichten Druckes,' etwa zuletzt
mittels eines hölzernen Pistills, zu einem gleichförmigen Teige,
der weder unaufschlämmbare, noch schwebende Theile enthält,
d. h. sich mit den massig bewegten Wasser ohne Rückstand hebt,
aus ihm aber nach etwa 24 stündiger Ruhe wieder vollständig
absetzt.
Was sich zuerst absetzt, besteht aus einem Gemenge der
oben beschriebenen Knöllchenafferreffate und Knöllchen mit
G 1 i m m e r b lättchen und den ihnen anhaftenden nierförmigen,
traubigen und oolithis chen Aggregaten, so zwar, dass die
ersteren vor den zweiten sehr vorwalten. Bröckchen, die man mit
einiger Sicherheit als Felds pathtr (immer deuten könnte, sind
114
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
Seltenheiten; Spuren von Quarz konnten nur in der ersten Probe
erkannt werden. Apatitprismen finden sich sehr wenige. Gelb-
braune, rothbraune, bis opake Ferrite in selbständigen Formen
machen sich nicht bemerklich; ihr Vorkommen ist auf Körnchen,
Flöckchen und griesige bis staubige Einlagerung und nahe’ gleich-
massige Durchstäubung beschränkt; in der ersten Pi’obe und über-
haupt in den lichten Gesteinen fehlen sie fast gänzlich, in der
dritten Probe und überhaupt in den dunkelrothen Gesteinen sind
sie auffällig. Welchen Antheil die Carbo nate an dem Gemenge
auch der gröbsten Tlieile nehmen, bleibt auch bei mikroskopischer
Betrachtung unentschieden. Lässt man Chlorwasserstoffsäure unter
dem Mikroskope einwirken, so stellen sich, scheinbar plötzlich,
sogleich grössere Gasblasen ein, ohne dass man erkennen könnte,
von welchen Theilen sie ausgehen. Der Rückstand nach Digestion
des Aufgeschlämmten mit verdünnter Chlorwasserstoffsäure bis zur
Austreibung der Kohlensäure unterscheidet sich mikroskopisch
nicht wesentlich von dem Aufgeschlämmten selbst. Hat man das
Aufgeschlämmte wiederholt mit concentrirter Chlorwasserstoffsäure
eingedampft, das gelöste mit Wasser aufgenommen und die frei
gewordene Kieselsäure durch Digestion mit Sodalösung entfernt,
so besteht der Rückstand aus Glimmerblättchen, Knöllchen-
aggregaten und Knöllchen, die jedoch völlig farblos und klar
geworden sind. Die Glimmerblätter sind jedoch entschieden ver-
kleinert und die nierförmigen, traubigen und oolithischen, ihnen vor
der Digestion anhaftenden Aggregate fast spurlos verschwunden.
Die später sinkenden, feineren Theile des Aufgeschlämmten
unterscheiden sich von den zuerst sinkenden, gröberen Theilen
nicht durch andere Formen, sondern nur durch weitere Verthei-
lung und Verkleinerung der Glimmerblätter, durch Abtrennung
O O j o
der nierförmigen u. s. w. Aggregate von ihnen, sowie durch Ver-
einzelung der Knöllchen.
Die Resultate der Gesammtanalysen der bezeichneten drei
Mergelproben sind unter No. 3, 4 und 5 der nach der Be-
schreibung der Hornsteine eingeschalteten Tabelle I zusammen-
gestellt. Sie stimmen unter sich ziemlich nahe überein, begründen
ein günstiges Urtheil über den Werth der Rötlnnergel bei der
E. E. Schmid , das osttliüringiscbe Röth.
115
Bodenbildung, stehen aber zu den Resultaten der mikroskopischen
Analysen noch nicht in einer bestimmten Beziehung. Eine solche
wird erst durch Hinzunahme der Partialanalysen mittels Chlor-
wasserstoffsäure vermittelt, wie es dieselben Nummern der Tabelle II
zeigen. Aus derselben ersieht man zuerst, dass von einer durch
die ganze Reihe der Mergel übereinstimmend hindurchgehenden
isomorphen Mischung von Calcium- und Magnesium - Carbonat
nicht die Rede sein kann, und findet in Uebereinstimmuug mit
der leichten Zersetzbarkeit durch Chlorwasserstoffsäure, die An-
nahme einer bloss mechanischen Mischung zwischen beiden Carbo-
naten als die wahrscheinlichere begründet. Auf die in Chlor-
wasserstoffsäure aufschliesslichen Silicate entfällt ein nicht unbe-
trächtlicher Theil der Talkerde, ein ansehnlicher Theil der Alkalien
und des Wassers. Qualität und Quantität der dazu gehörigen
Elemente gestatten sehr wohl, diese Silicate als ein Gemenge von
Glimmern wahrscheinlich der Biotit reihe mit Kaolin -
artigen Abkömmlingen derselben aufzufassen. Zu den
letzten würden namentlich die nierförmigen , traubigen und ooli-
thischen Aggregate zu stellen sein, welche demnach als Glimmer-
kaoline zu bezeichnen sein würden. Die in Chlorwasserstoff-
säure nicht aufschliesslichen Silicate enthalten sehr wenig Kalkerde,
wenig Talkerde , aber mehr als drei Viertheile des Alkaligehaltes
und einen ansehnlichen Theil des Eisenoxydes. Qualität und
Quantität der zugehörigen Elemente weisen auf ein Gemenge von
trisili catisclien Feldspath, mit einem minder Kieselsäure-
reichen Silicate, etwa einem Gliede der Glimmerreihe und mit Kaolin-
artigen Abkömmlingen derselben namentlich der Feldspathe hin.
Auf diese Letzten sind wohl die Knöllchen und Knöllchenaggre-
gate zu beziehen, deren gegen die Kaoline der aufschliesslichen
Silicate scharf contrastirende Form einen anderen Ursprung be-
dingt; — und welcher wäre dann wahrscheinlicher, als der aus
Feldspath? Bezeichnet man die Knöllchen und ihre Aggregate
als Felds pathkaoline, so hat man mindestens einen hohen
Grad von Wahrscheinlichkeit für sich.
Als selbständig auftretendes Eisenoxyd ist das in der Chlor-
wasserstoffsäurelösung enthaltene Eisen genommen. Diese An-
8 *
116
E. E. Schmid , das ostthüringisclie Roth.
nähme ist eher zu hoch, als zu niedrig, da etwas davon auch
dem leicht aufschliesslichen Glimmer angehören kann. Indem ich
bisher stets von Ferrit gesprochen habe, meine ich damit, dass
neben Eisenoxyd, wohl auch Eisenoxydhydrat auftreten
mag, wie sich aus der oft braunen Färbung der Ferritein-
lagerungen ergiebt.
Das vorkommende Eisenoxydul kann ebensowohl den Carbo-
naten, wie den leicht aufschliesslichen Silicaten angehören. Ohne
darüber entscheiden zu können und zu wollen, habe ich der Ein-
fachheit wegen zur Sättigung der Kohlensäure nur Kalk- und
Talkerde verrechnet.
Die Angabe der Procentzahlen für Apatit und Gyps beruht auf
der Bestimmung des Phosphorsäure- und Schwefelsäuregehaltes unter
Zutheilung der erforderlichen Menge von Kalkerde und Wasser.
Die Carbonatreichen Mergel enthalten sehr selten, die Thon-
reichen nie organische Ueberreste.
II. Letten.
Zwischen Mergel und Letten ist eine scharfe Grenze nicht
zu ziehen. Die Mergel gehen mit allmäliger Abnahme des
Carbonatgehaltes fast stetig in die Letten über. Diese Letzten
sind recht weich, brechen fein erdig bis glatt, eben bis flach-
muschelig, werden beim Reiben mit einem harten glatten Körper
glänzend und fühlen sich fettig an. Schon im trocknen Zustande
sind sie zähe, im nassen plastisch, plastischer als die Mergel.
Ihre Farbe ist vorwaltend grau ins Grüne, Blaue und Rothe,
seltener ziegelroth, verhält sich aber übrigens wie diejenige der
Mergel.
Ihre Schieferung ist dünner, als diejenige der Mergel, und
nicht in gleichem Grade mit Bröcklichkeit verbunden.
Die Letten saugen Wasser noch begieriger auf, als die Mergel,
werden noch schlüpfriger und quellen stärker auf, zerweichen aber
doch nicht so leicht, und zergehen auch nach längerer Erwärmung
bis zum Sieden ohne nachhelfenden Druck nicht zu einem gleich-
förmigen Teig. Beim Schlämmen und beim Witterungswechsel im
Freien verhalten sie sich fast ebenso, wie die Mergel.
E. E. Schmid , das ostthüringische Roth.
117
Wasser entzieht den Letten nach anhaltender Digestion nur
Spuren von Calciumsulphat und Chlornatrium.
Unter Chlorwasserstoffsäure entwickeln sie wenig bis keine
Kohlensäure; im Uebrigen verhalten sie sich wie die Mergel.
Als ein typisches Beispiel wurde ein dunkelröthlich grauer
Letten vom Abhange des Kugelberges über Gumperda bei Cahla
untersucht.
Durch anhaltende Digestion mit Wasser und Zerdrücken
mittels eines hölzernen Pistills wird er in einen zähen Teig über-
geführt, welcher sich vollständig aufschlämmen lässt und aus dem
Wasser nach eintägiger Ruhe wieder vollständig absetzt.
Die mikroskopische Analyse des Aufgeschlämmten führt, wie
es nicht anders zu erwarten ist, zu denselben Resultaten, welche
die Mergel ergeben haben; der Unterschied zwischen den Mergeln
und den Letten liegt eben allein im Carbonatgehalte der ersten,
und die Carbonate sind mikroskopisch nicht bemerkbar; Quarz-
körnchen sind nicht nachweisbar.
Die chemischen Gesammt- und Partialanalysen dieses Lettens
sind unter No. 6 der nach der Beschreibung der Hornsteine ein-
geschalteten Tabellen aufgeführt. Der durch Chlorwasserstoffsäure
aufschliessliche Tlieil der Silicate bietet die Bestandteile eines
Magnesiaglimmers dar mit einem Ueberschusse von Eisenoxyd,
könnte also als ein Gemenge von Glimmer und Ferrit aufge-
fasst werden; ein kaolinischer Gemengt heil ist jedoch da-
durch nicht ausgeschlossen. Der durch Chlorwasserstoffsäure nicht
aufschliessliche Theil der Silicate kann auf ein Gemenge von tri-
si 1 i catischem Kalifeldspath, Kaliglimmer und Kaolin
berechnet werden. Die Berechnung beider Theile kann jedoch
ohne willkürlich eingeschobene Hypothesen nicht ausgeführt werden.
Der Gehalt an Apatit und Gyps ist ebenso berechnet wie
bei den Mergeln.
Von organischen Ueberresten sind die Letten frei.
III. Tlionige Dolomite.
Wie die Mergel bei abnehmendem Carbonatgehalt in die
Letten übergehen, so bei zunehmenden in die Dolomite. Manche
118
E. E. Schmid , das ostthüringische Roth.
Mengungsverhältnisse zwischen Carbonat und Silicat nehmen jedoch
desshalb eine gewisse Selbständigkeit in Anspruch, weil sie
nicht mehr mit dem Vermögen der mechanischen Aufsaugung: des
Wassers und des Erweichens im Wasser verbunden sind, sondern
bei makroskopischer Homogene'ität einen höheren Härtegrad be-
dingen und noch keine Spur von krystallinischer Körnigkeit er-
kennen lassen, vielmehr völlig dicht sind. Ich bezeichne sie als
thonige Dolomite, ohne mich ausführlich darüber zu recht-
fertigen, wesshalb ich die z. B. von Kenngott *) aufgeführten
Namen »verhärtete Mergel, Steinmergel, Mergelsteine«, die ohne
Zweifel darauf angewendet werden dürften, zur Seite schiebe; in-
sonderheit den auch neuerdings von fränkischen Geologen mehr-
fach auf Keupergesteine bezogenen Namen Steinmergel halte ich
eben für sprachwidrig. Mögen die Resultate der Untersuchung
von zwei solcher thonigen Dolomite hier eine Stelle finden.
Die eine Probe entstammt dem oberen Röth am östlichen
Abhange des Jenzigs bei Jena und zeichnet sich nicht nur durch
feine, oft mehr als 0,2 Meter betragende Mächtigkeit aus, sondern
auch durch seinen Reichthum an organischen Ueberresten, nament-
lich dicht an einander gedrängten Abdrücken einer kleinen Corbula-
art und sparsam dazwischen vertheilten der Myophoria costata Zenk,
Fischschuppen und Zähnen, meist zerbrochenen, auch Pflanzen-
abdrücken.
Das Gestein ist grau mit grünen von Malachit herrührenden
Flecken, sehr cavernös von resorbirten Muschelschalen. Von
Chlorwasserstoffsäure wird es schon in der Kälte angegriffen, bei
Erwärmung rasch gelöst bis auf einen mässigen Rest. In der
Lösung sind ausser
Kalkerde 30,3 °/o
Talkerde 22,6 °/o
durch welche die vorhandene Kohlensäure gerade zu:
Calcium - Carbonat 47,8 °/o
Magnesium -Carbonat 39,1 °/o —
B Kenngott, Elemente der Petrographie 1868, S. 215.
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
119
gesättigt wird, viel Thonerde, wenig Eisenoxyd u. A. übergangen.
Der ungelöste Rest beträgt 9,9 °/o ; im nassen Zustande schlüpfrig
bis schleimig, trocknet er zu einem staubigen Pulver ein, welches
unter dem Mikroskope als ein Gemenge von Glimmerblättchen
und Quarz körne hen mit wenigen anderen Krystallbrocken
besteht. Der Glimmer ist theils breit-, theils schmalblätterig, mit
schuppig abgeriebenen oder scharf abgebrochenen Rändern, farb-
los bis blassgrün ; zwischen den Blätterdurchgängen sind mit-
unter schmale Leisten, häufig nierförmige, traubige und oolithische
Aggregate eingelagert. Die schmalen Leisten (s. Fig. 1) erscheinen
bei schwacher und mittlerer Vergrösserung als feine schwarze
Linien und Nadeln und zeigen erst bei starker Vergrösserung
zwischen scharfen dunkeln Umrissen klare Zwischenräume, die
sich optisch ganz gleich verhalten, mit dem umgebenden Glimmer.
Die nierförmigen, traubigen und oolithischen Aggregate
(s. Fig. 6 und 7) gleichen in Allem den bereits besprochenen
Glimmerkaolinen. Der Quarz ist kleinbröckelig; er umschliesst
zahlreiche aber sehr kleine Cavernen. Die Krystallbrocken sind
theils doppelbrechende farblose, gelbe, braune bis opake Aggregate,
theils einfachbrechende Körnchen, zwischen denen als Seltenheiten
die oben beschriebenen Mikros chörlite (Fig. 14) und Mikro-
zirkone (Fig. 15) Vorkommen.
Eine andere Probe stand am Gehänge über der Unstrutaue
zwischen Nebra und Metzendorf an. Ich nahm sie in Begleitung
mehrerer geologischer Fachgenossen auf, von denen sie bestimmt
als Thonquarz, von dem nachher die Rede sein soll, in Anspruch
genommen wurde. Dieselbe bricht splitterig; die Bruchfläche ist
feinkörnig und schimmert schwach. Ihre Dichte beträgt 2,82.
Sie ist makroskopisch homogen und schwerer ritzbar, als die ge-
wöhnlichen Kalksteine. Unter verdünnter kalter Chlorwasserstofl-
säure braust sie stark und anhaltend auf und löst sich bis auf
einen geringen Rest. Die Auflösung enthält neben Thonerde,
Eisenoxyd und Alkalien 30,3 °/o Kalkerde und 22,6 °/o Talkerde,
das Gestein also muthmaasslich :
Calcium- Carbonate 64,1 °/o
Magnesium -Carbonate 24,9 °/o —
120
E. E. Schm td , das ostthüringische Roth.
kann also nach diesem Mischungsverhältniss bereits als ein Dolo-
mit und zwar als ein dichter Dolomit angesehen werden. Der
unlösliche Rest beträgt 1,1 °/o, ist schmutzig weiss, schlämmt sich
leicht und vollständig auf und erhält sich lange schwebend. Unter
dem Mikroskope zeigt er erst bei mittlerer Vergrösserung deut-
liche Einzelformen, nämlich abgerundete, klare, dunkele, aber scharf
umsäumte Blättchen, die auf zerfallenen Glimmer hinweisen.
Das Gestein umschliesst nur undeutliche Spuren von organi-
schen Ueberresten.
IV. Dolomite.
Die Carbonate des Röth treten nicht in gleichem Maasse
selbständig auf, wie die thonigen Silicate, vielmehr sind sie in
qualitativ, wie quantitativ mannichfaltiger Weise mit thonigen
Silicaten, Ferriten, Quarz und Chalcedon, auch Gyps gemengt.
Sie enthalten stets Calcium und Magnesium nach nahe gleichem
Aequivalentverhältnissen neben einander, während das Eisen nur
untergeordnet auftritt, auch häufig unter Bildung von Eisenoxyd-
hydrat aus dem Carbonat ausgeschieden ist; sie sind auch meist
krystallinischkörnig , wenn auch äusserst feinkörnig entwickelt;
insofern bezeichnet man sie mit Fug und Recht als Dolomite.
Allein sie lösen sich, worauf schon wiedei'holt aufmerksam ge-
macht wurde, bereits bei gewöhnlicher Temperatur in massig con-
centrirter Chlorwasserstoffsäure so leicht und vollständig auf, dass
man geneigt wird, sie eher für mechanische Gemenge, als für
isomorphe Mischungen zu halten.
Diese Dolomite haben vorwaltend graue, in das Gelbliche,
Röthliche und Bräunliche übergehende Farben; sie sind schwer
zersprengbar und brechen in feinkörnigen, rauhen bis unebenen
Flächen. Makroskopisch erscheinen sie homogen mit Einschlüssen
von Gypslamellen , Cölestin- und Bleiglanzkörnchen , seltener
Quarzbröckchen und Glimmerblättchen. Cavernen sind häufig;
sie rühren gewöhnlich von resorbirten Muschelschalen her.
In Chlorwasserstoffsäure löst sich ihr carbonatischer Antheil
— wie bereits bemerkt — leicht auf, der silicatische wird durch
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
121
Eindampfen mit concentrirter Chlorwasserstoffsäure wenig ange-
griffen.
Zur detaillirten Untersuchung wurden zwei homogene ver-
steinerungsreiche, namentlich das Relief von Rhizocorallium jenense
tragende Gesteine, das eine vom Abhange des Kugelberges, über
Gumperda bei Cahla, das andere vom westlichen Abhange des
Jenzigs bei Jena ausgesucht. Die Resultate der chemishen Ana-
lyse sind in den der Beschreibung der Hornsteine nachfolgenden
Tabellen I und II aufgeführt, jedoch vollständig nur für das Vor-
kommen vom Jenzig. Die Partialanalyse deutet auf Glimmer
und kaolinische Glimmerabkömmlinge als die in Chlor-
wasserstoffsäure aufschliessliehen Silicate, auf Quarz, Feldspat h
und kaolinische Fe 1 dsp athabkömmlinge, als die in
Chlorwasserstoffsäure nicht aufschliessliehen Silicate. Damit steht
die mikroskopische Analyse der in Chlorwasserstoffsäure unlös-
lichen Reste im Einklang; sie lässt keine anderen, als die in den
Mergeln vorkommenden Formelemente wahrnehmen.
Die Dolomite sind dem Röth in einzelnen Schichten bis zu
10 Centimeter Mächtigkeit untergeordnet, die häufig sehr weit,
aber nie beständig fortstreichen. Sie zeigen deutlich concorclante
Schieferung, werden aber rechtwinkelig gegen die Schichtung noch
deutlicher von Klüften durchsetzt, und dadurch bei der Verwitterung
häufig in oblonge Tafeln und Prismen abgetheilt. Durch Anschlägen
lassen sie sich weit leichter nach der Klüftung, als nach der
Schieferung trennen. Parallel der Klüftung, aber nicht ausschliess-
lich in Richtung derselben ziehen sich namentlich am Hausberge
bei Jena späthige Gypsaggregate durch das Gestein.
Die Dolomite bergen einen Reichthum von organischen Ueber-
resten, namentlich von Muscheln, deren resorbirte Schalen das
Gestein cavernös machen; aber auch — so am westlichen Ab-
hange des Hausberges bei Jena — der umgekehrte Fall tritt ein,
nämlich der der Erhaltung der Muschelschalen ohne dazwischen
eingelagertes Gestein. Dann entsteht aus dem Dolomit eine dolo-
mitische Aluschell »reccie; denn das Carbonat der Muschelschalen
ist nicht minder Magnesium reich, wie dasjenige des dolomitischen
Gesteins; die Mehrzahl der Muschelschalen ist zerbrochen, aber
122
E. E. Schmid, das ostthüringische Rötk.
die Bruchstücke sind wenig abgerieben. Der wichtigste organische
Ueberrest ist Rhizocorallium jenense Zenk., dessen zierliches Relief
oft über die Breite mehrerer Kilometer die untere Schichtfläche
einnimmt. Rechtfertigt sich damit der von Zenker1) eingeführte
Name Rhizocorallium-Dolomit, so sind doch keineswegs alle Do-
lomiteinlagerungen und alle Stellen ein und derselben Einlagerung
mit diesem Relief versehen.
V. Oolithisclier Dolomit mit Quarz.
In derjenigen Region des Rothes, innerhalb deren sich die
mächtigsten Rhizocorallium-Dolomite vorfinden, soweit es die wenig
ausgiebigen Aufschlüsse zu entscheiden gestatteten, als ein Aequi-
valent des Rhizocorallium- Dolomites erscheint nördlich neben der
Chaussee von Jena nach Eisenberg zwischen Droschka und dem
Gehöfte »Trotz«, und zwar nur an dieser einen Stelle ein sehr
eigenthümliehes Gestein, zusammengesetzt aus Dolomit und Quarz,
mit einem durch Chlorwasserstoffsäure aufschliesslichen Thonerde-
reichen Silicat. Der Dolomit ist tlieils dicht, theils schalig; die
Schalen umschliessen meist runde Kerne und bilden Kügelchen
von 1/4 — 1//2 Millimeter Durchmesser, seltener breitgedrückte Linsen
oder gestreckte Cylinder. Mit organischen Bildungen haben sie
auch nicht eine entfernte Aehnlichkeit. Der Dolomit löst sich
leicht in Chlorwasserstoffsäure auf, der Quarz bleibt als Lösungs-
rückstand in makroskopischen Bröckelten mit rauher, nirgends
krystallinischer Oberfläche.
VI. Sandige Dolomite.
Im Fortstreichen einzelner Schichten entwickeln sich durch
Ueberhandnalime der Quarzeinstreuung Uebergänge aus Dolomit
in Sandsteine, die eine abgesonderte Stellung nicht bedingen und
einer speciellen Beschreibung nicht bedürfen. Wohl aber treten
ähnliche Gemenge hin und wieder in untergeordneten Gesteins-
) Zenker, Taschenbuch von Jena. 1836. S. 202.
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
123
schichten auf, die man als eigenthümliche Gesteinsarten aufgefasst
hat. Dieselben erscheinen makroskopisch homogen, lassen sich
nicht viel leichter ritzen, als Feldspath, und halten sehr stark zu-
sammen. Einige der Fachgenossen, welche an der neuen geolo-
gischen Aufnahme des Königsreichs Preussen und der thüringischen
Staaten mitarbeiten, erkennen in ihnen dieselben Gesteine, die im
oberen Keuper Norddeutschlands nicht eben selten sind und schon
von Eieinr. Credner1) unter dem Namen »Thonquarze« aufgeführt
wurden. Dieser Name rührt von Hausmann2) her und bezieht
sich auf die Vorkommnisse des oberen Keupers der Lippe’schen
Fürstenthümer, die H offmann3) sachgemässer als Thonsteine4)
oder kieselreiche Thonmergel bezeichnete. Sieht man indess die
chemische Analyse dieser Gesteine durch Brandes5) als maass-
gebend an, so gehören diese Lippe’schen Keupergesteine mit den
in Rede stehenden Ostthüringischen Röthgesteinen gar nicht zu-
sammen, da sie wenig, bis keine Carbonate enthalten, und darin
nur Spuren von Magnesium, auch keine Alkalien in ihnen Vor-
kommen.
Ich untersuchte eine Probe solchen sandigen Dolomites, welche
von der Kniebreche, einem steilen Anstieg von der Unstrutaue
bei Carsdorf zu der Hochebene bei Steigra stammt5, und welche
ebenfalls, wie die oben erwähnte Probe von thonigen Dolomiten
in Begleitung einiger geologischer Fachgenossen als Thonquarz
aufgenommen worden war.
Sie erscheint makroskopisch homogen, zeigt unebene fein-
körnige, schimmernde, rauh anzufühlende Bruchflächen, hat die
Härte des Feldspathes, und ist blassgrünlich. Unter verdünnter,
kalter Chlorwasserstoffsäure braust sie lebhaft auf und löst sich
:) Siehe Credner, Uebersicht der geognostischen Verhältnisse Thüringens
und des Harzes. 1843. S. 88.
2) Hausmann, Uebersicht der Flötzgebilde im Flussgebiete der Weser, in:
Studien des Vereins bergmännischer Freunde.
3) Pogg. Ann. 3, 17 (1825).
4) Hoffmann, Uebersicht der orographischen und geognostischen Verhältnisse
vom nordwestlichen Deutschland. Leipzig. S. 445 (1830).
5) Pogg. Ann. 25, 318 (1825).
124 E. E. Schmid, das ostthüringische Röth.
bis auf einen ansehnlichen Rest. In die Lösung' sind iibcrge-
o o
gangen
Kalkerde 1 5,8 °/0
Talkerde 7,9 °/0
der ungelöste Rest beträgt 58,1 °/o; er ist nach dem Trocknen fein
pulverig, aber doch schwer aufsclilämmbar. Unter dem Mikroskope
erweist er sich als ein Gemenge von viel Quarzkörnchen, theils
rauh abgeriebenen, theils uneben abgebrochenen mit wenig Glirn-
m e r blättchen, welche im Zerfall zu kleinen Linsen begriffen sind,
sehr ähnlich denjenigen, welche unter den Gemengtheilen der Mergel
als oolithisch aggregirte Glimmerkaoline bezeichnet wurden.
VII. Sandsteine.
Gesteine deren Hauptgemengtheil Quai’z in kleinen Körnchen
ist, die man deshalb den Sandsteinen zuzuzählen hat, sind
nicht eben Seltenheiten im Röth, nehmen aber an der Bildung
desselben doch nur einen untergeordneten Antheil. Mit den eigent-
liehen Buntsandsteinen haben sie keine grosse Aehnlichkeit, sie
sind weder so quarzreich, noch so einfach und gleichförmig zu-
sammengesetzt.
Sie sind bald mürbe und schieferig, bald hart und dicht, bald
cavernös, oder vielmehr nach Art der Schaumkalke des oberen
Wellenkalkes blasig. Neben den Quarzkörnchen erkennt man
schon makroskopisch Gl immer blättchen eingebettet in ein car-
bonatisches Bindemittel. Die Bruchflächen dieser Gesteine
sind uneben, fühlen sich sehr rauh an und schimmern des Glimmer-
reichthums wegen stark. Ihre Farbe ist vorherrschend grau in
das Grüne und Gelbe.
In Chlorwasserstoffsäure brausen diese Sandsteine stark auf
und verlieren den Zusammenhang. Die Lösung enthält Kalk-
und Talkerde gleich reichlich, ausserdem Thonerde und Eisenoxyd,
wohl auch Alkalien. Das ungelöste besteht aus Quarzbrocken
und Quarzstaub und aus Glimmerblättchen und Glimmer-
flittern.
E. E. Schmid , das osttküringiscke Rotk.
125
Nimmt, wie am Jenzig bei Jena, der Glimmer überhand und
tritt dann als Bindemittel neben oder anstatt des Carbonates Kiesel-
säure ein, so entstehen mürbe bis feste Gesteine vom Aussehen
carbonatischer bis quarzitisclier Glimmerschiefer.
Die Sandsteine sind zwar nicht so versteinerungsreich, wie
die Dolomite, enthalten aber doch die Mehrzahl der organischen
Formen des Rothes.
VIII. Hornstein ■ Dolomit.
Wie in den oben erwähnten Sandsteinen, so auch in anderen
Rötligesteinen , tritt die Kieselsäure nicht ausschliesslich in der
secundären Form von Quarzbrocken als Gemengtheil auf, sondern,
obgleich seltener, auch in der primären Form von Chalcedon
als Ausfüllungs- oder Grundmasse, wohl richtiger ausgedrückt, als
Cäment oder Umschluss. Als solche erzeugt sie mit Dolomit
eine mannichfaltige, wenn auch wenig verbreitete Reihe von Ueber-
gängen aus Dolomit zu Hornstein. Diese Uebergänge sind bereits
recht hart und fest, meist sehr licht.
Als Beispiel dazu wurde ein Vorkommen des oberen Rothes
vom westlichen Abhange des Jenzigs bei Jena in Untersuchung
genommen. Dasselbe braust mit Chlorwasserstoffsäure lebhaft auf,
löst sich aber zum kleineren Theile und zerfällt dabei nicht in
feinen Gruss. In der Auflösung findet sich ausser Kalk- und
Talkerde auch Thonerde und andere Bestandtheile aufschliesslicher
Silicate. Da sich das Gestein leicht dünn schleifen lässt, so giebt
die mikroskopische Analyse über die Natur der Gemengtheile und
ihrer Verbindungsweise ausreichende Aufschlüsse. Wie schon in
den Mergeln, so auch hier macht sich der Dolomit nicht durch
krystallographisch und optisch ausgezeichnete Charaktere geltend,
sondern erscheint als eine griesige graubraune Masse. Daneben
liegt der Quarz als ein Aggregat durchaus nicht krystallinisch be-
grenzter, eng zusammenschliessender, keilförmig in einander ver-
zinkter Stücke, entsprechend dem Chalcedon. Ausser Dolomit
und Quarz sind mikroskopisch Feldspathformen zu erkennen,
und als Seltenheiten Apatitprismen.
126
E. E. Schjiid, das ostthüringische Röth.
IX. Hornsteine.
Dem Rötli sind mehrorts Schichten eines quarzharten Gesteins
eingelagert, dessen Dichte von 2,6 nicht weit abweicht, und welches
von Chlorwasserstoffsäure nur wenig angegriffen wird, demnach als
II ornstein bezeichnet worden ist.
Dieses Gestein steht selbständig entwickelt an, namentlich
am Jenzig und Hausberge bei Jena und am Kugelberge zwischen
Gumperda und Eichendorf bei Cahla, mit einer Stärke gewöhn-
lich nur von 2 Centimeter, die jedoch mitunter bis auf 10 Centi-
meter steigt. An den genannten Orten beschränkt sich das Vor-
kommen auf eine einzige Schicht, deren Brocken sich aber weit
über die Flächen und Abhänge ausbreiten, weil sie sich wegen
ihrer Härte und Unverwitterbarkeit sehr langsam zertrümmern und
abreiben, während die Mergel, denen sie untergeordnet sind, den
mechanischen und chemischen Angriffen schwachen Widerstand
leisten und leicht fortgeführt werden. Aus dieser weiten Verbrei-
tung der Trümmer hat man auf ein häutigeres und mächtigeres
Anstehen dieser Gesteine, wie auch der Rhizocorallium-Dolomite
geschlossen, als es nach Maassgabe guter Aufschlüsse in der That
ist. Ihre Schichtungsflächen sind wellig gebogen und überdies
häufig mit netzförmig zusammenstossenden wulstigen Hervor-
ragungen versehen. Diese Gesteine 'sind leicht zersprengbar, so-
wohl parallel der Schichtung, also concordant schieferig, als
auch quer dagegen. Die Schieferungsflächen sind ziemlich glatt,
häufig mit Glimmerblättchen bedeckt, die Querbrüche uneben bis
splitterig, glatt bis feinkörnig, mitunter von dünnen Gypsblättern
überzogen. Cavernen von geringem Umfang, meist breitgedrückt
nach der Schieferung, kommen häufig vor. Die Farbe dieser
Hornsteine ist lichtgrau in das Grüne, Blaue, Rothe, Violette
und Gelbe ; auf dem Querbruche wechseln verschiedenfarbige,
oder helle und dunkele Streifen ; in Richtung sehr dunkeier
und dann sehr schmaler Streifung ist die Schieferung besonders
vollkommen. Makroskopische Einschlüsse von Glimmer sind
häufig, von Quarz, Cölestin, Malachit und Rothkupfererz
seltener.
E. E. Schmid , das ostthüringisclie Roth.
127
Im Gläskölbchen geben diese Gesteine schwach bituminös
riechendes Wasser aus.
Vor dem Löthrohr schmelzen sie nicht sowohl schwer, sondern
vielmehr sie überziehen sich mit einer dünnen, blasigen Schmelz-
kruste und geben ein gelbrothes Glühlicht.
Wasser zieht aus ihrem feinen Pulver gewöhnlich etwas Calcium-
sulphat und eine Spur von Chlorid ans.
Chlorwasserstoffsäure erzeugt damit eine bis zur Unbemerk-
barkeit schwache und kurze Gasentwickelung, färbt sich aber nach
längerer Digestion gelb und hat dann Eisenoxyd, Thonerde, etwas
Kalk- und Talkerde, gewöhnlich auch Alkalien, Phosphorsäure,
mitunter auch Kupferoxyd aufgenommen.
Auch unfühlbar feines Pulver giebt an erwärmte Kalilauge
keine Spur von Kieselsäure ab.
Als Beispiele recht verschiedenartiger Entwickelung wurden
zwei Hornsteinproben, die eine vom westlichen Abhange des
Jenzigs bei Jena, die andere vom ostnordöstlichen Abhänge des
Kugelberges zwischen Gumperda und Eichenberg bei Cahla
untersucht.
Die Grundmasse des Hornsteins vom Jenzig ist feinkörnig
bis makroskopisch homogen, grünlichgrau; sie umschliesst kleine
Cavernen, späthigen Gyps in Nestern und Lamellen, lebhaft grüne
Malachitnesterchen mit Kernen von Rothkupfererz , fleischrothe
Cölestinkörnchen, Glimmerblättchen, Ferritflittern und kaum ma-
kroskopisch wahrnehmbare Quarzkörnchen. Parallel der concor-
danten Schieferungsflächen liegen Ferritflittern, auch Glimmer-
blättchen dicht nebeneinander und erzeugen ebensowohl leichte
Spaltbarkeit in bis zu 1 Millimeter dünne Schieferblätter parallel
der Schichtung, als scharfe, dunkele Streifung der Querbrüche.
Die letzten erfolgen besonders leicht in Richtung der lamellaren
Gypseinlagerungen.
Die Grundmasse des Hornsteins vom Kuuelberge ist graup-elb;
O O O O 7
sie umschliesst zahlreichere und grössere Cavernen, Glimmer- und
Ferritschuppen, ist aber sehr arm an Gyps und frei von Malachit
und Cölestin. Die Cavernen sind linsenförmig oder wenigstens
breitgedrückt und in nahe übereinander streichenden Lagen parallel
128
E. E. Schmid, das ostthürio gische Roth.
der Schichtung eng zusammengedrängt. Dadurch wird zugleich
leichte Spaltbarkeit parallel der Schichtung — concordante Schie-
ferung — und grobe Streifung der Querbrüche bedingt.
Dünnschliffe lassen sich sehr vollkommen herstellen, ebenso-
wohl parallel, als rechtwinkelig gegen die Schichtung und Schie-
ferung. Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten von
Schliffen zeigt sich hei schwacher Vergrösserung noch deutlich,
verschwindet aber hei mehr als lOOfacher Vergrösserung voll-
ständig. Derselbe beruht hauptsächlich auf der dichteren Zu-
sammendrängung des dunkelbraunen Ferrites, nebensächlich auf
der Lage der Glimmerblättchen, die im Parallelschliff häufiger als
Tafeln, im Querschliff häufiger als gestreifte Leisten erscheinen.
Von den makroskopischen Einschlüssen erscheint der Gyps
in recht auffälliger Weise als Ausfüllung unregelmässig vieleckiger
Räume, mit deutlicher Spaltbarkeit, häufiger Polysynthese und
Neigung zu faseriger Aggregation. Er ist farblos und klar, mit
lebhaft chromatischer Polarisation begabt. Seine Blätter und
Fasern sind häufig gebogen, wie gestaucht.
Viel weniger auffällig stellt sich der Malachit dar, zwar mit
Doppelbrechung begabt und tief grün gefärbt, aber ohne kry-
stallinische Struktur oder Andeutung derselben durch faserige
Aggregation. Die Rothkupfererzsterne erhalten wohl zackige, aber
nicht krystallinische Umgrenzung und bleiben opak.
Ein Cölestinkorn hat zufällig keiner meiner Dünnschliffe
dargehoten.
Im Uebrigen und namentlich im Bezug auf die mikroskopi-
schen Gemengtheile unterscheiden sich die beiden Hornsteinvor-
kommnisse nicht wesentlich von einander. Umschlossen von
Chalcedon bieten sie ein Gemenge von Feldspath und, wie die
chemische Analyse heraussteilen wird, Pseudomorphosen nach
Feldspath, mit Quarz, Glimmer, Ferrit, wenig Apatit und einigen
Mikrolithen.
Die Feldspathe oder Pseudomorphosen nach Feld-
spath erscheinen in rhombisch tafelförmigen oder oblong pris-
matischen Stücken (s. Fig. 10 und 11) bei deren Bildung regel-
mässige Spaltung viel wirksamer war, als zufälliger Bruch. Die
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
129
Spaltbarkeit ist durch dunkele Linien und durch röhrenartig in
Richtung der sich schneidenden Blätterdurchgänge langgestreckte
Cavernen angezeigt. Bei schwacher Vergrösserung haben die
Feldspathe braune, bald weniger, bald mehr dunkele Farbe, die
sich bei stärkerer Vergrösserung theilweise, aber auch bei stärk-
ster nicht vollständig in Durchstäubung auflöst. Ihre Doppel-
brechung hat die den Feldspathen alter Gesteine gewöhnliche
Störung erlitten, welche zwischen gekreuzten Nikols bei keiner
Stellung vollständige Verdunkelung eintreten lässt. Trotzdem ist
schwache chromatische Polarisation noch vorhanden, zeigt aber
nie Polysynthese an.
Quarz als Einschluss ist viel seltener, als Feldspath. Sein
Umfang ist selten ganz, mitunter theilweise, gewöhnlich an keiner
Stelle geradlinig. Grössere Cavernen, theils dunkel- und breit-
umsäumt und dann nach innen verwaschen, theils fein-, aber scharf-
umrissen, dann gewöhnlich mit Libellen, sind in ihm sparsam ver-
theilt. Kleinste Cavernen, die sich bei schwacher Vergrösserung
nur als schwarze Punkte darstellen, in Richtung gewundener
Flächen neben einander angeordnet, sind sehr häutig. Mitunter
werden die Quarzkörner von nahe rechtwinklig gegen ihren Um-
fang gerichteten, desshalb häufig concentriscli - aggregirten Stäb-
chen, oder auch dicht zusammengedrängten Körnchen um-
geben bis umschlossen; Stäbchen und Körnchen sind blassgelb
gefärbt.
Die Glimmer zeigen abgesehen von der Hauptspaltungs-
fläche keine krystallinische Begrenzung, sondern glatte, selten ab-
geriebene Abbrüche, wie diejenigen, welche durch Abschlämmen
aus den Mergeln erhalten werden und bereits beschrieben wurden.
Auch hier tritt die Aelmlichkeit mit Scherben dünner Glastafeln
sehr entschieden hervor. Die Abbrüche können mitunter erst
während der Bildung oder Erstarrung des Gesteins eingetreten
sein, wie daraus hervorgeht, dass man die Bruchstücke nur wenig
aus einander gerückt übersieht, wie es der in Fig. 9 dargestellte,
allerdings nur einmal beobachtete Fall zeigt. Die Glimmerblätter
sind nicht immer eben, sondern mitunter auch so gebogen, wie
es die in Fig. 8 dargestellten, quer gegen die Hauptspaltungs-
9
130
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
richtung durchschnittenen Blätter zeigen, d. h. wie gestaucht.
Mit der Biegung verbindet sich häufig Aufblätterung, noch auf-
fallender, als die in Fig. 8 dargestellte. Parallel der Haupt-
spaltungsrichtung finden sich mitunter — jedoch selten — Ein-
lagerungen, die bei schwacher Vergrösserung als feine, schwarze
Linien erscheinen, sich aber bei starker Vergrösserung als schwarz -
umrissene Leisten darstellen (Fig. 2). Diese legen sich büschelig,
ohne bestimmte Richtung zusammen. Ihre Farbe und ihr optisches
Verhalten stimmt, abgesehen von unwesentlichen Brechungs- und
Spiegelungserscheinungen , die von den Seitenrändern ausgehen,
mit der umgebenden Glimmersubstanz überein. Die Glimmer
sind farblos und farbig, gelb bis braun, zeisiggrau bis grasgrün;
die farbigen Glimmer sind mit dem gewöhnlichen Dichroismus
begabt. Die Glimmer , namentlich die farbigen sind häufig
von Ferrit uriilagert und imprägnirt, bis zur vollständigen Er-
setzung.
Gelbbrauner, rothbrauner, schwarzbrauner bis opaker Ferrit
in feinem Staubtheileken bis zu groben Flocken, Fetzen und
Körnern ist durch das Gestein ziemlich gleichmässig verbreitet.
Nur selten nimmt er Stabform an und neigt sich zu margariti-
O Ö
schein Zerfall.
Apatit in seinen gewöhnlichen kurzprismatischen rundlich
endenden Formen ist zwar im Ganzen selten, im Einzelnen aber,
d. h. an besonderen, wie an der in Fig. 12 dargestellten, Stellen
liegen mehrere grössere und kleinere, tlieils zwischen den Feld-
spathen, theils im Umschluss; auch die Quarzbrocken scliliessen
ihn häufig ein.
Ausser den Mikrolithen, von deren strahligen und körnigen
Aggregaten die Quarze umschlossen sind, finden sich noch andere
durch die Gesteinsmasse verstreut, ohne gerade zu ihren Eigen-
thümlichkeiten zu gehören.
Das Cäment, oder der Umschluss dieser Gemeintheile besteht
aus einer zwischen Nikols buntscheckig gefärbten Quarzmasse,
dereu krystallinische , einheitlich orientirte Theilclien jedoch recht
klein sind und sowohl unter sich, als mit den Einschlüssen in
innigster Berührung stehen. Man kann sich nicht wohl denken,
E. E. Schmid, das osttlnmngisclie Roth.
131
dass eine solche durch mechanische Zusammendrückung bewirkt
worden sei; wohl aber erklärt sich dieselbe leicht durch die
Annahme der Ausscheidung aus einer Flüssigkeit, die alle
Zwischenräume erfüllt hatte. Die gegenseitige Abgrenzung der
einzelnen Individuen ist so viel gestaltig und ordnungslos, wie bei
der Mehrzahl der Chalcedone. Auch die traubigen bis Gallert-
und Gummiähnlichen, für den Chalcedon, als selbständiges
Mineral , charakteristischen Formen stellen sich häufig ein, als
Auskleidungen der kleineren und grösseren Cavernen.
Die chemischen Analysen der Hornsteinproben vom Jenzig
bei Jena und vom Kugelberg bei Cahla hat zu den in nachstehenden
Tabellen unter No. 7 und 8 angegebenen Resultaten geführt. Zur
Vereinfachung der Berechnung waren die Pulver vorher mit
Wasser ausgelaugt worden. Dabei hatte die Probe vom Jenzig
4,27 % an Gyps mit einer Spur Chlorid verloren, diejenige vom
Kugelberge nur eine Spur Gyps. Ein geringer Gehalt (0,22 °/o)
an Malachit in der ersten Probe, eine Spur Carbonate in der
zweiten blieb unberücksichtigt. Auch eine kleine Menge von
Eisenoxydul — 0,34 °/o — die sich in dem chlorwasserstoff-
sauren Auszug der Kugelbergprobe vorfand, ist ausser Acht
gelassen.
Schon die Gesammtanalysen erlauben nicht mehr, diese Horn-
steine als amorphe Formen der Kieselsäure allein zu betrachten,
da sie nur zu vier Fünftheilen daraus bestehen, noch weniger
erlauben es die Partialanalysen in vollkommenster Ueberein-
stimmung mit den mikroskopischen Analysen. Allerdings beträgt
der in Chlorwasserstoffsäure aufschliessliche Theil sehr wenig,
gestattet aber doch eine gut abschliessende Berechnung. Hat man
nämlich Phosphorsäure auf Apatit berechnet und zu ihr die er-
forderliche Menge von Kalkerde hinzugefügt, so bleibt nur noch
so wenig von der letzteren übrig, dass man es vernachlässigen kann.
Scheidet man ferner das Eisenoxyd als Ferrit ab, so stehen die
noch übrigen Bestandtheile in Verhältnissen, welche Gemengen
von Glimmer und Kaolin entsprechen. Berechnet man die Alkalien
des in Chlorwasserstoffsäure nicht aufschliessli dien Theiles von
Hornstein des Jenzigs auf trisilicatische Feldspathe, so betragen
9*
132
E. E. Schmid , das osttliiiringisclie Roth.
diese 26,8 °/o und bleiben ausser geringen Mengen von Talkerde,
Thonerde und Wasser, noch 56,4 °/o Kieselsäure; die ersten hat
man sich füglich mit etwas von der letzten zu Kaolin und Glimmer
vereinigt zu denken, die zweite zumeist als freie Quarz-Kieselsäure
in Anspruch zu nehmen. Der nicht aufschliessliche Theil des
Hornsteins vom Kugelberge ist nach sorgfältiger und wiederholter
Prüfung Alkali -frei; von Feldspath als Gemengtheil kann nicht
die Rede sein, wohl aber von Kaolin und daneben von einer
ansehnlichen Menge Quarz; das Mengungsverhältniss lässt sich
jedoch bei der Unbestimmtheit der Zusammensetzung des Kaolins
kaum annäherungsweise auf Zahlen bringen. Die schwächere
Trübung der Feldspathformen im Hornstein des Jenzigs, die
stärkere derselben im Hornsteine des Kugelberges ist dennoch von
nicht geringem Belange. Die ersten sind echte Krystalle, die
zweite Pseudomorphosen.
Es ist nicht zu verkennen, dass beide Hornsteine ebenso viele
Analogien zu Phorphyrtufien darbieten, als zu gewöhnlichen Sedi-
menten.
Der Hornstein vom Hausberge bei Jena steht dem soeben
eingehend betrachteten vom Jenzig so nahe, dass er nicht mehr
von ihm verschieden ist, als verschiedene Proben derselben Fund-
stätte von einander. Beide Fundstätten gehören entschieden dem-
selben geologischen Horizonte und höchst wahrscheinlich einer
ursprünglich zusammenhängenden , erst durch die Erosion des
zwischen Jenzig und Hausberg gelegenen Geinbde- Thaies von
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einander getrennten Einlagerung an.
Tabelle I.
G esammtanalysen.
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
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Ausgeführt von: Dr. Prauss- Dr. Popp Dr. Prauss- Dr.Popp Dr. Popp Dr. Prauss- Dr. Popp Dr. Prauss-
nitz nitz nitz nitz
E. E. Schmid , das osttlniringische Rötli.
135
Gyps.
Gypsgesteine nehmen sehr massenhaft Theil an der Bildung
des Rothes. Sie bestehen theils aus Gyps für sich ganz allein,
oder doch nur mit accessorischen Spuren anderer Gemengtheile —
reine Gypse — theils aus Gemengen von Gyps mit thonigen
Silicaten und dolomitischen Carbonaten oder Mergel , zu denen
Ferrite und Quarz accessorisch hinzutreten — Gyps m ergeh —
Sie treten ebensowohl in mächtigen Schichtenfolgen, als auch in
untergeordneten einzelnen Schichten und als Ausfüllungsmassen
von Klüften auf.
X. Reiner Gyps.
Die reinen Gypse sind theils kurz- und schmalspäthig,
schuppig bis grobkörnig entwickelt, theils faserig, theils bestehen
sie aus einem weissen bis grauen, feinkörnigen, bis makroskopisch
dichten Umschlusse, und grauen bis braunen, breitspäthigen, zwar
nicht krystallinisch umgrenzten, aber krystallinisch einheitlichen
bis rosettenförmig aggregirten Einschlüssen. Diese letzten Gesteine
sind für das thüringische Röth besonders charakteristisch. Sie
gewinnen häufig ein porphyrartiges Aussehen, welches durch
Schliff' und Politur sehr gehoben wird; man hat sie desslialb vor-
dem zur architektonischen Ornamentik im Innern der Gebäude be-
nutzt. Die schuppigen, grobkörnigen und porphyrartigen Gypse
sind meist dickbänkig und stets compact d. h. ohne jede Spur von
sedimentärer Struktur und concordantschieferigem Gefüge. Auch
Cavernen gehören zu den Seltenheiten; wenn sie gelegentlich in
Gypsbrüchen, z. B. denen unterhalb Ziegenhain bei Jena Vor-
kommen, sind sie mit drüsig aggregirten linsenförmigen Gyps-
krystallen ausgekleidet.
Den grobkörnigen Gypsen ist mitunter Dolomit oder auch
dolomitischer Mergel in feinster Vertheilung eingestreut, welche
beim Einlegen in Chlorwasserstoffsäure schwache, aber sehr lang
andauernde Gasentwickelung und bei der Verwitterung die Bildung
von Bittersalz und dessen Ausblühung an freien Felsenwänden
veranlassen (s. oben unter Bittersalz).
136
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
Durch stärkere Einstreuung von dolomitischen Carbonaten und
thonigen Silicaten und Ferriten entsteht eine Mannichfaltigkeit
verschieden harter, verschieden farbiger und verschiedenartig der
Verwitterung und Erosion widerstehender Gesteine, durch welche
ein Uebergang aus dem reinen in den Gypsmergel vermittelt wird.
In den Gypsflötzen herrscht porphyrartiger, grobkörniger
und schuppiger Gyps vor.
Den Mergeln untergeordnete, einzelne Gypsschichten sind
theils schuppig, theils faserig. Jedoch springen die faserigen Gyps-
schichten nicht selten aus einem niederen in einen höheren Hori-
zont über und bekunden dadurch eine spätere Einführung in die
schon abgesetzten Röthgesteine.
Dadurch werden die einzelnen, untergeordneten Gypsschichten
mit den Ausfüllungsmassen der Schwindungsklüfte, die das Röth
durchsetzen, in Verbindung gebracht. Diese bestehen fast aus-
schliesslich aus faserigem Gyps, der ganz frei ist von Accessorien,
jedoch mitunter Röthbrocken umschliesst.
In den reinen Gypsen sind keine organischen Ueberreste ge-
funden worden, mit Ausnahme eines von Zenker Q wohl litholo-
gisch und paläontologisch genan beschrieben, aber nicht ebenso
topographisch genau bezeichneten, wahrscheinlich in der Umgehung
der Teufelslöcher hei Jena aufgefundenen Falles der Erfüllung
späthigen Gypses mit calcinirten Schalen von Myophoria costata
und Mytilus arenararius Zenker — welcher letzte Name auf Mo-
cliola triquetra v. Seeb. zu beziehen sein dürfte — und von kleinen
Schnecken, die wahrscheinlich zu Natica gehören, auch wohl Oolith-
körnchen. »Das Aussehen des Gesteins«, sagt Zenker, »lässt sich
mit einem Zuckerguss vergleichen.«
XI. Gypsmergel.
Durch reichlichere Beimengung von dolomitischem Carbonat
und thonigem Silicat, häufig auch Ferrit und Quarzkörnchen zu
Gyps entstehen Gypsmergel. Obgleich manche von ihnen noch
deutlich spaltbar sind nach den Blätterdurchgängen des Gypses,
*) Zenker, Hist.-topograph. Taschenbuch v. Jena, S. 199.
E. E. Schmid, das ostthiiringische Roth.
137
so tragen doch die meisten die Kennzeichen des sedimentären Ab-
satzes kleinster Theilchen an sich und werden locker.
Die Gypsmergel sind in meist dünnen und concordant schief-
rigen Schichten den übrigen Röthgesteinen und auch den Gyps-
flötzen untergeordnet.
Organische Reste aus ihnen liegen nicht vor.
Schluss.
Die Gesteine, welche das Röth zusammensetzen, sind mit Aus-
nahme der Gypse dieselben, welche den mittleren und unteren
Buntsandstein bilden; sie stehen aber in einem durchaus anderen
Verhältnisse zu einander. Im ersten walten die Mergel vor, in
den letzten die Sandsteine, im ersten treten Dolomite ganz selb-
ständig auf, in den letzten ganz untergeordnet.
Die organischen Ueberreste des ostihüringischen Röth.
Die organischen Ueberreste im Röth sind nicht zahlreich, aber
doch mannichfaltig und deshalb interessant, weil sie, als unmittel-
bare Vorgänger, zur Entwickelung der Muschelkalk -Fauna und
-Flora wesentliche Beiträge in Erwartung stellen.
Nicht alle Gesteine des Röth enthalten Versteinerungen; die
grosse Mehrzahl der letzteren findet sich in den Dolomiten, einige
werden von den Sandsteinen eingeschlossen, sehr wenige von den
Gypsen.
1) Ueber die Saurierreste hat Zenker1) in seinen 1836
erschienenen Beiträgen zur Naturgeschichte der Urwelt Einiges
berichtet. Das Material zu diesem Berichte hatte er einem Sand-
steinbruche am westlichen Abhänge des Jenzigs bei Jena entnom-
men, der jedenfalls nur kurze Zeit betrieben worden und dessen
Stelle schon im Jahre 1844 nicht mehr aufzufinden war. Ich habe
x) Zenker, Historisch-topographisches Taschenbuch von Jena, S. 205, 237.
138
E. E. Schmid , das ostthürin gische Röth.
dasselbe in Zenker’ s Nachlass, der leider sehr zerstreut worden
ist, noch gesehen und mich von der grossen Aehnlichkeit des-
selben und demjenigen, welches ich1) aus den den untersten ebenen
Kalkschiefern, dem untersten Gliede des Muschelkalks, zugehörigen
Cölöstingruben von Wogau bei Jena bezogen hatte, überzeugen
können.
Ich habe noch für die Ueberführung desselben in die Samm-
lung des Grafen Münster in Bayreuth Sorge getragen, mit welcher
es wahrscheinlich nach München gekommen sein wird. Die Zahl
der Stücke war nicht gering und ihr Erhaltungszustand ausge-
zeichnet. Auf mehreren Sandsteinplatten lagen sie dicht neben
einander. Ihre Grösse stand unter dei’jenigen der Wogauer Vor-
kommnisse. Mir ist kein derartiger Fund wieder vorgekommen,
obgleich die Sandsteinbank, auf welche sich kaum zweifelhaft
der Steinbruch bezogen hat, breit ansteht und von mir häutig und
sorgfältig durchsucht worden ist. Der Zenker sehe Name2) Saurier-
sandstein gehört demnach zu den Reminiscenzen.
2) Fischreste sind weiter verbreitet als Saurierreste, nament-
lich auch über die Dolomite. Die meisten sind Schuppen mit
glänzender, brauner, wulstig gestreifter Emailfläche, wie sie
Agassiz zu der Gattung Gyrolepis stellt; Knöchelchen, gewöhnlich
zerbrochene, sind nicht viel seltener; Zähnchen treten dagegen
zurück und bieten weniger sicher bestimmbare Erhaltungszustände.
So erklärt es sich, warum diese Fischreste eine zusammenfassende
Beschreibung noch nicht gefunden haben.
Der einzige Cephalopodenrest des ostthüringischen Röth ist:
3) Goniatites tenuis v. Seeb. Er wurde nach einem Bruchstücke
charakterisirt, welches v. Seebach3) selbst bei Gross -Kochberg,
nahe Rudolstadt, nach seiner Angabe, in einem auf Röth auf-
liegenden, aber nicht anstehenden, sondern von einer höher aus-
streiclienden, aber wohl immer noch dem Röth zugehörigen Car-
bonatbank abgebrochenen »Kalkblock« zugleich mit » Myophoria
1) Schmid und Schleiden, die geognostischen Verhältnisse des Saalthaies
bei Jena, 5, 20 und 35.
2) Zenker, Historisch-topographisches Taschenbuch von Jena, S. 205.
3) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 13, S. 24, Jahrg. 1861.
E. E. Schmid, das osttliiirin gisclie Rötli.
139
Goldfussi « gefunden. Ist das nicht zu bezweifeln, so ist wohl
zunächst der Name M. Goldfussi v. Alb. durch M. fallax v. Seeb.
zu ersetzen und vor diesem letzten hat, wie sogleich gezeigt werden
wird, der Name M. costata Zenk. sp. den Vorzug der Priorität
voraus, und dürfte zugleich der Gerölleblock nicht sowohl ein
Kalkblock, als vielmehr ein Dolomitblock gewesen sein. Eine
Abbildung dieses Fundes gab v. Seebach in seiner Abhandlung
über die Conchylienfauna der Weim arischen Trias1 2). Später wurde
dieselbe Form von Speyer3) als ein Vorkommniss der Röthdolomite
vom Katzenbergre bei Nebra a. d. U. aufareführt.
Die Gasteropoden sind durch drei Arten des Geschlechtes
Natica vertreten, nämlich:
4) Natica gregaria v. Schl. sp. und
5) Natica Gaillardoh v. Schl. sp.
Beide Arten fand Speyer3) im Dolomite des Katzenberges
bei Nebra.
6) Natica sp. Eine dritte Art, kaum von der Grösse einer ge-
wöhnlichen Farnkrautkapsel, fand Zenker4) sehr zahlreich in der
Conchylienbreccie des Gypses, wahrscheinlich der Teufelslöcher
bei Jena (s. oben). Die von Zenker gegebene Beschreibung
könnte jedoch auch auf Oolithkörnchen bezogen werden.
Zahlreicher sind die Pelecypoden vertreten:
7) Corbula sp. Eine thonige Dolomitbank, welche dem
oberen Rötli am westlichen Abhange des Jenzigs untergeordnet
ist, wimmelt von Abdrücken einer kleinen Muschel von 6—7 Milli-
meter Länge und 5 — 6 Millimeter Höhe; der Wirbel derselben
ist der Vorderseite genähert, ihr Umfang ist abgerundet-dreieckig.
Das Schloss hat nach vorne und nach hinten je eine scharf ausge-
prägte Leiste und dazwischen einen stumpfen Zahn; Muskel- und
Manteleindrücke sind nicht wahrnehmbar, Zuwachsstreifung sehr
deutlich. Die Schale ist stets resorbirt, war aber sehr dünn.
x) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bel. 13, S. 650, Taf. XV, Fig. 11 (1861).
2) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 29, S. 205 (1877).
3) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 29, S. 205 (1877).
4) Zenker, Historisch-topographisches Taschenbuch von Jena, S. 200.
140
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
Diese Muschel ist jedenfalls neu, aber nicht exact bestimmbar.
Ihre Unterordnung unter Corbula dürfte wahrscheinlich sein.
8) Myophoria costata Zenk sp. Diese wichtige Art wurde
zuerst von Zenker *■) als Donax costata beschrieben und abge-
bildet und etwas später 1 2) als der den Grenzdolomiten des Keupers
eigenthümlichen Trigonia Goldfussi v. Ziet für sehr ähnlich be-
zeichnet. v. Seebach3) irrt, indem er den Namen Donax costata
als den von Zenker ursprünglich auf das Keupervorkommniss
bezogenen ansah und deshalb der ähnlichen Röthmyophorie den
neuen Namen Myophoria fallax beilegen zu müssen glaubte. Diese
Art ist bekanntlich nicht nur die eigentliche Leitform für das
thüringische Röth , sondern für den oberen Bnntsandstein der
europäischen Trias überhaupt. In den Dolomiten des thüringischen
Röth ist sie überall häufig, aber auch in den Sandsteinen desselben
findet sie sich und selbst den Gypsen fehlt sie nicht ganz.
9) Myophoria elongata Gieb. sp. Auf diese von Giebel 4)
an der oberen Grenze des unteren Muschelkalkes (Schaumkalk)
bei Lieskau nahe Halle a. S. aufgefundene, beschriebene und abge-
bildete Form bezog v. Seebach 5) Vorkommnisse ans dem Röth
der Umgebung von Weimar. Dieselbe findet sich sehr häufig
und wohlerhalten in einer Conchylienbreccie, welche sich an den
oberen Rhizocorallium - Dolomit (s. weiter unten) des westlichen
Abhanges vom Hausberge bei Jena anschliesst.
10) Myophoria laevigata v. Sciil. sp. fand Speyer6) in einer
mächtigen Dolomitbank des Röth am Katzenberge bei Nebra.
11) Myophoria vulgaris v. Schl. sp. fand v. Seebach7)
im Röth der Umgebung Weimars, Speyer8) in schon unter
1) Zenker, Beiträge zur Naturgeschichte der Urwelt, S. 55, Taf. VI, Fig. A
(1836).
2) Zenker, Hist.-topogr. Taschenbuch v. Jena, S. 226 ( 1836).
3) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 13, S. 600, Taf. XIV, Fig. 10 (1861).
4) Giebel, die Versteinerungen im Muschelkalk von Lieskau bei Halle, S. 42,
Taf. 5, Fig. 3.
5) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 13, S. 616, Taf. XIV, Fig. 13 (1861).
6) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 29, S. 205.
7) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 13, S. 613.
8) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 29, S. 205.
E. E. Schmid, das osttliüringische Roth. 141
10) erwähnten Dolomitbank des Rötlis am Katzenberge bei
Nebra.
1 2) Myophoria orbicularis Br. fand Speyer *) mit der vorigen
zusammen.
13) Cucullaea nuculiformis Zenk. begleitet häufig die Myo-
phoria costata in den Dolomiten namentlich am westlichen Ab-
hange des Hausberges bei Jena. Zenker * 2) gab nur eine kurze
Beschreibung von ihr, ich3) eine Abbildung davon. Nach einer
brieflichen Mittheilung: v. Seebach’s ist sie zu Protocardium zu
stellen.
14) Modiola triquetra v. Seeb. Diese durch v. Seebacii4)
aus dem Röth der Umgebung Weimars bekannt gewordene Form,
findet sich von recht verschiedener Grösse und nicht immer ganz
gleichem Habitus in den Dolomitbänken des Röth an den west-
lichen Abhängen des Hausberges und des Jenzigs bei Jena, ferner
recht zahlreich, eine Dolomitbank fast erfüllend, in kleinen dicht
an einander gedrängten, fest mit Gesteinsmasse verbundenen
Exemplaren bei Pölitz nahe Stössen.
15) Gervillia socialis v. Schl. sp. Diese horizontal, wie
vertical weit durch die Trias verbreitete Form ist von mir, v. See-
bach 5) und Speyer 6) auch im Röth reichlich aufgefunden worden.
Namentlich ist es eine ungewöhnlich grosse, aber sehr dünnschalige
Varietät, deren Abdrücke — die Schale ist ohne Ausnahme
resorbirt — in einer der unteren Grenze des Röth sehr nahe an-
genälirten Dolomitbank bei Gross- und Klein -Bockedra zwischen
Jena und Calila gesellig auftreten.
16) Gervillia costata v. Schl, sp., welche bereits von v. See-
bach 7) als ein Vorkonnnniss des Röths bei Weimar aufgeführt
*) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 29, S. 205.
2) Zenker, Hist.-topogr. Taschenbuch v. Jena, S. 227.
3) Schmid und Schleiden, die geologisch. Verhältnisse des Saalthaies bei Jena.
Taf. IV, Fig. 3.
4) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 13, S. 599.
5) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 13, S. 589.
6) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 29, S. 205.
7) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 13, S. 591.
142
E. E. Schmid, das ostthüringisehe Rötli.
wurde, findet sich auch, obwohl seltener in den Dolomitbänken
des Röths vom Jenzig und Hausberge bei Jena.
17) Pecten Älbertii Goldf. ist nicht nur in den Dolomiten,
sondern auch in den Sandsteinen des Rötli bei Jena, Weimar1)
und Nebra2), zwar nicht häufig, aber doch sehr wohl erhalten
gefunden worden. Will man Giebel’s3), von v. Seebach aufge-
nommene Unterscheidung zwischen P. Älbertii und P. tenuistriatus
aufrecht erhalten, so dürften die Schalen des ostthüringischen
Röths alle zu P. inaequistriatus gehören. Von einer Gabelung
der Radialrippen sieht man nämlich nichts, wohl aber schalten
sich neue , zuerst schmale , niedrige Rippen zwischen die alten
breiteren, stärkeren ein; eine gewisse Unregelmässigkeit lässt sich
ebenfalls nicht verkennen.
Die Brachiopoden sind sehr spärlich vertreten.
18) Discina sp. Nahe kreisrunde Schalen von 7- — 10 Milli-
meter Durchmesser mit einer excentrisch erhabenen Spitze, um
welche herum scharf hervorragende Zuwachsstreifen ziehen, gelb-
lich weiss, schwach hornartig glänzend, gehören ebenso bestimmt
zu dem Formenkreis der Orbicula discoides v. Schl. , wie so
Manches von dem was Quenstedt 4) dazu stellt; dieselben sind
deutlich niedergedrückt, verbogen oder gebrochen, sie fanden sich
nur einmal im Dolomit einer knapp über der unteren Grenze dem
Rötli eingelagerten Dolomitbank bei Gross- und Klein -Bockedra,
zwischen Jena und Calila.
19) Lingula sp. Eine ovale Schale von ellipsoidischem Um-
riss, 16 Millimeter im längsten, 7 Millimeter im kürzesten Durch-
messer haltend, mit deutlichen Zuwachsstreifen, bräunlichgelb,
hornartig glänzend, fand sich in derselben untersten Dolomitbank
des Röths bei Gross- und Klein - Bockedra , wie die vorige. Sie
steht jedenfalls der Lingula tenuissima Br. sehr nahe, wohl ebenso
x) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 13, S. 573.
2) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 29, S. 205.
3) Giebel, die Versteinerungen im Muschelkalk von Lieskau bei Halle, p. 21.
4) Quenstedt, Brachiopoden, S. 644, Taf. 60, Fig. 117.
E. E. Sciimid , das ostthüringische Roth.
143
nahe, wie L. calcarea Zenk. * 2 3 4) und L. kenperea Zenk. 2), welche
von Bronn 3) wieder mit L. tenuissima vereinigt wurden.
20) Rhizocorallium jenense Zenk. wurde kurz aber treffend
von Zenker4) beschrieben und von mir5) abgebildet. »Es er-
leidet keinen Zweifel« — äusserte sich Zenker — »dass dies
problematische Fossil einen organischen Ursprung hat. Wahr-
scheinlich gehört es zu den Spongien , oder vielmehr zu den
eigentlichen Corallen, vielleicht zu den Rindencorallen.« Bronn6)
wies ihm bestimmt seine Stelle unter den Seeschwämmen an,
Zittel 7) noch bestimmter unter den Geraospongien. Zu den ge-
wöhnlichen Schlingen- und Walzenformen treten mitunter auch
gerade und flache hinzu. Struktur habe ich weder durch Aetzung
mit Säuren, noch durch Dünnschliff wahrnehmbar machen gekonnt.
Uebrigens ist dieses eigenartige Gebilde auf der unteren Schicht-
fläche nicht nur eines, sondern mehrerer, aber nicht aller Röth-
dolomite zu finden. Dasselbe breitet sich zunächst über den
weiten Kaum der Umgebung Jena’s zwischen Freiburg a. U.,
Bürgel und Rudolstadt aus; seine Ausbreitung ist aber durch die
Bearbeiter der neuen geologischen Specialkarte des Königreichs
Preussen und der thüringischen Staaten bereits über einen noch
viel weiteren Raum nachgewiesen; namentlich wird sein Vor-
kommen erwähnt von Giebelhausen in den Erläuterungen zu dem
Blatte Gross -Keula, von Laspeyres zu dem Blatte Peters-
berg, von v. Seebacii zu den Blättern Bleicheroda und Nieder-
Orsclila.
21) Pflanzliche Ueberreste fehlten dem Röth bis vor
Kurzem ganz und beschränken sich auch jetzt noch auf einen
J) Leonhard v. Bronn, Jahrb. f. Min. 1834, S. 394.
2) Ebend. S. 390.
3) Bronn, Letliaea geognostica , dritte Aufl., Bd. II, S. 51.
4) Zenker, Hist.-topogr. Taschenbuch v. Jena, S. 202 und 219.
5) Schmid und Schleiden, die geognost. Yerhältn. des Saalthaies bei Jena,
S. 45, Taf. N., Fig. 9.
6) Bronn, Lethaea geognostica , dritte Aufl., Bd. III, S. 44.
7) Zittel, Handbuch der Palaeontologie, Bd. I., S. 143.
144
E. E. Schmid, das ostthüringische Röth.
einzigen Fund in demjenigen tlionigen Dolomit, der nach der von
ihm eingeschlossenen Corbula sp. (s. oben) als Corbuladolomit
bezeichnet werden kann. Dieser Fund besteht in einem flach-
gedrückten Stengelstück von 2 Centimeter Breite und 10 Centi-
meter Länge ; in den Hohlräumen zwischen der inneren Ausfüllung
und der äusseren Umhüllung ist eine Spur kohliger Substanz ein-
gestreut; das Relief der Umhüllung, sowie der Ausfüllung ist zu
unbestimmt, um über den vegetabilischen Ursprung hinaus, etwas
kundzugeben.
Schluss.
Uebersieht man das vorstehende Verzeichniss der organischen
Ueberreste des Röth, so bietet dasselbe keine Reminiscenzen an
die obere Dyas, die freilich von ihm durch die mächtige Schichten-
folge des mittleren und unteren Buntsandsteins, die so überaus
wenige und seltene organische Ueberreste enthalten, dass sie über
die Entwickelung weder der Faima noch der Flora genügende
Aufschlüsse geben können, getrennt ist. Um so näher stehen
dieselben denjenigen des Muschelkalkes und Keupers, und zwar in
jeder Beziehung.
Die Saurierreste, soweit ich sie aus eigener Anschauung
kenne und mir ein Urthe.il darüber erlauben darf, tragen den
Nothosaurus-Typus, der bekanntlich im ostthüringischen Muschel-
kalk zu eiuer holieu Entwickelung kommt.
Die dürftigen Fischreste gehören zu den Ganoiden mit rhoin-
bischen, knochigen, Schmelz bedeckten, randlich an einander
stossenden Schuppen, welche Agassiz unter dem Genus Gyrolepis
zusammenfasste; sie sind durch alle Glieder des Muschelkalkes
und Keupers verbreitet.
Der einzige Cephalopodenrest des Röth nimmt allerdings
eine Sonderstellung ein, beruht aber auf zu wenigen und zu frag-
mentarischen Funden, um maassgebend zu sein. Von Gasteropoden
ist nur Natica in Rede zu stellen mit solchen Arten, die auch im
Muschelkalke Vorkommen oder wenigstens den da vorkommenden
sehr nahe stehen.
E. E. Schmid , das osttliüringisehe Roth.
145
Unter den Pelecypoden sind Myophoria costata Zenk. und
Cucullaea nuculiformis Zenk. dem Röth eigentliümlich. Aber
Myophoria costata, die eigentliche, wenn auch nicht die einzige Leit-
form des Röth, steht der Myophoria Goldfussi v. Ziel, der Leit-
fonn des Grenzdolomites, so nahe, dass ein so sachkundiger und
sorgfältiger Beobachter wie Zenker, allerdings nach etwas ab-
geriebenen Exemplaren der letzteren — wie ich mich sehr wohl
erinnern kann — , beide für identisch halten konnte. Cucullaea
nuculiformis ist ein zu wenig besagender Steinkern, als dass man
weit greifende Schlüsse aus ihm ziehen könnte. Alle übrigen
Formen, namentlich Germllia socialis , Myophoria vulgaris, M. laevi-
gata und Pecten Albertii halten durch den ganzen Muschelkalk
bis über den unteren Keuper aus.
Die wenigen Brach iopodenreste setzen sich in denselben oder
nahe verwandten Arten durch den Muschelkalk fort.
Rhizocorallium jenense ist neben Myophoria costata die zweite
Leitform des Röth und in seiner vollkommenen Entwickelung
darauf beschränkt. Allein nahe Verwandte dazu, oder vielmehr
ähnliche Erhaltungszustände finden sich unter den zahlreichen
sogenannten wurmförmigen Concretionen des Muschelkalks ; nament-
lich im Schaumkalke, dem obersten Gliede des unteren Muschel-
kalks, beobachtet man sehr ähnliche Schlingen und Wülste mit
netzförmigem Relief, wenn auch in viel grösserem Maassstabe, und
daran scliliessen sich noch massenhafter entwickelt, nicht immer
gewunden, viele andere an und zeugen für eine stetige Fortbil-
dung der Ceraospongien während des Absatzes der Muschelkalk-
schichten.
Pflanzenreste sind ebenso wie im Muschelkalk, auch im Röth
zu wenig bedeutsam, um hier in Rede gestellt zu werden.
In wenige Worte zusammengefasst lautet das Schlussresultat:
das Röth ist paläontologisch dem Muschel kalke ebenso nahe ver-
wandt, wie lithologisch dem mittleren und unteren Buntsandstein.
10
146
E. E. Schmid , das ostthüringische Röth.
Gliederung des ostthüringischen Röth.
Der allgemeinen Schilderung der Gliederung des ostthürin-
gischen Röth mag die Einzelbeschreibung örtlicher, besonders aus-
giebiger Aufschlüsse als Grundlage dienen.
Die erste Stelle mag der westliche Abhang des Hausberges
bei Jena einnehmen. Soweit die Saale den Fuss desselben be-
spült, steht mittlerer Buntsandstein an. In diesen schneidet ein
Hohlweg zwischen Jena und Ziegenhain ein, der sogenannte Burg-
weg, dessen Einschnitt sich mittels eiuer tiefeu und breiten Regen-
furclie bis in ein 90 uucl einige Meter höheres Niveau aufwärts
zieht und die Schichten zusammenhängend entblösst. Nahe der
höchsten Stelle des Burgwegs wird der Sandstein unmittelbar von
Gyps überlagert, der dünnschieferig bis dickbänkig, späthig, schup-
pig, faserig, feinkörnig, auch porphyrartig, rein oder gemengt mit
Dolomit und Letten, die ihm auch in dünnen Zwischenschichten
untergeordnet sind, ein 56 Meter mächtiges Flötz bildet. Die
Schichten sind an den meisten Stellen stark wellenförmig gebogen
und werden von den höheren Schichten des Röth durch eine Kluft
abgeschnitten, an welchen eine Abrutschung derselben stattgefunden
hat, um einen zwar nicht genau angebbaren, aber keinesfalls über
5 Meter hinausgehenden Betrag. Die neben und über dem Gypse
anstehenden Schichten siud der Reihe nach:
hellgraugrüne Mergel, bald mehr lettig, bald mehr
Meter
0,50
0,80
0,70
sandig ;
^ lockere, glimmerreiche graue Sandsteine; wenige or-
^ ganische Reste, unter denen nur Myophoria costata
v bestimmbar, einschliessend ;
lichte Mergel;
Dolomit mit Mergel wechsellagernd, die reinen Do-
l lomitschicliten bis 10 Centimeter stark und darüber
] hinaus, reich an organischen Ueberresten, besonders
resorbirten Muschelschalen, namentlich von Myo-
J phoria costata , auf der unteren Schichtfläche gewöhu-
f lieh das Relief von Rhizocorallium jenense tragend
(mittlerer Rhizocorallium-Dolomit) ;
lichte Mergel;
0,80—1,50
E. E. Schmid, das ostthüringische Roth.
147
Meter
0,50—0,60
150,60
Dolomit, Mergel, Letten und Gyps; Dolomit nimmt
häufig die ganze Bank ein, ist reich an resorbirten
Muschelschalen und desshalb sehr cavernös; seine
auf Mergel aufliegende Unterseite ist reichlich mit
[ Rhizocorallium jenense besetzt; er geht mitunter in
I ein Haufwerk von weniger oder mehr abgeriebenen
1 O o
1 und zerbrochenen Muschelschalen über, die bald
[ ziemlich locker zusammenhaftend, eine Muschelbreccie
bilden, bald durch Gyps verkittet ein Muschelcon-
/ glomcrat — das Carbonat der Muschelschalen ist
übrigens in gleicher Weise dolomitisch, wie dasjenige
des Gesteins, aus dem sich ihre Haufwerke ent-
i wickeln. Durch Aufnahme von Thon und Sand, auch
I Gyps entstehen mannichfaltig gemengte unreine Do-
I lomite, Mergel, Sandsteine und Letten, die theils
I mit dem reineren Dolomit wechsellagern, theils breit-
klüftige Zwischenräume in ihm erfüllen, ihn bald in
einzelne Stücke spalten, bald auch völlig ersetzen
und an seine Stelle Mergel und Gyps treten lassen
' (Oberer Rhizocorallium - Dolomit).
I Fast unmittelbar darüber, an einer Stelle, wo sich
Idie Wasserfurche verflacht und von dem sogenannten
Oberwege von Jena nach Ziegenhain gekreuzt wird,
lagert das Sandstein ähnliche Gemenge von Mergel
o O o
mit Quarz und Gyps, auf dessen Oberfläche die oben
beschriebenen Afterkrystalle nach Steinsalz Vorkommen.
I Die höheren Schichten sind vorwaltend mergelig mit
/ untergeordneten Einschaltungen von sandigen und
\ thonigen Dolomiten und Gyps. Eine Hornstein-
I Schicht findet sich erst über dem äussersten Aus-
läufern der Regenfurche; über ihr nimmt das Gestein
allmälig hellgraue Färbung an, wird Carbonatreicher
und geht in Muschelkalk über, den man von da an
abgegrenzt sein lassen kann, wo die Schichten dicker
werden und im frischen Zustande nicht mehr schiefe-
\ rig sind.
10
148
E. E. Schmid, das ostthiiringische Rötk.
Als zweites Beispiel mag der westliche Abhang des Jenzigs
seine Stelle finden. Die Schichtenfolge ist hier durch keinerlei
Verwerfung gestört, aber obgleich man auch hier einer Regen-
furche folgen kann, bei weitem weniger entblösst. Zwischen Haus-
berg und Jenzig ist das weite und tiefe Gembdethal bis in den
mittleren Buntsandstein hinein erodirt. Die Entfernung beider
Profile beträgt in der Luftlinie ziemlich genau eine Viertelmeile.
Der Fuss des Jenzigs berührt unmittelbar die Saale; der
steile Uferabhang, die sogenannte hohe Saale entblösste vordem —
jetzt ist diese Entblössung in Folge eines Ufer- und Wege-Baues
verschüttet — bis auf 4 Meter über den mittleren Saalspiegel die
obersten Schichten des mittleren Buntsandsteins. Dieselben be-
standen aus dickplattigen Sandsteinen, welche wegen einer Mehr-
zahl von Fährtenabdrücken, deren Beschreibung Koch und ich
schon im Jahre 1841 gaben *), das wissenschaftliche Interesse
schon einmal auf sich zogen.
Unmittelbar diesem Sandstein aufffelagert folgt ein
mächtiges Gypsflötz von derselben Beschaffenheit, wie
am Hausberge. Dann:
Lichte Mergel;
Dolomit, reich an organischen Resten, namentlich an
Myophoria costata und Rliizocorallium jenense. — Un-
terer Rhizocorallium - Dolomit; Mergel;
Sandstein, glimmerreich, versteinerungsführend, na-
mentlich Myophoria costata und Pecten Albertii , mit-
unter in glimmerreichen Quarzitschiefer übergehend;
22 ( Mergel;
j Dolomit, reich an organischen Resten, namentlich an
I Myophoria costata mit Rhizocorallium jenense. — Mittler
I Rhizocorallium-Dolomit ;
I Mergel;
! Dolomit, reich an Versteinerungen, namentlich an
\ Myophoria costata mit Rhizocorallium jenense. —
Oberer Rhizocorallium - Dolomit.
*) S. Koch und Schmid, die Fährtenabdrücke im bunten Sandstein bei
Jena. S. 3—6.
Meter
31, Va
E. E. Schmid, das osttlmringische Röth.
149
Meter
47
97a
/ Bunte Mergel, dolomitisch, thonig, sandig, thonige
^ Dolomite, Hornsteindolomite, bei einem grösseren
\ Gehalt an dolomitischen Carbonatschalen von Myo-
I phoria costata einschliessend , Gyps in Zwischen-
' schichten und Kluftausfüllungen;
/ Hornschicht;
] Mergel hell und carbonatreich werdend, immer noch
j dünnschieferig, aber seiner Mengung nach, dem unter-
l sten Muschelkalk sehr nahe stehend.
Nicht unwesentlich anders gestalten sich die Verhältnisse am
östlichen Abhange des Jenzigs, oder entlang dem Fahrwege zwi-
schen Gross - Löbichau und Jenalöbnitz bis auf die höchste Stelle
desselben und von da aus nach der Höhe des Jenzigs.
I Auch bei Gross-Löbichau ist ein Gypsflötz unmittel-
\ bar auf den mittleren Buntsandstein aufgelagert, hat
Meter ; nahe dieselbe Mächtigkeit wie am westlichen Abhange;
30 ) seine litholoerische Entwickelung ist wohl im Ganzen
(o o
die gewöhnliche, jedoch so, dass die porphyrartigen
Gypse besonders dickbänkig und breitblättrig sind.
Ueber dem Gypsflötze folgen sehr vorwaltend helle, nicht
bunte, durchaus nicht rothe Mergel, dann treten an einem steilen
Absturz hervor:
Meter
0,40
, Dolomit, zuckerkörnig, wenige Versteinerungen ein-
i schliessend, von denen nur Myophoria costata be-
| stimmbar ist; auf der Unterseite ist ein Relief be-
^ merkbar, welches allerdings dem Rhizocorallium jenense
j nicht vollkommen gleicht , sondern aus gestreckteren
I und flacheren Hälften zusammengesetzt ist, aber doch
ein ähnliches Netzwerk darstellt;
0,90 Mergel;
q | Dolomit von gleicher Beschaffenheit, wie der vorige,
( aber ohne netzförmiges Relief auf der Unterseite;
3,00 Mergel;
0,36 Dolomit.
E. E. Schmid, das ostthiiringische Roth.
Die höheren Schichten werden bunt besonders in
Folge der Wechsellagerung rother Mergel und licht
graulichgrüner , thoniger und sandiger Dolomite.
Zwischen den obersten dieser Mergel stellt sich eine
schwache Hornsteinplatte mit welligen Schichtungs-
flächen ein.
Darüber folgt eine Bank thonigen Dolomites, recht
reich an resorbirten Muschelschalen und deshalb
0,20 — 0,30 ! cavernös ; die meisten Schalenabdrücke gehören zu
I der oben angeführten Corbula nov. sp. , verhältniss-
\ massig wenige zu Myophoria costata.
^ Die Mergel zwischen diesem Corbula - Dolomit und
28 ■ der Grenze des unteren Muschelkalkes sind je weiter
aufwärts, um so gleichfarbiger und lichter.
Die directe Entfernung zwischen dem westlichen Fusse des
Jenzig an der Saale und dem östlichen am Fahrwege von Gross-
Löbichau nach Jenalöbnitz beträgt drei Viertel Meilen. Wie sich
die beiden Profile am westlichen und östlichen Abhange mit ein-
ander verknüpfen, ist nicht in das Einzelne zu verfolgen, weil
längs des, allerdings sehr geraden und steilen Südabhanges vom
Jenzig gegen das Gembdethal zu das Röth meist stark überrollt ist.
Als viertes Beispiel wähle ich den Kugelberg zwischen Gum-
perda und Eichenberg bei Cahla; er bietet eine Mehrzahl von
Rhizocorallium-Dolomiten, erlaubt aber wegen wechselnden Fallens
und Streichens keine durchaus exacten Angaben der Mächtigkeit.
Auch hier ist ein starkes Gypsflötz vorhanden; zwischen ihm
aber und dem Buntsandstein ist lichter Viergel und Letten ein-
geschaltet. Ueber ihm folgen bunte Viergel und diesen sind nicht
weniger als sechs Dolomitbänke untergeordnet, deren Unterseite
in bald grösserer, bald geringerer Breite das Relief von Rhizoco-
rallium jene7ise trägt.
Ein steiler, lö1/^ Meter hoher Absturz innerhalb einer Regen-
furche, die sich nach Eichenberg hinabzieht, entblösst die sechs
Dolomitbänke, der Reihe nach von unten nach oben durchschnitt-
lich 0,20, 0,16, 0,70, 0,52, 0,11 und 0,60 Vleter stark, also zu-
150
Meter
241/2
E. E. Schmid, das ostthüringische Röth.
151
sammen 1,10 Meter, während auf die mergeligen Zwischenmittel
14,40 Meter entfallen. Die zwischen liegenden Dolomitbänke
machen also nur 7°/o von der Mächtigkeit der ganzen Schichten-
folge aus. So wenig würde man nicht erwartet haben mit allei-
niger Rücksicht auf die Masse der über den Boden verstreuten
Dolomitbrocken ; wie aber schon in dem Abschnitte über die
Gesteine des Röth hervorgehoben wurde, bleibt der Dolomit in
grossen Brocken liegen, während die Mergel rasch zerkrümelt und
fortgeführt werden; deshalb schützt auch eine schwache Dolomit-
bank den Boden gegen rasche Erosion. Gerade die oberen flach-
geneigten Abhänge des Kugelberges bieten Gelegenheit zu beob-
achten, dass solche Dolomitbänke breite Stufen bilden, die wie
gepflastert anssehen, indem die einzelnen durch Querklüfte ge-
trennten Dolomitplatten gegen ihr Ausgehen zu auseinanderweichend
und in den zeitweise erreichten Untergrund einsinkend, wohl weiter
ausgebreitet, aber nicht ganz fortgeführt werden. Dieser Umstand
ist in praktischer Beziehung beachtenswerth ; da nämlich das Aus-
streichen der Dolomitbänke des Röth meist nach zerstreuten
Brocken benrtheilt werden muss, so erklärt sich aus ihm, dass die
Mächtigkeit desselben häufig zu hoch geschätzt worden ist. Die
in der Regenfurche über Eichenberg anstehenden Rhizocoralliuin-
Dolomitbänke lassen sich um die Abhänge des Kugelberges herum
ziemlich zusammenhängend verfolgen, namentlich auf der Südseite.
Jedoch hat man sich nicht weit zu entfernen, um ihre Mächtigkeit
nicht nur, sondern auch ihre Zahl sich verändern, auch gerade
südlich von Gumperda, zwischen der dritten und vierten Dolomit-
bank eine bis 0,30 Meter starke, aber nicht weit fortstreichende
Gypslinse sich einlagern zu sehen.
Knapp über dem obersten Rhizocorallium - Dolomit bildet die
ausgezeichnete Hornsteinschicht, welche im vorigen Abschnitt
ausführlich beschrieben wurde, den Boden einer Stufe, über welche
der Fahrweg von Gumperda nach Eichenberg führt.
Darüber reicht das Röth noch 56 ^ Meter hoch hinauf. Diese
oberen Schichten sind besonders bunt in Folge häufiger Einschal-
tung thoniger und sandiger Dolomite; sie schliessen auch noch
ein nirgends über 3 Meter starkes und kaum 1/8 Meile weit fort-
152
E. E. Schmid, das ostthüringisclie Roth.
streichendes linsenförmiges, dünnschieferiges Gypsflötz ein, dem
Dolomit, Mergel und Sandstein reichlich untergeordnet ist.
Die beschriebenen, vier vollständigen Profile lassen noch nicht
die volle Mannichfaltigke.it der Entwickelung des ostthüringischen
Röth übersehen, namentlich nicht in Bezug auf die Einlagerungen
von Gyps und von Dolomit.
Ausser dem Hauptgypsflötz an oder nahe über der unteren
Grenze des Röth finden sich starke Flötze auch in der Mitte und
an der oberen Grenze des Röth.
Entlang der Unstrut bei Nebra ziehen sich etwa 45 Meter
über dem Hauptflötz noch zwei höhere Gypsflötze in einem Ab-
stand von etwa 8 1/-2 Meter durch die Mitte des Röth.
Nördlich über Tiefengruben bei Berka a. d. J. schliesst ein,
allerdings aus reinem und mergelreichen Gyps zusammengesetztes,
meist dünnschieferiges, nur auf eine Erstreckung von etwa 600
Schritt ausdauerndes Flötz das Röth gegen den Muschelkalk ab.
Wiederum an anderen Stellen ist das Röth im Gegensatz zu
den bisher beschriebenen ganz frei von Gyps; so am östlichen
Abhange des Riechheimer Berges nahe Kranichfeld, und am west-
lichen Abhange des Lohmaer Berges nahe Blankenhain.
Eine über 0,3 Meter starke Dolomitbank, ebenfalls reich an
organischen Ueberresten, namentlich an Schalen von Myophoria
costata , Gervillia socialis , G. costata , Pecten Albertii u. A. , aber
ohne das Relief Rhizocorallium jenense auf der unteren Schicht-
fläche ist bei Gross- und Klein -Bockedra am Wege von da nach
Oelknitz a. S. zwischen Jena und Cahla den lichten Letten und
Mergeln zwischen dem mittleren Buntsandstein und dem Haupt-
gypsflötz eingeschaltet.
Sehr starke Dolomitbänke bietet das Röth zu beiden Seiten
der Saale unterhalb Naumburg, zur linken Seite bei Eulau gegen
das Gerodig zu, zur rechten Seite bei Pölitz nahe Stössen; an
beiden Orten sind die Aufschlüsse unvollkommen.
Allein auch diese Vorkommnisse werden überboten durch
dasjenige am Katzenberge bei Nebra, welches durch einen weiten
Steinbruch auf mehr als 3 Meter aufgeschlossen ist. Dasselbe ist
E. E. Schmid , das ostthiiringisclie Roth.
153
zugleich sehr reich an organischen Ueberresten, die Speyer1) auf-
geführt hat.
Fasst man die vorstehenden Darstellungen einzelner Locali-
täten zusammen, so erhält man die nachfolgenden allgemeinen
Resultate.
Die Mächtigkeit des ostthüringischen Röth sinkt selten unter
60 Meter und steigt selten über 1 50 Meter. Mächtigkeiten unter
60 Meter beobachtet man nur da, wo die Röthschichten steil auf-
gerichtet und gebogen sind zufolge starker Faltungen der Erdrinde;
sie kommen vielorts auf Verquetsclnmg hinaus. Mächtigkeiten
über 150 Meter beobachtet man eigrenthümlicher Weise gerade am
östlichen Rand der Ausbreitung des Röth zwischen Jena und
Bürgel, z. B. bei Löberschütz 163 Meter.
Die Gypseinlagerungen im ostthüringischen Röth sind ebenso
massenhaft, als unbeständig. Sie nehmen mitunter mehr als den
dritten Theil der gesammten Mächtigkeit ein, mitunter fehlen sie
ganz. Mächtige Röthentwickelungen sind gewöhnlich, aber doch
nicht immer, mit starken Gypseinlagerungen verbunden. Eigent-
liche Gypsflötze sind vorzugsweise dem unteren Röth eigen, fehlen
aber auch dem oberen nicht ganz; Gypsführung in untergeordneten
Schichten und Kluftausfüllungen ist durch das ganze Röth ver-
breitet. Starke Bänke reinen und besonders porphyr artigen Gypses
linden sich fast nur im unteren Röth; die Gypse des oberen Röth
sind vorwaltend mergelig, dünnschieferig und faserig. Die Scheidung
in ein unteres gypsführendes und in ein oberes gypsfreies Röth
ist für Ostthüringen unthunlich.
Die Dolomitbänke nehmen einen nur selten mehrere Procente
betragenden Theil von der Mächtigkeit des Röthes in Anspruch,
einen so kleinen Theil , dass ihre kartographische Darstellung im
Maassstabe von 1 : 25 000 ohne willkürliche Hinzunahme der han-
genden und liegenden Mergel mit Ausnahme einiger Stellen tech-
nisch gar nicht ausführbar ist. Selbständige und zugleich ver-
steinerungsreiche Dolomitbänke erscheinen besonders in den Pro-
filen, in denen sich das Hauptgypsflötz , dasjenige des unteren
*) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. 29, S. 205; Jahrg. 1877.
154
E. E. Schmid, das ostthüringisclie Roth.
Röth geltend macht. Sie drängen sich über ihm am dichtesten
zusammen, ohne auf eine bestimmte Zahl und auf eine bestimmte
Höhenzone beschränkt zu sein. Sie fehlen auch unter dem Haupt-
gypsflötz nicht; sie sind auch dem oberen Röth nicht fremd. Von
den Versteinerungen ist Myophoria costata allen Dolomiten gemein-
schaftlich , während sich Rhizocorallium jenense auf die mittleren
beschränkt und sehr ungleichmässig vertheilt ist.
Die einzige Sandsteinbank, welche mit einer gewissen Selb-
ständigkeit auftritt — Zenker's Saurier-Sandstein — , liegt zwischen
den unteren Rhizocorallium-Dolomitbänken. Es dürfte der Mühe
werth sein, sie weiter aufzusuchen und sorgfältiger zu untersuchen,
namentlich auf ihren organischen Inhalt.
Die Hornsteine sind bis jetzt nur aus dem oberen Röth be-
kannt geworden, nehmen aber entschieden am Hausberge und
Jenzig bei Jena einen höheren Horizont ein, als am Kugelberge
bei Cahla.
Endlich die Hauptmasse des Röth, die Mergel werden gewöhn-
lich nach unten fett und licht, d. h. thonreich und ferritarm, gehen
auch wohl in lichte Letten oder schieferige Thone über und zwar
namentlich da, wo die Gypsc sich ausgekeilt haben, als Aequi va-
lente derselben. Die Mergel werden gewöhnlich nach oben mager
und licht, d. h. thonarm, ferritarm und carbonatreich. Das ist
aber doch nicht immer der Fall; die Mergel verdienen vielmehr
den Namen der bunten im vollsten Sinne, nicht blos mit Rück-
sicht auf die Farbe, sondern auch auf den mineralogischen Bestand.
Aus alledem dürfte mit genügender Sicherheit hervorgehen,
dass eine, auch nur durch das östliche Thüringen durchgreifende
Gliederung des Röth weder auf lithologischer, noch auf paläou-
tologischer Grundlage möglich ist. Sollen die verschiedenen
Farben und Signaturen geologischer Karten nicht sowohl litholo-
gische Uebereinstimmung — wie das bezüglich der Gypse nun
einmal angenommen worden ist — , sondern vielmehr gleichzeitige
Bildung bezeichnen, so wird man das Röth mit Ausschluss der
Gypse als ein Ganzes zusammenfassen müssen.
Gegenüber der grossartigen Gleichförmigkeit und Einförmig-
keit des mittlern Buntsandsteins und des unteren Muschelkalks
E. E. Schmid , das ostthüringische Roth.
155
hat man wechselvolle Mannichfaltigkeit als die Regel der Gesteins-
folge des Roth anzuerkennen.
Das Röth vermittelt eben den Uebergang zweier Absatz-
perioden in einander, die unter scharf contrastirenden Bedingungen
standen. Das Meer des Röths war bald von klarem, bald von
trübem Wasser eingenommen, seine Absätze waren vorwaltend
bald chemische, bald mechanische Bildungen. Die chemischen
Bildungen beruhen auf der Ausscheidung bald von Carbonat —
bald von Kieselsäure, bald von Sulphat, die mechanischen Bildungen
auf dem Sinken bald von mehr thonigem, bald von mehr sandigem
Schlamm. In dem klaren, oder doch nur wenig getrübten Meer-
wasser, aus dem chemische Absätze carbonatischer und kieseliger
Natur erfolgten, gedieh organisches Leben, namentlich überzog
sich der Meeresboden mit Schwämmen, der Absatz des Gypses
erfolgte aus einem wahrscheinlich so salzreichen Meere , dass in
demselben keine Organismen bestehen konnten. Das trübe Meer-
wasser des Röth war so schlammig wie dasjenige des mittleren
Buntsandsteins und liess desshalb organisches Leben nicht auf-
kommen. Aus der Seltenheit pflanzlicher Ueberreste hat man auf
das Fehlen eines nahe gelegenen, vollkommen entwickelten, d. h.
von Vegetation eingenommenen Festlandes zu schliessen.
E rkl ä r n n g cl e r A b bil d u n gen.
Fig. 1. Farltose'r Glimmer mit farblosen, feinumrissenen Einlagerungen ;
aus dem in Chlorwasserstoffsäure unlöslichen Theile eines mer-
geligen Dolomites vom östlichen Abhang des Jenzigs bei Jena;
Vergrösserung 350 fach.
Fig. 2. Grüner Glimmer mit gleichfarbigen Einlagerungen, scharf und
dunkel Umrissen; aus dem Hornstein vom östlichen Abhänge des
Jenzigs bei Jena; Vergrösserung 350faeh.
Fig. 3. Glimmerblatt, farblos glatt abgebrochen mit nierförmigen , trau-
bigen und oolithischen Einlagerungen; aus dem schwerer auf-
schlämmbaren Theile eines grünlichgrauen Mergels vom Abhange
des Kugelberges über Gumperda bei Cabla; Vergrösserung
1 15 fach.
156
E. E. Schmid , das ostthüringische Rötli.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 9.
Fig. 10.
Fig. 1 1.
Fig. 12.
Fig. 13.
Fig. 14.
Fig. 15.
Glimmerblatt, farblos, glatt abgebrochen mit traubigen Einlage-
rungen; aus den schwerer aufschlämmbaren Theilen eines grün-
lichgrauen Mergels vom Abhange des Kugelberges über Gum-
perda bei Cahla; Vergrösserung 115 fach.
Glimmerblatt, farblos mit oolithischen Einlagerungen; aus dem
schwerer aufschlämmbaren Theile eines grünlichgrauen Mergels
vom Abhange des Kugelberges über Gumperda bei Cahla; Ver-
grösserung 115 fach.
Traubiges Aggregat, aufgelagert auf einem Glimmerblatt, quer
gegen die Blattfläche des Glimmers gerichtet; aus dem in Chlor-
wasserstoffsäure unlöslichen Rückstände eines mergeligen Dolo-
mites vom östlichen Abhange des Jenzigs bei Jena; Vergrösse-
rung 225 fach.
Oolithisches Aggregat, aufgelagert auf einem Glimmerblatt, quer
gegen die Blattfläche des Glimmers gerichtet; aus dem in Chlor-
wasserstoffsäure unlöslichen Rückstände eines mergeligen Dolo-
mites vom östlichen Abhänge des Jenzigs bei Jena; Vergrösse-
rung 225 fach.
Glimmer grün; quer durch den Blätterdurchgang durchschnitten,
gebogen, aufgeblättert; von opakem Ferrit umhüllt; aus Hornstein
vom Jenzig bei Jena; Vergrösserung 115 fach.
Glimmer fast farblos, gebrochen; aus dem Dünnschliffe eines
Hornsteines vom Jenzig bei Jena; Vergrösserung 115 fach.
Feldspathbroclcen oder -Reste; aus dem Dünnschliffe eines Horn-
steins vom Hausberge bei Jena; Vergrösserung 125 fach.
Feldspathbrocken oder -Reste; aus dem Dünnschliffe eines Horn-
steins vom östlichen Abhange des Jenzigs bei Jena; Vergrösse-
rung 115 fach.
Feldspathbrocken oder -Reste, Chalcedon, Apatit, brauner bis
opaker Ferrit; aus dem Dünnschliffe eines Hornsteins vom
Kugelberge über Gumperda bei Cahla, parallel zur Schieferung;
Vergrösserung 125 fach.
Knüll chenaggregate ; aus aufgeschlämmtem Mergel vom Kugel-
berge über Gumperda bei Cahla; Vergrösserung 350 fach.
Mikroschörlit ; aus dem in Chlorwasserstoffsäure unlöslichen
Rückstände eines mergeligen Dolomites vom östlichen Abhange
des Zenzigs bei Jena; Vergrösserung 125 fach.
Mikrozirkon; aus dem in Chlorwasserstoffsäure unlöslichen Rück-
stände eines mergeligen Dolomites vom östlichen Abhange des
Jenzigs bei Jena; Vergrösserung 225 fach.
Terebratula Ecki nov. sp.
und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen.
Von Herrn W. Frantzen in Meiningen.
Schon seit längerer Zeit sind in der hiesigen Gegend auch
unter den durch ihren Reichthum an Terebrateln ausgezeichneten
und nach ihnen benannten Terebratelnbänken im unteren Wellen-
kalk Terebrateln aufgefunden worden, welche nach den bisher
veröffentlichten Beobachtungen in demselben zerstreut und nur in
seltenen Exemplaren vorzukommen schienen.
So machte H. Pröscholdt ]) einen solchen Fund in einer
nach seiner Messung 5,5 Meter unter dem Oolith liegenden Schicht
in der Weissbach bei Meiningen. Eine zweite Terebratel fand er
in seiner angeblichen »Bank mit Myophoria curvirostris « bei Wel-
kershausen, deren Höhe über den Modiolaschichten er zu 13 bis
15 Meter angiebt. Ich bin nach diesen Angaben nicht zweifelhaft,
dass der Fund in der Weissbach aus der Oolithbank a stammt,
und vermuthe dasselbe auch bei der Terebratel von Welkershausen,
obwohl mit dieser Ansicht die angegebene Höhe der Fundstelle
über der unteren Wellenkalkgrenze allerdings nicht gut überein-
stimmt, will jedoch die Möglichkeit, dass die Versteinerung auch
in einem tieferen Horizonte gelegen haben könne, nicht als ganz
und gar ausgeschlossen bezeichnen.
Wenn dagegen II. Emmrioh 1 2) im Jahre 1868 seine Oolith-
bank zur Terebratelzone rechnete, so scheint dies mir in Folge
1 ) Programm der Realschule zu Meiningen vom Jahre 1879.
2) Desgleichen vom Jahre 1868.
158
W. Frantzen, Terebratula Ecki nov. sp.
eines Irrthums geschehen zu sein; denn im Jahre 1873 trennte er
sie wieder davon ab *) und sagte seihst, dass er die Oolithbank
bei Abfassung des Programmes von 1868 noch mit den Terebratel-
bänken »zusammengeworfen« habe, und erst durch Einträgen ihrer
Verbreitungslinien in die Specialkarte im Maassstabe von 1 : 25 000
auf ihre scharfe Sonderung' geführt worden sei. Von Terebrateln
im unteren Weilenkalk erwähnt er selbst in seinen Schriften nichts.
Ebenso wie von H. PröSCHOLDT waren auch von mir in den
letzten Jahren hie und da Terebrateln in den Wellenkalkschichten
unter den Terebratelbänken beobachtet worden. Selten und nur
in wenigen, leicht aufzuzählenden Exemplaren fand ich sie in
Emmrich's Oolithbank, und zwar ein solches Exemplar in einem
Steinbruche der Gemeinde Melkers, ein Paar andere südwestlich
von Rohr, ferner bei demselben Orte am Lambertsberge eine Platte
aus dem unmittelbaren Hangenden der Oolithbank ß mit vier
Exemplaren auf ihrer Oberfläche, und endlich einige Terebrateln
südlich von Kühndorf, auch bei diesem Orte in einem dünnen
Kalkplättchen gleich über der eigentlichen Oolithbank. Viel häufiger,
als in diesem Horizonte, wurden sie an verschiedenen Punkten in
der Umgegend von Meiningen auch in einer harten, blauen Kalk-
bank, an anderen Orten in einer Bank von mehr oder weniger
oolithischer Beschaffenheit, stets in einem Niveau, nicht besonders
tief unter der Oolithbank Emmrich's von mir angetroffen.
Alle diese Funde gewannen an Bedeutung, als durch H. Eck's
Arbeiten* 2) im schwäbischen unteren Muschelkalk die Existenz
zweier Schichten mit Terebrateln in grossem Abstande von einander
und ferner eine Verschiedenheit der Form der letzteren je nach
ihrem Lager nachgewiesen worden war. Es lag die Vermuthung
nahe, dass die Verhältnisse bei Meiningen ähnliche sein möchten.
Meine Untersuchungen über diesen Gegenstand führten zu dem
Resultate, dass alle mir früher bekannt gewordenen Fundstellen
unter der Oolithbank ß sämmtlieh einer und derselben Bank,
nämlich der Oolithbank a angehören, und dass Terebrateln hier
x) Programm der Realschule zu Meiningen vom Jahre 1873.
2) H. Eck, Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XXXII, Heft II.
und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen.
159
gar nicht selten sind, vielmehr überall darin Vorkommen, an ein-
zelnen Stellen selbst in recht grosser Zahl, so' dass man die Oolith-
bank a. in der That geradezu als das untere Hauptlager von Tere-
brateln, aus welchem sie, wie oben schon angegeben wurde, nur
in wenigen Exemplaren auch in die Oolithbank ß hinaufgehen,
bezeichnen kann. Ferner konnte ich constatiren, dass die er-
wähnten Petrefacten in ihrer Beschaffenheit mit den gleichen Ver-
steinerungen aus dem unteren schwäbischen Terebratelhorizonte
Eck’s genau übereinstimmen.
Obwohl bereits durch den eben genannten Forscher auf die
Verschiedenheit der Form der Terebrateln in verschiedenen Ho-
rizonten des Muschelkalks hingewiesen worden ist, so möchten
doch weitere Mittheilungen über diese Verhältnisse in der hiesigen
Gegend nicht ganz ohne Interesse sein.
Alle bis jetzt von mir untersuchten Terebrateln aus den
hiesigen Oolithbänken a und ß zeigen ebenso wie die Terebrateln
aus der unteren Terebratelschicht Eck’s im schwäbischen unteren
Muschelkalk keine Spur von Rinne unter dem Wirbel der Rücken-
schale, während dieselbe auch bei Meiningen den Terebrateln der
oberen Abtheilung des unteren Muschelkalks niemals fehlt, weder
den jungen noch den alten. Ueber die Beschaffenheit der Tere-
brateln im oberen Muschelkalk in Bezug auf die Rinnenbildung
hat H. Eck in seiner bereits citirten Arbeit hervorgehoben, dass
sich hier die Rinne gewöhnlich ebenfalls vorfindet und nur bei
alten Exemplaren zuweilen blos in Spuren oder kaum vorhanden
ist. Es existirt also nach TI. Eck zwischen den Terebrateln des
oberen Muschelkalks und den Terebrateln seiner unteren Terebratel-
schicht im württembergischen unteren Muschelkalk in Bezug auf
die Rinne der Unterschied, dass, während dieselbe bei den Exem-
plaren aus dem oberen Muschelkalk wenigstens in der Jugend
immer ausgebildet ist, sie bei den Terebrateln des unteren Tere-
bratelhorizontes überhaupt in keinem Stadium der Lebensdauer
vorkommt. Dieselben Verhältnisse zeigen auch die Terebrateln
der hiesigen Gegend. Sehr ausgezeichnet finde ich die Rinne
auch an der Meinen Terebratula vulgaris var. cycloides aus den
Nodosenschichten.
160
W. Frantzen, Terebratula Ecki nov. sp.
In gleicher Weise, wie in Württemberg im unteren Muschel-
kalk die Terebrateln der unteren Terebratelschicht sich durch ihre
geringe Grösse von den Exemplaren aus der oberen Terebratel-
schicht unterscheiden, ist dies auch bei Meiningen bei den Tere-
brateln aus den Oolithbänken und den gleichen Versteinerungen
aus der oberen Abtheilung des Wellenkalks der Fall. Die letzteren
sind mit den Terebrateln aus der oberen Terebratelschicht Württem-
bergs vollständig identisch.
Indem ich umstehend in einer Tabelle die Maasse verschie-
dener Terebrateln aus dem unteren Terebratelhorizonte bei Mei-
ningen und aus Württemberg beifüge, bemerke ich über die Grösse
dieser Versteinerungen weiter, dass das grösste Exemplar, welches
ich hier in der Oolithbank « aufgefunden habe, nur 19 Millimeter
Länge hat, während bei den Terebrateln des oberen Wellenkalks
in hiesiger Gegend Längen von 30 Millimeter keine Seltenheiten
sind. Gewöhnlich erlangen die Terebrateln der Oolithbänke nur
eine Grösse von 15 bis 17 Millimeter.
Das Verkältniss der Länge des Gehäuses zur Breite ist bei
diesen Versteinerungen sehr variabel. Man findet bei einem grossen
Theile derselben Formen, welche viel länger als breit, einen ovalen
oder seltener auch wohl einen abgerundet - pentagonalen Umriss
zeigen, so besonders Lei den Terebrateln mit Wülsten auf der
Rückenschale. Zu solchen Typen gehören die Exemplare unter
der No. 1 und 2 der Tabelle. Ein anderer Theil hat breite Ge-
häuse, wie das Exemplar unter No. 4. Die Breite wird bei ihnen
der Länge fast gleich. Der Unterschied zwischen breiten und
schlanken Formen ist jedoch kein durchgreifender; vielmehr gehen
sie in einander über. Die Terebratel unter No. 3 der Tabelle
gehört zu solchen Uebergangsformen.
Aus der mitgetheilten Tabelle ist zu ersehen, dass mit der
verhältnissmässig grösseren Breite im Allgemeinen auch der Schnabel-
winkel wächst. Während er bei einem meiner schlankesten Gehäuse
aus hiesiger Gegend bis auf 61 Grad herabsinkt, wird er bei den
breiten Terebrateln zu einem rechten.
Eine ganz extreme Gestalt zeigen die Exemplare, deren Maasse
unter No. 6 und 7 angegeben sind; die beiden Stücke stammen
und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen,
161
11
Bemerkungen. Die Exenrplare unter No. 1 bis 5 incl. stammen aus der Oolithbank a bei Meiningen, die unter No. 6
und 7 aufgeführten aus der unteren Terebratelschicht des unteren Muschelkalks bei Aach unweit Freudenstadt in Württemberg.
Die ersten 6 Ziffern bei jeder No. geben in der oberen Horizontalreihe die Maasse in Millimeter, in der unteren die
Verhältnisszahlen der übrigen Dimensionen zur Länge der Bauchschale, diese gleich 100 gesetzt.
162
W. Fkantzen, Terebratula Ecki nov. sp.
allerdings nicht aus dem hiesigen, sondern aus dem süddeutschen
unteren Muschelkalk bei Aach. Bei einem massig grossen Schnabel-
winkel werden sie in den äusseren Umrissen einem an den Ecken
abgerundeten gleichseitigen Dreieck ähnlich. Die Breite übert rillt
bei dem Exemplare unter No. 7 sogar die Länge des Gehäuses,
wenn auch nur wenig. Auch darin weichen die erwähnten beiden
Stücke von dem gewöhnlichen Habitus der in Rede stehenden Te-
rebrateln ab, dass bei ihnen die grösste Dicke ungewöhnlich weit
vom Wirbel ab gegen den Stirnrand hin gerückt erscheint. Bei
den meisten Exemplaren liegt dieselbe nicht in der Mitte des Ge-
häuses, sondern etwas näher zum Schnabel hin. Hierdurch unter-
scheiden sich diese Terebrateln von der Terebratula vulgaris des
oberen Wellenkalks, bei welcher die grösste Dicke in der Mitte
des Gehäuses liegt.
Die grösste Breite desselben befindet sich an den bisher von
mir in den Oolithbänken aufgefundenen Terebrateln zuweilen in
der Mitte, gewöhnlich aber etwas davon entfernt nach dem Stirn-
rande hin.
Ueber den bei manchen Terebrateln an der Rückenschale aus-
gebildeten Wulst bemerkt H. Eck in seiner bereits citirten Ab-
handlung, dass bei den meisten Terebrateln des unteren Horizontes
davon nichts zu finden sei. Auch in dieser Hinsicht gleichen die
Terebrateln der hiesigen Oolithbänke den schwäbischen vollkommen;
sie sind aussergewöhnlich ganz glatt. Von allen meinen aus hiesiger
Gegend stammenden Exemplaren hat nur ein einziges von 1 5 1/2 Milli-
meter Länge einen gut ausgebildeten Wulst. Man kann ihn vom
Stirnrande ab auf 6 Millimeter Länge nach dem Schnabel hin ver-
folgen. Die Bauchschale zeigt dagegen keine Spur einer der Auf-
wulstung der Rückenschale entsprechenden Depression; sie bleibt
völlig glatt.
Auch im unteren Terebratelhorizonte des württembergischen
unteren Muschelkalks sind Exemplare mit einem Widste an der
Rückenschale nicht häufig. Unter 293 Stück, welche ich in der
Umgegend von Aach und Rohrdorf in Württemberg sammelte,
befinden sich nur 6, welche einen deutlichen Wulst haben und
und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen.
163
nur ein Paar andere, an denen noch schwache Andeutungen von
Kanten zu sehen sind.
Das Vorhandensein des Wulstes ist unabhängig von der äusse-
ren Form; ich finde ihn an schmalen und breiten, an grösseren
oder kleineren Exemplaren. Die Kanten, welche in Folge der
Aufwulstung auf der Rückenschale entstehen, lassen sich zuweilen
vom Stirnrande bis hart an den Wirbel verfolgen. Bei einer Te-
rebratel von 17,2 Millimeter Länge sieht man sie vom Stirnrande
convereirend nach dem Wirbel hin laufen und bei etwa 11,8 Milli-
<D '
meter Abstand verschwinden. Alan darf aus diesen Verhältnissen
scliliessen, dass die Ausbildung des Wulstes zuweilen schon in
ganz früher Jugend begann, bei anderen Individuen erst viel später,
bei den meisten aber gar nicht.
Der Winkel, unter welchem die Seitenkanten des Wulstes
convergiren, ist verschieden; bei den breiten Exemplaren ist er
breiter, bei den schlanken schmäler. So zeigt z. B. ein schmales
Gehäuse einen Winkel der Wulstkanten von 18, ein ganz breites
aber einen solchen von 34 Grad.
Ich habe bereits oben erwähnt , dass das einzige in hiesiger
Gegend von mir im unteren Terebratelhorizonte aufgefundene Exem-
plar mit Wulst keine demselben entsprechende Depression der
Bauchschale zeigt. Bei meinen in Württemberg gesammelten
Terebrateln ist es gewöhnlich ebenso. Nur ein einziges grosses
Exemplar von 20 Millimeter Länge, an welchem die Kanten des
Wulstes bis auf 6 Millimeter Entfernung vom Deltidium besonders
scharf ausgebildet sind, hat auf der Bauchschale 2 mit den Kanten
des Wulstes correspondirende, ziemlich tief eingeschnittene Furchen,
innerhalb welcher die Schale sich jedoch nicht senkt. Ich be-
merke dazu, dass eine Terebratula vulgaris aus dem Trochitenkalke
bei Rohr (Section Aleiningen) bei ungewöhnlich starker Ausbildung
des Wulstes an der Rückenschale ebenfalls tiefe Furchen auf der
Bauchschale besitzt.
Den verschiedenen äusseren Formen der Klappen entspricht
auch ein verschiedener Verlauf des äusseren Randes derselben.
Die schlanken Exemplare zeigen gewöhnlich eine sanfte Aufbiegung
des Stirnrandes der Rücken klapp e , an deren Seiten sich da, wo
11*
164
W. Frantzen, Terebratula Ecki nov. sp.
bei den Terebrateln mit Wulst die Seitenkanten desselben auf
den Stirnrand treffen, eine geringe Depression des Randes der
Rückenklappe vorfindet. Die eben erwähnte und bei den meisten
Exemplaren vorhandene Aufbiegung des Stirnrandes der Rücken-
klappe nimmt bei anderen sehr ab, verschwindet bei einzelnen
auch wohl ganz und gar, so dass der Stirnrand dann mit den
Seitenwänden in einer Ebene liegt.
Die bereits wegen ihrer ungewöhnlichen Gestalt und grossen
Breite erwähnte, unter No. 7 der Tabelle aufgeführte Terebratel
von Aach ist auch durch eine ungewöhnlich grosse Breite und
Höhe der Aufbiegung des vorderen Stirnrandes ausgezeichnet.
Der Bau des Gerüstes im Innern der Schale lässt sich zwar
nicht genau untersuchen, möchte aber von demjenigen der gewöhn-
lichen Terebratula vulgaris schwerlich verschieden sein. H. Eck
sali an württembergischen Stücken hie und da das Septum durch-
schimmern; bei den hiesigen kann man es ebenfalls zuweilen be-
obachten, daneben die kurzen Zahngrubenwände. Bei dem Exem-
plar No. 1 der Tabelle sieht man die letzteren in einer Länge
von 2, das erstere in einer Länge von 6,3 Millimeter sehr deutlich.
Wird die Schale der Klappen abgesprengt , wie dies beim
Zerschlagen des harten Gesteines der Oolithbank a sehr oft ge-
schieht, so bemerkt man zuweilen an einzelnen dieser Steinkerne
in der Medianebene der Rückenklappe eine äusserst schwache Ein-
senkung an derselben Stelle, wo die Terebrateln des oberen Wellen-
kalks aussen die Rinne unter dem Wirbel zeigen. Sie hat jedoch
mit der letzteren nichts zu thun und ist lediglich eine Folge der
Verdeckung der Schale in der Nähe des Septums.
Von den Gefässen des Tliicres herrührende Eindrücke finde
ich an den meisten Exemplaren aus der Oolithbank « nicht; nur
ein einziger Steinkern, von welchem jedoch blos die obere Hälfte
erhalten ist, zeigt in der Medianebene der Bauchschale eine
schmale Rinne, welche sich von der abgebrochenen Stelle bis halb-
wegs zum Wirbel verfolgen lässt. Die württembergischen Tere-
brateln eignen sich zu solchen Beobachtungen wenig, weil ihre
Schale gewöhnlich erhalten ist und sich auch nicht leicht entfernen
lässt. —
und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen.
165
Es ist bemerkenswerth, dass, an der Terebratula vulgaris aus
dem oberen Terebratelhorizonte des Wellenkalks mehr oder weniger
deutlich solche Rinnen sehr häufig, vielleicht immer Vorkommen.
Schlecht erhalten finde ich sie an einem solchen Exemplare von
Aach; sehr deutlich und oft vom Wirbel bis zum Stirnrande laufend
an einer ganzen Reihe von Steinkernen aus der hiesigen Gegend.
Neben der Rinne in der Medianebene liegt an jeder Seite vom
Wirbel der Bauchschale noch eine kurze, so dass beide gegen
den Wirbel hin etwas convergiren. Diese Seitenrinnen sind eben-
falls schmal, nicht tief und erreichen vom Wirbel nur etwa ^4 der
Schalenlänge.
Es ist bereits von H. Eck darauf hingewiesen worden, dass,
falls die dort von ihm erörterten Verhältnisse sich auch für andere
Gegenden bestätigen sollten, er eine Auszeichnung der Terebratel
des unteren Terebratelhorizontes im unteren Muschelkalk als Va-
rietät der Terebratula vulgaris für erlaubt halte. Nachdem von mir
hier in so weiter Entfernung von den württembergischen Fund-
stellen dieselbe Versteinerung in grosser Zahl, in besonderem Lager
und unter ähnlichen Verhältnissen aufgefunden worden ist, möchte
es sich empfehlen, der von Herrn Eck zuerst unterschiedenen und
beschriebenen kleinen Terebratel aus dem unteren Muschelkalk
einen besonderen Namen zu geben. Ich erlaube mir daher den
Vorschlag, dieselbe zu Ehren des um die Kenntniss des Muschel-
kalks so hoch verdienten Forschers Terebratula Ecki zu nennen.
Ob man die Terebratula Ecki nur als Varietät der Terebratula
vulgaris , wie es anfangs von Herrn Eck selbst geschah, aufzufassen
habe, oder ob man bei unserer erweiterten Kenntniss der Verhält-
nisse nicht noch einen Schritt weiter gehen und sie als besondere
Species auffassen müsse, hierüber äussert sich Herr Eck in einer
an mich gerichteten brieflichen Mittheilung , aus welcher ich den
betreffenden Passus zum Abdruck bringe, sehr treffend in folgender
W eise :
»Was die Frage: Varietät oder Art? betrifft, so bin ich heute
durchaus nicht mehr zweifelhaft darüber, dass man es mit einer
selbstständigen Form zu thun hat. Als ich dieselbe beschrieb,
kannte man sie mit Sicherheit nur von liier, und wenn sie sich
166
W. Fp.antzbn, Terebratula Ecki nov. sp.
auch hier dem Lager nach von . der Terebratula vulgaris getrennt
hielt, wäre es doch möglich gewesen, dass sie sich anderswo mit
der letzteren zusammen gefunden hätte; deshalb bezeichnete ich
sie vorsichtigerweise vorläufig mit Terebratula vulgaris var. Nach-
dem sie sich jedoch mit den nämlichen Charakteren und in ähn-
lichem Lager anderswo gleichfalls getrennt von Terebratula vulgaris
gefunden hat, kann man sie wohl nicht mehr als Varietät, d. h.
als gleichzeitig lebende Abänderung, sondern (die Gleichheit des
innereren Gerüstes vorausgesetzt) höchstens die Terebratula vul-
garis als Mutation jener, d. h. als verschiedenartige Abänderung
auffassen, und in solchem Falle hat man bis jetzt und mit Recht
immer eine selbstständige Bezeichnung gewählt « .
Um das Lager der Terebratula Ecki mit dem gleichen Hori-
zonte an anderen Orten vergleichen zu können, erscheint es zweck-
mässig, zunächst auch über die Beschaffenheit der beiden Oolith-
bänke a und ß und ihre Lage im Schichtenverbande einige Mit-
theilungen zu machen.
Die Oolithbank ß, der »Oolith« Emmrich’s ist eine von zahl-
reichen kleinen Oolithkörnern angefüllte mächtige Kalkbank. Die
einzelnen Oolithkörner zeichnen sich ebenso wie die Oolithkörner
der unteren Schaumkalkbank im oberen Wellenkalk durch ihre
Kleinheit und durch die grosse Gleichmässigkeit der gewöhnlich
runden oder doch der Kreisform sich nähernden Körner aus. Sie
unterscheiden sich dadurch auffällig von den Oolithen der Tere-
bratelbänke , die sehr gewöhnlich neben mehr oder weniger runden
Körnern in grosser Zahl auch solche enthalten, welche sehr viel
mal länger als breit sind, und zuweilen nur wenig durch Wellen-
schlag abgerundeten Gesteinsfragmenten gleichen. Die Farbe des
Gesteins ist in Folge der Umwandlung des kohlensauren Eisen-
oxyduls in Eisenoxydhydrat über Tage überall ockergelb.
Wie alle Oolithe des unteren Muschelkalks zeigen auch die
einzelnen Oolithkörner dieser beiden Bänke keine radialfaserige
Zusammensetzung, während sie auffallender Weise bei den Oolithen
in der Oolithzone des Trochitenkalks im oberen Muschelkalk Regel
ist und weit verbreitet zu sein scheint. Ich beobachtete die radial-
faserige Structur der Oolithkörner in dieser Zone nicht blos hier,
und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen.
167
sondern auch in der Rhön, ebenso nördlich vom Thüringer Walde,
z. B. am Horstberge bei Mihla (Section Berka).
Jedes Oolithkorn der Oolithbank ß besteht aus einem oder
mehreren Krystalloiden mit verschiedener Lage der Krystallaxen.
Die Kryställchen der Oolithkörner sind sehr oft erheblich grösser,
als diejenigen, welche die Grundmasse bilden. Die Grösse der
Oolithkörner beträgt gewöhnlich 0,18 bis 0,24 Millimeter im Durch-
messer.
Die Oolithbank ß gehört zu den mächtigsten Bänken des
Wellenkalks in hiesiger Gegend und wird in dieser Hinsicht nur
durch die untere Terebratelbank und durch die untere Schaum-
kalkbank im oberen Wellenkalk übertroffen. Das Liegende der
eigentlichen Oolithbank besteht gewöhnlich aus einer oder mehreren
festen, harten, blauen Kalkbänken von bedeutender Mächtigkeit.
Sie eignen sich daher zu Bausteinen und werden zu diesem Zwecke
mit dem Gesteine der oolithischen Schichten zuweilen gebrochen,
so bei Melkers und Helba. Aehnliche feste, blaue, ebenflächige
Kalkbänke bilden bei Meiningen gewöhnlich auch das Liegende
der übrigen oolithischen oder schaumigen Schichten des Wellenkalks.
Wo die Oolithbank verdrückt erscheint , oder wie dies auch wohl
vorkommt, einmal ganz verschwindet, wie es hie und da am rechten
Ufer der Werra zwischen Grinnnenthal und Meiningen der Fall
ist, sind gewöhnlich die liegenden blauen Bänke vorhanden und
können dann bei der Aufsuchung der Bank leiten. Nur an wenigen
Stellen, so an den Thonköpfen bei Meiningen scheinen auch diese
zu fehlen. Als ein Beispiel ihrer gewöhnlichen Mächtigkeit gebe
ich eine Messung: der Bank in dem Steinbruche der Gemeinde
Melkers an dem zwischen Eutel und den Melkerser Felsen von
der Hassfurt nach Melkers führenden Wege. Die eigentliche,
zahlreiche Oolithkörner enthaltende gelbe Oolithbank besteht hier
aus 2 Packen; der obere 0,34, der untere 0,55 bis 0,65 Meter
stark, beide getrennt durch eine 0,015 Meter dicke Thonlage.
Darunter folgt, durch ein Lösen oder einen Thonstreifen von der
Oolithbank geschieden, eine Bank von 0,48 Meter aus hartem, eben-
flächigem, blauem Kalk bestehend ; darunter noch eine zweite von
derselben Beschaffenheit und von 0,40 Meter Dicke.
168
W. Frantzen, Terebratula Ecki nov. sp.
An Petrefacten ist die Oolithbank ß nicht besonders reich,
weder an Arten noch an Individuen. Neben der sehr seltenen
Terebratula Ecki bildet sich der Pecten Albertii öfters darin; ausser-
dem sind besonders noch die Myophoria elegans, deren schöne Er-
haltung in dieser Bank schon Emmrich rühmt, und in gleicher
Beziehung auch Myophoria laevigata als häufiger vorkommende
Petrefacten zu nennen. Encrinitenstiele sind in der Bank gewöhn-
lich nicht vorhanden; doch kommen sie an anderen Orten zuweilen
sparsam darin vor und nur an wenigen Stellen auch in grösserer
Zahl, wie z. B. südlich von Kühndorf (Section Wasungen).
Eine Messung in der Weissbach bei Meiningen ergab eine
Höhe der Unterkaute der Oolithbank ß über den gelben Kalken
an der Basis des Wellenkalks von 119 preussischen Decimalfuss
oder von 44,80 Meter.
Die Oolithbank 7 liegt bei Meiningen gewöhnlich 20 Dec.-
Fuss — 7,53 Meter unter der Unterkante der Oolithkante der
Oolithbank ß. Emmrich erwähnt sie auf pag. 6 des Programmes
der Realschule zu Meiningen vom Jahre 1873 lediglich als eine
feste, blaue Kalkbank. In solcher Gestalt erscheint sie bei Meiningen
an vielen Stellen; an anderen wird wenigstens, und zwar sehr
häufig, ihr oberster Theil oolithisch, so am Eschberg bei Walldorf,
am Schneeberg bei Metzels und an zahlreichen Punkten der Hass-
furt. In der ganzen Mächtigkeit von Oolithkörnern angefüllt, findet
man sie nur selten, so in den Bergen bei Neubrunn, an mehreren
Punkten der Section Helmershausen und besonders ausgezeichnet
an dem bereits oben erwähnten Fusswege durch die Hassfurt nach
Melkers. An letzterer Stelle lagert 10 Meter unter der Oolith-
bank ß, tiefer als ich sie sonst hier irgendwo traf, auf einer festen
blauen Kalkbank, von gelben Oolithkörnern ganz angefüllt die
Oolithbank 7 in einer Mächtigkeit von 0,62 Meter; darüber folgen
Wulstkalke, ebenfalls etwas oolithisch, wechselnd mit thonigen
Mergelstreifen, 0,32 Meter mächtig; noch höher 0,42 Meter feste
ebenflächige Sandbänkchen. Eine so grosse Mächtigkeit erreicht
die Bank gewöhnlich aber nicht ; gewöhnlich ist sie nicht viel über
Fuss dick. Am Eschberg (Section Wasungen) besteht sie z. B.
aus einer 0,38 Meter starken, blauen, oben in Oolith übergehenden
und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen.
169
Kalkbank. Darüber liegen 0,17 Meter dicke, gelbliche, mürbere
Kalkschiefer, welche, wie an vielen anderen Orten von festen blauen,
geradschiefrigen Kalkbänkchen, hier von 0,45 Meter Gesammt-
mächtigkeit bedeckt werden.
Die eben erwähnten gelblichen, oft festeren, oft aber auch
ziemlich mürben, wenig mächtigen Schichten unmittelbar im Han-
genden der Oolithbank a sind dadurch ausgezeichnet, dass in ihnen
die Terebratula Ecki ebenso vorkommt , wie auch in der Oolith-
bank 7. selbst; man findet an ihnen diese Versteinerung zuweilen
sogar in viel grösserer Zahl, als in der letzteren, und kann sie da,
wo die gelben Schichten mürber werden, leichter in unbeschädig-
tem Zustande daraus sammeln.
Die Oolithkörner der Oolithbank a sind ebenfalls gewöhnlich
ockerfarbig, wie diejenigen der oberen Bank; nur an wenigen
Stellen werden sie etwas lichter. Zuweilen findet man unter einer
gelben oolithischen Verwitterungsrinde auch wohl noch den unver-
witterten blauen Kern. Die Grösse der einzelnen Körner mag
etwa 0,20 Millimeter betragen; sie sind gewöhnlich rund und
gleichinässig , wie in der oberen Oolithbank. An anderen Orten
jedoch, wie z. B. am Eschberge, sind neben den runden zuweilen
auch solche Körner in mehr oder weniger grosser Zahl vorhanden,
welche erheblich, sogar 4 oder 5 mal länger als breit sind.
An Petrefacten ist neben der Terebratula Ecki besonders das
häutige Vorkommen von Limen, in den beiden Formen der Lima
Uneata und radiata , in breiten oder schmäleren Exemplaren zu er-
wähnen. Ausserdem findet man darin öfters den Turbo gregorius ,
sparsamer Tellinites anceps , Chemnitzia obsoleta und andere im
Wellenkalk weit verbreitete und darum auch ziemlich gleichgültige
Dinge. Encrinitenstiele kommen oft darin vor; einzelne Platten
sind auf ihrer Oberfläche zuweilen ganz davon bedeckt. Von
solchen Fundpunkten, wo ich in dieser Bank die Terebratida Ecki
in grösserer Zahl traf, erwähne ich beispielsweise die Stelle bei
Grenzstein No. 37 in den »Diemar’schen Schlägen« in der Hass-
furt, eine andere Stelle bei Stein No. 72 in der Streitleite, die Um-
gebung des Walldorfer Kopfes und besonders auch die Berge bei
Neubrunn. An anderen Orten ist die Versteinerung jedoch zu-
170
W. Frantzejj, Terebratula Ecki nov. sp.
weilen nur spärlich vorhanden, so z. B. in den Bergen zwischen
Walldorf und Metzels (Sect. Wasungen); doch habe ich noch
nirgends vergeblich nach ihr gesucht. Allerdings macht es bei
Meiningen mehr Mühe, wie in Württemberg, sich eine grössere
Anzahl guter Exemplare zu verschaffen; denn einmal ist das Bänk-
chen nur dünn und daher nur an nackten Felsen gut aufgeschlossen;
dann aber ist das Gestein gewöhnlich auch sehr hart, so dass die
herausgeklopften Terebrateln gewöhnlich nur Bruchstücke bilden
oder auch nur als Steinkerne aus dem festen Materiale heraus-
springen. Ausgewitterte, ganz unbeschädigte Exemplare habe ich
nur in wenigen Stücken finden können. Wären die Verhältnisse
hier wie in Württemberg und zerfiele die Oolithbank a hier eben-
so in mergelige Erde, wie dies bei der unteren Terebratelschicht
bei Aach und Rohrdorf der Fall ist, so würde man die in Rede
stehende Versteinerung hier gewiss in eben so grosser Anzahl wie
dort sammeln können; auch wäre in diesem Falle ihr Lager sicher-
lich nicht so lange verborgen geblieben.
o O O
Das Zwischenmittel zwischen den Oolithbänken v. und ß ist
bei Meiningen gewöhnlicher blauer Wellenkalk. Nur die gelb-
lichen, zuweilen etwas mürben und mergeligen Kalke im unmittel-
baren Hangenden der Oolithbank a, welche sich etwas höher hie
und da in Spuren wiederholen, erinnern an die durch Eisenoxyd-
hydrat gefärbten Schichten, welche diesen Horizont nördlich vom
Thüringer Walde kennzeichnen1).
D ie Bezeichnung der beiden Oolithbänke mit den Buchstaben
o. und ß habe ich den von der Königl. Preussiselien geologischen
Landesanstalt herausgegebenen geologischen Karten, auf welchen
nördlich vom Thüringer Walde2) die untersten beiden Schaum-
kalkbänke mit den gleichen Buchstaben bezeichnet sind, entnommen.
Ueber die Identität der genannten Schichten kann bei dem gleich-
förmigen Aufbau aller oder doch fast aller mächtigeren Bänke im
unteren Muschelkalk, überall mit gleichen Eigenschaften und Pe-
trefacten, kein Zweifel sein. Die Oolithbank a liegt bei Meiningen
x) Fr. Moesta, Erläuterungen zu Blatt Netra.
2) Blatt Netra.
und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen.
171
in demselben Abstande von der Oolithbank ß , in welchem auch
nördlich vom Thüringer Walde die Schaumkalkbank ß über die.
Schaumkalkbank a vorkommt. So liegt z. B. bei Kreuzburg an
der Werra die letztere nach meiner Messung 20,6 Dec. -Fuss =
7,7 Meter unter der ersteren. Die ganze Differenz in der Ent-
wickelung der Oolithbank a hier und dort ist nur die, dass die
Bank hier gewöhnlich etwas dünner ist, und meistens weniger
Oolithkörner enthält, wie nördlich vom Thüringer Walde.
Wenn Id. Proscholdt1) dagegen die Behauptung aufstellt,
dass die »im Werrathale, in der dihön, in Hessen und bei Arnstadt
vorkommende Oolithbank« sich im westlichen Nordthüringen durch
Einlagerung von Wellenkalk in 2 oolithische Bänke spalte und auf
diese Weise »ein 25 Fuss breites Band« entstehe, so muss ich
dieselbe als thatsächlich unbegründet und irrig bezeichnen.
Wenn auch mit gleicher Bestimmtheit die Identität der un-
teren Terebratelschicht im unteren Muschelkalk Württembergs mit
der Oolithbank a nicht bewiesen werden kann, weil die Terebratula
Ecki bei Meiningen nicht blos in einer einzigen Schicht gefunden
wird, sondern auch, wenn auch nur in wenigen Exemplaren, nach
oben hin in die Oolithbank ß hinaufreicht, und ihr Horizont auch
nach unten hin vielleicht noch erweitert werden müsste, wenn die
von H. Loretz 2) bei Schalkau am südlichen Thüringer Walde
8 bis 10 Meter über der unteren Wellenkalkgrenze aufgefundenen
Terebrateln mit Terebratula Ecki identisch sein, und ihr Lager
noch unter der Oolithbank a liegen sollte, so ist sie doch sehr
wahrscheinlich. Dafür spricht neben der Häufigkeit der erwähnten
Versteinerung in der Oolithbank a und in der unteren württem-
bergischen Terebratelschicht auch die Lage der beiden Bänke im
Schichtenverbande. In Württemberg liegt nach II. Eck die untere
Terebratelschicht fast genau in der Mitte zwischen der unteren
Grenze des Muschelkalks und der Schicht mit Terebratula vulgaris
in der oberen Abtheilung desselben. Hier in Meiningen ist dies
B Programm der Realschule zu Meiningen 1879, pag. 9 ff.
2) H. Loretz, Notizen über Buntsandstein und Muschelkalk in Südthüringen,
abgedruckt im Jahrbuche der Königl. preuss. geol. Landesanstalt pro 1880.
172
W. F rantzen , Terebratala Ecki noy. sp.
ebenso; denn die Oolithbank a. liegt 99 Dec.-Fuss = 37,27 Meter
über der unteren Wellenkalkgrenze und 91 Dec.-Fuss = 34,26 Meter
unter der unteren Terebratelbank.
Für die Untersuchung der vorliegenden Frage ist ferner das
Vorkommen des Ammonites Buchi in dem Mittel zwischen den
beiden Oolithbänken nicht ohne Bedeutung. In diesem Niveau
fand ich den erwähnten Ammoniten in 43/4 Meter Höhe unter der
Oolithbank ß, allerdings nur ein einziges Exemplar. Wenn nun
diese Versteinerung, immer einzeln und selten hier auch in den
Schichten des unteren Wellenkalks unter der Oolithbank a und
von II. I jORETZ *) am südlichen Thüringer Walde sogar schon in
den Rötlikalken beobachtet worden ist, so hat der Fund bei Wel-
kershausen doch aus dem Grunde einige Wichtigkeit, weil auch
an anderen Orten der Ammonites Buchi über der untersten Schaum-
kalkbank vorkommt. So ist er nach II. Eck* 2) bei Rüdersdorf nur
wenige Fuss über der untersten Schaumkalkbank beobachtet worden.
Die letztere liegt dort 246 Fuss über der unteren Muschelkalk-
grenze und 170 Fuss 4 Zoll unter den Schichten mit Terebratula
vulgaris , also auch nicht übermässig weit von der Mitte zwischen
beiden Horizonten entfernt. In Württemberg liegt die Schicht mit
Ammonites Buchi nach demselben Forscher3) nur wenige Fuss über
der Schicht mit Terebratula Ecki.
Aus diesen Untersuchungen über die Petrefacten, über die
stratigraphischen und petrographischen Verhältnisse der betreffen-
den Bänke geht hei'vor, dass man mit genügender Sicherheit die
hiesige Oolithbank a, welches die unterste der sogenannten Schaum-
kalkbänke im hiesigen Wellenkalk ist, die unterste Schaumkalk-
bank im unteren Muschelkalk bei Rüdersdorf und in Norddeutsch-
land überhaupt und endlich die untere Terebratelschicht im unteren
Muschelkalk Württembergs als gleichzeitige Ablagerungen betrach-
ten darf.
Mit diesem Horizonte fällt in Norddeutschland die zur Glie-
derung des unteren Muschelkalks in eine obere und untere Ab-
x) H. Loretz, a. a. 0. S. 144.
H. Eck, Rüdersdorf und Umgegend S. 62.
3) H. Eck, a. a. 0. S. 42.
und das Lager dieser Versteinerung bei Meiningen.
173
theiluns: gezogene Grenze zusammen, während sie für die geolo-
gische Kartimng an der Ostseite des Thüringer Waldes bei Jena,
und an seiner Westseite bei Meiningen erst bei der ersten Bank
mit Terebratula vulgaris in viel höherem Niveau angenommen
wird. Wenn auch bei einer geologischen Landesuntersuchung?
welche speciellere Zwecke, wie rein wissenschaftliche Untersuchun-
gen zu verfolgen hat, es unthunlich sein mag, überall denselben
Horizont zur Gliederung eines Schichtensystems zu benutzen, schon
aus dem Grunde, weil nur mächtigere Bänke und leicht in die
Augen fallende Schichten - Complexe mit genügender Sicherheit
verfolgt werden können, so wäre es zur Vermeidung von Miss-
verständnissen doch sehr wünschenswerth, wenn wenigstens in der
Literatur eine gleichförmigere Theilung des unteren Muschelkalks,
als bisher angenommen und die Grenze überall, wo es angeht, bei
der untersten schaumigen oder oolitliischen Bank gezogen würde.
Seitdem der gleiche Horizont auch in Süddeutschland mit ge-
nügender Sicherheit feststeht, würde durch Verlegung der übrigens
auch durch Herrn Eck nur als provisorisch bezeichneten Grenze
zwischen der oberen und unteren Abtheilung des unteren Muschel-
kalks in Süddeutschland nach der Schicht mit Terebratula Ecki
eine, wenn auch vielleicht nicht ganz genaue, aber doch genügende
Uebereinstimmung in der Gliederung; des Wellenkalks in den ver-
schiedenen Gegenden erzielt werden können.
Erklärung der Tafel 5.
Fig. 1. Terebratula Ecki sp. n. (schmaler Typus) aus der Oolith-
bank u von der Streitleite bei Meiningen in natürlicher Grösse.
Original in der Sammlung der Königlichen Bergakademie zu
Berlin.
a) Ansicht gegen die Rückenklappe.
b) Ansicht gegen die Bauchklappe.
c) Ansicht von der Seite.
d) Ansicht gegen den Stirnrand.
174
W. Fisantzen
Terebratula Ecki nov. sp. und das Lager etc.
Fig. 2. Terebratula Ecki sp. n. (breiter Typus) aus der Oolithbank «
von der Streitleite bei Meiningen in natürlicher Grösse. Original
ebendaselbst.
a) Ansicht gegen die Rückenklappe.
b) Ansicht gegen die Bauchklappe.
c) Ansicht von der Seite.
d) Ansicht gegen den Stirnrand.
Fig. 3. Terebratula Ecki sp. n. aus der unteren Terebratelschicht des
Muschelkalks von Aach in Württemberg in natürlicher Grösse.
Original ebendaselbst.
Das Exemplar hat einen Wulst auf der Rückenschale und
correspondirende Furchen auf der Bauchschale.
a) Ansicht gegen die Rückenklappe.
b) Ansicht gegen die Bauchklappe.
c) Ansicht von der Seite.
d) Ansicht gegen den Stirnrand.
Fig. 4. Terebratula vulgaris Schl. Ausgewachsenes Exemplar aus der
oberen Terebratelschicht des unteren Muschelkalks von Aach in
Württemberg. Original ebenda.
a) Ansicht gegen die Rückenklappe.
b) Ansicht gegen die Bauchklappe.
c) Ansicht von der Seite.
d) Ansicht gegen den Stirnrand.
Beitrag’ zur geologischen Kenntniss
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe
in Thüringen.
Von Herrn H. Loretz in Frankfurt a. M.
Einleitendes.
Wie in anderen Ländern, so hat sich auch in Thüringen das
alte Schiefergebirge, oder das Grauwacken- und Uebergangsge-
birge der altern Geologen in die uns nunmehr geläufigen Systeme
des Cambrium, Silur, Devon etc. aufgelöst, nachdem solche zuerst
in England durch die bahnbrechenden Arbeiten hervorragender
Geologen als klar gesonderte Einheiten aus dem Dunkel hervor-
getreten waren, das bis dahin allenthalben über der Gesammtheit
der alten Schieferschichten gelegen hatte; und wie anderswo, sind
auch in Thüringen und den geognostisch gleich beschaffenen Nach-
bargebirgen in der schärfern Trennung und Unter abtheilung der
alten Schicht en Systeme durch die fortgesetzten Untersuchungen
hochverdienter Forscher gar manche Fortschritte zu verzeichnen
gewesen.
Es kann liier, wo wir uns ein enger begrenztes Thema gesetzt
haben, nicht unsere Absicht sein, die Entwickelung der gesammten
alten Formationen im thüringischen Gebirge vorzuführen, wie sie
sich uns aüf Grund der genannten Forschungen nun als eine Reihe
sichergewonnener Resultate darstellt; auch müssen wir darauf ver-
zichten, eine geschichtliche Darlegung der sich nach und nach
erweiternden und vertiefenden Kenntniss unseres Schiefergebirges
176
H. Lohetz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
zu geben und den Wechsel der Auffassungen vorzuführen, welche
hierbei geltend gemacht wurden. Wir können von dieser Dar-
legung um so eher absehen, als schon Gümbel in der »geogno-
stischen Beschreibung des Fichtelgebirges« S. 417 ff. (in den
einleitenden Worten zur Silurformation) die Arbeiten und An-
schauungen der Geologen kurz vorführt, welche in den letzten
Jahrzehnten bis zur Gegenwart die geologische Erkenntniss des
Thüringischen Schiefergebirges, wie der benachbarten, bildungs-
verwandten Gebirge gefördert haben x). — Was die Darstellung
der einzelnen Formationen selbst betrifft, so enthält das genannte
Werk auch in dieser Beziehung die reichhaltigste Belehrung.
Unserem Thema näher tretend, möchten wir vorher aus der
ganzen Reihe stratigraphisch und paläontologiscli bedeutsamer Ho-
rizonte unseres Schiefergebirges nur einige wenige kurz hervorheben,
welche in der unzweifelhaftesten Weise das Vorhandensein ächter
Silur bil düngen in demselben haben erkennen lassen; wir denken
hier zunächst an die dunkelen, kohlereichen, theils als Kieselschiefer,
tlieils als erdige Schiefer ausgebildeten Graptolithenschiefer,
welche nach Gestein wie nach ihren organischen Resten ganz so
im Silur anderer Länder wiederkehren; wir erwähnen dann ferner
die merkwürdigen, verzerrten, zu Ogygia oder Asaphus gehörigen
Trilobiten eines tieferen Horizontes, des Steinadler Griffel-
schiefers; und jene eigenthümliche, den Griffelschiefer unter-
lagernde Eisensteinbildung, den Thurin git- Horizont, welcher
wenn auch nicht in Thüringen, so doch weiter östlich, wohin er
deutlich zu verfolgen ist, zahlreiche Exemplare einer kleinen
Orthis enthält, deren nächststehende Verwandten in den schwe-
dischen Paradoxidesscliichten liegen. Ein Horizont mit einer
eigentlichen Primordialfauna hat sich bisher in Thüringen etc. nicht
nachweisen lassen ; aber wir sind durch die letztgenannten Hori-
zonte schon in die tieferen Regionen des Silur verwiesen.
Wenden wir uns nun von diesem Standpunkte abwärts zu
dem älteren Schiefer, so treten wir in ein Gebiet ein, wo uns
1 ) Vergl. auch Richter, Das thüringische Schiefergebirge, Zeitschr. d. D. geol.
Ges. 1869, im Eingang.
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
177
sichere paläontologische Kennzeichen verlassen1); noch eine äusserst
mächtige Schichtenreihe, Thonschiefer mit anderweitigen Einlage-
rangen, haben wir hier zu durchschreiten, bis jenseits in den ersten,
deutlicher krystallinischen Schiefern wieder eine Orientirungsmarke
erscheint, welche das Reich der eigentlich archäischen oder kry-
stallinischen Schiefer Systeme ankündigt.
Wenn eine grosse Mächtigkeit und eine grosse räumliche
Verbreitung im Verein mit gewissen gemeinsamen, durch das Ganze
gehenden lithologischen Charakteren Grund sein können, eine ge-
wisse Schichtenfolge als »Formation«, oder »System« im neuern
Sinne gelten zu lassen, zumal in Regionen des Gesammtschichten-
gebäudes, wo Versteinerungen fehlen, oder zu fehlen beginnen:
so trifft ein solcher Grund gewiss für die bezeichnete Schichtenfolge
zwischen Silur und Archäisch in Thüringen, dem Fichtelgebirge
und Vogtlande zu. Und wie in England ein ähnlicher Sachverhalt
wesentlich mit bestimmend war zur Aufstellung der c am bri sehen
Formation, unter der sibirischen, so liegen die Verhältnisse in unserem
Gebirge ganz so, dass, nachdem einmal die sibirische Formation
in dasselbe eingeführt war, die der cambrischen uns als noth-
wendige Folge erscheint.
Solche Erwägungen sind es, auf Grund deren bereits in einer
Anzahl neuerer Publicationen über die genannten Gebirgsländer
seitens verschiedener, um die geologische Kenntniss derselben hoch-
verdienter F orscher, das cambrische System als solches in Be-
schreibung und Kartendarstellung erscheint; und wir können uns
in dieser Beziehung nur dieser Festsetzung anschliessen 2).
x) Auf die wenigen auch hier noch vorhandenen organischen Reste kommen
wir später zu sprechen.
2) S. besonders:
Richter, das thüringische Schiefergebirge, Zeitschr. d. D. geol. Ges. 1869, Bd. XXI.
Liebe, Lieferung 13 der geolog. Specialkarte von Preussen und den thüringischen
Staaten, Karten und Erläuterungen, 1878.
Gümbel, Geognostische Beschreibung des Fichtelgebirges (3. Abth. der geog.
Beschreibg. d. Königr. Bayern) nebst Atlas, Gotha 1879.
Liebe, Erläuterung zu Blatt Zeulenroda der geologischen Specialkarte von
Preussen etc. 1881.
Schon Murchison hat sich auf Grund eigener Anschauung für die Selbstän-
12
178
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Dürfen wir somit die Selbständigkeit einer cambrischen For-
mation in unserem und dem benachbarten Scliieferg’ebirg'e als eine
wohl begründete anseben, so ist es andererseits, wie in so vielen
ähnlichen Fällen nicht leicht, deren obere und untere Grenze an-
zugeben. Am besten gelingt dies noch mit der obern Grenze,
obgleich auch liier über die Zutheilung einiger Grenzschichten nach
oben oder unten Zweifel entstehen können; schwieriger aber ist
es anzugeben, wo das cambrische Gebiet abwärts aufhört und das
eigentlich archäische Gebiet der Phyllite beginnt; hier ist der
Uebergang, wenigstens in gewissen Gebirgspartieen so allmählich,
dass es nicht Wunder nehmen kann, wenn die Auffassungen zweier
in verschiedenen Gebieten arbeitenden Geologen sich nicht decken,
und der Eine, indem er von den archäischen Systemen sich aufwärts
begiebt, Vieles zum Pliyllit zieht, was der Andre, abwärts schreitend,
noch cambriscli nennt. Indess kann man diese unvermeidliche
Unsicherheit nicht als Grund für das Nichtvorhandensein einer
der beiden Formationen (Systeme) vorführen wollen; wiederholt
sich doch dieser allmähliche Uebergang so oft zwischen zwei
geologischen Systemen und namentlich auch in diesen tiefem
Regionen des Schichtengebäudes.
Besonders hervorheben müssen wir aber an dieser Stelle, dass
wir neben dem cambrischen System ein solches der ph yl li-
tis chen Schiefer im Thüringischen Gebirge als selbständig an-
nehmen, was später näher zu begründen sein wird; diese Trennung
ist in den bisherigen Beschreibungen und Kartendarstellungen des
Thüringischen Schiefergebirges noch nicht durchgeführt worden.
W enn wir unser cambrisclies System, wie es sich in Thüringen,
dem Fichtelgebirge und Vogtlande darstellt, mit den cambrischen
digkeit einer cambrischen Formation in Thüringen ausgesprochen. (Gümbel,
1. c. S. 105.)
Schon ehe das Vorhandensein der uns jetzt geläufigen Formationen oder
Systeme im Schiefergebirge Thüringens und der Nachbargebiete erkannt war,
musste den älteren Geologen das die eigentliche cambrische Partie hauptsächlich
ausmachende Schiefergestein, die »grüne oder graugrüne Grauwacke«, als ein
durch Mächtigkeit, Verbreitung und gemeinsame lithologische Charaktere hervor-
ragendes Gebirgsglied des gesammten »Grauwackengebirges« erscheinen.
der cambrisch-phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
179
Systemen anderer Länder vergleichen, so werden wir kaum er-
warten dürfen, ganz analoge Bildungen wiederzufinden. Macht
sich doch auch bei den paläolithischen Systemen die verschieden-
artige Entwickelung in getrennten Bildungsräumen bemerklieh;
und zudem sind die organischen Reste dieser ältesten der Ver-
steinerungen führenden Schichtenfolgen so dürftig und z. Th. auch
zweifelhafter Natur, dass auch in dieser Hinsicht eine Parallelisirung
auf Grund einer Anzahl identischer Species nicht verlangt werden
kann. Was speciell die organischen Reste unseres Cambriums
betrifft, so wird sich weiter unten Gelegenheit finden, Einiges
über dieselben anzuführen; bemerkt sei hier nur, dass bis jetzt
vegetabilische Reste, sowie gewisse Brachiopoden und Bivalven
gefunden worden sind, während Trilobiten noch fehlen. Abgesehen
von diesen organischen Resten und unbeschadet der hieraus sich
etwa ergebenden Analogien, muss immerhin das Hauptgewicht auf
die Stellung dieser mächtigen Schieferreihe zwischen Repräsen-
tanten der obersten archäischen Bildungen und Untersilurbildungen
gelegt werden 1).
D Eine nähere Vergleichung des eambrischen Systemes in Thüringen mit den
cambrischen Bildungen des Auslandes ist besonders auch deswegen erschwert,
weil, wie bemerkt, Schichten mit der Primordialfauna in Thüringen u. s. w. nicht
vorhanden sind, wenigstens noch nicht gefunden sind. Die tiefste der Versteine-
rungen führenden Schichtengruppen von Süd -Wales, die Longmynd oder Harlech
Group, welche hier zum Vergleich herangezogen werden könnte, und welche von
H. Hicks, der in neuerer Zeit die stratigraphisch-paläontologische Erforschung der
alten Schiefersysteme jener Gegenden sich ganz besonders hat angelegen sein
lassen, zusammen mit der überlagernden Menevian Group zum Lower Cambrian
gestellt wird, enthält immerhin schon ca. 16 Gattungen aus dem Thierreich, da-
runter 6 von Trilobiten.
Auch in Schweden, wo Schichten mit der Primordialfauna (Paradoxides-
Schichten) vorhanden sind, und die Decke des cambrischen Systemes (Fucoiden-
Sandstein, Eophyton- Sandstein) bilden, enthält das letztere nach den Angaben
von Tokell und Linnarsson eine grössere und mannichfaltigere Reihe von z. Th.
allerdings schwer zu deutenden, organischen Resten als in Thüringen; während
wenigstens darin eine Aehnlichkeit besteht, dass, wie in Thüringen, noch keine
Trilobiten Vorkommen.
Richter (Zeitschr. d. D. geol. Ges. 1869, Bd. XXI, S. 359) erwähnt allerdings,
es haben sich im cambrischen Schiefer Thüringens einige Pleurenfragmente eines
Trilobiten (? Paradoxides) gefunden; dies dürfte aber bis jetzt die einzige derartige
Spur geblieben sein.
12
180
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
[lebersicht der Schieferreihe nebst Einlagerungen und ihrer
Lagerung. Phyllitisches und cambrisches System.
Die im Folgenden niedergelegten Beobachtungen beruhen auf
den im Auftrag der Direction der Königl. geologischen Landes-
anstalt vorgenommenen Specialaufnahmen im Bereich der Sectionen
1. Masserberg, 2. Breitenbach, 3. Gräfeuthal, 4. Eisfeld, 5. Stein-
heid, 6. Spechtsbrunn; von welchen 1 und 3 bis jetzt nur theil-
weise aufgenommen worden sind. Wiewohl dieses Gebiet nur
einen Theil (allerdings den grösseren) des Gesammtgebietes umfasst,
welcher in Thüringen vom phyllitisch - cambrischen Schiefersystem
eingenommen wird, glauben wir doch, dass für die meisten nach
Gestein und Lagerung im Gesammtgebiet möglichen Beobachtungen
das nöthige Material auch schon in dem bezeichneten Theilgebiete
vorliege und die folgenden Mittheilungen rechtfertige. Dieselben
beruhen grösstentheils auf den Studien in der Natur selbst; petro-
graphisches Detail , soweit solches nur durch Mikroskop und
chemische Analyse zu gewinnen ist, umfassen sie nicht.
In der langen Schichtenfolge von Schiefern, welche älter sind
als das Silur, haben wir folgende Gruppen oder Zonen unter-
schieden und kartographisch dargestellt:
1) eine Zone, deren Schiefer starken pliyl litis dien Glanz
besitzen, dabei vielfach mit Quarz in dünn interponirten Lamellen
oder in Linsen und Knauern verwachsen sind, und durchweg enge
Faltung bis Fältelung der Strafen aufweisen, keinen oder nur
wenig Thonschiefer von der Art, wie er die Hauptmasse des
weiter östlich liegenden Gebirges constituirt, als Zwischenschichten
enthalten. Wir finden diese phyllitischen Schiefer, wenn wir im
SW. beginnen, in der Gegend des Biberthaies, N. von Waffenrod
bei Eisfeld, und von da hinüber zum Schleusethal bei Ernstthal
und Unterneubrunn; sie zieht NÖ.-wärts, unter dem Bothliegend-
Porphyrit von Neustadt a. B. und Masserberg, nach dem Oelzetlial,
und über Breitenbach und Böhlen weiter nach NO.
2) eine Zone ganz eigentümlicher , anscheinend feldspath-
haltiger Schiefer, nämlich solcher, deren, einem gewöhnlichen
der cambrisch -politischen Schieferreihe in Thüringen.
181
dunkeln Thonschiefer am nächsten stehende Hauptmasse mit Par-
tikeln, Flasern und Schmitzen feldspathiger, z. Th. vielleicht mehr
felsitischer Substanz verwachsen ist; neben welcher sich aber auch
sehr gewöhnlich Quarzkörner und auch wohl Schmitzen und Fla-
sern etwas differenter thonschieferiger bis quarzitischer Masse gel-
tend machen: Schiefer, welche in dieser ihrer Zusammensetzung
einen ganz eigentümlichen Habitus erlangen, der sehr oft, be-
sonders wenn neben zahlreichen eine rauhe Beschaffenheit des
Gesteins bedingenden Quarzkörnern auch noch weisse Glimmer-
schüppchen auftreten, oder die Schiefermasse wenig homogen er-
scheint, dem Habitus gewisser klastischer Gesteine, etwa aus der
Grauwackengruppe ähnelt, ohne dass man darin eine innere Ver-
wandtschaft finden könnte; denn andrerseits können diese Schiefer
durch stärker pliyl litis che Entwickelung ihrer Schiefermasse sich
auch den Gesteinen der phyllitischen Gruppe nähern, und ausser-
dem wird ihre nächste Verwandtschaft und eigentliche Bedeutung
dann erst klarer, wenn man gewisse schieferige Abänderungen jener
bemerkenswerten , als » Schieferporphyroide « bezeichxieten
Gesteine kennen gelernt hat, welche in nicht unbeträchtlicher
Verbreitung als Einlagerungen der verschiedenen Schiefersysteme
unseres Gebirges Vorkommen. Ferner ist hier besonders noch her-
vorzuheben, dass diese eigentümlichen Schiefer der in Rede
stehenden Zone in regelmässiger Weise mit ganz gewöhnlichem
dunkelem Thonschiefer, wie er auch in der nächstfolgenden, jün-
geren Schichtengruppe vertreten ist, wechsellagern, so dass auch
solcher Thonschiefer wesentlich mit zur Zusammensetzung der
Zone gehört. — Sie schliesst sich beiderseits an die phyllitische
Zone an.
3) eine Zone, deren überwiegende Hauptmasse von eigent-
lichem Thonschiefer gebildet wird; seine Färbung ist gewöhn-
lich grau, graugrün, wird aber strichweise auch dunkler bis blau-
schwarz; sehr gewöhnlich ist der Thonschiefer aus Lagen von
etwas wechselnder Beschaffenheit nach Färbung und Härte zu-
sammengesetzt, was auf den in der Richtung der secundären
Schieferung liegenden Spaltflächen ein streifiges Ansehen bewirkt ;
und es macht sich dies Verhalten besonders auch bei dem vor-
182
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
herrschenden Schiefergestein dieser Zone geltend, dem grauen oder
graugrünen Thonschiefer, der so recht eigentlich die Hauptgebirgs-
masse des » cambrischen « Systems des Thüringischen Schiefer-
gebirges ausmacht. — Es hat nicht gelingen wollen, hier noch
weitere Unterabtheilungen oder Zonen deutlich zu erkennen und
zu verfolgen; nur Einlagerungen besonderer Gesteine oder Schiefer-
varietäten lassen sich unterscheiden und abgrenzen und unter
diesen sind in erster Linie die Quarzite so entwickelt und ver-
breitet, dass sie fast als wesentliche Glieder des Systems erscheinen.
Es schliesst sich diese Zone nach O. und SO. an die vorigen
an und ist bei weitem breiter und mächtiger als die älteren.
Andererseits kommt sie weniger entwickelt ganz im NW. zum
Vorschein.
Während nun eigentliche Quarzite auf den Bereich der unter
3) angeführten Zone beschränkt bleiben, sind innerhalb der ge-
nannten drei Zonen noch anderweitige Gesteine als Einlagerungen
vorhanden, deren Lagerung und Verband mit den umgebenden
Hauptschieferschichten sie als normale, schichtige Zwischenlagen
oder Lagerkörper erkennen lässt, welche sich also dem Streichen
und Fallen der sie einschliessenden Schichten anpassen und auch
bezüglich ihrer Entstehung mit letzteren nach Stoff und Zeit in
Verbindung zu stehen scheinen. Es sind dies:
Einlagerungen von Kieselschiefer und mit solchem ver-
o o
wandten, weicheren, schwarzen und abfärbenden Schiefern (Alaun -
schiefer). Sie machen sich besonders innerhalb der phyllitischen
Zone geltend, können aber auch in den folgenden Zonen Vor-
kommen :
Einlagerungen von gneiss- und granitartigen Gesteinen,
sowie solche von amphibolischen Gesteinen, von theils mehr
schieferiger, theils mehr krystallinisch massiger Struktur; diese
Zwischenschichten sind besonders in den beiden erstgenannten
Zonen zu finden, der dritten indess auch nicht ganz fremd; so-
dann noch Einlagerungen von porphyroidis chen Gesteinen
(Porpliyroiden, Schieferporphyroi den) von ebenfalls theils
massigem , theils schieferigem Habitus ; sie sind sehr verbreitet,
wiederholen sich in den verschiedenen Zonen in ganz gleicher
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
183
Weise und umfassen eine ganze Reihe bemerkenswerther und
eigenthümlicher Gesteinsvarietäteu.
Betrachtet man die Folge und Ordnung jener Zonen, wie sie
sich aus der geologischen Detailaufnahme des Gebietes ergiebt,
so stellen sich die Zonen als die ohne irgend welche scharfe
Grenze aneinandergereihten und in continuirlich fortschreitender
Gesteinsbildung auf einander geschichteten grösseren, unterscheid-
baren Theile einer sehr langen Reihe von Schieferschichten dar;
und diese Reihe endigt oben, in ihren jüngsten Lagen, an der
Grenze zum Untersilur, und verliert sich, abwärts gesehen, in
Schichten von durchaus pliyllitischem Habitus. Dieser untere,
phyllitisehe Theil nun bietet so viel Analogien mit jenen Schiefern,
welche man anderwärts, in benachbarten Gebirgen, als der Phyllit-
formation angehörig betrachtet, dass wir nicht anstehen auch
unsere phyllitisehe Zone als der Phyllitformation , dem jüngsten
Gliede der archäischen Formationen angehörig zu betrachten;
wenn auch in unserer Zone nur ein Theil der gesammten Phyllit-
formation repräsentirt sein mag. Was ausserhalb des Bereichs
derselben liegt, würde dann schon dem camb rischen Systeme
zuzurechnen sein, und unsere zweite Zone, wie wir sie in der
Partie des Schwarzathaies, und andererseits NW. über Breitenbach
hinaus finden, würde eine eigenthümliehe , anderswo in dieser
Weise vielleicht nicht noth wendig wiederkehrende Entwickelung
der untersten, azoischen, z. Th. schon halb phyllitischen, cambri-
schen Schieferreihe darstellen 1).
Die phyllitisehe Zone würde nach unserer gegenwärtigen Auf-
fassung einen Sattel bilden, dem sich beiderseits die Schiefer der
zweiten Zone anschliessen ; auf diese folgen die eigentlichen Thon-
!) Wenn wir irgend einen Theii des cambrischen Systemes als speciell
»untercambrisch« bezeichnen sollten, so wäre es eben diese unter 2) ange-
führte, auch als halb phyllitisch anzuführende Zone. Wir bemerken indess
ausdrücklich hier, dass wir in der Folge im cambrischen System kein ober-
cambrisch und untercambrisch unterscheiden wollen, sondern als cambrisch
die ganze Schieferreihe bis zu den deutlich phyllitischen Gesteinen annehmen
wollen (also Zone 2 und 3). — In der »geognostischen Beschreibung des Fichtel-
gebirges« hat Gümbel die Unterscheidung in ober- und untercambrisch in etwas
anderem Sinne gebraucht, 1. c. p. 114, 37D.
184
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
schiefer mit ihren Quarziten. In der That erscheinen ganz in
NW., in der Gegend von Gillersdorf etc. wieder ächte Thonschiefer
von ganz demselben Habitus wie wir ihn SO.-wärts gegen die
höhere cambrische Partie zu finden, nebst Quarziten, welche am
Langen Berge eine, auch anderswo wiederkehrende eigenthümlich
grobklastische Beschaffenheit haben. Dass bei dieser Wiederholung
O o
der Schichtenfolge beiderseits der Sattelbildung im Einzelnen Ab-
weichungen oder Nicht-Correspondenzen bezüglich der Mächtigkeit,
und der Natur und Anordnung der Einlagerungen Vorkommen,
kann nicht befremden, und ebenso wenig liegt etwas Wider-
sprechendes darin, dass das Einfallen nicht etwa beiderseits vom
Sattel abfallend sich zeigt, sondern über grössere Strecken con-
stant bleibt und nur local oder strichweise wechselt.
Wir behandeln nun zunächst die einzelnen Zonen von unten
aufwärts , nach ihrem hauptsächlichen Schiefergestein und ihren
besondern Eigentümlichkeiten Q ; alsdann die Einlagerungen be-
sonderer Natur, welche in den verschiedenen Zonen wiederkehren.
Hieran hat sich eine Besprechung der Lagerungsverhältnisse zu
schliessen; welcher sich einige Worte in Betreff der Bildungsvor-
ffänge dieser Sedimente, sowie über die äussere Erscheinung; des
Schiefergebirges zum Schlüsse anreihen würden.
Schiefer der pfoylütischen Zone.
Die Gesteine unserer phyllitischen Schieferreihe sind zunächst
Phyllit an sich, und sodann verschiedene Modificationen, welche
hervorgehen aus einer schichtigen Verwachsung von Phyllit mit
Quarz und Quarzit; Schiefergesteine, welche wir als Quarz-
*) Bezüglich der vielen Analogien, welche hierbei mit den entsprechenden
Schieferzonen des Fichtelgebirges, des Vogtland es und Sachsens hervor-
treten, können wir ganz im Allgemeinen auf die geognostische Beschreibung cles
Fichtelgebirges von Gümbee und die Erläuterungen zu den betreffenden Sectionen
der neuen Specialkarte von Preussen mit den thüringischen Staaten, und vom
Königreich Sachsen verweisen.
der cambrisch- phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
185
Phyll it, Pliyll i t-Quarzit und Pliyllit-Quarzitsch iefer be-
zeichnen wollen. Diese kieselreichen Phyllite überwiegen in
unserem Schiefergebirge vor dem einfachen Phyllit, mit dem sie
übrigens in engem Wechsel verbunden und verwachsen Vorkommen
können. Die meisten hierhergehörigen Schiefer sind enggefaltet
und gefaltet und erlangen hierdurch, wie durch ihren phyllitischen
Glanz und ihre sonstigen petrographischen Eigenthümlichkeiten
einen Habitus, der sie im Handstück und Fragment, wie im an-
stehenden Fels von den jüngeren cambrischen Thonschiefern unter-
scheiden lässt.
Wir gebrauchen die Bezeichnung Phyllit- Quarzit und bei
stärker vortretender schieferiger Structur Phyllit-Quarzitschiefer
für jene kieselreichen phyllitischen Schiefer, bei welchen fettglänzen-
der oder weisser Quarz als solcher nicht deutlich hervortritt, und
deren Zusammensetzung also auf Phyllit und Quarzit in äusserst
feinem Wechsel herauskommt1); die Bezeichnung Quarz-Phyllit
dagegen für jene sehr verbreitet auftretenden Varietäten, welche
fettglänzenden oder weissen Quarz kenntlich enthält. Hier bildet
der Quarz dickere und dünnere Platten und Lagen, und solche
dem Phyllit schichtig eingeschaltete Quarzitzwischenmassen haben
gewöhnlich die Tendenz anzuschwellen und seitwärts abzunehmen
und sich zu verlieren, wodurch sie die Form flacher bis sehr
flacher Sphäroide oder Linsen annehmen, die auf dem Querbruch
als Adern, Schnüre, Knoten, Flammen etc. erscheinen, und wie
die einschliesseuden Phyllitstraten mannichfach gebogen und ge-
knickt sind. Ausserdem noch findet sich der Quarzgehalt auch
vielfach in dickem bis sehr dicken Linsen und Knauern ange-
häuft; sie sind meist flaust- bis kopfgross, können aber noch
Q Derartige Phyllit - Quarzite oder -Quarzitschiefer stehen z. B. wiederholt
an- der S. -Seite des ßiberthales an, so besonders an dem Wege von der Crocker
Schneidmühle nach der Höhe W. vor Waffenrod; sie sind hier eben- und dünn-
schieferig. Je nach der mehr oder minder enge sich wiederholenden Interposition
der immer dünnen Phyllitlagen zwischen den Quarzitlagen giebt sich auf dem
Querbruch eine wechselnde Bänderung oder Streifung zu erkennen. — Aus dem
Umstande, dass gerade diese Strecke sich durch sehr guten Waldbestand aus-
zeichnet, möchte man fast auf die Beimengung fein vertheilter feldspathiger Sub-
stanz schliessen.
186
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
bedeirtendere Dimensionen, etwa bis 1 Meter Durchmesser er-
reichen.
Die genannten phyllitischen Varietäten gehen indess sehr in
einander über.
Die Quarzmasse der dicken Linsen und Knauer ist fest
mit Phyllitschalen umwachsen und vielfach auch von Phyllit flaserig
durchzogen (reiner Phyllit oder kieselreicher Phyllit, je nach der
Umgebung). Sehr gewöhnlich ist die Vergesellschaftung dieses
Linsenquarzes mit mehr oder minder reichlich vorhandenem Feld-
spath von noch zu untersuchender Natur; der Quarz ist dabei in
trum - oder breccienartiger Weise vom Feldspath durchwachsen,
auch dringt der letztere wohl in die anhaftenden phyllitischen Scha-
len ein; auch kommt es vor, dass Quarz und Feldspath mehr
schichtweise oder in unregelmässig in einander verschwimmenden
Lagen wechseln, wodurch ein Ansehen entsteht, welches dem
mancher Porphyroide sich nähert. Chlorit, wohl secundärer Ent-
stehung ist ebenfalls ein fest constanter Begleiter der genannten
Mineralien; man bemerkt, dass er besonders an der Grenze von
Quarz mit dem einschliessenden oder in Flasern durchziehenden
Phyllit angehäuft ist. Wiederholt wurde auch in diesen Quarz-
knauern das Vorkommen von weissem Glimmer beobachtet, der
zum Theil individualisirt, zum Theil in zusammenhängende Häute
verwoben erschien; da letztere sich auf unregelmässig verlaufenden
Fugen der Quarzknauer vorfanden, an denen Ablösung stattfand,
so kann an secundäre Entstehung dieses Glimmers gedacht werden.
Im eigentlichen Phyllitgestein jedoch scheinen weisse Glimmer-
blättchen, die mit blossem Auge sichtbar wären, zu fehlen Q.
x) Bei ganz frischem Zustand des Gesteins ist der Quarz dieser Linsen und
Knauer des Phyllits stark fettglänzend, rauchgrau und durchscheinend. Vielleicht
nur durch Vermehrung der ihn durchsetzenden Sprünge erscheint er beim ab-
gewitterten Gestein mehr weiss. Auch der Phyllit selbst erscheint in ganz fri-
schem Zustand um mehrere Nuancen dunkeier als nach Einwirkung der Atmo-
sphärilien. Unter den primären Bestandtheilen dieser Quarzeinschlüsse des
Quarz-Phyllites ist auch der Schwefelkies zu nennen ; auf ihn sind die Eisenrost-
flecken und -putzen zurückzuführen, welche sich alsbald einstellen, wenn frisch
gebrochenes Gestein eine Zeit lang an der Luft gelegen hat. ■ — Die Quarzknauer
und sonstigen Quarzeinschlüsse des Phyllits bilden einen ansehnlichen Theil
seiner Residuen im Verwitterungsboden.
der cambrisch- phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
187
Gute Aufschlüsse in den Schichten der phyllitischen Zone,
besonders des Quarz - Phyllits bieten: das Oelzethal vom Ausgang
des Bocksbaches aufwärts, an der Landstrasse (Sectionen Masser-
berg und Breitenbach); die Landstrasse von Oelze nach Breiten-
bach, die Strasse an der Mühlleite von Schwarzmühl nach Böhlen
(beide auf S. Breitenbach); das Biberthal, im Thalgrund an der
Landstrasse und aufwärts an den Gehängen der N. -Seite, nach
Schnett und Heubach zu (Section Eisfeld); ausgezeichnet und
typisch stehen auch diese Gesteine an bei Ernstthal im Schleuse-
thal, besonders am Bach selbst (Section Masserberg). — Das Ge-
stein ist in seiner quarzreichen Ausbildung zu Felsbildungen ge-
neigt-, wie z. B. an mehreren Stellen des Biberthaies.
Bis jetzt nur an einigen wenigen Stellen dicht bei Ernstthal
(Bl. Masserberg) wurde eine ganz besondere phyllitische Gesteins-
modification beobachtet, die darin besteht, dass in enggefälteltem,
quarzfreiem Phyllit krystallinisch aussehende Calcitkörnchen ent-
halten sind; durch Verwitterung verschwinden sie und hinterlassen
dunkel rostbraune Poren; also eine Art Kalk -Phyllit (entspre-
chend einem Kalk - Glimmerschiefer) Q.
x) Anmerkungsweise seien liier noch die bis jetzt nur vom Kirchberg bei
Böhlen (Bl. Breitenbach) bekannten Kupfererz haltigen Einlagerungen des
Quarz - Phyllites erwähnt. Soviel sich an den wenigen noch zugänglichen Auf-
schlüssen erkennen lässt, besteht das Vorkommen in grossen Knauern oder un-
regelmässig linsenförmig gestalteten Massen von Quarz und einem Carbonat in
inniger Verwachsung, welche Kupferkies und vielleicht noch anderes Kupfererz
eingesprengt enthalten, daneben auch von Flasern und Häuten eines seric.itischen
Minerals durchzogen sind. Nach aussen sind sie mit phyllitischen Schalen ver-
wachsen und durch diese mit dem sie einschliessenden Phyllit und Quarz -Phyllit
verbunden. Solcher Knauer und Linsen scheinen sich in derselben Schichtfläche
oft viele gedrängt aneinander zu schliessen und in einander zu verschmelzen ;
doch ist das ganze Vorkommen auf eine nur einige hundert Schritt breite Zone
an der Südseite des genannten Berges beschränkt, innerhalb deren eine gewisse
Anzahl solcher Kupfer führenden Schichten enthalten sind. Das erwähnte Car-
bonat bewirkt beim Verwittern eine ockerfarbige Rinde, hiernach und nach dem
Verhalten zu Säure scheint es eisenhaltiger Dolomit zu sein, wenigstens zum
Theil. Das Kupfererz findet sich meist in Malachit verwandelt. Ausserdem
kommt, ebenfalls wohl secundär aus der Zersetzung des Kupferkieses entstanden,
Rotheisen und Eisenglanz, vielfach als Anflug, Rinden etc. vor. Wiederholt sind
auf dieses Kupfervorkommen ohne lohnenden Erfolg bergmännische Unternehmun-
gen gegründet worden.
188
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Wir ergänzen unsere Mittheilnngen über die Schiefergesteine
der phyllitischen Zone noch durch die Bemerkung, dass sich auch
innerhalb dieser Zone an manchen Orten solche Schiefer vorfinden,
welche mehr denen der nächstfolgenden Zone (der halbphylliti-
schen und zum Tlieil feldspathhaltigen Schiefer) gleichen, als den
normalen phyllitischen; und dass an der südöstlichen wie nordwest-
lichen Grenze der Phyllitzone ein sehr allmählicher U ebergang zur
folgenden Zone und Wechsellagerung der beiderseitigen Schiefer
auf längere Erstreckung stattfinden kann (so in der Gegend von
Waffenrod u. s. f. bei Eisfeld; ebenso bei Altenfeld und Breitenbach).
Engfaltung der phyllitischen Schiefer. In weit höhe-
rem Grade als dies bei den cambrischen Thonschiefern der Fall,
erscheinen die Strafen der phyllitischen Zone unseres Gebirges
zusammengebogen und gefaltet, und zwar prävalirt im Ansehen
des Gesteins meisthin Engfaltung und Kleinfaltung in auffälliger
Weise, während weiter ausholende Falten fast weniger als bei dem
Thonschiefer zu Gesicht kommen. Die Faltung stellt sich öfters
so dar, dass man verschiedene Grade oder Ordnungen unter-
scheiden kann, von den grösseren Biegungen derart abwärts bis zu
kleinsten Fältchen und feiner Fältelung: auf eine grössere Falte
kommen mehrere kleinere und so fort. Besonders tritt diese Aus-
bildung da in ausgeprägtester Weise hervor, wo die Falten im
Allgemeinen flach verlaufen; der Gesammteindruck , den solche
phyllitische Strafen machen, ist der eines fortgesetzten Wellen-
verlaufes, einer Wellung, Kräuselung und Runzelung bis in
die kleinsten Theile.
Hierbei kann sich auch noch das Verhalten geltend machen,
dass die flach verlaufenden Falten fast durchweg einer gewissen
Einfallebene folgen (resp. mit einem grösseren Theile ihrer Fläche
eine solche tangiren, so dass sich, wenn man letztere substituirt,
für diese Schiefer trotz der fortgesetzten Faltung doch ein be-
stimmtes Einfallen angeben lässt x). Sehr schön sind phyllitische
x) Man kann bei diesen Schiefern bei der hundertfältig wiederholten Faltung
und Fältelung eigentlich nicht mehr von einem Streichen und Fallen der Straten,
sondern nur von einem Streichen der Faltenrichtungen und einem Streichen und
Fallen der Axenebenen der Falten reden.
cler cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
189
Schiefer, welche sich in erwähnter Weise verhalten, aufgeschlossen
im Oelzethal, abwärts von Altenfeld (Section Masserberg). Das
Einfallen, in angegebener Weise zu verstehen, ist hier, wie in der
ganzen umgebenden Gebirgspartie, steil nordwestlich. Man beob-
achtet hier ferner, dass Falten und Fältchen verschiedener Ord-
nung, besonders die feineren einen ziemlich parallelen Verlauf ein-
halten, der gewöhnlich nach der einen oder andern Seite, doch
nicht viel,- von der Horizontalen ab weicht. Die feinsten Falten,
oder diejenigen letzter Ordnung sind zugleich das, was meistens
als Fältelung bezeichnet wird.
Am vollkommensten zeigt sich diese bis in’s Feinste ausge-
bildete Faltung bei den rein phyllitischen, weichen Schiefern,
denen sich die aus wechselnden Phyllit - und äusserst dünnen
Quarzlagen zusammengesetzten Quarz-Phyllite und Phyllit-Quarzite
anschliessen ; auch diese können zum Theil noch sehr eng gefaltet
sein, wie z. B. an der oben bezeichneten Localität und sehr schön
auch bei Unterneubaum und Ernstthal im Schleusethal. Ueber-
haupt pflegt bei den Quarz - Phylliten die Zusammenfaltung schon
recht eng zu werden, wie dies namentlich bei jener Gesteins-
modification so häufig zu sehen ist, wo der in Form von dickem
und dünnem, vielfach sich auskeilenden Platten und flachen Linsen
vorhandene Quarz auf dem Querbruch als hin und her gebogene
und gestauchte, anschwellende und abnehmende Adern, Schnüre
und Flammen, hell zwischen der dunkeln phyllitischen Masse her-
vortritt, deren mannichfaclie Biegungen und Faltungen mitmachend.
Ein und dieselbe Faltenbieguna: lässt sich bei den dünn-
schichtigen Modificationen der phyllitischen Schiefer oft durch eine
ganze Reihe von S traten hindurch mit dem Auge verfolgen. —
Uebrigens sind die Strafen der phyllitischen Schiefer sehr gewöhn-
lich, wie auch die Thonschiefer, doppelt gekrümmt, so dass nicht
nur in senkrechten, sondern auch in horizontalen Durchschnitten
F altenbiegungen erscheinen.
Wenn auch Transversalschieferung in dem Complex
dieser phyllitischen Schiefer nicht gänzlich abwesend ist, so tritt
sie doch im Allgemeinen sehr wenig hervor und fehlt oft ganz;
und es bedingt gerade dieses Verhalten neben den petrograplii-
190
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
sehen Eigentümlichkeiten und der engen Zusammenfaltung einen
nicht unwichtigen und unwesentlichen Unterschied dieser Schiefer-
zone von den höhern cambrischen Thonschiefern. Es bezeichnet
in der That ein völliges Fehlen transversaler Schieferung, wenn
sich, wie es mitunter beim Phyllit und Quarz - Phyllit möglich
ist, wellenförmig gebogene Schalen und Scherben ganz aus dem
Gesteinsverbande herauslösen lassen.
Dennoch findet sich gar nicht selten eine unverkennbare An-
deutung, ein Beginn von Transversalschieferung bei den Phylliten
und Quarz -Phylliten in der Erscheinung, dass die geraden Stücke
oder Schenkel enger, gewöhnlich einer ganzen Anzahl aufeinander
folgender Strafen ungehöriger Falten und Fältchen von einer oder
mehreren kleinen Verwerfungen und Verschiebungen betroffen sind,
welche in der Richtung der Faltenaxen liegen und somit ein ge-
wisses Verlängern und Ausziehen der Falte in dieser Richtung
bedingen. (Kleine Faltenverwerfungen.) Es ist diese Erschei-
nung offenbar der Ausdruck eines seitlichen Ausweichens vor dem-
jenigen Drucke, welcher zunächst die Faltung und Engfaltung
bewirkte und in letzter Instanz bei fortgesetzter Wirksamkeit, als
keine weitere Zusammenfaltung mehr möglich war, ein ausweichen-
des Gleiten der Gesteinsmasse zuwege brachte; gerade wie bei
der eigentlichen Transversalschieferung, nur dass bei dieser das
Gleiten in unendlich nahe gelegenen Parallelebenen stattfand,
dort aber nur in einer geringeren Zahl von Parallelflächen. An
abgewitterten Wänden derartiger phyllitischer Schiefer wird er-
wähnte Erscheinung manchmal noch besonders deutlich dadurch,
dass ein Ablösen der Gesteinsmasse längs solcher Verschiebungs-
flächen stattgefunden hat.
o
Schiefer der älteren cambrischen (halbphyllstischen) Zone.
Allgemeine Andeutungen über diese Zone, die sich zwischen
der deutlich phyllitisclien Reihe einerseits und den cambrischen
Thonschiefern und Quarziten andererseits hinzieht, sind schon oben
der cambriscli - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
191
gegeben, und ist auch bereits bemerkt worden, dass von den
eigentlmmlichen Schiefergebilden derselben viele am meisten Ver-
wandtschaft zu besitzen scheinen mit gewissen extremen Modi-
ticationen der schieferigen Porphyroide. Letztere Anschauung hat
sich erst allmählich, nach länger fortgesetzten Specialaufnahmen
befestigt. Sie gilt zunächst für gewisse grobgemischte Varietäten
der in Rede stehenden Schiefer, deren Bestandtheile leicht zu er-
kennen sind; aber die Uebergänge von den groben zu den feinem
und feinsten Mischungen sind so zahlreiche und allmähliche, dass
auch letztere unter denselben Gesichtspunkt fallen dürften.
Ein gewisses, klastisch erscheinendes Ansehen ist sehr vielen
dieser Schiefer eigen; manche feiner gemischte erinnern an Grau-
wacke und Grauwackenschiefer Q ; und wenn nun auch, wie bereits
angedeutet, chemischen Einwirkungen oder Umwandlungen auf
diagenetischem (oder wenn man vorziehen sollte metamorphischem
Wege) bei der endlichen Ausbildung dieser Gesteine ein noch so
grosser Spielraum vergönnt wird, so möchten wir doch nach näherer
Prüfung einer Reihe von Proben einen klastischen Zustand für
viele ihrer Bestandtheile annehmen, in welchem sie in die Gesteins-
mischung eingetreten sind; eben dies wiederholt sich auch bei
manchen, halb felsitischen, halb schieferigen porphyroidischen Bil-
dungen, worauf wir weiter unten zurückkommen werden.
In grob gemischten hierhergehörigen Schiefern lassen sich er-
kennen: Quarz, zum Theil in Körnern von anscheinend mehr oder
minder abgerollter Form, zum Theil aber auch in etwa flach linsen-
förmigen Partieen und Schmitzen; Trümmer von Quarzit und von
quarzitischem und phyllitischem, gelegentlich auch wetzsteinartigem
Schiefergestein, denen sich hie und da wohl ein Fragment eines
deutlich feldspathführenden Gesteins (? Porphyroid) beimengt; alles
Elemente, welche, soweit sie wirklich das Wesen von Trümmern
Einige könnten auch, besonders im angewitterten Zustand, an gewisse
Tuffe, Tuffseliiefer, erinnern. —
Richter »Thüringische Porphyroide« Programm der Realschule zu Saalfeld
1871, p. 7 gedenkt ebenfalls dieser Schiefer und ihres anscheinend klastischen
Habitus ; auch er deutet auf eine Verwandtschaft derselben mit porphyroidischen
Gesteinen hin.
192
H. Louetz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
besitzen, und nicht etwa linsen- oder schmitzenförmig gestaltete,
oder undeutlich flaserig angeordnete Theile des Schiefers sind,
aus nicht weit zurückliegenden altern Schichten abgeleitet werden
können. Nach ihrer Grösse und Form, Mischung und Vertheilung
besteht selbst bei einzelnen Vorkommnissen, ja Handstücken, eine
grosse Maunichfaltigkeit. Sehr gewöhnlich sind diese, wie gesagt
klastisches Ansehen besitzenden Theile durch dunkele, fast schwarze
Thonschiefermasse gebunden, welche sich einigermaassen flaserig
anlegt 1).
Fundpunkte solcher grobgemischten hierhergehörigen Schiefer-
gesteine sind u. a. : Der Eggersberg und der Grendel , auch der
Heuberg (Blatt Eisfeld); Kalte Herberge (besonders gegen den
Ivieslerstein zu) und einige andere Punkte der Umgegend von
Katzhütte im Schwarzathal (Blatt Breitenbach), u. s. f. — In den
Seitenflächen des Gr. Langenbachgrundes (Blatt Eisfeld) wurden
grobflaserig struirte Varietäten als Bachgeschiebe gefunden, die
schon mehr an gewisse Schieferporphyroide erinnern.
Wie gesagt, ist indess bei vielen, hierhergehörigen Schiefern
die Mischung so fein, dass sie sich mit blossem Auge schwer
erkennen lässt. Sie dürfte ihrer Natur nach keine andere sein,
als da, wo sie leichter zu erkennen ist.
Soweit nun wirklich klastische Bestandtheile vorhanden sind,
muss in Betreff der Bildung dieser Gesteine doch wohl an Zer-
störung älterer oder Wiederaufbrechen frisch abgelagerter Schich-
ten gedacht werden, deren Trümmer in den neuen Verband ein-
gingen; dieselbe Frage wirft sich bei einigen breccieuartig struir-
ten porphyroidischen Vorkommnissen auf; überhaupt kann, wie
gesagt, unseres Erachtens die Frage nach der Entstehung gewisser
Schieferporphyroide von der nach der Entstehung obiger Gesteine
nicht getrennt werden.
Im Vorstehenden ist indess nur die eine Seite des eigenthüm-
liehen petrographischen Charakters der Schiefer der in Bede
J) Die heterogenen schieferigen Theile liegen meist flach in der Schieferungs-
richtung im dunkeln Thonschiefer; möglich, dass durch secundäre Schieferung
diese Lagerung noch befördert resp. noch etwas modificirt worden ist, besonders
an solchen Stellen, wo beiderlei Substanzen etwas in einander einzugreiien scheinen.
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen. 193
stehenden Zone berührt worden. Die andere liegt, wie bereits
eingangs bemerkt, darin, dass sich sozusagen das phyl litis che
Element, welches in der eigentlich phyllitischen Zone erst zum
vollen Ausdruck gelangt, schon hier in grösserem oder geringerem
Grade geltend macht. Dadurch gestaltet die Zone sich wahrhaft
zu einer Uebera-anus- oder Vermittelungszone , von der der cam-
krischen Thonschiefer zu jener der Phyllite und Quarzphyllite ;
der eigenthümliche Habitus der oben erwähnten, feiner gemischten
Schiefer wird eben vielfach noch durch die Interposition dünner
phyllitischer Lagen oder Flasern modificirt, so dass sich dem, wie
gesagt, öfters fast klastisch erscheinenden Ansehen im Gegensatz
dazu ein halb phyllitisches Ansehen zugesellen kann. Dazu kommt
dann noch der vielfache Wechsel mit duukelem Thonschiefer; denn
es muss wiederholt werden, dass solcher, von ganz gewöhnlicher
Beschaffenheit, normale Zwischenschichten jener andern Schiefer
bis weit nach unten bildet , wie dies an zahlreichen Stellen im
Verlauf der Zone deutlich zu sehen ist.
Im Gebiet des oberen Schwarzathaies (Gegend von Goldis-
thal, Katzhütte etc.) grenzt sich die Zone nach oben und unten
besser ab, als dies im Gebirge nächst Eisfeld der Fall ist; hier
ist es in der That nicht möglich, das was zwischen den unzweifel-
haft noch als achter Thonschiefer mit Quarzitzwisehenlagen zu
bezeichnenden Schieferpartien des Werragrundes und den Quarz-
phylliten des Bibergrundes liegt, durch irgendwie sichere Grenz-
linien abzuscheiden 1).
Wenn wir die Quarzphyllite und Phyllite unserer phyllitischen
Zone dem jüngsten der krystallinischen Schiefersysteme einreihen,
so dürfen wir vielleicht für die in Rede stehende Zone, respective
für manche Schichten derselben — wie sie z. B. im Grossenbacli-
thal, im Grossen und Kleinen Lauterbachgrund, auf den Höhen
bei Waffenrod u. s. w. in der Eisfelder Gegend vorliegen — den
Ausdruck » halbkr ystal linisch « oder » semikrystallinisch «
brauchen, den man schon öfters für solche, eine Zwischenstellung
x) Auch im NW., in der Gegend von Breitenbach und Altenfeld ist die
Grenze zwischen vorliegender und der phyllitischen Zone nur ganz approximativ
anzugeben.
13
194
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
einnehmende Schiefergebilde gebraucht hat. Man könnte für
manchen derselben in der That sagen, dass sie »in ihrem petro-
graphischen Habitus zwischen Glimmerschiefer und Grauwacken-
schiefer, zwischen krystallinischem und klastischem Wesen schwan-
ken,« wie sich Naumann bei der Besprechung der ältesten Sediment-
formationen ausdrückt, oder dass sie etwas vom Ansehen eines
Phyllitcjuarzitschiefers und von dem eines Grauwackeschiefers be-
sitzen 1).
Mit Zunahme des phyllitischen Antheils in der Zusammen-
setzung: der Schiefer dieser Zone kann sich auch im äussern An-
sehen der Schichtung und der Felsbildung eine Annäherung an
1 ) Lehrbuch der Geognosie, II. Aufl. Bd. II, p. 44. — Der Ausdruck »halb-
krystallinisch« erscheint um so mehr statthaft, als ja auch die Gegenüberstellung
der »krystallinischen« (archäischen) und der nicht krystallinischen, paläozoischen
Schiefer auf keinen ganz durchgreifenden Unterschied gegründet ist, und letztere
thatsächlich kr y stallin ische Elemente besitzen. » Halbkrystallinisch « bezeichnet
eben, dass der krystallinische Habitus für das Auge, ohne Zuhülfenahme weiterer
Untersuchungen schon zugenommen hat.
Der phyllitische Antheil, welcher diese Zunahme bei unseren Schiefern be-
dingt, ist meist in sehr dünnen, zusammenhängenden Lamellen vorhanden, welche
sich etwas flaserig um die vorwiegend durch Quarz gebildeten und durch kry-
stallinisch kieseliges Bindemittel verbundenen körnigen Gemengtheile herumlegen;
manchmal ist sie auch nur in schwächerer Entwickelung zwischen durch vorhan-
den. Mitunter mengen sich auch feine Flasern dunkelen Thonschiefers ein (ab-
gesehen von den in Wechsellagerung zwischengeschichteten Thonschieferlagen),
so dass dieses nebeneinander Erscheinen von Phyllit und Thonschiefer
für diese Zone sehr bezeichnend wird. So erscheinen denn auch innerhalb dunkeier
Thonschieferlagen hier manchmal phyllitisch aussehende Zwischenhäute. — Feine
weisse Glimmerblättchen, wohl zu unterscheiden von der phyllitischen Zwischen-
masse sind bald nur sparsam, bald etwas reichlicher ebenfalls vorhanden, ganz
wie in den höheren cambrischen Thonschiefern und Quarziten; vielleicht gehören
sie zu den ursprünglich klastischen Bestandtheilen , ebenso wie die öfters sich
beimengenden, anscheinend abgerollten, meist etwas grösseren und anders gefärb-
ten Quarzkörner. (Vorkommnisse der Gegend von Waffenrod und Einsiedel, z. B.
am Blassenberg.) Deutlichere Beimengung feldspathiger Partikel bewirkt einen
Uebergang zu gneissartigem Gestein (z. B. der Schiefer der Höhe W. beim
trigonom. Signal, bei Hinterod, welcher sich etwa als »dünnschieferiger Phyllit-
gneiss« bezeichnen lässt). —
Vielleicht, dass sich in den von Gümbel 1. c. p. 878 aus der untersten cam-
brischen, respective Uebergangszone zum Phyllit, im Fichtelgebirge, erwähnten
Schiefergesteinen Analogien zu den eigenthümlichen Schiefern unserer Ueborgangs-
zone wiederlinden.
der cambrisch - phyllitischen Schiefer reihe in Thüringen.
195
die Zone der Phyllite und Quarzphyllite anbahnen, wie sich dies
in dem Gebirge nächst Eisfeld geltend macht. Die Schichtung
nimmt daselbst mehr und mehr das enggefaltete, zusammengestauchte
Wesen an, welches in der rein phyllitischen Zone erst völlig zur
Geltung kommt; und wie dort fehlt Transversalschieferung oder
ist in ihrer Unabhängigkeit vom Schichtenverlauf nur unter be-
sonders günstigen Umständen zu beachten.
In der Partie des oberen Schwarzathaies zeigen die Schiefer
dieser Zone durchweg mehr ebenen als gewundenen Schichten-
verlauf und scheinen nicht von Transversalschieferung afficirt. In
dem schichtigen Wechsel mit dunkelem, öfters etwas stärker glän-
zenden Thonschiefer tritt mitunter eine gewölbt sclialige, grosse
und sehr flach flaserige Anordnung hervor. Schichtignormale
Einschlüsse von weissem Quarz sind in dieser Gegend sehr ver-
breitet; sie haben die Gestalt grosser, flacher Linsen oder an den
Rändern sich ausspitzender unregelmässiger Scheiben, welche con-
fonn der Schichtung zwischen dem Schiefer liegen und fest mit
demselben, d. h. zunächst mit dunkelen, glänzenden Thonschiefer-
schalen verwachsen sind. Sie werden 1 und mehrere Meter lang
und sind im Verhältniss zum Durchmesser immer sehr dünn,
können aber abwechselnde Anschwellungen und Zusammenziehun-
gen zeigen. Sie sind eine analoge Erscheinung wie die Quarz-
knauer etc. des Quarzphyllits und die gleichfalls als schichtige
Zwischenlagen auch im höheren cambrischen Thonschiefer wieder-
kehrenden Quarzmassen. Im Gegensatz zu den Quarzknauern des
Quarzphyllits wurde bei diesen grossen flachen Quarzeinschlüssen
kaum einmal die Anwesenheit von Feldspatli neben dem Quarz
beobachtet.
Im Vergleich zu den höheren cambrischen Thonschiefern sind
die Schiefer dieser Zone meistens fester und leisten der Verwitte-
rung grösseren Widerstand. Wo, wie in der Gegend von Katz-
liütte beiderlei Zonen ziemlich gut auseinanderzuhalten sind, macht
sich dies Verhalten im Bereich des Kulturbodens sehr bemerklich,
durch die grosse Menge von Feldsteinen und Lesesteinhaufen,
welche die halbkrystallinischen Schiefer im Vergleich zum weichen
cambrischen Thonschiefer liefern.
13
196
H. Lorutz , Beitrag zur geologischen Kenntniss
Es muss schliesslich betont werden, dass das Vorkommen der
oben kurz beschriebenen ei o-enthümli chen Schieferefebilde keines-
wegs ausschliesslich auf die in Rede stehende Zone beschränkt
ist; sie reichen im Gregentheil als vereinzelte Zwischenschichten,
z. Th. sogar in stärkeren Folgen einerseits in den Bereich der cam-
brischen Thonschiefer hinauf, andererseits in den der pliyllitischen
Zone hinab1).
Cambrischer Thonschiefer.
Wie bereits angedeutet sind die Wechsel in Färbung und
sonstiger Beschaffenheit, welche sich in verschiedenen Strichen des
Gesammtbereiches der cambrischen Thonschiefer geltend machen,
immerhin so wenig; durchgreifend und constant, und noch weniger
in durchlaufenden Zonen der Streichrichtung nach anhaltend, dass
es nicht möglich war, bestimmte Unterabtheilungen darauf hin zu
unterscheiden.
So z. B. stellt sich im südlichen Theil unseres Gebietes, in
der Gebirgspartie, die zwischen dem obersten, in OW.- Richtung
verlaufenden Schwarzathal und dem südwestlichen Schiefergebirgs-
o o
rande gelegen ist, vom Saargrund oder schon vom Blessberg bis
zum Werragrund und darüber hinaus vorherrschend dunkeiere bis
O
ganz dunkele Färbung des Thonschiefers und z. Th. auch seiner
x) So finden sich in einigen Seitentliälern des oberen Schwarzatlials, zwischen
Scheibe und Langenbach, z. Th. schon vereinzelt ganz dieselben grobgemischten
Schiefermodificationen wie an den oben genannten Bergen bei Eisfeld ( Grendel,
Eggersberg etc.) zwischen grauem Thonschiefer. Für das Auftreten als verein-
zelte Zwischenschichten spricht hier der Umstand, dass man solche Gesteine kaum
einmal anstehend, gewöhnlich als Bachgeschiebe oder im Gehängeschutt findet,
was übrigens z. Th. auch noch im Bereich der älteren Zone zutrifft. (Bachge-
schiebe der Seitenbäche im Gr. Langebachgrund z. B.)
An der Kohlleite und bei Rauenstein, sowie noch an anderen Stellen des
südwestlichen Schiefergebirgsrandes, besonders an ersterer Localität (Section
Steinheid), finden sich feiner gemischte hierhergehörige Varietäten im Bereich der
graugrünen cambrischen Thonschiefer.
der cambrisck - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
197
Quarzitzwischenschichten ein 1 ) ; daneben aber findet sich im
ganzen Habitus des Gesteins und in vielen Einzelheiten (Art des
Zerfallens, Beschaffenheit der Schichtflächen etc.) soviel Verwandt-
schaft mit dem mehr verbreiteten graugrünen Schiefer, dass schliess-
lich eben nur die dunkele Färbung als unterscheidendes Merkmal
übrig bleibt, und selbst diese kann local wieder fehlen; so dass
der Versuch, aus dieser Partie eine besondere Zone zu construiren,
zu keinem Resultate führt. Schreiten wir in NO. -Richtung, im
Streichen weiter, so kommen wir ans genannter Partie wieder in
Regionen, wo der gewöhnlichere, hellere Schiefer herrscht (Wurzel-
herg2), Lindig), und dies bleibt so auch weiterhin nach NO. So
wenig wie die genannte und andere noch geringere Farbennüancen,
kann auch ein stellenweise stärker hervortretender phyllitischer
Glanz des Thonschiefers zn irgend einer Unterscheidung bestimmter
Untergruppen verwerthet werden.
Die weitaus vorherrschende Schieferart des cambrischen Ge-
bietes ist, wie gesagt, der graugrüne — theils mehr grau, theils
mehr grün erscheinende — Thonschiefer, mit seiner so gewöhnlich
etwas streifigen Beschaffenheit und hie und da hervortretender
Tendenz etwas rauh oder quarzitisch zu werden. In grosser Con-
stanz ist derselbe z. B. im südlichen Theil des Gebietes von der
oberen Grenze des Systems bei Augustenthal , Steinach, Lauscha
abwärts bis zu einer Linie vom Blessberg über Siegmundsburg
entwickelt, in einer Breite von 3/4 bis 1 Meile3). Nicht anders
*) Besonders dunkeier Thonschiefer steht an : am Rennsteig zwischen Friedrichs-
höhe und der sog. Ausspanne, im Werragrund unterhalb Sophienau und weiter
aufwärts (Frohnberg und Pechleite), am Weissberg, im Langenbachgrund und am
Teichskopf etc. An den letztgenannten Stellen wird der dunkele Thonschiefer
z. Th. ein wenig dachschieferartig ; wirklicher, hierhergehöriger Dachschiefer
von jedoch unbedeutender Ausdehnung befindet sich am Grossenbach, zunächst
W. vom Werragrund, nahe dem Thalausgang, unweit Eisfeld. — Vergl. Gümbel,
1. c. p. 378.
2) Graugrüner Thonschiefer, ganz von der Art, wie er in der obersten cam-
brischen Schichtenfolge, den Phycodenschiefern, entwickelt ist, kommt auch noch
an verschiedenen Stellen des Wurzelberges vor, zum Theil nahe der Grenze zur
älteren Schieferzone.
3) Doch kann auch hier local die Färbung mehr graublau, ja viel dunkeier
werden, wie im Steinbachgrund, einem östlichen Seitenthal des Theuerner Grundes.
198
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
verhält es sich weiter nordöstlich, wo sich sein Gebiet von der
oberen Grenze, östlich von Lauscha, Ernstthal, Piesan nach NW.
erstreckt, über Igelshieb und die Partie des Cnrsdorfer Forstes bis
zur Grenze der nächst älteren Schieferzone, etwa h/j Meilen breit.
Derselbe Schiefer reicht dann weiter NO.-wärts und ist in den
Gebirgspartien bei Weisbach, im Lichtethal und dem unteren
Schwarzathal entwickelt1). Zwischendurch machen sich nur gering-
fügige Aenderungen geltend: so ist in der Partie des Neuhauser
Forstes, zwischen dem Rennsteig und Mittelbachsheide die Färbung
mehr lichtblaugrau, ähnlich wie an vielen Stellen der Wurzelberg-
partie, und auch sonst mehrfach wiederkehrend. Wo, wie am
Findig, im Frauenbach- und Katzethal, viel Quarzitlagen schichtig
mit Thonschiefer wechseln, nimmt die Färbung des letzteren meist
einen noch dunkeieren Ton an2).
Die beim cambrischen Thonschiefer so gewöhnliche Streifung
oder Bänderung (sie liegt natürlich in der Schichtrichtung und
tritt auf den transversal spaltenden Schieferplatten deutlich hervor)
wird dadurch bewirkt, dass weichere Thonschiefermasse mit härterer
etwas mehr quarzitischer Masse lagenweise wechselt; erstere bildet
die meist dunkeieren, breiten, letztere die helleren, schmalen Streifen.
Diese härtere und meist lichter gefärbte quarzreichere Zwischen-
masse des eigentlichen Thonschiefers erscheint nun nicht immer
in parallelen Bändern, sondern auch in knoten- und wulstartigen
— Ganz fremd ist ferner dieser Partie auch nickt die Zwischenschichtung von
Quarzitbänken zwischen Thonsckiefer , so gegen den SW. -Rand, in der Strecke
von Rauenstein nach Melchersberg.
Q Auch der Schiefer der weiter östlich liegenden, halbinselartig zwischen
jüngeren Schiefern auftretenden cambrischen Partie von Gräfentlial und Lauen-
stein gehört hierher.
3) Die grünliche Färbung des Schiefers dürfte chloritischer Natur sein; mit-
unter enthält das Gestein kleine grüne Pünktchen und Knötchen, wohl stärkere
Anhäufungen dieser Substanz. Weisse, leicht sichtbare Glimmerschüppchen sind
in allen hierhergehörigen Schiefermodificationen eine gewöhnliche Erscheinung.
Sie liegen nicht nur auf den Schichtflächen, sondern auch im Innern der Gesteins-
masse. Namentlich sind sie auch in den quarzitischen Abänderungen verbreitet.
— Verschieden von diesen Glimmerschüppchen sind die hautartigen Ueberzüge
eines Glimmerminerals auf Dislocationsflächen, an denen Ablösung stattfindet;
dieser Glimmer scheint secundärer Entstehung zu sein.
der cambrisch-phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
109
Formen, welche seitlich in Thonschiefer übergehen können, in
anderen Fällen sich scharf von jenem unterscheiden und loslösen
lassen; solch eigenthümlich knotige und wulstige Beschaffenheit
besonders der Schichtoberflächen ist für viele Lagen, namentlich
des oberen und obersten cambrischen Schiefers recht charakte-
ristisch und tritt besonders beim Zerfallen des Gesteins hervor;
sie wiederholt sich indess auch noch öfters weit ins Liegende
hinein 1).
Schichtflächen der obersten cambrischen Thonschiefer, der
Phycodenschiefer, wie sie nicht selten in Steinbrüchen entblösst
werden, zeigen oft die Erscheinung der durch Wellenwirkung zu
Stande gekommenen parallelen Kippen oder Wülste in ausgezeich-
neter Weise; meist sind es zwei unter spitzem Winkel sich schnei-
dende Systeme; auf den grösseren Wülsten sind meist noch klei-
nere Fältchen oder Rippchen und unregelmässige Knötchen zu be-
merken 2).
Mitunter ist auch discordante Paral lelstructur (diago-
nale Schichtung) in den einzelnen Lagen und Bänken an der An-
ordnung der verschiedenfarbigen Streifen in mehreren, gegenseitig
sich abschneidenden Parallelsystemen deutlich zu erkennen, eine
Structur, die übrigens auch sonst wiederholt in sehr alten Schichten-
*) Dass die härtere, quarzreiche Zwischenmasse des Thonschiefers bald in
Streifen, bald in Knoten erscheint, liegt z. Th. wohl nur in geringen Modificationen
in der Art der Sedimentirung ; vielleicht, dass die letzteren aus der Umgestaltung
von gleichmässiger ausgebreiteten Sedimentlagen unter Vermittelung von Wellen-
bewegung hervorgingen; es dürfte dies insbesondere von den auf der Oberfläche
der Bänke vortretenden derartigen Körpern gelten. — Wie aber in vielen Fällen
ähnliche Körper, besonders von linsenförmiger Gestalt, rein nur auf mechanischem
Wege, durch Druck von zwei Seiten her zu Stande gekommen sind, zeigt Liebe
sehr klar in der »Erläuterung zu Blatt Zeulenroda« der geol. Specialkarte von
Preussen u. d. Thüring. Staaten, Berlin 1881, p. 4.
3) Der Vergleich mit ripple mcirks erscheint hier durchaus zutreffend. Diese
welligen Schichtoberflächen setzen jedenfalls eine gewisse Unterbrechung in der
Sedimentirung voraus. Sie sind insofern von den genannten härteren resp. mehr
quarzitischen Wülsten und Knoten verschieden, als sie aus derselben Thonschiefer-
masse bestehen können , wie die übrige Masse der Schicht oder Bank. Durch
den Einfluss der Transversalschieferung kann die holperige und geriffelte Be-
schaffenheit der Schichtoberfläche noch vergrössert worden sein.
200
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
complexen verschiedener Gegenden beobachtet worden ist1). Diese
und die übrigen erwähnten Erscheinungen dürften für die in Rede
stehenden obercambrischen Schichten wohl auf Ablagerung in wenig
tiefem, massig bewegtem Wasser gedeutet werden.
Die Phycoden — Phy codes circinnatum Richter — jener
für die oberste cambrische Schichtenpartie Thüringens, und der
Gebirge weiter ostwärts, so besonders wichtige Einschluss, dem
organischer Ursprung zugeschrieben wird, finden sich als stein-
kernartige, aus derselben Masse wie der umgebende Schiefer be-
stehende Körper, welche sich nicht vollständig aus dem Gestein
herauslösen, sondern reliefartig, als erhabene Gebilde in Form sich
verzweigender Stämmchen zum Vorschein honunen. Sie erinnern
sehr an verwandte Formen, die z.Th. unter ähnlichen Namen aus ver-
schieden alterigen paläozoischen Schichtensystemen verschiedener
Länder beschrieben worden sind. Uebrigens sind die Phycoden
im Ganzen selten; wahrscheinlich kommen sie nur auf bestimmten
Schichtflächen vor, was man daraus schliessen möchte, dass sie
sich an gewissen Localitäten häufiger wiederholen, an vielen anderen
bei allem Suchen nicht zu finden sind; und überdies sind sie bis
jetzt nur in der obersten cambrischen Thonschiefer- und Quarzit-
zone aufgefunden worden. Phycodensehiefer, resp. typische oberste
cambrische Schiefer stehen beispielsweise an: im Thalgrund ober-
halb Augustenthal , im Steinachthal und Göritzgrund zwischen
Steinach und Lauscha, und weiter NO. in der Gegend von Ernst-
thal und Piesau2).
x) Naumann, Lehrb. cl. Geognosie, II. AufL, Bd. I, S. 474. — K. v. Fritsch
beobachtete sie am Gneiss der Gegend des Piz Lucendro. (Beiträge z. geol. Karte
d. Schweiz, 15. Lief. 1873, S. 50.)
2) Wenn auch den Phycoden, als Ganzes betrachtet, eine durchaus selb-
ständige und leicht zu erkennende Gestalt zukommt, so kann man bei manchen
Vorkommnissen im Zweifel bleiben, ob man es mit einem isolirten Zweig oder
Fragment eines Phycoden oder einer jener oben genannten wulstförmigen Ein-
lagerungen des Schiefers zu thun hat.
Weiteres über den Phycodes circinnatum Richter, und seine Verglei-
chung mit ähnlichen Vorkommnissen aus cambrischen und sibirischen Schichten
anderer Länder, s. besonders Gümbel, 1. c. p. 380. Die thüringische Form wird
für vielleicht identisch gehalten mit Brongniart’s und Hisinger’s Fucoides circin-
natus, der neben anderen vegetabilischen Resten im schwedischen Cambrium
der cambriscli-phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
201
Das cambrische Thonschiefersystem ist durchgehends trans-
versal gesch iefert, und wenn auch diese Schieferung meist
nicht sehr vollkommen ist, lässt sich doch behaupten, dass sie das
System geradezu beherrscht und gewöhnlich viel deutlicher hervor-
tritt als die Lage der ursprünglichen Schichtung; so dass stets
natürliche oder künstliche ebenflächige Spaltstücke in der Schiefe-
rungsrichtung liegen und das erwähnte streifige Ansehen besitzen.
Selbst bis in die Quarzitlager hinein macht sich der Einfluss der
Schieferung deutlich geltend ; und nicht minder kommen zwischen-
gelagerte porphyroidische Lagen transversal geschmiert vor, soweit
solche überhaupt für Transversalschieferung zugänglich und nicht
ganz massig krystallinisch sind.
Die Transversalschieferung zeigt in diesem gesammten Gebiete
fast durchgängig ein steiles bis sehr steiles Einfolien nach NNW. ;
locale Ausnahmen kommen vor. Neben der Schieferung macht
sich Parallelklüftung geltend, öfters nach zwei bis drei Rich-
tungen hin, die auf eine gewisse Erstreckung constant bleiben
können 1). Das Zusammentreffen von Schichtung, Schieferung und
Klüftung im Verein mit der oben erwähnten, eigentliümlichen,
wulstigen Beschaffenheit des Gesteins in der ersten Richtung be-
dingt bei den Phycodenscliiefern und diesen im Habitus sich nähern-
den älteren Schiefern öfters ein charakteristisches Zerfällen in un-
regelmässig stengelige Fragmente. Gewöhnlicher als das steil-
gelige oder scheitartige Zerfällen ist das platten förmige,
welches durch etwas gleichartigere Gesteinsbeschaffenheit im Ver-
(Eophyton-Sancl, stein) vorkommt. Vergl. Richter, Zeitsclir. d. D. geol. Ges. 1869,
S. 359. Doch sind auch die sibirischen Analoga z. Th. recht ähnlich, z. B. der
IJcrophycus Otawaensis Bii.ling’s aus dem Trentonkalk. — Feine Querstreifung,
wie sie Richter, Zeitsclir. d. D. geol. Ges. Bd. 11, 1850, p. 206 von Phycocles
circinnatum erwähnt, und die zu Gunsten seiner organischen Herkunft gedeutet
werden kann, habe ich an einem der aufgefundenen Exemplare ebenfalls bemerkt.
— Abbildungen des P/rycodes circinnatum s. Richter i. c. Taf. IX; Gümbel 1. c.
p. 376.
') Beispielsweise zu sehen in der Gegend des Steinachthals, Göritzgrundes
und Göritzberges zwischen Steinach und Lauscha.
Die drei Lagen der Schichtung, Transversalschieferung und Hauptklüftung
bedingen öfters die Grundform oder Kerngestalt der Felsbildungen; z. B. bei
Schwarzburg (Trippstein).
202
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
ein mit genügend starker Schieferung bewirkt wird. — In der
untern Schwarzagegend, von Weisbach ab, ist die transversale
Schieferung des grünlichen Schiefers local so ausgebildet, dass er
als Dachschiefer gewonnen wird.
Die Ve r wittern 11g bringt an den cambrischen Thonschiefern,
besonders den graugrünen, bräunlichgelbe und rothe Farbentöne
hervor. Die weichem Schiefer derart können endlich eine fast
ockergelbe Erde als Residuum hinterlassen. Die quarzitischen
Abänderungen verwittern meist mehr röthlich. In ansgedehnten
Strichen werden besonders unter Mitwirkung genügender Feuchtig-
keit oder von Quellwasser die weicheren cambrischen Schiefer zu
völlig lehmigem, weichem Boden zersetzt, z. B. vielfach im Bereich
das Cursdorfer Forstes.
An einigen Stellen enthält der cambrisehe Thonschiefer
Zwischenschichten von Wetzschiefer, die indess nicht gerade
häufig und gewöhnlich auch in geringer Mächtigkeit, lagenweise,
auftreten. Das bekannteste Vorkommen derart ist das vom Hiften-
berg bei Siegmundsburg, welches besonders in früherer Zeit Steine
von vorzüglicher Qualität lieferte1). Aehnliche Schiefer sind im
Als! lachgrund (S. von Scheibe) und an der S.- Seite des Göritz-
berges vorgekommen. In grösserer Menge finden sich die Wetz-
O O O o
schiefer- Zwischenlagen auf der Höhe des Gehegberges zwischen
Gräfenthal und Lauenstein, etwas östlich von unserem Gebiete.
Am Wurzelberg (Höhe östlich von Goldisthal) findet sich Wetz-
schiefer als Zwischenschicht eines Quarzitlagers, oder bildet viel-
mehr einzelne Lagen eines stärkeren thonschieferigen Zwischen-
mittels des Quarzitlagers.
Ueber locale Wiederholungen zwischen cambrischem Thon-
schiefer, jener eigenthümlichen Schiefer von z. Th. klastischem
Habitus, wie sie besonders der älteren Schieferzone angehören, ist
weiter oben schon berichtet worden ; und auf die porphyroidischen
Zwischenschichten kommen wir später zu sprechen.
!) Vergl. Richter, das thüringische Schiefergebirge, Zeitschi', d. D. geol. Ges.
1S69, S. 353.
der cambriscli-phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
203
Cambrischer Quarzit.
Von den Einlagerungen der cambrischen Thonschieferzone
sind die an Masse und Verbreitung weitaus bedeutendsten die
Quarzite. Sie treten entweder in deutlich abzugrenzenden Lagern,
oder auch als durchgehender Schichtenzug auf, oder aber sie
gehen, in anderen Strichen des Gebirges, dergestalt mit Thon-
schiefer durcheinander, dass dies Verhalten nur ungefähr kar-
tographisch ausgedrückt werden kann. In letzterem Fall erscheinen
sie eigentlich nicht mehr als Einlagerungen, sondern als mit Thon-
schiefer alternirende wesentliche Schichtenelemente des Systems.
Uebrigens sind auch selbst manche geschlossene, resp. gut abzu-
grenzende Quarzitlager, wie die am Wurzelberg, oder vielleicht
alle, nicht frei von Thonschiefer, sondern es findet sich solcher
bald mehr bald weniger in Verwachsung und Wechsellagerung mit
den Quarzitbänken.
Der cand irische Quarzit ist meist feinkörnig; mitunter er-
scheint er fast dicht1). Die Färbung ist in der Regel licht, weiss,
grau, gelblich, röthlich; etwas dunkeier wird sie in gewissen Partieen
der tieferen cambrischen Gebirgspartie (Gegend des Werragrundes,
Saargrundes u. s. w., gegen den SW.- Rand des Gebirges zu), wo
auch die Thonschiefer dunkeier sind und meist ein enger Wechsel
zwischen letzteren und Quarzit stattfindet. — Ausscheidungen von
Quarz, Eisenglanz und Rotheisen (Eisenrahm) auf Klüften sind,
wie in den meisten Quarziten, auch hier sehr verbreitet2).
Das Quarzitgestein erscheint entweder homogen, oder seltener
ist auch eine die Schichtung andeutende heterogene Beschaffen-
heit wechselnder Lagen zu erkennen, welche bis zu schieferiger
Ablösung in dünneren Platten gehen kann. Weisse Glimmer-
schüppchen sind nicht selten der Gesteinsmasse beigemengt oder
auf Ablösungsflächen angehäuft. Die so häufig vorkommenden
') In den Quarzitlagern des Wurzelberges z. B. kommen hie und da sehr
dichte, fast porcell an artig aussehende, muschelig brechende Quarzitlagen und
-Platten vor.
2) Nur einmal (Thal der Weissen Schwarze) bei Katzhütte wurde etwas Schwer-
spath als Kluftmineral beobachtet.
204
H. Lobetz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Eisenoxydpünktchen sind z. Th. wohl auf Magneteisen, z. Th. aber
auch auf Schwefelkiespartikel oder -Kryställchen zurückzuführen;
letztere können aber auch rostgelbe Pünktchen oder Flecke ver-
ursachen, wie sie in manchen Quarzitvarietäten, z. B. am Wurzel-
berg in grosser Menge Vorkommen, und durch Auswittern den
Quarzit porös machen können1). Weitere Vertheilung und Ver-
breitung des Eisengehaltes durch die Gesteinsmasse in Folge Ein-
Wirkung der Atmosphärilien kann dieselbe völlig röthen.
Die Schichtung des Quarzites kann in bereits angegebener
Weise sehr deutlich werden; in anderen Fällen wird sie dies durch
Zwischenschichtung ' von Thonschiefer, oder schon durch die
Schichtungsfugen zwischen den Bänken. Sind letztere nicht scharf
angedeutet und ist zugleich die Zerklüftung sehr vorgeschritten,
so kann allerdings die Lage der Schichtung völlig verwischt sein;
es kommt dies bei massigen, schieferiger Zwischenlagen fast ent-
behrenden Quarzitlagern in der That vor, wie bei denen der Stein-
heicler Gegend. In anderen Fällen sind zwar die Quarzitbänke
äusserst mächtig, so dass sie als Felsmassen vortreten, deuten aber
ihre Lage durch dünne schieferige Zwischenlagen an. (Z. B. im
Thal der Weissen Schwarze, unweit Katzhütte.)
Weitgehende Zerklüftung2) im Verein mit der Unzerstör-
barkeit dieses Gesteins an sich bringen es mit sich, dass im Aus-
strich mancher Quarzitlager Gehänge und z. Th. auch die Kuppen
B Der Quarzit des Lagers am Frohnberg, bei dem Werragrund (Blatt Eis-
feld) enthält eine Menge kleiner krystallinischer Partikel und Concretionen von
Schwefelkies, welche bis zu äusserst dünnen, in der Schichtungsrichtung liegenden
Häuten oder Anflügen herabgehen; sie verwittern leicht und haben rothe Flecke
von Eisenoxyd im Gefolge. — Mitunter kommen grössere Pyritwürfel oder -Con-
cretionen zu Brauneisen verwittert vor; auch solche, die in Roth eisen übergegangen
sind; und zwar nicht nur in den Quarziten, sondern manchmal auch in den
Schiefern.
2 ) Jener Theil der allgemeinen Zerklüftung, welcher das schliessliche Zerfallen
in Trümmer herbeiführte, mag zunächst nur in der Anlage vorhanden gewesen
sein, sozusagen latent, oder als Spannungszustand in Folge der verschiedenen
Kraftwirkungen, denen das Gebirge ausgesetzt gewesen ist, und erst durch äussere
Einflüsse, besonders Temperaturwechsel und Frost in den durch die Denudation
der Oberfläche genäherten Theilen zur völligen Ausbildung gelangt sein. Es gilt
dies übrigens auch von anderen Gesteinen,
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
205
von förmlichen Quarzit-Trümmerhalden mit Ausschluss jedes
anderen Gesteins bedeckt sind; die Erscheinung wird um so auf-
fälliger, als an solchen Stellen Waldwuchs und sonstige Vegetation
auf das dürftigste Maass herabsinken, ja ganz ausbleiben. Durch
solche Quarzit-Trümmerhalden zeichnet sich besonders der Theuer-
ner Grund und die Umgebung; von Steinheid und Dimbach am
Rennsteig und Ober-Lauscha aus. Diese Quarzitlager enthalten
kaum oder nur wenig Thonschiefer als Zwischenschichten der
Quarzitbänke. Weniger kommt es zur Bildung von Trümmer-
halden, wo mehr Thonschiefer zwischen dem Quarzit ist, indem
jener einen Verwitterungsboden liefert; so am Wurzelberg, und
auch im ganzen Verlauf des Quarzitzuges an der oberen Grenze
des cambrischen Systems.
Wie gesagt finden wir den Quarzit einmal in geschlossenen
resp. ringsum gut abzugrenzenden Lagern, wie dies die zahlreichen
derartigen Vorkommnisse am Theuerner Grund, bei Steinheid,
Lauscha, Limbach, im obersten Schwarzathal, am Werragrund und
am Wurzelberg darthun1). Ferner aber bildet Quarzit einen gleicli-
mässig durchgehenden Zug an der oberen Grenze des cambrischen
Systems; wir finden ihn hier in starken Bänken, welche mit grau-
grünem Thonschiefer wechsellagern; im Thonschiefer und auch in
ziemlich cjuarzitischem Gesteine dieser Zone, wie in dem zunächst
im Liegenden folgenden Thonschiefer, sind die oben genannten
Phycoden vorgekommen.
*) Ueber clie äussere Gestalt eines solchen Lagerkörpers lässt sich nur auf
Grund der Umrisse eine beiläufige Vorstellung gewinnen. — Oefters verlieren sie
sich nach einer oder mehreren Richtungen mehr und mehr in Thonschiefer, wie
in der Gegend des Katzethals und des Lindig (Blatt Breitenbach). Möglich, dass
einzelne benachbarte Quarzitlager, wie am Theuerner Grund, einen durch Denu-
dation zerstörten Zusammenhang hatten; möglich ferner, dass die ausgedehnte
Quarzitpartie der Gegend von Steinheit ein und dasselbe hin- und hergebogene
Lager darstellt, auf dessen Mächtigkeit aus der vorliegenden Verbreitung gar kein
directer Schluss zu ziehen ist; gewisses lässt sich hierüber nicht aussagen. Mit
grösserer Sicherheit lässt sich behaupten, dass der unvermittelte, ziemlich gerad-
linige Abschluss dieser Quarzitin assen nach NO. mit jenen Verwerfungserscheinungen
im Zusammenhang stehe, welche auch das Auftreten und die Lagerungsverhältnisse
der Zechstein- und Buntsandsteinpartieen bedingen, die hier ganz unvermittelt
inmitten des Schiefergebirges erscheinen.
206
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Noch etwas anders gestaltet sich das Yerhältniss von Quarzit
und Thonschiefer in gewissen Gebirgspartieen , nämlich in der
Gegend des Illessberges, Saargrundes und Werragrundes, in der
Nähe des SW. -Randes des Schiefergebirges und von da NO.-wärts
weiter über den Rennsteig, bei Siegmundsburg und Friedrichshöhe
und das oberste Schwarzathal, nach der Gegend des Frauenbachs
(östlich vom Wurzelberg), des Lindigs und Katzethals. Hier hat
man es, wie oben schon angedeutet, weder mit geschlossenen
Quarzitlagern, noch mit gleichmässig durchlaufenden Quarzitzügen
zu thun, sondern mit einem ganz unbeständigen Wechsel
von Quarzit und Thonschiefer, wo gewöhnlich der letztere vor-
waltet und der Quarzit in Bänken und Lagen zwischengeschichtet
ist, auch in engem, dünnschichtigem Wechsel mit Thonschiefer
verwächst. Man kann dies Verhalten nur schwierig auf der Karte
wiedergeben. In der Gegend des Katzethals entwickelt sich hie
und da aus diesem unbeständigen Wechsel ein massigeres Quarzit-
lager, so dass beide Arten des Auftretens des Quarzits in einander
übergehen. — Die genannten Gebirgsstrecken sind zugleich die,
wo Thonschiefer und Quarzit öfters den dunkelen Farbenton be-
sitzen1); und die wo die Wirkungen der Transversalschieferung
sich sehr deutlich bis in den engen Thonschiefer- Quarzitwechsel,
und selbst bis in geschlossene Quarzitlager hinein wahrnehmen
lassen; denn in ihrer Richtung spaltet stets der Thonschiefer, und
wo er mit Quarzitlagen verwachsen ist, schneidet die Spaltung quer
durch letztere hindurch 2).
Mitunter stellen sich im Quarzit dünne Häute und Flasern
eines sericitisch eil Minerals in grösserer oder geringerer Menge
ein ; so kann der Quarzit in einen schieferigen oder schieferig flase-
rigen Sericit- Quarzitschiefer übergehen. Man beobachtet diese
Q Starke Bänke eines dunkelen Quarzits werden z. B. im Saargrund, ober-
halb der kleinen Ortschaft gleichen Namens zur Strassenbeschotterung gebrochen.
— Wie im nächsten Abschnitt näher angeführt wird, nimmt der Quarzit in dieser
Gegend öfters einen grauwackeähnlichen Habitus an.
2) Es kommen selbst Quarzitstücke ohne Thonschieferverwachsung vor,
welche eine allerdings sehr unvollkommen entwickelte secundäre Schieferung be-
sitzen, neben welcher sich die anders liegende Schichtung durch geringe Niian-
cirungen der Färbung etc. zu erkennen giebt.
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
207
Varietät sehr häufig in der Gegend des Wurzelbergs, des Katzethals
u. s. w. An anderen Stellen ist sericitisehe Zwischenmasse mehr
nur auf den Schichtungsfugen zwischen den Bänken abgelagert 1).
Beim Quarzit des Frolmbergs, am Werragrund, haben die schiefe-
rigen Lamellen und Flasern zum Theil mehr das Ansehen eines
dunkelen Phyllits.
Merkwürdig sind fast conglomera tische Abänderungen des
Quarzits, wie sie z. B. am Steinbiel bei Neuhaus am Rennstieg
Vorkommen: abgerundete Trümmer von Quarz, Schiefer und, wie
es scheint auch Quarzit, sind durch quarzitische Masse verbunden,
der auch die sericitisehe Zwischenflaser nicht fehlt. Aehnlicher
Quarzit kommt ganz im NW. des Schiefergebirges, am Langen
Berge vor2).
An der westlichen Seite des Wurzelberges findet sich auch
eine anders aussehende Modification, bei welcher die Quarzitmasse
einzelne kleine, flache, abgerundete Stücke anscheinend ganz des-
selben Quarzits einschliesst. Nicht selten findet sich auch Breccien-
structur des Quarzits. Obwohl dieselbe in der Regel nur an isolirten
Trümmern zu sehen ist, möchten wir annehmen, dass sie normalen
Zwischenschichten angehöre und ursprünglicher Bildung sei, in
der Art wie auch bei manchen Kalksteincomplexen Schichten mit
Breccienstructur , andere von dichter etc. Structur regelmässig
zwischengelagert Vorkommen.
Sehr verbreitet ist die Durchtrümerung des Quarzites mit
Quarz, der, wie er einerseits feinste Adern erfüllt, so auch anderer-
seits zu bedeutenden Massen anschwellen kann; so dass nach dem
endlichen Zerfall seine unverwüstlichen Trümmer als Felsen und
Blöcke von allen Dimensionen übrig bleiben; die grossem derselben
wurden besonders früher zu Mahlsteinen für die vielen Masse-
mühlen der thüringischen Porcellanfabriken zugerichtet. Von diesem
Quarz ist jedenfalls ein grosser Theil als Secretionsmasse anzu-
sehen, welcher die im Quarzit so besonders zahlreichen secundär
entstandenen Klüfte erfüllte. — Von wissenschaftlichem und histo-
x) Von petrograpliiselien Uebergangsstufen zu gewissen porphyroidisehen
Schiefern wird weiter unten, bei letzteren die Rede sein.
2) Vergl. Richter 1. c. p. 349,
208
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
rischem Interesse ist die zwar sehr minimale Goldführung des
cambrischen Quarzits resp. seines Quarzes, welche in alten Zeiten
Anlass zur Goldgewinnung gegeben hat; am bekanntesten ist diese
von den Steinheider Quarzitlagern; aber auch an andern Stellen
wurde Gold gewaschen, so an der westlichen Seite des Wurzel-
herges, wo noch jetzt die Namen Raspis-, Ronn- und Rothseifen-
bach, und Goldisthal an diese alte Industrie erinnern. Noch in
neuerer Zeit ist aus der Schwarza, mehr versuchsweise, Gold ge-
waschen worden.
Dass die cambrischen Thonschiefer öfters etwas rauh und
quarzitisch werden, wurde schon erwähnt; es können förmliche
Mittelgesteine von Thonschiefer und Quarzit vorliegen, welche
ebenfalls, wie der reine Quarzit, als strichweise vertheilte Partieen
oder als abgrenzbare Einlagerungen im Thonschiefer erscheinen;
solche wurden bei der Detailaufnahme besonders auf Section Stein-
heid als » quarzitische Schiefer« angegeben, und zwar in der
Gegend von Steinheid und Lauscha. Diese Modificationen ver-
halten sich z. Th. mehr wie ein Quarzit , der mit grosser Fein-
körnigkeit einen schichtigen Wechsel und ein stärkeres Hervor-
treten schieferigen Gefüges, ob ursprünglich oder transversal, ver-
bindet; z. Th. verhalten sie sich als Quarzit, der mit Flasern
rauher Thonschiefermasse verwachsen ist; z. Th. auch scheint ein
Thonschiefer, der nicht viel von seiner Spaltbarkeit eingebüsst hat,
doch einen starkem Quarzgehalt durch die ganze Masse hindurch
besitzt, vorzuliegen.
Das Vorkommen von Versteinerungen im Quarzit
von Siegmundsburg.
Der Verfasser kann sich hier zunächst auf die Mittheilung
beziehen, welche er bereits an einer anderen Stelle1) über dieses
interessante Vorkommen gegeben hat; die ersten dieser Ver-
steinerungen sah derselbe bei einem Einwohner von Friedrichs-
*) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XXXII, 1880, p. 682 ff.
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
209
liölie am Rennsteig, in der Nähe der Fundstelle, und fand in der
Folge eine grössere Zahl von Exemplaren, die sich jetzt in der
Sammlung der geologischen Landesanstalt in Berlin befinden ; seit-
dem sind dieselben Formen noch mehrfach, aber nicht in besseren
Exemplaren und auch keine neuen Formen vorgekommen.
In unserer früheren Mittheilung hatten wir noch die Unter-
scheidung in ober- und untercambrisch festgehalten, indem wir
ersteren alle die von den obersten cambrischen Schiefern, nämlich
den eigentlichen Phycodenschiefern nicht zu unterscheidenden
Schiefer zuzurechnen geneigt waren ; da wir aber in vorliegendem
Artikel diese Unterscheidung aus weiter oben angegebenen Gründen
aufgegeben haben, wollen wir hier nur constatiren, dass die petre-
factenführende Schicht bei Siegmundsburg weit im Liegenden von
jener obersten Phycodenzone erscheint, und dass uns die gesammten
Lagerungsverhältnisse keine Interpretation zu gestatten scheinen,
welche ihr ein jüngeres Alter zuweisen würde.
Das betreffende Gestein ist ein Quarzit von klastischem, an
Grauwacke erinnernden Habitus; theilweise ist es mehr als quarzi-
tischer oder grauwackeartiger Schiefer zu bezeichnen 1). Der be-
treffende Steinbruch liegt einige hundert Schritt vom Westende
von Siegmundsburg bei Steinheid, und ebenso weit von der Post-
strasse nach Norden im Walde, fast auf der Wasserscheide zwischen
Weser und Main. Die Bänke fallen mit 40° nach NW. ein; die
mit diesen Bänken vorkommenden Thonschieferzwischenlagen sind
grünlich und unterscheiden sich nicht von den sonstigen cam-
brischen derartigen Schiefern.
Obwohl an verschiedenen Stellen der Umgebung ähnliches
Gestein ansteht2), ist das Vorkommen von Petrefacten bis jetzt
auf die. eine Stelle beschränkt geblieben.
Q Farbe dunkelgraugrün, Verwitterung bewirkt Röthung. Das blosse Auge
erkennt Quarzkörner , verbunden durch ein kieseligthoniges , zurücktretendes
Carnent; daneben weisse Glimmerschüppchen, nicht sehr zahlreich, sowie Magnet-
eisenpartikel, an welchen öfters dreieckige Flächen zu sehen; da nicht alle, trotz
äusserer Gleichheit, vom Magnet angezogen werden, dürfte auch Titaneisen dabei
sein. Hie und da auch Schwefelkiespartikel.
2) In derselben Streichrichtung wiederholt sich an der Landstrasse im Saar-
grund noch 1 bis 2 mal ganz dasselbe Gestein; besonders ähnlich steht es an
14
210
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
In meiner früheren Mittheilung über diesen Gegenstand wurde
ausgesprochen, dass die meisten der vorgekommenen Formen wohl
auf eine Lingula, die durch Streckung meistens verzerrt sei, sich
zurückführen lassen dürften. Etwas zu spät, war ich auf ein
Exemplar aufmerksam geworden, dessen sehr zum dreiseitigen
neigender Umriss sich wohl nicht mehr mit dieser Vorstellung vertrug.
o o o
Bei weiterer Verfolgung der einschlägigen Literatur schien mir die
genannte Form sich am besten der Davidia vergleichen zu lassen,
welche Hicks 1) aus der Tremadoc Group (an der oberen Grenze des
Upper Cambrian, Hicks) unweit St. Davids beschreibt und abbildet.
Wenn daher Herr E. Ivayser in einem Referat2) die in
meiner früheren Mittheilung abgebildeten Formen, wenigstens zum
Theil, als Lamellibranchiaten ansieht, so muss ich ihm wohl Recht
geben; glaube indess doch noch, dass neben diesen auch Lingula
vorhanden und manches sich auf diese wird zurückführen lassen.
Welche der bis jetzt schon aus den alten Schichten bekannten
Lingulaformen indess zum Vergleich herangezogen werden können,
will ich nicht entscheiden, sondern muss dies den Paläontologen
von Fach überlassen3).
Bei allem Interesse, welches die bei Siegmundsburg ge-
fundenen Versteinerungen bieten, reichen dieselben doch wohl, wie
mir scheint, noch nicht aus, um die Vergleichung unseres Cam-
genannter Strasse in der Höhe 2025 Dec.-Fuss an, es erinnert hier sehr an Grau-
wacke und enthält kleine Schiefersplitter. Aehnliches Gestein wiederholt sich an
der S.- Seite des Saargrundes. Auch in der entgegengesetzten Richtung, nach
NO. in der Gegend der Alsbach berge und weiter gegen Scheibe ist ähnliches Gestein.
Nicht sehr viel verschieden ist auch der Quarzit in NW. -Richtung vom Fundort.
Oefters kehrt in den genannten Partieen der an Grauwacke erinnernde Habitus wieder.
Q Quarterly Journal u. s. w. 1873, p. 39 ff. — Wie ich etwas später bei
einem Besuch der Sammlungen der geolog. Landesanstalt in Berlin sah, ist auch
von Herrn E. Katser eines oder einige der von mir eingesandten Exemplare als
fragliche Davidia bezeichnet worden.
2) Neues Jahrbuch etc. 1881, Bd. I, Ref. p. 431.
3) Bei Durchsicht der einschlägigen Literatur schienen mir einige Lingula-
Arten, Quebecensis und Cobourgensis , die Billings, geolog. Survey, Canada,
Paläozoic fossils. I, 1865 abbildet, äussere Aehnlickkeit zu besitzen.
Mit der von Geinitz (Sitzungsber. naturwiss. Ges. Isis 1872, p. 127) abge-
bildeten und mit Lingula Rouaulti Salter verglichenen Form aus der Oberlausitzer
Grauwacke haben unsere Exemplare keine Aeknlichkeit.
der cambrisch- phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
211
briums mit auswärtigen paläozoischen Bildungen viel weiter zu
fördern, und am wenigsten werden sie der Hinzuziehung des
ganzen betreffenden Schichtensystems zu den cambrischen Bil-
dungen Eintrao' thun. Ist doch Linffula als Gattung; in den un-
bezweifelt cambrischen Ablagerungen Schwedens und Englands
vorhanden, und könnte es wohl nicht befremden, wenn aus einer
Formengruppe von Eingula, welche im Silur Vertreter hat,
schon im Cambrium ein Vorläufer erschiene; und sind doch
Lamellibranchiaten in Schichten vorhanden, welche in England
wenigstens von vielen Seiten als cambrisch angesehen werden.
o o
Oberste cambrisclie Zone und Grenze zum Silur;
Thuringithorizont.
Wir erwähnten bereits, dass das cambrische System in unserem
Gebiete oben mit einem durchgehenden Zug von Quarzitbänken ab-
schliesst, welchem graugrüne Thonschiefer (Phycodenschiefer)
zwischengeschichtet sind; dieser Complex ist ziemlich mächtig.
Aufwärts nehmen nun diese Tlionschieferzwischenlagen eine etwas
andere Beschaffenheit an, enthalten keine Phycoden mehr und
nähern sich schon mehr den Untersilurgriffelschiefern. Sie sehen
blaugrau oder grau aus, röthen sich leicht durch Verwitterung,
sind z. Th. sogar stark eisenschüssig, roth abfärbend; Eisenoxyd
verbreitet sich auf mechanischem und wohl auch chemischem Wege
allenthalben durch die Masse, auch auf Klüften und Fugen des
zwischengelagerten Quarzits. Stellenweise ist in dieser Zone der
Eisengehalt so sehr angereichert, dass förmliche Zwischenlager von
derbem Rotheisenstein vorliegen, wie namentlich in der Gegend
von Hämmern, wo in früherer Zeit auf solchen Eisenstein am
Reckberg und Saukopf Bergbau getrieben wurde 1). Bei den
Schiefern dieser Zone kommen manchmal auch sehr klastische
*) Solche, mehr vereinzelt vorkommende Eisensteinlager bilden sozusagen
die Vorläufer des bald zu erwähnenden, durchgehenden, wichtigen Thuringit-
Eisenstein - Horizonts.
14
212
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Modificationen vor, welche abgerollte Fragmente ähnlicher Schiefer,
in eisenschüssiger Schiefermasse eingebacken, enthalten.
Gewöhnlich gehen solche weiche, rothe oder blaugraue durch
Verwitterung sich röthende oder marmorirt aussehende Thonschiefer
über die obersten, stärkeren Quarzitbänke hinaus und bilden dann
noch einen wenig mächtigen Complex für sich, welchem höchstens
quarzitische, glimmerreiche Lagen, doch keine stärkeren Quarzit-
bänke mehr eingeschaltet sind, und welcher Complex aufwärts in
die dunkelblauschwarzen Untersilurschiefer, welche in unserer
Gegend fast immer als Griffelschiefer entwickelt sind, ohne
scharfe Grenze übergeht; in der That nähern sich jene obersten
cambrischen Schiefer petrographisch den Griffelschiefern schon
sehr und zeigen oft dieselbe parallel faserige, auf Streckungsvor-
gänge zurückzuführende Structur, wie letztere1).
Bei diesen allmählichen Uebergängen ist die Grenzlinie zwischen
dem cambrischen und sibirischen Theil etwas unsicher zu ziehen.
Das Bemerkenswertheste nun in dieser Grenzpartie ist, dass sie
den Horizont für die weithin zu verfolgende, ganz eigenthümliche
Eisensteinbildung des Thuringits abgiebt, welche, wenn
auch nicht in ununterbrochen durchgehendem Zug, doch von Strecke
zu Strecke in Form von normal den Schichten eingeschalteten
Lagermassen stets in diesem stratigraphischen Niveau, an der
Basis des Silur erscheint 2).
Diese Eisensteinbildung nun ist auf das Innigste dem Material
wie der Lagerung: nach mit den sie einschliessenden , ohnehin
eisenschüssigen Schiefern verbunden; sie erscheint sozusagen als
eine local aus ihnen hervorgehende Anreicherung des Eisengehal-
tes. Der Eisenstein ist vielfach oolithiscli; kleine Oolithe von
flacher, ellipsoidischer Form, anscheinend ohne innere Structur, von
der umgebenden Masse schalig sich ablösend, mehr oder minder
!) Recht verbreitet sind auch bei diesen eisenschüssigen Zwischenschichten
phaneroklastische Modificationen; meist sind hier kleine, abgerundete Schiefer-
geschiebe, dem Ansehen nach von wenig älteren Schichten herrührend, in der
rothen eisenschüssigen Schiefermasse eingebacken; in anderen Fällen ist die
Structur mehr breccienartig.
3) Auf dem Kärtchen ist diese Zone wegen ihrer geringen Mächtigkeit nicht
besonders ausgedrückt worden.
der cambrisch-phyllitischen Scliieferreihe in Thüringen.
213
dicht gedrängt, sind durch eine, wie es scheint, aus demselben
Stoff’ bestehende, weiche, schieferige Masse verbunden, welche sich
auch lagenweise für sich, ohne Oolithe hindurchzieht; das Ganze
stellt so einen ziemlich eisenreichen Rotheisenoolith dar, dessen
Farbe aber in frischem Zustand ein dunkeles Grün oder schwarz-
grün ist. Die Bindemasse der Oolithe kann nun aber weiterhin
übergehen in den gewöhnlichen, etwas eisenschüssigen Thonschiefer
dieser Zone, wodurch sich eisenärmere halboolithische Varietäten
ergeben ; auch klastische und breccienartige Structur spielt hinein
und so ergeben sich eine ganze Anzahl Modificationen, die nach
petrographischer Beschaffenheit , wie durch Verwachsung und
Wechsellagerung untereinander und mit dem umgebenden Schiefer
verbunden sein können. In einer etwas anderen Modification er-
scheint der Eisenstein als chloritgrüne Masse, die ebenfalls ooli-
thisch oder auch breccienartig wird, nicht roth, sondern braun
verwittert (Brauneisenoolith) und wie angegeben, mit dem gewöhn-
lichen, thonigeren Schiefer verbunden sein kann.
Unter »Thuringit« sind eben jene reinsten, mineralisch homo-
genen und dem Chlorit verwandten, in frischem Zustande grünen
und vielfach oolithischen Partieen zu verstehen.
Dieser eigenthümliche und für das Thüringisch-Fichtelgebir-
gische Schiefergebiet so wichtige Horizont des Thuringits bezeich-
net die Grenze von Cambrium und Silur1).
1) Wir bemerken, dass in unserem thüringischen Gebiet über den unter-
silurischen Griffelschiefern nochmals ganz ähnliche Eisensteinzwischenschichten sich
hie und da wiederholen.
Bei der Kartirung wird man die Thuringitschichten schon zum Silur ziehen,
mit Rücksicht auf die in denselben gefundene organische Form.
In der Thuringitschicht des Fichtelgebirges nämlich kommt im Leuchtholz
bei Joditz unfern Hof in einer besondere magneteisenreichen und quarzführenden
Abänderung des Thuringitgesteins eine Orthis in zahlreichen, doch schlecht er-
haltenen Exemplaren vor, welche Gümbee (1. c. p. 415 und 420) nach Geinitz als
Orthis aff. Lindströmi Linnarss. anführt.
Orthis Lindströmi Linnarss. gehört der Primordialzone an; sie gehört zu den
Brachiopoden, welche Linnarsson aus den schwedischen Paradoxidesschichten be-
schrieben hat. Eine jener Orthis aff. Lindste, einigermaassen ähnliche Orthis
{bavarica Barr.) kommt in der Fauna der Schichten von Leimitz bei Hof im
Fichtelgebirge vor, welche Fauna an der Grenze der ersten oder Primordial- zur
zweiten silurischen Fauna steht, — TJebrigens ist eine eigentliche Primordialzone
214
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Einlagerungen von Kieselschiefer und Alaunschiefer.
Kieselschiefer , Alaunschiefer und diesen verwandte, in höhe-
rem Grade mit Kohle imprägnirte und daneben wohl auch schwefel-
kiesreiche Schiefer kommen als Zwischenschichten oder Zwischen-
lager vornehmlich im Bereich unserer phyllitischen Zone vor, fehlen
aber auch der folgenden Zone nicht ganz und wiederholen sich
hie und da bis in die cambrische Thonschieferzone hinein.
Kieselschiefer und Alaunschiefer der phyllitischen
Zone. Sie können wohl als kohlereiche Modificationen der quar-
zigen hierhergehörigen Schiefer angesehen werden. Sie stellen
sich besonders nach NW. ein, genauer in dem nordwestlichen Theil
des Sattels, den nach unserer Auffassung die phyllitischen Schiefer
zwischen cambrischen bilden; obwohl auch nach der entgegenge-
setzten Seite und wie gesagt bis in die angrenzenden Zonen hinein
solche dunkele Kiesel- und Alaunschiefer, resp. ihnen höchst ähn-
liche nicht fehlen. Zu bedeutenden Schichtenfolgen erheben sich
diese in stärkerem Grade kohlehaltigen Schiefer nicht ; wo sie etwas
stärker entwickelt auftreten, wie in der Gegend von Breitenbach,
sind sie ehedem als Alaunschiefer technisch benutzt worden.
Wie die Aufschlüsse in dieser Gegend, besonders bei der
sog. »Schwefelhütte« oder »Wallbrücke« zeigen, bestehen diese
stets durch voll schwarze Färbung ausgezeichneten und meist ab-
färbenden Schiefer aus Kieselmasse in Verwachsung mit schwar-
zem, nämlich kohlereichem, weichem, phyllitisch gefälteltem, ab-
färbendem Schiefer; wobei sich denn nach Mengenverhältniss und
Vertheilung dieser Substanzen entweder ergiebt, ein sehr dünn-
schichtiger Wechsel von Kiesel mit schwarzem, abfärbendem Schiefer,
bei welchem ersterer vielfach nur in papierdünnen, lichtfarbigen
Zwischenlagen erscheint und letzterer vorwaltend werden kann —
oder ein dünn- bis dickplattiger Kieselschiefer, der meist etwas
und -Fauna so wenig im Fichtelgebirge wie im Thüring. Sckiefergebirge bis jetzt
bekannt. In letzterem sind die ersten Versteinerungen über den Phycoden bis
jetzt die Trilobiten der Steinadler Griffelschiefer, welche als der Gattung Asaphus
oder Ogygia und der zweiten sibirischen Fauna angehörig erkannt worden sind.
Näheres s. Gümbel 1. c. p. 414 und 428.
der cambrisch - phyllitisehen Schieferreihe in Thüringen.
215
quarzitisch erscheint, resp. in feinkörnigen Quarzitschiefer über-
geht, mehr oder weniger mit Kohlenstoff imprägnirt und mit an-
thracitisch glänzenden, abfärbenden Schieferhäuten überzogen ist.
Durch einen hinlänglichen Gehalt an Schwefelkies werden diese
Schiefer zu Al au ns chief er. Die Verwitterung solcher Schiefer
bewirkt öfters nässende Stellen. Mit dem Schwefelkiesgehalt
hängt auch die öfters sich wiederholende rostfarbige Färbung
grösserer, der Atmosphäre ausgesetzter Partie en zusammen1).
Das Vorkommen von Kieselschiefer innerhalb unserer phylli-
tischen Schichtenreihe ist indess nicht speciell an die genannten,
besonders kohlereichen und abfärbenden Schiefer, die Alaunschiefer,
gebunden, sondern besitzt eine grössere Verbreitung als letztere
Varietät. Während letztere namentlich in der Streichrichtung von
Gross-Breitenbach entwickelt sind, verbreiten sich die Kieselschiefer
auch weiter südöstlich, besonders in der Partie zwischen Bocks-
bach- und Oelzethal. Diese Kieselschieferzwischenschichten der
phyllitisehen Zone machen sich ganz besonders durch die grosse
Menge von hierhergehörigen Blöcken und Felsen bemerklich,
welche im Verwitterungsboden im erwähnten District und weiter-
hin umherliegen.
Bei näherer Untersuchung zeigen sich diese Kieselschiefer-
blöcke meist sehr wenig homogen : ihr Körper ist theilweise massig
und dicht, an anderen Stellen wohl etwas drüsig, theilweise aber
mehr schieferig und in kieseligen Thonschiefer übergehend, welch
letzterer durch Verwitterung ausbleicht und mehlig wird, während
die dichten, massigen Theile nur oberflächlich oder von Klüften
aus ausbleichen; dabei pflegen diese Blöcke und Felsen nach allen
Richtungen von weissen Quarzschnüren in unregelmässigster Weise
*-) Solche schwarze Alaunschiefer im Bereich der phyllitisehen Schichtenreihe
sind in früheren Zeiten namentlich bei Gross-Breitenbach durch bergmännischen
Betrieb in nicht unbeträchtlicher Masse gewonnen und verarbeitet worden. Das
Material wurde geröstet und ansgelaugt; noch späterhin ist ein zur Wasserab-
führung im nächsten Thalgrund angesetzter Stollen der Ockergewinnung dienlich
gewesen, indem das auf demselben abfliessende Grubenwasser Ocker absetzt.
Von Gross - Breitenbach lässt sich der Zug dieser Alaunschiefer einerseits nach
SW. in die Gegend der Alaunhütte und Altenfeld, andererseits nach Friedersdorf
und weiter verfolgen.
216
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
durchzogen zu sein, ATon denen wenigstens viele gewiss so wenig
secundärer Entstehung sein mögen, wie bei manchen massigen
Porphyroiden ; diese verschieden struirten und auch sonst differiren-
den Partieen sind nun eng verbunden und wie zn einem Ganzen
zusammengeschweisst, doch stellt dieses Ganze, nämlich der Kiesel-
schieferblock oder -fels nur den festeren Kern dar, welcher zuletzt
übrig bleibt und vorragt, nachdem die einschliessende, stärker zer-
klüftete oder auch etwas leichter verwitternde Gesteinsmasse ab-
gebröckelt und z. Th. verwittert ist. Dieses Verhalten ist an
gewissen Stellen, z. B. an der rechten Seite des Thalgrundes SW.
bei Breitenbach deutlich zu erkennen, wo die festen Kieselschiefer-
felsen z. Th. noch zwischen dem stärker gelockerten und zu
Trümmern und Schutt zerfallenen Materiale anstehend zu finden
sind; so zwar, dass sich an manchen derselben mit Hülfe ihrer
theilweise schieferigen Structur das Streichen nach NO. und steile
Einfallen nach NW. — NNW. recht wohl zu erkennen giebt. Ein-
mal freigelegt, sind solche Kieselschieferfelsen gleich Quarzfelsen
unverwüstlich; sie besitzen, im Ganzen betrachtet, eine sehr dunkele,
fast blauschwarze Färbung1).
Wie aus Obigem hervorgeht, sind die in der phyllitisclien
Schiefergebirgszone Thüringens als Einlagerungen vorkommenden
Kieselschiefermassen von ganz anderer Beschaffenheit als jene
regelmässig in Form dünner Platten aufeinandergelagerten Kiesel-
schieferschichten, die in der oberen Silurbildung Thüringens, des
Vogtlandes und Fichtelgebirges eine bestimmte Zone einnehmen.
Die erst eren besitzen in ihrer etwas wechselnden Structur und
x) Von Localitäten , wo der Kieselschiefer auf diese Weise vorkommt, sind
neben der genannten Stelle bei Breitenbach besonders namhaft zu machen das
Oelzethal, abwärts von Altenfeld, namentlich der Abhang der rechten Seite, gleich
unterhalb Altenfeld; der Walddistrict zwischen dem Oelzethal und dem Bocks-
bachthal bei Breitenbach, wo der Kieselschiefer, besonders in der westlichen
Partie, gegen die Breitenbach- Altenfelder Landstrasse zu, abgesehen von den
Felsblöcken auch in schieferig zerfallener Form stark verbreitet ist.
Auch in der SWh-Fortsetzung der phyllitischen Zone unseres Schiefergebirges,
jenseits der Rothliegenden Porphyrite von Neustadt und Masserberg, sind in der
Gegend des Biberthals und von da hinüber nach Unterneubrunn die Kiesel-
schiefervorkommnisse beobachtet worden, wenn auch lange nicht so reichlich, wie
in den oben bezeichneten Strecken.
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
217
Gesteinsbeschaffenheit und in ihrem Verhältniss zum phyllitischen
Schiefercomplex , dem sie angehören, eine gewisse Analogie mit
den porphyroidischen Einlagerungen. Wie bei den letzteren und
nicht minder den Quarziten der cambrischen Reihe, so wiederholt
sich auch bei einzelnen Partieen der Kieselschiefereinlagerungen
nicht selten jene Bre ccienstru ctur, der wir ursprüngliche Ent-
stehung zuzuschreiben geneigt sind.
Diejenigen kohlereichen Schiefer, welche als Einlage-
rungen der halb phyllitischen und der Thonschieferzone
Vorkommen, sehliessen sich denen der Phyllitzone im Allgemeinen
an; mehr als eigentlicher Kieselschiefer kommen hier weiche, leicht
spaltende und zerfallende, schwarz abfärbende Schiefer vor, von
mattem oder graphitisch bis anthracitisch glänzendem Ansehen,
und entweder ebenschieferigem oder mehr krummschaligem, hie
und da auch wohl etwas faserigem Gefüge. Kleine Discontinui-
o o
täten der Schiefermasse werden von Quarztrümern erfüllt. So am
Zeupels- und Weissberg, sowie am Meistergrund in der Gegend
des oberen Werragrundes, auch etwas südlich davon am Frohnberg
(Blatt Eisfeld); ferner im Schwarzathal oberhalb Schwarzmühl;
keine dieser Einlagerungen ist von erheblichem Umfang1).
Wir erwähnen hier noch eine andere Scliiefermodification,
die ebenfalls als Zwischenlager von beschränkter Erstreckung im
Bereich der tieferen, dunkeier gefärbten cambrischen Thonschiefer
öfters erscheint; sie besteht eigentlich nur in einer Abänderung
des gewöhnlichen weicheren Thonschiefers, dem in grosser Menge
feine Schwefelkiespartikel eingesprengt sind; diese Schiefer ver-
wittern sehr leicht und bewirken nasse Stellen, was übrigens auch
von den vorher aufgeführten Schiefern gilt, sobald sich dem Kohlen-
stoff ein gewisser Schwefelkiesgehalt zugesellt.
Alte Halden am Zeupelsberg, im oberen Werragrund, deuten darauf hin,
dass man diese Schiefer ehedem zu verwerthen gesucht hat. — In einigen Seiten-
schluchten des obersten Schwarzathals, oberhalb Langenbach finden sich An-
deutungen eben solcher leicht zersetzbarer Schwefelkies- (und -Kohle?) reicher
Zwischenlager.
218
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Einlagerungen von Ämphibolgesteinen.
Diese treten besonders, wenn auch nicht ausschliesslich, in
den älteren Zonen unseres Schiefergebirges auf und umfassen eine
ganze Reihe von Varietäten und Zwischenstufen, welche einerseits
in körnig kristallinisches, dioritisches Gestein, andererseits in ent-
schiedene Schiefer endigt. Jenes Endglied kommt geradezu auf
einen Diorit, resp. Epidiorit (Gümbel’s) heraus, wobei immer
noch Wechsel in der Korngrösse, Beschaffenheit und Vertheilung
des amphibolischen und feldspathigen Gemengtheils zu bemerken
sind; die Schiefer dagegen verhalten sich z. Th. als Hornblende-
schiefer, werden aber z. Th. auch ganz aphanitisch, so dass man
ihre Zusammensetzung — die möglicherweise sich der gewisser
sog. Grünschiefer nähert, wie sie anderwärts als Einlagerungen
der Phyllitformation Vorkommen — nicht ohne besondere Hülfs-
mittel erkennen kann. Massig krystallinisehe und schieferige Ge-
steine treten zusammen in Verwachsung auf; so zwar, dass die
amphibolische Lagermasse eine massig krystallinisehe Partie be-
sitzt, die in der Regel den festem, ohne Schichtung erscheinenden
Kern bildet, und eine schieferige, welche schalenförmig den Kern um-
giebt und ihrerseits in die gewöhnlichen Schiefer, welche das
Ganze einschliessen, übergeht1). In der Regel sind freilich die
schieferigen Partieen oberflächlich verwittert, und nur die festeren
dioritischen Partieen widerstehen in Form äusserst fester Blöcke
oder Felsen auf die Dauer den Atmosphärilien und bekunden das
Vorhandensein der amphibolischen Einlagerung. Erblickt man
nur diese, so könnte an das Vorhandensein eines Lagerganges
dioritischen Eruptivgesteins gedacht werden ; allein die noch vor-
handenen Reste des amphibolischen Schiefers, die grössere Zahl
unterscheidbarer Varietäten der hierherffehöriffen Gesteine, die
öfters zusammen Vorkommen, und abgesehen hiervon auch die Ge-
stalt und Umgrenzung des Ganzen, wie sie die Specialaufnahme
*) Solcher an sich schon zusammengesetzter Körper mögen sich, bei grösseren
derartigen Vorkommnissen, wieder mehrere zusammenschaaren und so, mit Zwischen-
schaltung phyllitischen etc. Schiefers, erst die ganze amphibolische Einlagerung
bilden.
der cambrisch- phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
219
namentlich für die grösseren Vorkommnisse (Waffenrod bei Eis-
feld) ergiebt, sowie einige sehr günstige Aufschlüsse (Oelzethal)
lassen die normale Einlagerung und Einordnung dieser Lager-
massen in das betreffende Schiefersystem erkennen — nicht anders
als wie dies neuerdings in analogen Fällen in archäischen Schiefer-
districten anderer Gegenden gefunden worden ist 1).
Hierhergehörige Vorkommnisse finden sich in unserem Gebiete:
in der Gegend von Grossbreitenbach und des oberen Oelzethales,
unterhalb Altenfeld, zahlreich im Bereich der phyllitischen und
nächstfolgenden Schieferzone (Section Breitenbach und Masserberg);
weiter südwestlich im Gebirge bei Eisfeld, im Lauterbachgrund
und besonders bei Waffenrod, im Bereich derselben Schieferzone;
Andeutungen solcher Vorkommnisse wiederholen sich auch im
Quarzphyllit zwischen Biberschlag und Ernstthal u. s. w.
Einen besonders guten Einblick in die Lagerungs- und Ver-
bandverhältnisse einer solchen Einlagerung von Amphibolgestein
zwischen Phyllit resp. Quarzphyllit, gewährt ein Vorkommen im
Oelzethal , etwa ^4 Meile unterhalb Altenfeld (Blatt Masserberg),
welches neuerdings durch eine Strassenanlage angeschnitten wurde;
wir geben im Folgenden eine Beschreibung desselben. (Siehe um-
stehend Fig. 1.)
Die Kernpartie verhält sich als ziemlich gleichförmig be-
schaffener, mittel- bis feinkörniger Diorit, bez. Epidiorit; sie hat
ganz das Ansehen eines krystallinischen Massengesteins, ist unregel-
B Wo eine amphibolische Einlagerung ohne festere, massig krystallinische
Partieen entwickelt ist, oder solche erst in gewisser Tiefe oder im Fortstreichen
sich einstellen, kann sie unter Umständen sich der Beobachtung entziehen.
Manchmal finden sich an isolirten, festen, dioritischen Blöcken noch anhaf-
tende schieferige Schalen.
Trotz massiger Blockanhäufung kann eine solche amphibolische Einlagerung
doch von beschränktem Umfang oder kurzer Erstreckung sein, wie dies die
Specialaufnahme in verschiedenen Fällen übereinstimmend ergeben hat.
Zum Unterschied von den nachher zu beschreibenden Einlagerungen granit-
und gneissartiger, sowie besonders porphyroidischer Gesteine sei hier nur hervor-
gehoben, dass eine derartige innige Verwachsung und Verflaserung grösserer und
kleinerer Partien mit dem umgebenden Schiefer, wie sie bei diesen vorkommt,
bei den amphibolischen Einlagerungen nicht beobachtet wurde; sie sondern sich
im Allgemeinen schärfer vom umgebenden Schiefer ab, als jene.
220
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Figur 1.
Amphibolische Einlagerung im phyllitischen Schiefer an der
Landstrasse im Oelzethal. A krystallinisch körniges Gestein,
aai Uebergangsschiefer, ph phyllitische Schiefer.
Höhe ca. 41/« — 5 Meter.
massig zerklüftet und könnte an einen steil stehenden Eruptivgesteins-
gang erinnern; aus ihrem endlichen Zerfall würden eben solche
grosse, feste Blöcke hervorgehen, wie sie thatsächlich in nächster
Nähe im Walde liegen und bei anderen solchen Vorkommnissen
aus dem Boden vorragend die Anwesenheit einer solchen Einlage-
rung darthun. Auf abgewitterten Flächen der Kernpartie tritt der
Feldspath weiss gegen die dunkele Hornblende hervor; andere
wesentliche Gemengtheile machen sich dem blossen Auge nicht
bemerklich. Dagegen ist Quarz in grösseren Adern, Trümern,
Putzen und Knauern, wenn auch nicht sehr reichlich, ausgeschie-
den vorhanden *). Eine nähere Prüfung geeigneter Flächen (ab-
gewitterter Bruchflächen, welche quer zur allgemeinen Streich-
richtung liegen), lässt selbst in dieser, auf den ersten Blick massig
erscheinenden Kernpartie, eine lagenförmige Anordnung, wenigstens
Q Diese, wohl primären, fest mit der körnigen Gesteinsmasse verwachsenen
Quarzausscheidungen wiederholen sich auch bei benachbarten, entsprechenden
Vorkommnissen. — Auf eigentlichen Klüften ferner kommt ebenfalls Quarz und
auch Ivalkspath und Chlorit vor, letzterer auch so, dass er die Gesteinsmasse
und manchmal sogar den Quarz imprägnirt.
der cambrisch- phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
221
stellenweise, erkennen, welche in der verschiedenen Färbung und
Vertheilung des feldspatliigen und amphibolischeu Gemengtheils
begründet ist und der Schichtrichtung des umgebenden Schiefers
folgt, Nach aussen ist nun beiderseits dieser Kerntheil von einer
sch ali g oder schiebt eu weise geordneten Uebergangszone
umgeben, welche zum umgebenden phyllitischen Schiefer hinüber-
führt. Der Uebergang ist allmählich. An den Kerntheil schliesseu
sich, innig mit ihm und unter sich verwachsen, sozusagen allmäh-
lich aus ihm hervorgehend, die ersten Schalen oder Lagen der
Uebergangszone, indem für die körnige Structur successive die
schieferige eintritt, auswärts zunimmt und dementsprechend nach
Färbung und mineralischem Bestand etwas verschieden aussehende
dünnere und dickere Lagen sich entwickeln: auf abgewitterten
O 7 o
Bruchflächen, die quer zum Streichen liegen, tritt dies deutlich
hervor. Die Uebergangszone ist besonders reich an Quarzaus-
scheidungen in Adern, Trümern und Knauern, von rauchgrauer
Färbung in frischem Zustande; viele davon liegen als unregelmässig
gestaltete Linsen in der Schichtrichtung. — Die Kernpartie erwies
sich im Aufschluss an der Strasse 3,5, die östlich anliegende Ueber-
gangszone 0,70, die andere 0,80 — 0,90 Meter stark1).
Einlagerungen gneiss- und granitartiger Gesteine.
Sie machen sich wiederholt im Bereich der phyllitischen und
der nächstfolgenden, halbphyllitischen resp. tieferen cambrischen
Zone geltend, und erreichen mitunter eine etwas grössere Aus-
delmung (Vorkommen N. von Böhlen am Milchberg; hierherge-
höriger Gesteinszug aus der Gegend des Schwarzathals unterhalb
Katzhütte über Meuselbach weiter nach NNO.; Vorkommen von
Hinterod, unweit Eisfeld); bleiben in anderen Fällen aber auch
klein (verschiedene Vorkommnisse im Schwarzathal, bei und ober-
') Bei einem anderen, durch einen Steinbruck bewirkten Aufschluss, der sich
im Wald, in der Nähe des beschriebenen, befand, maass die ziemlich gleichmässig
beschaffene Kernpartie 4,6 Meter, die Uebergangszonen je ca. 0,4 Meter. Die
222
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
halb Katzhütte). Stets sind sie auf das Innigste nach Lagerung
und durch Gesteinsübergänge mit dem umgebenden Schiefer ver-
blinden und verhalten sich hierin wie in der äusseren Gestalt, resp.
dem Grenzverlauf des Lagerkörpers, welchen sie bilden, ähnlich
wie eine quarzitische oder porphyroidisclie Einlagerung. Nur ihre
reinsten Partieen erlangen nach mineralischer Mischung und Struc-
tur das Ansehen eines Granits, oder bei der meist vorherrschenden
schieferig-flaserigen Structur, eines Gneisses; doch diese Partieen
sind mit anderen verwachsen, welche die Verbindung mit dem
umgebenden und zwischendurchziehenden phyllitischen und halb-
phyllitischen Schiefer vermitteln.
Die Besonderheiten dieser Einlagerungen mögen an einigen
bestimmten Beispielen etwas näher erläutert werden.
Die hierher gehörigen Gesteine von Hinterod (Blatt Eisfeld)
lassen Quarz, Feldspat!) und meist dunkelen Glimmer deutlich neben
erstere ragte als fast mannshohe Felsbildung über den Waldboden hervor. (Siehe
nachstehende Figur 2.)
Figur 2.
Amphibolische Einlagerung im phyllitischen Schiefer, im
Oelzethal , Steinbruch im Wald. Krystallinisch körnige
4,6 Meter starke Mittelpartie, durch 0,4 Meter starke Ueber-
gangszonen mit dem phyllitischen Schiefer verbunden.
Höhe ca. 6 Meter.
der cambrisch - phyllitischen Scbieferreilie in Thüringen.
223
einander erkennen, meist in schieferiger, in kleinen Partieen auch
gleiclnnässig körniger Structur, so dass sie geradezu als Gneiss
und als Granit (grob- oder feinkörniger) zu bezeichnende Hand-
stücke liefern können. Durch die Art der Anhäufung und Ver-
theilung des Glimmerminerals zwischen den übrigen Gemengtheilen,
mehr noch durch den Eintritt phyllitisch aussehender Schieferflasern
in die Gesteinsmischung und das allmähliche Ueberwiegen der-
selben bilden sich Verwachsungen mit, oder Uebergänge zu dem ein-
schliessenden phyllitischen Schiefer, eine Art Mittelgestein zwischen
Gneiss und fe ldspathführendem Quarzphyllit. Eben durch
diese Veränderlichkeit der Mischung und Structur entfernen sich
diese Gesteine von den eigentlichen, vollkrystallinischen Massen-
gneissen und Graniten der archäischen Systeme und verbinden
sich inniger mit dem umgebenden phyllitischen Schiefer; sie er-
scheinen als Kerne, welche durch Uebergangszonen mit letzterem
Zusammenhängen1). Bei zurücktretendem Feldspatli- und Glimmer-
gehalt, in Verbindung mit Feinkörnigkeit, ergeben sich auch
Modificationen, die einem Quarzit, oder einem Quarzitschiefer
ähnlich werden; statt des dunkelen Glimmerminerals kommt bei
diesen ein sehr lichtes in äusserst dünnen, schuppigen Lamellen vor.
Ganz ähnlich dem Vorkommen von Hinterod verhält sich
jenes, welches N. von Böhlen am sog. Milchberg (Grenze von
Blatt Breitenbach und Königsee) innerhalb der phyllitischen Zone,
resp. des Quarzphyllits eine grössere Verbreitung gewinnt. Auch
hier entsprechen die an Masse zurückstehenden reinsten Partieen
einem Granit von mittlerem Korn, oder auch einem Gneiss, da
die Structur Neigung zum Schieferigen und Elaserigen behält. Von
B Sie erscheinen, wenn wir uns einmal auf den Standpunkt der diagenetischen
oder auch der epigenetischen Metamorphose stellen wollen , als der am weitesten
vorgeschrittene Umwandhmgszustand des ursprünglichen Sediments.
Es würde in keiner Weise angehen, die gneissartigen Gesteine dieses Vor-
kommens etwa als ein zwischen jüngeren Systemen inselartig vorragendes Stück
eines archäischen Grundgebirges aufzufassen. Dagegen würde eine Reihe localer
Gründe sprechen, deren Aufzählung hier zu weit führen würde. Es genügt, die
enge Verbindung hervorgehoben zu haben, die mit dem einschliessenden Schiefer
besteht. — Ebenso verhält es sich bei allen anderen Vorkommnissen, soweit die
Specialaufnahmen bis jetzt reichen.
224
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
den Bestandteilen prävalirt meist der Quarz, der überdies viel-
fach in grösseren Knauern und Putzen ausgescliieden ist, ganz
ähnlich wie bei vielen Porphyroiden und beim Quarzphyllit1).
Erreichen diese Quarzausscheidungen einen beträchtlichen Umfang
gegenüber dem feldspathigen Bestandtheil, so unterscheiden sich
solche Gesteinsmassen wenig mehr von den feldspathhaltigen Quarz-
knauern des Quarzphyllits. Derartige Gesteinspartieen sind es,
welche die reine granitische Ausbildungsform, mit welcher sie durch
allerlei Uebergangsformen verbunden sind, fast nur als eine weitere
Entwickelungsstufe der feldspathhaltigen Quarzausscheidungen
und -Knauern des Phyllits erscheinen lassen; um so mehr, als es
auch an phyllitischen Schalen und an Chlorit nicht fehlt, welche
mit jenen quarzreichen und dazu meist glimmerarmen Partieen der
granitartigen Gesteinsbildungen verwachsen sind; wie denn Phyllit
und Quarzphyllit, in nichts von der gewöhnlichen und typischen
Beschaffenheit abweichend, sich zwischen all diesen granitischen
Modificationen hindurchziehen, sei es, dass sie an Masse über-
wiegen, oder auch gegen jene zurücktreten. Eine andere Ver-
knüpfung der Gneisspartieen mit dem Phyllit ergiebt sich in der
Art, dass der weisse, mehr oder weniger individualisirte Glimmer
der ersteren zurücktritt und verschwindet, während dafür phyllitische
Häute und Flasern vorhanden sind, also ein Phyllitgneiss
resultirt.
Wie eng die Verbindung dieses granitiseh-gneissischen Ge-
steins mit dem umgebenden Phyllit ist, geht z. B. auch aus der
sicher beobachteten, in ziemlich dünnen Lagen wechselnden Ver-
wachsung der granitischen Masse mit phyllitiscli - quarzitischem
Schiefer hervor, welche sich als besondere Modification zwischen
den übrigen an dieser Lokalität vorfand. Ferner sei erwähnt,
dass im Bereich dieser granitischen Einlagerung der Quarzphyllit-
Q Diese starke Verwachsung mit Quarz kommt auch bei den entsprechenden
Gesteinen von Hinterod vor. — Stärkere, trumförmige Quarzausscheidungen
zwischen dem Quarz-Feldspathgemeng bewirken in der That eine gewisse Analogie
mit manchen Porphyroiden; von diesen unterscheiden sich jedoch jene granit-
artigen Massen durch das reichliche Vorhandensein individualisirten Glimmers,
das Fehlen der sericitischen Flaser und des felsitischen Antheils, sowie das Her-
vortreten gleichmässig körniger Structur.
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
225
Zone auch Kieselschiefer, wie er sonst in letzterem eingelagert ist,
vorkommt, und nicht minder ampliibolische Zwischenschichten mit
ihren erwähnten festeren Kernpartieen dioritischen Gesteins, die
überdies Uebergänge zu Granit (durch Aufnahme weisser Glimmer-
schüppchen) zeigen 1).
Den beschriebenen Beispielen ähnlich verhalten sich denn
auch die übrigen derartigen Vorkommnisse, welche bis jetzt im
Speciellen untersucht wurden, insbesondere die der Gegend von
Katzhütte im Schwarzathale, z. B. das im Amselgrund nahe bei
diesem Ort. Aehnlich auch die hierher gehörige Einlagerung,
welche in der Nähe des Ausganges des Laubthals im Schwarza-
thal an der Landstrasse ansteht. Sie verhält sich in der Haupt-
sache als Phyllitgneiss, indem die Feldspath- und Quarzkörner
flaserig von Phyllit umgeben sind, und bald mehr zurücktretend
diesem das Uebergewicht lassen, bald unter stärkerem Hervortreten
rein körnigen Gefüges die Phyllitflaser verdrängen, die sich dann
nur noch in einzelnen kleinen, ausser Zusammenhang befindlichen
Partieen vorfindet und sozusagen die Rolle des Glimmers in ge-
wöhnlichem Granit übernimmt. Grössere, mit zusammenhängender
Phyllitsubstanz überkleidete Flächen durchziehen das Gestein, an
ihnen findet leicht Ablösung der Gesteinsmasse statt. Körnige
Partieen wechseln mit mehr schieferigen und flaserigen oder sind
von solchen wie Kerne umschlossen, so dass auch hier der Gesteins-
körper ein nichts weniger als gleichartiges Ganze darstellt, sondern
sich aus den genannten, verschieden struirten Theilmassen in
eigenthüinlicli angeordneter Weise zusammensetzt. Sehr feinkör-
nige, phyllitarme oder -freie, quarzitisch beschaffene und von reich-
lichen Quarzausscheidungen oder - Trümern durchzogene Lagen
finden sich an der äusseren Grenze nach dein Laubthale zu, gegen
ZOO
*) Man ist bei der Untersuchung dieser Localität auf das Studium der aller-
dings in Menge vorhandenen Lesesteinhaufen angewiesen. Nach diesen zu ur-
theilen, nämlich nach dem Mengenverhältniss ihrer granitischen und quarzphyl-
litischen Fragmente scheint die granitische Masse sich nach der ganz flach an-
steigenden Höhe hin zu verdichten, nach aussen mehr und mehr in Quarzphyllit
zu verlieren. Kieselschiefer kommt zwischendurch besonders auf der NW. -Seite
vor, wo der Breitenbacher Kieselschieferzug nach Friedersdorf hin durchstreicht.
Amphibolgestein findet sich an der NW7.- und noch mehr an der 0. -Seite.
15
226
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
das umgebende Schiefergestein. Tn ihrem weiteren Verlauf nach
NO. ist dieser granitisch-gneissische Gesteinszug: noch nicht zur
Specialaufnahme gelangt; wir wollen bei dieser Gelegenheit nicht
unerwähnt lassen, dass gerade dieses Vorkommen von anderer
Seite in einem anderen Sinne gedeutet worden ist1).
Einlagerungen porphyroidischer Gesteine 2).
Eine besondere Gruppe von Einlagerungen oder Zwischen-
schichten unserer phyllitisch-cambrischen Schieferreihe bilden jene
merkwürdigen, auch aus vielen anderen in ähnlicher Weise des
Vorkommens bekannt gewordenen Gesteine, welche nach Lossen
als Porphyroide, Schiefer porpliyr oi de bezeichnet werden.
Sie sind im genannten Schichtencomplex Thüringens von grosser
Verbreitung, namentlich in der phyllitischen und halbphyllitischen
Zone, sowie auch noch der tieferen Partie der cambrischen Thon-
schiefer und Quarzite, fehlen aber auch in der höheren Schichten-
folge der letzteren nicht ganz.
Es lässt sich eine grosse Reihe von Varietäten oder Modifi-
c-ationen dieser bemerkenswerthen Schichtgesteine unterscheiden,
welche in einzeln herausgegriffenen Proben betrachtet, nach Mischung
und Mengenverhältniss der mineralischen Componenten, mehr noch
nach der Structur verschieden genug aussehen können; doch sind
alle diese Varietäten durch Abstufungen und Uebergänge eng ver-
bunden und erscheinen, was wichtiger und besonders hervorzuheben,
in der Art ihres Vorkommens so innig; zusammengehörig; oder
gegenseitig sich bedingend, dass kaum einmal nur eine solche
Varietät porphyroidischen Gesteins für sich auftritt, sondern fast
immer eine Anzahl solcher Varietäten in engstem Lagerungsverband
unter sich und mit zugehörigem und einschliessendem Schiefer-
o o
x) Vergl. H. Credner sen. im Neu. Jahrb. f. Min. etc. 1849, p. 10 ff. und
in »Versuch einer Bildungsgeschichte der geognost. Verhältnisse des Thüringer
Waldes« Gotha 1855, p. 21.
2) Vergl. Richter: Thüringische Porphyroide. Saalfeld. 4°. 1871. (Programm
der Realschule.)
der cambrisch- phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
227
gestern gewöhnlicher Art — sei es Thonschiefer oder Phyllit oder
Quarzit — den Gesammtkörper der porphyroidischen Einlagerung
constituirt.
Es besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen den
Porphyroiden, die in der ältesten, phyllitischen Zone unseres
Schiefergebirges als Einlagerungen erscheinen, und jenen, die in
den jüngeren Schichtenfolgen Vorkommen; wenn auch gewisse
Varietäten mehr dort, andere mehr hier vertreten zu sein scheinen.
Wie sonst wo, ist auch bei unseren Porphyroiden in der
Regel eine Art Grundmasse vorhanden, deren schieferige Structur
bei vielen Modificationen sofort hervortritt , bei anderen aber erst
bei der Betrachtung grösserer Geste inspartieen sich kundgiebt,
während sie im Handstück völlig oder so gut wie ganz fehlen
kann, woraus eine wahre Porphyrstructur, ähnlich der eines erup-
tiven Porphyrs hervorgehen kann. Ihrer mineralischen Natur nach
verhält sich diese Grundmasse sehr gewöhnlich wie ein Felsit1),
der mitunter etwas ins Quarzitische geht; die felsitische Grund-
masse ist entweder massig oder schieferig, letzteres durch schich-
tigen Wechsel in chemisch - physikalischen Eigenschaften allein,
oder gewöhnlicher, durch mehr oder minder reichliche Interposition
von sericitischen oder phyllitischen Lamellen, Häuten, Flasern;
bei anderen porphyroidischen Modificationen erscheint aber statt
dieser felsitischen und halbfelsitischen Grundmasse ein wahrer
Schiefer von meist sericitischem oder phyllitischem Habitus2).
x) Ob und wie weit bei diesen thüringischen Porphyroiden statt Felsit auch
» Adinole« im Sinne Lossen’s betheiligt ist oder nicht, kann natürlich nur durch
genaue Untersuchung gefunden werden; wir wollen hier bei der Bezeichnung Felsit
und felsitisch für die betreffende Grundinasse stehen bleiben.
2) »Sericit« und »Phyllit«, resp. »sericitisck« und »phyllitisch« sind in vor-
liegender Mittheilung immer so gebraucht, dass unter ersterem die anscheinend
reine und mineralogisch einheitliche Substanz verstanden wird, wie sie z. B. im
Quarzit in unendlich dünnen, fast durchsichtigen Flauten und Flasern sich einlegt,
oder stärker werdend jene weissen bis gelblichen oder grünlichen »talkähnlichen«
Lagen bewirkt, in ihren bekannten Eigenschaften nach Härte , Glanz , feinschup-
piger bis faseriger Beschaffenheit; unter »Phyllit« dagegen ein anscheinend com-
plexes schieferiges Aggregat, zu dessen Aussehen noch andere Beimengungen,
namentlich eine solche chloritischer Natur, beitragen und wie es in der » phylli-
tischen« Schieferzone zu so ansehnlicher Verbreitung gelangt.
15
228
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Als krystallinische Ausscheidungen sind in der schieferigen oder
gleichmässig dichten Grundmasse entwickelt: Feldspath, zumeist
wohl Orthoklas, doch nicht mit völligem Ausschluss eines plagio-
klastischen Feldspaths und Quarz; ersterer meist in unvollkomme-
nen Ivrystallen, letzterer in kristallinischen Körnern. Ein Glimmer-
mineral, welches allem Anschein nach dem Sericit am nächsten
steht, und in flaserigen Lamellen zugegen ist, gehört wie es scheint
wesentlich mit zur Constitution der Porphyroide, ist aber in höchst
wechselnder Menge zugegen; selbst in massig-compacten, gar nicht
mehr an Schiefer erinnernden Porphyroiden, resp. Partieen einer
porphyroidischen Einlagerung pflegen sericitische Flasern nicht
ganz zu fehlen.
Die krystalliuischen Feldspath- und Quarzausscheidungen in
einer Art von Grundmasse bedingen die äussere Aehnlichkeit mit
Porphyren, welche diesen Gesteinen in wenigstens sehr vielen ihrer
Abarten eigen ist; die schieferige Structur, welche entweder schon
im Aussehen der Grundmasse, mindestens doch in dem des ganzen
Porphyroidlagers zum Ausdruck gelangt, und in mineralogischer
Hinsicht schon die sericitische Flaser bedingen die innere Ver-
wandtschaft mit Schiefer.
In dem Mengenverhältniss der krystallinischen Ausscheidungen
unter einander und zur Grundmasse, in der mineralischen Be-
schaffenheit der letzteren, in der stärkeren oder geringeren Ent-
wickelung des sericitischen Antheils, in der Structur finden nun
aber wie. gesagt die grössten Mannichfaltigkeiten statt; daher die
grosse Reihe der Varietäten. Immerhin bleiben in den meisten
Fällen soviel gemeinsame Charaktere und verbindende Elemente
in dem Habitus dieser Gesteine , dass ihre Zugehörigkeit zu den
»Porphyroiden« sich schon im Ansehen des Handstücks, noch besser
allerdings an der natürlichen Lagerstätte kundgiebt; in einzelnen
Fällen allerdings bilden sich Uebergangsstufen zu anderen Schiefer-
gesteinen heraus, so dass man in Zweifel kommen kann, ob man das
fragliche Object noch als Porphyroid gelten lassen soll oder nicht.
Wir wollen an einigen bestimmten Beispielen die gegebenen
Andeutungen über unsere thüringischen Porphyroide etwas näher
ausführen.
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
229
Ein schon seit längerer Zeit bekanntes Porphyroidvorkommniss
ist das von Langenbach im oberen Schwarzathal1) (vgl. Fig. 3).
Figur 3.
Porphyroi d-Yorkommen bei Langenbach:
a. Thonschiefer,
b. Massiges Porphyroid,
C. Thonschiefer und Q.uarzit,
d. Flaseriges Sericitschiefer-Porphyroid mit Zwischenlagen von sericitischem
Schiefer,
e. Thonsc.hiefer,
f. Gangförmiger Feldspath-Porphyrit,
g. Dunkeler Thonschiefer mit dunkelem Quarzit und quarzitischem Schiefer
z. Th. wulstig verwachsen. Dazwischen lose Porphyroid -Fragmente.
Die an der rechten Thalseite hinführende Landstrasse und ein vom
Ansgang des Pechseifengrnndes in NW.-Richtung bergan führen-
der Waldweg geben gute Aufschlüsse. Nach diesen, in Verbin-
dung mit der Specialaufnahme des umgebenden Terrains erscheint
das Porphyroidvorkommen innerhalb, resp. am NW. -Rand einer
grösseren Quarziteinlagerung im cambrischen Thonschiefer. Die
porphyroidischen Schichten selbst werden nun aber wieder unter-
brochen oder enthalten Zwischenmittel von Quarzit, quarzitischem
Schiefer und Thonschiefer, und diese verschiedenen Elemente zu-
sammengenommen bilden in enger Verbindung ein zusammenge-
setztes Glanze, die porphyroidische Gesammtlagermasse. Der Quarzit
Q An der Grenze von Blatt Steinheid und Breitenbach der Generalstabs-
karte 1 : 25000.
Die Vorkommnisse bei Langenbach, am Reichenbach und am Bärentiegel
sind schon von H, Credner sen. im Neuen Jahrb. f. Min. etc. 1849, p. 13 ff. be-
schrieben worden.
230
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
ist derselbe wie im umgebenden Quarzitlager und wie er sonst als
Zwischenschichten und Zwischenlager des cambrischen Thon-
schiefers auftritt; sehr hervortretend ist an dieser Stelle Breccien-
structur des Quarzits. Der dem porphyroidischen Lagerkörper
eingeschaltete Thonschiefer ist ebenfalls ganz wie der der Umge-
bung, dunkelblaugrau, streifig in der Schichtungsrichtung u. s. f.;
neben diesem wie gewöhnlich ziemlich milden Thonschiefer sind
aber auch härtere , ebenfalls streifige , kieselige oder quarzitische
Lagen vorhanden, welche ganz auf einen gewöhnlichen cambrischen
quarzitischen Schiefer herauskommen, wie er so vielfach dem
weicheren Thonschiefer zwischengeschichtet ist. An der Zusammen-
setzung der eigentlich porphyroidischen Lagertheile betheiligen sich
wie gewöhnlich eine dichte, felsitähnliche Masse, Quarz, Feldspath
und ein sericitisches Mineral; letzteres theils sehr zurücktretend,
nur in Form dünner Lamellen und Flasern zwischen dichter, weisser
Grundmasse (die hier mehr dichter Feldspathsubstanz als hartem,
kieselreichem Felsit gleicht und krystallinische Quarzkörner ent-
hält) — theils stärker zwischen eben solcher Masse entwickelt und
schon ein flaseriges Gefüge bewirkend — theils ganz vorwaltend
und mit den eingestreuten krystallinischen Feldspath- und Quarz-
körnern ein schieferiges Flaserporphyroid constituirend. In dein
Aufschluss an der Landstrasse kommt sogar diese weiche, talk-
ähnliche, ölgrüne, wohl als sericitisch anzusprechende Mineral-
substanz, welche bei diesem wie bei so vielen anderen unserer
thüringischen Porphyroide eine so hervorragende Rolle spielt, rein
für sich, ohne Quarz und Feldspath, in Form dünner Zwischen-
lagen vor. An den nicht oder nur wenig mit den talkähnlichen
Flasern verwachsenen, dementsprechend mehr massig erscheinenden
Porpliyroidpartieen macht sich wie beim Quarzit , häufig die
Breccienstructur geltend. — Was den Quarz betrifft, so ist er,
abgesehen von seiner Betheiligung in Körnerform an der Zusammen-
setzung der Porphyroidmasse gar vielfach in schichtigen Lagen
und in dünneren und dickeren Adern ausgeschieden, derart, dass
man solche Quarzadern nicht für secundären Gangquarz, sondern
für primäre, bei dem Process der Gesteinsbildung im Ueberschuss
vorhandene, und in während der allmählichen Verfestigung ent-
der cambrisch - phylli tischen Schieferreihe in Thüringen.
231
stehende Risse abgelagerte Kieselmasse halten möchte1). Seine
Farbe ist nicht die des weissen Gangquarzes, sondern mehr bläu-
lich, und ebenso die der porphyroidischen Quarzkörner. — Die
regelmässige Folge und Lage dieser Schichtgesteine in der allge-
meinen Schichtungsrichtung ist an der Landstrasse recht wohl zu
erkennen, sowie auch gegenüber an der anderen Thalseite, hinter
der Schneidemühle, wo dieselben porphyroidischen Schichten an-
stehen.
Dem Langenbacher Porphyroidvorkommen sehr ähnlich, dabei
noch ausgedehnter und in den einzelnen Varietäten mannichfaltiger,
doch weniger gut aufgeschlossen ist das in derselben Streichrich-
tung weiter NO. gelegene Vorkommen am Jagd schirm, an der
NO. -Seite des Wurzelberges. Auch hier sind die Porphyroid-
schichten innerhalb eines Quarzitlagers im Bereich des cambrischen
Thonschiefers entwickelt. Fortwährend wiederholt sich zwischen
porphyroidischem Gestein Quarzit, dem sich auch hie und da
dunkeier Thonschiefer zugesellt. Sehr stark ist auch hier jenes
Flaserporphyroid entwickelt, dessen Hauptmasse der ölgrüne oder
gelbliche, »talkähnliche« resp. sericitische Schiefer ausmacht,
welchem Quarzkörner und Feldspathkörner , resp. -krystalle ein-
gewachsen sind. Breccienstructur des Quarzits und Porphyroids
stellt sich öfters ein. Massige Quarzblöcke sind im Bereich der
Porphyroidbildung und des angrenzenden Quarzites sehr verbreitet;
sie mögen Trümmer sehr beträchtlicher Quarzausscheidungen sein.
Die Zahl der porphyroidischen Modificationen und Uebergangs-
stufen zu anderem Schiefer ist im Gesammtbereich dieses Lagers
schon recht gross : Die sehr schieferigen Varietäten, welche Ueber-
gänge zu S er icitquar zitschief er und körnigflaserigen Sericit-
quarzit bilden, wobei zuletzt deutliche Feldspathbeimengung fehlt,
stellen sich besonders abwärts am Gehänge ein, nach dein Brech-
borntiegel und Unteren Wurzeltiegel zu, sowie noch weiter west-
lich, wo die porphyroidischen Einlagerungen in Quarzit überhaupt
sparsamer und weniger geschlossen auftreten, und der Thonschiefer
x) Also nach Art der »Ausscheidungsgänge« oder der »Primär-« oder
»Durchwachsungstrümer« im Sinne Lossf.n’s, welche den »Secundär-« oder
» Gangtrümern « gegenüberstellen.
232
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
gegen den Quarzit zunimmt; auch bei diesen Modificationen findet
sich ab und zu noch Breccienstructur ; so umschloss ein Block
Sericitquarzitschiefer fast eckig umrandete Brocken von gleich-
massig körnigem Quarzit und von grosskörnigem Porphyroid. —
Könnte man eine genaue Verzeichnung einer so ausgedehnten und
mannichfaltigen porphyroidischen Lagermasse ausführen, so würde
sich ein sehr buntes, wechselvolles Bild, nach Gestein und Structur-
formen im Grossen und Kleinen ergeben.
Besonders massige, z. Th. ganz an Eruptivgesteine erinnernde
Gestaltung und dabei nur beschränkten Umfang besitzen die Por-
phyroidvorkommnisse am Ausgang des Reichenbachs in das Katze-
thal, und nahe dabei dasjenige am Bärentiegel mit seiner nur
durch die Thalerosion abgeschnittenen Fortsetzung gegenüber, im
Katzethal. Auch diese Porphyroid e liegen, das erstere am Rande,
das zweite ganz in einem Quarzitlager, dessen Quarzit allerdings
wie gewöhnlich mit etwas Thonschiefer wechsellagert.
Dasjenige am Reichenbach hat einerseits eine fast durch-
aus massig ausgebildete Partie mit felsitischer Grundmasse und
sehr zurücktretender Sericitflaser, und andererseits eine ganz vor-
wiegend schieferige Pai’tie, wo im Gegensatz zu obiger der Sericit
vorwaltet und geradezu als Sericitschiefer auftritt, in welchem be-
sonders Quarz, weniger Feldspath in krystallinischen Körnern aus-
geschieden ist, wobei die Structur eine körnig flaserige ist und das
Ganze einem Sericit gneiss nahe kommt. Die massige Partie
besitzt Ansehen und Felsbildung eines krystallinischen Massen-
gesteins, wobei sich immerhin eine mit der Schichtung der um-
gebenden Schiefermassen, wie der schieferigen Porphyroidpartie un-
gefähr gleichlaufende, steilstehende Absonderung oder Abklüftung
bemerklich macht, und fast plattenförmige Quarzlagen in derselben
Richtung, also schichtig durchsetzen, während andere Trümer
des reichlich vorhandenen Quarzes auch anderen Richtungen folgen;
sericitische Lagen fehlen nicht ganz und sind stellenweise in grös-
serer Reinheit ausgeschieden.
Noch massiger erscheint das schon genannte, als Steinbruch
benutzte, Porphyroid am Bärentiegel; eine ca. 70 ' hohe, ander
Strasse ca. 60 Schritt breite, unregelmässig zerklüftete Felsmasse,
der cambriscli - pliyllitischen Scliieferreihe in Thüringen.
233
welche ganz den Eindruck eines krystallinischen Massengesteins
hervorbringt; Gestein compact, äusserst hart, splitternd, mit dem
H ammer funkend, Grundmasse felsitisch, von blaugrauer oder röth-
licher Färbung mit zahlreich ausgeschiedenen Quarzkörnern, spar-
samen Feldspäthen, Sericitlamellen und -flasern sehr zurücktretend;
die Grundmasse zeigt öfters verschieden gefärbte, meist dunkeiere
und lichtere, vielfach wellige und verschwommene Streifung, die
an die Fluidalstructur mancher Quarzporphyre erinnert, und solchen
kann das Gestein in einzelnen sericitfreien Theilen zum Verwech-
seln ähnlich werden; während andere in der Art der Vertheilung
ihrer sericitischen Zwischenhäute und eines diesen sich zugesellen-
den Schwefelkiesgehaltes, bei zugleich etwas rauher Grundmasse
sehr an den Quarzit des Werragrundes am Frohnberg erinnern.
Breccienbildung ist auch diesem Porphyroidvorkommen nicht fremd,
sie findet sich am oberen Ende desselben : Quarzbrocken verkittet
durch felsitische Masse oder felsitische Brocken durch ebensolche
Masse verbunden. Auf der entgegengesetzten Thalseite steht die
Fortsetzung des Porphyroids in Felsen an, hier z. Th. mit etwas
rauhkörniger, quarzitischer Grundmasse; ihr südwestliches Ende ist
durch ein schmales Zwischenlager von sericitischem , mit felsitischer
Masse lagenweise verwachsenem Schiefer angedeutet, der auch
z. Th. eine gewissen Wetzschiefern sehr ähnliche Beschaffenheit
annimmt, und von Thonschiefer mit Quarzit umgeben ist.
Die etwas weiter aufwärts im Katzethal, an der N.- und
NO. -Seite des Lindigkopfs und gegenüber vorkommenden Porphy-
roide sind in der Hauptsache flaserige bis flaserigkörnige Serieit-
schieferporphyroide. Die dunkele Färbung mancher derselben scheint
von der Beimengung sehr zahlreicher kleiner, glänzender Magnet-
eisenpartikel herzurühren. Sie treten weniger geschlossen, als in
schichtigem Wechsel mit Quarzit und Thonschiefer, resp. einem
Quarzitthonschieferwechsel als Zwischenschichten eingeschaltet auf.
Die porphyroidischen Lagen können ganz dünn werden und es
lassen sich an einigen Stellen — so einige hundert Schritt an der
Landstrasse im Katzethal oberhalb Ausgang des Frauenbachs;
auch am Beginn des Weges, der vom Ausgang des Höllethals an
der Ostseite des Lindig hinaufführt — Handstücke schlagen, an
234
H. Loretz , Beitrag zur geologischen Kenntniss
welchen flaserigkörnig sericitisches Scliieferporphyroid, Quarzit und
dunkelblaugrauer Thonschiefer schichtig verwachsen und von Trans-
versalschieferung durchsetzt sind, und ein Schiefergestein ergeben,
zu welchem sich an anderen Stellen im cambrischen Schiefergebiet,
fernab von so deutlichem Zusammenhang mit Porphyroidbildung
in grösserem Maassstab, Analogieen finden, in Form von Zwischen-
schichten des gewöhnlichen Thonschiefers1).
Die bisherigen Beispiele behandelten solche Porphyroidvor-
kommnisse, welche im Bereich von Quarzitlagern, oder mit Quarzit
wechselndem Thonschiefer liegen. Eben diese Vorkommnisse zeich-
nen sich vor anderen durch ihren Umfang; aus, wogegen sie im
Streichen nicht lange aushalten. Es wurde der innige Verband
und häufige Wechsel hervorgehoben, der zwischen den porphyroidi-
schen, quarzitischen und thonschieferigen Lagertheilen zu herrschen
pflegt. Aber auch lithologisch finden, wie uns fortgesetzte Beob-
achtungen über die mancherlei Abstufungen der hierhergehörigen
Gesteine unzweideutig zu ergeben scheinen und oben bereits an-
gedeutet, nahe verwandtschaftliche Beziehungen zwischen dem Ge-
stein der Porphyroide und Quarzite statt. Schieferige Porphyroid-
varietäten können in Sericitquarzitschiefer und in körnig-flaserigen
Sericitquarzit verlaufen ; die sericitische Flaser erscheint nämlich
häufig genau in derselben Weise in Quarziten und Quarzitschiefern
wie in Porphyroiden, und durch phanerokrystallinische Quarzkörner,
die manchmal in dichter Quarzitmasse ausgeschieden sind, kann
die Aehnlichkeit auf Seite des Quarzits gesteigert werden, beson-
ders mit solchen Porphyroiden, deren felsitische Grundmasse etwas
rauh und dabei arm an Feldspatheinsprengungen ist2). Auch
B Es mag beiläufig bemerkt werden, dass die fast feinkörnig flaserigen —
kleine Feldspatk- und Quarzkörner in der flaserig sich durchwindenden sericiti-
schen Masse — Schieferporphyroide des Katzethals auf abgewittertem Querbruch,
wo die Feldspäthe roth erscheinen und der sericitische Antheil wenig hervortritt,
fast das Ansehen eines Arlcosesandsteins annehmen können.
2) In der oberen Schwarzagegend finden sich einigemal als schmale Ein-
lagerungen im herrschenden Schiefer eigenthümliche Sericitquarzschiefer , so am
Hang östlich von Katzhütte; man beobachtet hier einen sehr feinkörnigen Quarz-
schiefer, der von glänzenden sericitischen Häuten durchzogen ist, während der
körnige Quarz von Stelle zu Stelle zu krystallinisch glasigem oder weissem Quarz
der cambr-isch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
235
derbere sericitische Schalen sind manchmal ganz so zwischen die
massigen, compacten, felsitischen Bänke mancher Porphyroidvor-
kommnisse eingeschaltet, wie zwischen massige Bänke mancher
Quarzite, in welchem Falle dann die Gesteinsmasse selbst frei von
sericitischen Flasern zu sein pflegt1).
Die Porphyroide der älteren Schieferzone unseres Gebirges
unterscheiden sich petrographisch nicht wesentlich von den oben
beschriebenen der Thonschiefer- und Quarzitzone, es sei denn, dass
dort mehr solche Vorkommen mit schieferig-felsitischer Grundmasse
und noch mehr solche mit phyllitischschieferiger Grundmasse,
welch’ letztere in ihrem Ansehen einem Phyllitgneiss oder einem
» Feldspathphyllit « nahe kommen können2). Die krystallinischen
Einsprenglinge und die sericitische Flaser sind dieselben wie bei
in Knauern oder Linsen verschmilzt, was eine Aehnlichkeit mit porphyroidischem
Gestein bewirkt. Am Vitzberg, SO. von Breitenbach , in der phyllitischen
Schieferzone, kommt eine ganz ähnliche Einlagerung vor und diese erscheint
wiederholt in derselben Streichrichtung weiter nach NO., wo sie in ein achtes
Porphyroidlager übergeht, resp. mit ihm zusammenhängt. — Andererseits ist
schieferigen Porphyroiden mitunter eine quarzitisch aussehende Grundmasse eigen;
so am Oelzer Stieg, SSO. von Breitenbach, in der phyllitischen Schieferzon'e, wo
ein Schwarm schieferiger Porphyroide mit felsitisch bis quarzitisch erscheinender
Grundmassc auftritt, welche neben sericitischen Häuten und Flasern auch kleine,
nicht zahlreiche Quarz- und Feldspathausscheidungen enthalten. Im Quarzitlager
am Grossen Wulst (in der cambrischen Thonschieferzone) bildet sich porphyroi-
disches Gestein dadurch heraus, dass neben sericitischen Flasern auch feldspathige
Schmitzen sich in den Quarzit einlegen : derartige Stücke liegen hie und da ver-
einzelt zwischen reinem Quarzit in dem Quarzittrümmerwerk.
Auch Richter (»Thüring. Porphyroide« p. 8) vermuthet eine gewisse Be-
ziehung der Porphyroide zum Quarzfels.
Q Beispielsweise enthält das Quarzitlager an der Cursdorfer Koppe als
Zwischenlager eine sehr sericitreiche Modification des Quarzits und es gleicht die
Art und Weise, wie anscheinend reine, schieferige bis faserige Sericitsubstanz
theils in Flasern mit dem Quarzit verwachsen, theiis in derben Schalen zwischen
demselben abgelagert vorkommt, und sich weiterhin mit dem in Trümern im
Quarzit ausgeschiedenen Quarz verbindet, völlig der Art und Weise, wie der-
selbe Mineralkörper in den porphyroidischen Zwischenlagern der Quarzite und
Thon schiefer zu erscheinen pflegt.
2) Derartige Vorkommnisse z. B. am Schwemmbach und am Gräfenborn,
NW. am Schwarzathal (Bl. Breitenbach). — Oefters finden sich in hierhergehörigen
Porphyroiden die bekannten Feldspäthe mit abgerundeten Kanten, z. B. bei dem
ausgezeichneten Porphyroidvorkommen von Waffenrod (Bl. Eisfeld).
236
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
den sonstigen Porphyroiden. Auch liier ist es Regel, dass die
porphyroidische Einlagerung nicht nur aus einer, sondern aus
mehreren Varietäten sich zusammensetzt, welche gewöhnlich zum
Theil der Gruppe mit massig krystallinisclier, zum Theil der mit
schieferiger Structur angehören. Mehr als die porphyroidischen
Einlagerungen der cambrischen Quarzitlager verhalten sich jene
älteren Porphyroide als schmale Zwischenlager, die sich auf eine
grössere Strecke im Fortstreichen verfolgen lassen; oder sie grup-
piren sich zu ganzen Schwärmen kleinerer Vorkommnisse, die eben-
falls eine gewisse Erstreckung in der Streichrichtung besitzen; wie
dies namentlich in den betreffenden Schieferzonen der Schwarza-
gegend (Section Breitenbach der Gen.-St. -Karte) die Specialauf-
nalnne ergeben hat, während es weiter im SW., wo jenseits der
Rothliegenden-Porphyritdecke von Neustadt a. R. und Masserberg
dieselben Schieferzonen in der Gegend des Biberthals fortsetzen,
minder deutlich hervortritt, z. Th. vielleicht nur wegen minder
deutlicher Aufschlüsse. Doch lässt sich auch in der erstgenannten
Gegend bei benachbarten, in derselben Streichlinie gelegenen Por-
phyroiden, selbst bei genügenden Aufschlüssen, ein directer Zu-
sammenhang nicht immer nachweisen ; so dass inan in solchen
Fällen auf die Vorstellung kleinerer, geschlossener Lagerkörper
geführt wird, welche vielleicht die Gestalt der Quarzlinsen in
grösserem Maassstabe wiederholen; denn einen Zusammenhang in
der Tiefe unter allen Umständen annehmen zu wollen, ist man
bei dem wiederholten Auftreten solcher Fälle nicht berechtigt.
Ein besonders bemerkenswerthes Porphyroidvorkommen dieser
älteren Schieferreihe ist dasjenige, welches dem Quarzphyllit im
Hirschgrund bei Böhlen eingelagert ist. Wie gewöhnlich setzt
sich dasselbe aus mehreren Gesteinsarten, die in enger Ver-
wachsung eine gewisse Schichtenfolge bilden, zusammen, wie man
dies sowohl am Wege als noch besser im Bach etwas oberhalb
der Horizontale von 1400 Decimalfuss anstehend findet. Zunächst
ein dichtes, felsitisches, hartes, mit dem Hammer splitterndes und
funkendes Gestein von brauner, bis fleischrother Färbung, fast ohne
krystallinisehe Ausscheidungen. Mit diesem dichten Gestein sind
schichtig oder flaserig verwachsen sericitische Lamellen und Schalen,
der cambrisch-phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
237
die z. Th. sericitgneissartig werden können. Aufwärts, nach N.,
folgen eigenthümlich breccien artige Lagen oder Bänke, welche
in schichtigem Wechsel und Verband mit compacten Lagen der
erstgenannten Art eine 2 ■ — 3 Meter starke Folge im Bereich der
porphyroidischen Einlagerung bilden, und im Bach anstehend zu
finden sind. Phyllitmasse und felsitische Porphyroidmasse er-
scheinen in diesen Bänken in unregelmässiger Weise schichtig
flaserig durcheinander abgelagert; und das breccienartige Aussehen
wird namentlich dadurch bedingt, dass besonders die phyllitischen
Theile nebst den ebenfalls eingestreuten Quarzkörnern und unregel-
mässig umrandeten Quarzstücken trümer- und brockenartig aus-
sehen, als wenn sie aus dem Verbände schon verfestigten Gesteins
(wohl Quarzphyllits) wieder gewaltsam gelöst und in anderer Ord-
nung zusammengeschoben in den Verband dieses halbphyllitischen,
halbporphyroidischen Gesteins eingegangen wären, bei welchem
der porphyroidische Antheil hie und da als der verbindende er-
scheint Q, im Uebrigen aber auch an dem klastischen Aussehen
Theil nehmen kann, so dass 1) pliyllitisches , 2) porphyroidisches
und 3) auch wohl schon fertiges, halb pliyllitisches, halb por-
phyroidisches Gestein zu solchen Lagen umgearbeitet worden wäre.
Auf diese Bänke folgen dann noch einige ähnliche, bei welchen
aber die Phyllitmasse ganz vorwaltet und die porphyroidisch fel-
sitische Masse in Partikeln und Flasern zwischen durch erscheint;
sie gehen über in den gewöhnlichen Quarzphyllit, der die por-
phyroidische Lagermasse umschliesst, indem sich vorher schon die
feldspathhaltigen Quarzknauer jenes Gesteins eingestellt haben.
Wir haben dieses Vorkommen breccienartiger, porphyroidischer
Schichten näher beschrieben, einmal weil dasselbe in seiner bank-
weise wechsellagernden Anordnung doch wohl auf ursprünglich
sedimentäre Bildung deutet, was in genetischer Beziehung wichtig,
und dann auch weil dasselbe greeisinet ist hinüberzuführen zu g;e-
wissen andern Vorkommnissen, die wir ebenfalls noch den Scliiefer-
x) Es finden sich in der That Stücke, wo deutlichste Trümmer von Phyllit
oder phyllitisch- porphyroidischem Gestein durch dichte felsitische Masse wieder
verbunden sind. (Auch beim Vorkommen am Gräfenborn, in der Streichlinie des
Vorkommens am Hirschgrund, weiter SW.)
238
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
porpliyroiden zurechnen möchten, die aber schon an der Grenze
derselben stehen und schon ganz verwandt sind oder den Ueber-
gang vermitteln zu jenen eigenthümlichen mit feldspathiger Sub-
stanz verwachsenen Schiefern von öfters halbklastischem Ansehen,
wie sie in der von uns besonders unterschiedenen , zunächst auf
die Phyllite folgenden Zone so reichlich vertreten sind, und weiter
oben aus dem Schwarzathal in der Gegend von Katzhütte und
andern Orten beschrieben wurden. Die nächsten Verwandten,
petrograpliisch und wohl auch genetisch, zu eben diesen eigen-
thümlichen Schiefern sind, wie uns fortgesetzte Beobachtungen
mit Deutlichkeit zu ergeben scheinen, in der That gewisse, an der
Grenze der Scliieferporphyroide stehende Gesteine, wie sie z. B.
im Thal der W eissen Schwarza unweit Katzhütte und nahe dabei
am Viehberg, und ähnlich im Katzethal an der NO. Seite des
Lindig ganz nach Art sonstiger Porphyroide, und z. Th. mit solchen
verbunden im Bereich von Quarzitlagern, Vorkommen; sie zeigen
sericitische , tlion schieferige und anscheinend felsitische Sub-
stanz in halbschichtiger, halbflaseriger Verwachsung, und dabei
einen schwer zu beschreibenden, ans Klastische streifenden Ha-
bitus1); Feldspathkörner und Quarzkörner kommen eingewachsen
vor. Sie erinnern einerseits an breccienartige Schieferporphyroide,
wie sie oben aus dem Hirschgrund bei Böhlen beschrieben wurden,
andererseits besitzen sie die unverkennbarste Verwandtschaft mit
den Schiefern unserer zweiten Zone. Die Aehnlichkeit tritt aller-
dings für letztere zunächst nur soweit hervor, als deren Mischung
eine grobe, mit dem blossen Auge leicht zu erkennende ist. Auf
Grund fortgesetzter Beobachtungen dieser Analogieen und Ueber-
o-äno'e wurde schon früher bemerkt, dass die nächsten Verwandten
B Verwandt hiermit sind vielleicht die von de da V allee Poussin und
Rexard (»Ueber die Feldspath- und Hornblendegesteine der französischen Ar-
dennen«, Auszug in Zeitsehr. d. I). geol. Ges., Bd. XXVIII, 1876, p. 764, 2. Ab-
satz) angeführten porphyroidisehen Gesteine. — Nach der Beschreibung genannter
Autoren zu urtheilen stellen sich auch sonst in den Porpliyroiden jener Gegend
sehr viele Analogieen mit den thüringischen Vorkommnissen heraus; und nicht
minder dürften solche mit den von Lossen aus dem Harz (Zeitsehr. d. D. geol.
Ges., Bd. XXI, p. 295 ff.) beschriebenen Porpliyroiden bestehen.
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
239
dex’ genannten eigentliümlichen Schiefer bei den Porphyroiden zu
suchen wären. —
Im Bereich der oberen Partie der cambrischen Thonschiefer
und Quarzite spielen Porphyroide nur mehr eine sehr unter-
geordnete Rolle. Ganz fehlt es nicht an derartigen Gesteinen,
doch erlangen sie nirgends eine grössere Ausdehnung1). Etwas
mehr als in unserem Gebiete scheinen sie sich weiter östlich
auch in dieser Zone noch vorzufinden: nach Gümbel2) gehen die
Phy Codenschichten der Gegend von Schmiedefeld, Reichmanns-
dorf, Gösselsdorf u. s. w. (unweit Gräfenthal) besonders durch Auf-
nahme von Orthoklas wiederholt in Porphyroide und granitartige
Gesteine über, und wiederholt sich Aelmliches auch noch im Be-
reich des Fichtelgebirges.
Die schichtigen Quarzzwischenmassen der Schiefer.
Anschliessend an vorstehende Mittheilungen über die beson-
deren Zwischenlager oder Einlagerungen der phyllitisch-cambrisehen
Schieferzonen fügen wir noch einige Bemerkungen über den Quarz
bei, der so oft als schichtige Zwischenmasse im gesammten Bereich
dieser Schieferreihe angetroffen wird. Wir haben bereits gesehen,
dass diese Mineralmasse in Form plattenförmiger, sphäroidischer,
linsen- und scheibenförmiger Körper, als einzeln auftretende oder
zu förmlichen Zwischenschichten aneinander gereihte Knauer, als
Adern und Trümer, sowohl in den phyllitischen und cambrischen
Schiefern, als in den besonderen Zwischenlagern enthalten ist; und
x) Ein derartiges Vorkommniss befindet sich z. B. am Erzberg im Sieg-
mundsburger Forst, oberhalb des Truckenthal er Grundes (Bl. Steinheid), im Be-
reich der typischen, graugrünen, streifigen, cambrischen Thonschiefer. Das be-
treffende Gestein gleicht sehr gewissen Mittelgesteinen von schieferigem Porphyroid
und Quarzit , wie sie bei dem ausgedehnten , weiter oben beschriebenen Porphy-
roidvorkommen am Jagdschirm erwähnt wurden; es erinnert aber auch an ge-
wisse Modificationen granitischer Einlagerungen.
2) a. a. 0. p. 421 ff., 432, 106, 378.
240
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
dass diese lagerhaft auftretenden Quarzmassen, selbst mit Ein-
schluss mancher etwas schräg sich abzweigender Trümer (wie bei
den Porphyroiden) gewiss als ursprüngliche Bildungen anzusehen
sind, dass sie Abscheidungen darstellen von im Ueberschuss bei
der Gesteinsbildung resp. -Verfestigung vorhandener, und bei diesem
Prozesse vielleicht in Wirksamkeit gewesener Kieselsäure. Die Ge-
sammtmenge dieses bis in die oberen cambrischen Schichten sich
wiederholenden Quarzes ist äusserst bedeutend und bildet gewiss
den grösseren Theil der massenhaften Quarzblöcke und sonstigen
Quarztrümmer, die so vielfach, selbst im Bereich der weicheren
Thonschiefer wiederkehren ; der Rest muss von secundären Quarz-
kluftausfüllungen und -gängen herrühren. Wir bemerken hier,
dass deutliche Gangbildungen sich im Bereich unseres Gebietes
nur wenig geltend machen, am wenigsten solche von bedeutender
Erstreckung und Mächtigkeit.
Es sei gestattet, hier noch die Beschreibung eines sehr typi-
schen Vorkommens anzuschliessen, bei welchem Quarz als schich-
tige. Zwischenmasse des Schiefers, und zwar liier des höheren
cambrischen, grünlichen Thonschiefers vorkommt1). Er bildet hier
mehrere Zwischenbänke von je einigen Decimeter Stärke. Diese
Quarzbänke bestehen eigentlich aus aneinander gereihten, etwas
unregelmässig geformten, grossen Knauern, die ineinander ver-
fliessen, doch so, dass die Oberfläche der Lage oder Bank wulstig
höckerig wird, und die Rinnen oder Vertiefungen zwischen den
Höckern in gewissen Richtungen fast zusammenfallen; das Ganze
gleicht so in grösserem Ma assstab den Markasitschwarten, wie sie
O o ’
im Kulmdachschiefer Vorkommen und durch Zusammentreten dicht
gedrängter Knollen zu verstehen sind; und die einzelnen Theile
der Quarzschwarte lassen sich auch mit den Quarzknauern des
Quarzphyllits vergleichen. Die dein Quarz zunächst anhaftende
x) Das Vorkommen war durch einen Steinbruch auf grünlichen Dachschiefer
sehr günstig aufgeschlossen, an der Strassenbiegung ca. 200' über Unterweissbach
(Section Königsee). Die Schichtung fällt hier SO. ein, die Schieferspaltung oder
Transversalschieferung wie gewöhnlich NW. bis NNW. Eine der deutlichst in
der Schichtung liegenden Quarzbänke war auf ein grosses Stück ihrer Oberfläche
entblösst.
der cambrisch-phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
241
grüne Thonschiefersubstanz schmiegt sich allen Unebenheiten innig
ö o o
an und bildet so gekrümmte Schalen, welche jene Vertiefungen
ausfüllen; sie ist weicher als der umgebende Schiefer und bröckelt
leicht ab1). Wie bei den Quarzknauern des Quarzphyllits wurde
auch bei der iu Rede stehenden Quarzzwischenschicht viel Chlorit,
besonders an den Berührungsstellen von Quarz und Schiefer, be-
merkt, sowie weisse Glimmerschüppchen auf feinen Klüften des
Quarzes, während Feldspatli nicht beobachtet wurde. Auch sonst
wurden Feldspatheinschlüsse in den Quarzzwischenmassen des ge-
sammten cambrischen Schiefers nur wenig beobachtet, im Gegen-
satz zu den Quarzknauern des Quarzphyllits; Chloritbildung da-
gegen ist durchweg verbreitet.
Eine analoge und genetisch verwandte Bildung zu den schich-
tigen Quarzzwischenmassen der phyllitisch - cambrischen Schiefer
dürften auch die Quarzitsphäroide des untersilurischen und des
Culm-, Griffel- und Dachschiefers darstellen.
Lagerungsverhältmsse und Gebirgsbau.
Entwerfen wir im richtigen Verhältnis von Grundlinie und
Höhe, und den Meeresspiegel als Grundlinie genommen, ein Quer-
profil in SÖ. — NW. -Richtung durch unsere Schieferreihe, etwa von
Augustenthal bei Hämmern unweit Sonneberg, wo das Untersilur
sich auf die Phycodenschiefer auflegt, nach Unterneubrunn im
Schleusethal, so erhalten wir eine Figur, deren horizontale Dimen-
sion, schon vor Unterneubrunn, etwa bei Schnett, mindestens
20 mal so gross ist als die mittlere Höhe. Ganz ähnlich würde
sich ein weiter nach NO. entworfenes Profil, etwa aus der Gegend
von Ernstthal über Neuhaus am Rennsteig nach Katzhütte und
Breitenbach verhalten.
x) Es ist wohl denkbar, dass diese, die Vertiefungen der Quarzschwarten
zunächst erfüllende, weiche, bröckelige Masse von dem ursprünglichen Zustande
noch jetzt mehr bewahrt hat, als die umgebende Schiefermasse, auf welche der
Vorgang der Transversalschieferung eingewirkt hat, und die eben deshalb in
ihren physikalischen Eigenschaften verändert worden ist.
16
242
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Lassen wir in diesem Profil den nordwestlichsten Tlieil ausser
Acht, welcher nach unserer früher dargelegten Auffassung eine
Schichtenwiederholung jenseits der als Sattel erscheinenden Phyllit-
zone enthält, und nehmen wir letztere zum Ausgang, so gelangen
wir, von NW. nach SO. schreitend, im Allgemeinen stets aus älte-
ren in jüngere Schichtenfolgen: eine Wiederholung grösserer
Schichtencomplexe liegt, nach allen bisher durch die Specialauf-
nahme gewonnenen Resultaten, nicht vor.
Mehrfacher Wechsel im Einfallen der Schichten, sowohl nach
Weltffeffend als nach Neis’uns:swinkel, lässt nun aber auf das Vor-
Ö O ö O
handensein wiederholter Faltungen schliessen — wie solche in
den alten, über weite Strecken mit vorherrschend steiler Schichten-
stellung ausgebreiteten Formationen allenthalben so gewöhnlich
sind; solche müssen auch in den alten Schiefer Systemen Thürin-
o-ens und der geologisch gdeichgearteten Nachbargebiete existiren,
ö O Ö O o o 7
und sind besonders da überzeugend nachzuweisen, wo die Falten-
umbiegungen sichtbar werden1).
Wenn nun in unserem Profil einerseits von NW. nach SO.
stets jüngere Schichtencomplexe sich folgen, andererseits Faltungen
vorliegen, so erhellt, dass diese Faltungen einen Grössenmaassstab
nicht überschreiten, bei welchem sie noch innerhalb der einzelnen
Schichtencomplexe verlaufen, oder auch nur eines Theiles derselben;
während weiter ausholende Falten, welche grössere Schichtenfolgen
in derselben Horizontalen sich wiederholen lassen, in unserer idea-
len Profilfigur nicht zur Anschauung kommen, und noch weniger
x) Im Bereiche der genannten Profilschnitte sind freilich Faltenumbiegungen
selten zu sehen, da es an günstigen Aufschlüssen fehlt, wie sie im Waldgebirge
sich meist nur in tief und steil einschneidenden Thälern oder bei grösseren künst-
lichen Entblössungen darbieten. Auch fehlt es andererseits in unserer Schichten-
reihe an lithologisch ausgezeichneten , nur je einmal vorhandenen Schichten,
welche unzweifelhaft wiederzuerkennen und zur bequemen Orientirung aufwärts
und abwärts, zur Erkennung von Schichten Wiederholungen dienen könnten (in
der Art z. B. wie die Conglomeratbank, welche Hicks , Quart. Journ. Geol. Soc.
1875, p. 167 ff., aus den cambrischen Schichten von St. Davids in S.-Wales an-
giebt). — Dass bei den wiederholten Faltungen auch Verwerfungen resp. Ueber-
schiebungen in der Richtung des Streichens Vorkommen können , und zwar von
verschiedenem Grade der Intensität, ist nur zu erwarten; solche Verwerfungen
sind aber im Schiefergebirge noch schwieriger nachzuweisen, als Falten.
der cambrisch - phyllitisclien Schieferreilie in Thüringen. 243
jene grossartigen Biegungen, an welchen ganze Formationen Theil
nehmen 1).
Während also in unserem idealen Profile die Grösse der Fal-
tungen aufwärts beschränkt erscheint, ist sie dies abwärts viel
weniger. Namentlich nimmt in der phyllitisclien und zum Theil
auch schon in der halbphyllitischen Zone die Faltung im kleinen
und kleinsten Maassstab so zu, dass uns nur mehr engste Zusam-
menstauung und -Stauchung der Schichten , kaum mehr grössere
Auf- und Abschwankungen entgegentreten. Es ist ferner hervor-
zuheben, wie die Faltungen verschiedener Grade oder Abstufun-
gen neben einander her gehen; so dass in einer grossartigen Bie-
gung eines ganzen Complexes viele kleinere der einzelnen Schichten,
und in diesen wieder viele kleinste der einzelnen Lagen enthalten
sein können.
Dass übrigens auch jene, in sehr grossem Maassstab ange-
legten, und dabei nach verschiedenen geotektonischen Richtungen
angeordneten Sattel- und Muldenbiegungen in unserem azoisch-
paläozoischen Schichtengebäude thatsächlich vorhanden sind, sobald
wir über die Grenzen unseres Profils hinausgehen und das Ge-
birge in seiner ganzen Ausdehnung ins Auge fassen, — dies zeigt,
abgesehen von jenem Wiedererscheinen cambrischer Schichten im
äussersten NW., schon ein Blick auf den Verlauf und die wieder-
holten Ausstriche der einzelnen Formationen, wie sie auf der Karte
des Thüringischen Schiefergebirges von Richter dargestellt sind.
So muss denn auch der Ausstrich der sibirischen und devonischen
Schichten am SO. -Ende unseres Profils, der von Hämmern-
Augustenthal nach Steinach etc. zieht, Theil einer solchen grossen
Biegung sein und seine Fortsetzung nach NW. über unser cam-
brisches Gebirge hin gehabt haben, nur dass dieselbe mit so vie-
lem Andern durch Denudation verschwunden ist; so wie anderer-
x) Ausgenommen die Wiederholung der cambrischen Schichten ganz im NW.,
jenseits der Phyllitzone.
Wir brauchen den Ausdruck »Falte«, »Faltung« hier in etwas allgemeinerem
Sinne, wo er auch einfachere Biegungen, Wellen, Sattel- und Muldenbildung in
sich fasst; eine Falte im engeren Sinne würde drei parallele Stücke, durch zwei
Umbiegungen verbunden, verlangen.
16
244
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
seits die Fortsetzung nach SO. in der Tiefe unter den zusammen-
gefalteten Culmschichten zu suchen ist1).
Wenn sich, wie erläutert, in unserem idealen Querprofil durch
die cambrisch - phyllitische Schieferreihe grössere Schichtencom-
plexe nicht wiederholen, so führt das nothw endig auf die Vor-
stellung einer sehr bedeutenden Mächtigkeit des Ganzen, wie schon
der petrographisch unterscheidbaren Abtheilungen; gegen welche
Vorstellung keine principiellen Bedenken vorliegen werden.
Verlängern wir unser ideales Querprofil nach SO., so erschei-
nen die Schichten des Silur und Devon in rascher Folge; in
horizontaler Richtung nehmen sie nur eine sehr kurze Strecke ein,
wenn wir sie mit dem cambrischen Profil vergleichen; weiter noch
treten wir in das Gebiet der C u 1 m bildung, welche nun ihrerseits
wieder auf eine sehr grosse Länge anhält und in dieser Beziehung
dem cambrischen Schichtengebiet gleicht, jedoch Sattel- und Mul-
denbildung viel deutlicher hervortreten lässt2).
Unser Querprofil und seine angedeutete Verlängerung nach
SO. greift nicht in Gebiete, wo sich in der Anordnung der Falten
die hercynische SO. — N W.-Richtungslinie als vorherrschend oder
auch nur als untergeordnet neben der erzgebirgischen geltend
macht, ein Verhalten, wie es etwas weiter nach O. in der Gegend
von Gräfenthal sich schon deutlich einstellt; die Faltungen ver-
schiedenen Grades, welche von unserem idealen Querprofil ge-
schnitten werden, stehen wesentlich unter der Herrschaft der erz-
gebirgischen tektonischen Richtung SW. — NO. Und wenn
dabei, wie früher bemerkt, auf grössere Erstreckung überfaltete
b Die nordwestliche Fortsetzung ist umsomehr anzunehmen, da in unseren
Gegenden irgend welche Anzeichen für besonders litorale, abweichende Facies in
den restirenden sibirischen etc. Schichten nicht vorhanden sind.
Nordöstlich von unserem idealen Profilschnitt (Siehe die RicHTER’sche Karte)
sind in der Gegend von Schmiedefeld sibirische Schichten auf der cambrischen
Unterlage erhalten , und ebenso als Theile einer grossen Einfaltung bei Wittgen-
dorf und NO. von da.
2) So bemerkt auch Gümbel bei der geognostischen Beschreibung des Fichtel-
gebirges (1. c. p. 97), dass dort unter den Gebilden der palaeolithiscken Periode
jene der cambrischen und der präcarbonischen (Culm-) Reihe verhältnissmässig
grosse Gebietstheile in Beschlag nehmen , die Schichten des Silur und Devon
dagegen eingeengt erscheinen.
der cambrisch-phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
245
und überkippte Lage der Schichtenfolgen vorkommt, so ist dies
eben eine Erscheinung, welche auch sonst mehrfach im thüringisch-
fichtelgebirgischen Schiefergebiet, besonders im Gefolge bedeutender
Ueberscliiebungen, wiederkehrt. — Dagegen deutet der SO. — NW.
gerichtete Verlauf des südwestlichen Schiefergebirgsrandes, welcher
eine bedeutende Dislocationslinie darstellt, sowie verschiedene
Störungslinien im Bereich des Schiefergebirges selbst — unter
anderen jene schon einmal erwähnte, in deren Gefolge Zechstein
und Buntsandstein bei Steinheid unvermittelt im Schiefergebiet
erscheinen — auf die Wirksamkeit der hercynischen tektoni-
schen Linie.
Was bisher im Allgemeinen über die Lagerungsverhältnisse
unseres Gebietes gesagt worden ist, muss mit verschiedenen Daten
stimmen, die sich aus der Lagerung einzelner Schichtenfolgen er-
geben. So z. B. lassen sich schon die obersten cambrischen
Schichten, die Schiefer mit Phyeodes und die Quarzitbänke, welche
einen zusammenhängenden Zug von Augustenthal bei Hämmern
über Steinach und Lauscha hin, NO.wärts bilden, weiter nach NW.
nicht mehr nachweisen, und ebensowenig die charakteristischen
Schiefer der Thuringitzone und des untersten Silur; so dass also
die etwaigen Faltenbiegungen, an denen ihre NW. -Fortsetzung
Theil nahm, nicht so tief griffen, um im jetzigen cambrischen Ge-
biet weiter NW. sich theilweise erhalten zu haben.
Es ist bemerkenswert!!, dass in der ganzen älteren, westlichen
Hälfte des Gebirges ein sehr steiles, nach NW. gerichtetes Ein-
fallen der Strafen vorherrscht1). Dieses Einfallen beginnt schon
bei den unteren cambrischen Thonschiefern und Quarziten vor-
herrschend zu werden. In dem südlichen Theil des Gebiets be-
zeichnet etwa eine Linie von Blessberg über Siegmundsburg den
Beginn dieses Vorherrschens, während SO. davon südöstliches
Einfallen vorwiegt. Es könnte dies Veranlassung bieten, einer
Sattelbildung nachzuspüren und correspondirende Tlieile beider-
*) Dasselbe setzt sicli auch noch jenseits Breitenbach über die phyllitische
Zone hinaus fort; es ist dieses Einfallen also auf längere Erstreckung ein -wider-
sinniges.
246
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
seits wiederfinden zu wollen, was aber zu keinem Resultate führt,
so wenig wie der weiter oben schon angedeutete Versuch, aus
etwas abweichendem lithologischen Verhalten mancher Quarzit-
und Schieferschichten, im NW. von jener Linie, eine besondere
Unterabtheilung im cambrischen System bilden zu wollen. Man
bleibt darauf hingewiesen, Vorhandensein und Wechsel vor-
herrschender Einfallrichtungen über grössere Strecken hin
auch bei einem so im Einzelnen gefalteten Gebirge als Thatsache
zu nehmen. Wie weit Verwerfungen , Ueberschiebungen in der
Streichrichtung, Denudation von Luftsätteln hierbei im Spiele sind,
bleibt immer hypothetisch ; solches wird man aber bei graphischen
Erläuterungen oder Constructionen , die man zur Erklärung eines
vorliegenden Falles versuchen kann — wir verzichten darauf, solche
hier vorzuführen — immer zur Hülfe herbeiziehen müssen.
U eber das Auftreten der Transversalschieferung in den
einzelnen Schieferzonen haben wir uns im Früheren schon ausge-
sprochen 1).
Neben der Schieferung macht sich über den gesammten Be-
reich dieses Gebirges hin die Erscheinung der P ar alle lklüftung
geltend. In der Regel tritt eine Klüftungsrichtung als entschieden
vorherrschend auf, und zwar ist dies diejenige, welche cpier zur
Streichrichtung läuft, etwa in der Richtung NW. — SO.; dabei
wechselt jedoch diese Richtung oft in nächster Nähe um mehr
oder weniger Grade bald nach der einen, bald nach der andern
Seite; das Einfallen dieser Klüftung ist dabei meistens steil, ent-
weder nach NO. oder nach SW., und auch hierin zeigt sich so-
wohl nach dem Steilheitsgrad als nach der Weltgegeud eine ge-
wisse Veränderlichkeit, oft an nah zusammen gelegenen Stellen;
so dass diese Klüftung immerhin eine viel geringere Constanz
zeigt, als die Transversalschieferung. Weniger als die genannte
Hauptklüftungsrichtung machen sich neben derselben noch 1 bis 2
andere derartige Richtungen geltend.
1 ) Von einer besonderen Darstellung des Streichens und Ballens der Trans-
versalschieferung auf dem beigegebenen Kärtchen wurde abgesehen.
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
247
Einiges bezüglich der Bildungsvorgänge.
Wir wollen hier nicht tiefer in das schwierige und dunkele
Gebiet der genetischen Vorgänge eindringen; nur der Vollständig-
keit halber möge dasselbe kurz berührt werden; wobei wir zunächst
Einiges über die allgemeinen Ablagerungsbedingungen zu sagen
O O O Ö O Ö o
haben, und sodann unseren Standpunkt bezüglich der Bildung der
besonderen Einlagerungen kurz darlegen wollen.
Sehen wir zunächst von den letzteren, den granitischen, por-
phyroidischen und amphibolischen Gesteinen ab, so sind wir zu
der Annahme berechtigt, dass der gesammten Schieferreihe, welche
wir in unserem Gebirge von den ältesten phyllitischen Schichten
an aufwärts bis zur Silurgruppe entwickelt sehen, eine Sediment-
bildung zu Grunde gelegen haben müsse, die ohne irgend welche
wesentliche Unterbrechung vor sich gehend Schicht auf Schicht
häufte. Wir haben keine Anzeichen von irgend welcher nennens-
werthen Discordanz oder Transgression ; keine eigentliche Conglo-
meratbildung liegt vor, welche eine stärkere, mit Festlandbildung
verbundene Hebung erkennen liesse. Soweit einzelne Schiefer-
schichten grössere klastische Theile einschliessen oder Breccien-
structur ihnen eigen ist, lassen sich solche Trümmer von denselben
oder wenig älteren Schichten ableiten , und eine Zerstörung neu-
gebildeter Sedimente scheint demnach nie in ausgedehntem JVIaasse
und am wenigsten an bedeutenden, über die Oberfläche erhobenen
Theilen stattgefunden zu haben.
Damit steht denn auch in Uebereinstimmung, dass nirgends
für eine bestimmte Zone oder Schichtenfolge des Ganzen eine
wesentlich abweichende Facies hervortritt, welche sich etwa als
Küstenbildung, oder als unter wesentlich verstärkten litoralen Be-
dingungen entstanden, deuten liesse : überall, wo ein gewisses strati-
graphisches Niveau als solches wiederzuerkennen ist, oder wo be-
stimmte Schichten unter jüngeren auftauchen, so z. B. die Grenz-
schichten von Cambrisch und Silur, sehen sie ähnlich aus; und
es gilt dies noch weit über den Bereich unseres Gebietes hinaus,
ostwärts; so dass wir für die phyll itisch- cambrische Schieferreihe
248
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
in weiter Erstreckung sehr ähnliche bis gleiche Ablagerungsbe-
dingungen in einem gemeinschaftlichen oder einheitlichen Bildungs-
raum anzunehmen haben werden.
Dabei scheinen, wenigstens für das cambrische System, ver-
schiedene Anzeichen auf Ablagerung in wenig tiefem, massig be-
wegtem Wasser zu deuten. Wir rechnen dahin die an ripple-
marks erinnernde Oberflächenbeschaffenheit der Phycodenschiefer
und ähnlicher älterer Schiefer; die discordante Parallelstructur,
welche an cambrischen Thonschiefern, und auch Quarzit, sowie
Wetzschiefer beobachtet wurde; auch darf wohl die klastische Be-
schaffenheit hier angeführt werden, welche in früher angegebener
Weise wenigstens für einzelne Tlieile gewisser Schichten anzu-
nehmen ist.
Soweit Quarzitlager, wie bei Steinheid u. s. w. , mit Sand-
anhäufungen, Sandbänken in genetischen Zusammenhang gebracht
werden dürfen, würden ihnen vielleicht besonders seichte Stellen
— keine Küsten — zu Grunde liegen, an denen das gröbere,
sandige Material unter der separirenden Wirkung von bestimmten
Strömungsverhältnissen zusammengeführt wurde. — Es wurde be-
reits angeführt, dass bei einigen Quarzitlagern das Material in der
That sehr deutlich und ziemlich grob klastisch werden kann.
Die sehr bedeutende Mächtigkeit, die für die ganze Schiefer-
folge nach Abzug aller Faltungen doch noch übrig bleibt, in Ver-
bindung mit einer in wenig tiefem Wasser gedachten Sedimenti-
rung, erfordert dann natürlich eine fortgesetzte allmähliche Senkung
des gesammten, zusammengehörigen Bildungsraumes.
Die eigenthümliche Zwischenbildung der Thuringitschichten,
welche wir an der Grenze von Cambrium und Silur sehen, dürfte
ganz besonders eine Deutung auf Seichtwasserbedingungen ge-
statten, wegen des vielen klastischen und breccienartigen hier
lagernden Materiales, und auch mit Berücksichtigung der so ver-
breiteten Oolithbildung des Thuringits, welcher vielleicht eine
chemische Extraction abgelagerter Schichten voraufging. Es be-
zeichnet dieser Horizont zugleich eine Art Abschluss der vorheri-
gen und eine Wendung zu etwas andern Ablagerungsbedingungen,
weil wir in den nun folgenden untersilurischen Griffelschiefern
der cambrisch-phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
249
jedenfalls ein sichtlich anderes und anders abgelagertes Material
erblicken als in den graugrünen cambrischen Schiefern.
Ueber dem gesammten, sich noch fortgesetzt senkenden Bil-
dungsareal scheint vom Beginn der Ablagerung der Griffelschiefer-
schichten an tieferes und ruhigeres, hie und da von Trilobiten
belebtes Wasser gestanden zu haben, in welchem sehr homogene,
schlammige, etwas mit organischer Substanz vermischte (wegen der
sehr dunkelen Färbung) Absätze fast continuirlich und gleich-
mässig erfolgten; es sind nämlich im Griffelschiefer die Schicht-
flächen weniger zahlreich und schwieriger zu finden, und es be-
steht viel weniger Wechsel in dem sehr gleichmässig gemischten
und sehr feinen Materiale dieses Schiefers; dabei sind die zwischen-
durch vorhandenen heterogenen Elemente, Quarzit und Schwefel-
kies, weit weniger in Gestalt förmlicher Zwischenschichten als von
Sphäroiden und Concretionen vorhanden.
Was nun die besonderen Einlagerungen unserer Schiefer-
systeme betrifft, und zwar in erster Linie die granit- oder gneiss-
artigen, sowie die porphyroidischen, welch letzteren sich naturge-
mäss jene eigenthümlichen Schiefer der untersten cambrischen,
resp. halbphyllitischen Zone anschliessen, so muss Verfasser be-
kennen, dass er von den beiden bisher zu ihrem Verständniss ge-
wählten Anschauungen oder Hypothesen der diagenetischen
den Vorzug geben zu müssen glaubt.
Es ist Verfasser wohlbekannt, dass von competentester Seite
für einen Theil der hier abgehandelten Gebirgsgegenden der meta-
morphische Standpunkt geltend gemacht worden ist. Ohne nun
die zu Gunsten dieser Auffassung geltend gemachten Gründe zu
unterschätzen, und ohne etwaiger eigener besserer Erkenntniss
späterer Zeit vorgreifen zu wollen, möchte Verfasser seine der-
zeitige Ansicht doch dahin aussprechen: dass ihm auf Grund seiner
bisherigen fortgesetzten Specialaufnahmen und Anschauungen
x) Yergl. Lossen, Zeitschr. d. D. geol. Ges., Bd. XXVI, 1874, p. 896 ff.
902. — Auch H. Credner sen. im Neu. Jahrbuch f. Min. etc. 1849 p. 25 ff. und
im »Versuch einer Bildungsgeschichte der geognost. Verh. des Thüringer Waldes«,
1855, p. 21, steht auf dem metamorphischen Standpunkt.
250
H. Loeetz , Beitrag zur geologischen Kenntniss
und mit Berücksichtigung der Lagerungs- und Massenverhältnisse
der in Betracht kommenden Gesteine die diagenetische Auffassung
immer noch als die einfachere, den natürlichen Verhältnissen
sich leichter anpassende erscheint als die andere; jene Auf-
fassung, welche auch Gümbel für analoge Gebilde des Fichtel-
gebirges an verschiedenen Stellen seines bezüglichen Werkes
geltend macht.
Wir möchten dementsprechend die betreffenden Gesteine für
solche halten, welche, abgesehen von den bekannnten secundären
mineralischen Neubildungen auf Klüften u. s. w. , wesentlich zu
jener Zeit ihre vorliegende petrographische Beschaffenheit erlangt
haben, welche auch die Bildungszeit für die sie umgebenden
Schichten war; mit andern Worten, für solche, die nicht etwa in
einer späteren Epoche, auf irgend welchen äusseren Anlass hin,
einen bedeutenden Schritt vorwärts in ihrer lithologischen Ent-
Wickelung machten, während ihre Umgebung dies nicht that.
Unsere granitiscli-gneissischen und porphyroidischen Gesteine
noch insbesondere belangend, scheint es uns schwierig, einen ge-
netischen Zusammenhang zwischen denselben und wahren Graniten
oder sonstigen krystallinischen Massengesteinen anzunehmen, welche
entweder eruptiv oder durch Druck bei der Schichtenaufstauung
und -faltung (passiv) in den Körper des Schiefergebirges hineinge-
trieben worden wären ; schwierig, weil es eben an solchen Massen-
graniten und Porphyren u. s. w. fehlt; denn das Allerwenigste,
nur immer einzelne Kerne von jenen granitartigen u. s. w. Ein-
lagerungen, verhält sich, wie wir gesehen haben, als wirklicher
Granit oder Porphyr, und somit steht die hierhergehörige Gesammt-
masse nur in einem geringen Verhältniss zu dem Umfang der
Misch- und Uebergangsgesteine zum umgebenden Schiefer1); ein
*) Der längste Zug granitisck-gneissischer Gesteine, der von Meuselbach-
Glasbach ist allerdings noch nicht zur Specialaufnahme gelangt; wir glauben in-
dess nicht, nach dem was wir bis jetzt von diesen Gesteinen gesehen haben, dass
sich hier wesentlich andere Verhältnisse ergeben werden.
Was die Porphyroide betrifft, so hat sich bei deren Aufnahme nirgends un-
zweifelhafter Porphyr resp. Quarzporphyr als Theil oder in Verbindung mit dem
betreffenden Vorkommen gezeigt. Bei Langenbach steht im Bereich des Porphy-
roidvorkonunens, an Masse unbedeutend, an der Strasse etwas Porphyrit an;
der cambrisch-phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
251
Missverhältniss , wenn wir letztere ans ersteren ableiten wollen,
ob nun einfache Wärmewirkung durch Contact, oder solche unter-
stützt durch wässerige Lösungen, oder Wärmeentwickelung durch
Druck bez. mechanische Arbeit zu Hülfe genommen werden.
Andere wahre Granit- u. s. w. Massen aber ausser den sichtbaren
und zugänglichen supponiren zu wollen, solche etwa, die in nicht
grosser Tiefe lagerten, dürfte für dieses Gebirge doch zu proble-
matisch sein.
Noch weniger dürfte in unserem Falle daran zu denken sein,
chemische Metamorphose im Gefolge der bei der Schichtenauf-
stauung und -Zusammenfaltung entwickelten mechanischen Wir-
kung anzunehmen ; ehe dieses unsichere Gebiet betreten würde,
für welche unseres Wissens doch erst vereinzelte Thatsachen vor-
liegen, wäre zu constatiren, dass sich in den betreffenden Gebirgs-
strichen besonders starke mechanische Einwirkungen auf die
Schichten zu erkennen geben; letzteres ist nun, nach unseren
Beobachtungen zu urtheilen, keineswegs der Fall, es machen sich
keine, das gewöhnliche und durchgängig zur Geltung kommende
Maass überschreitende Wirkungen auf die Schichten bemerklich.
Was die Einlagerungen der amphibolischen Gesteine betrifft,
so wird für solche eine spätere, metamorphische Entstehung aus
dem Sediment, welches auch die umgebenden Schiefer constituirt,
überhaupt wohl nicht versucht werden, wegen des zu sehr ver-
schiedenen beiderseitigen chemischen Bestandes. Diese Einlagerun-
gen, wie auch die Kiesel- und Alaunschiefer erinnern sehr an die
entsprechenden Einlagerungen der Phyllitformation in Sachsen.
Dass übrigens die metamorphische Auffassung gewisser por-
phyroidischer u. s. w. Vorkommnisse in anderen Gebirgen durch
Obiges in keiner Weise berührt werden soll, braucht kaum er-
wähnt zu werden.
Wir kommen also darauf zurück, für unser Gebiet jene ver-
schiedenartigen Einlagerungen als ursprünglich gebildete aufzufassen,
und ebenso auch die eigentümlichen , mit gewissen schieferigen
solcher kommt indess in der Umgegend vielfach, die Schieferschichten gangförmig
durchsetzend, in kleinen Massen vor, ohne dass zumeist irgend welche Einwirkung
auf das Nebengestein zu sehen wäre.
252
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Porphyroiden verwandten Schiefer unserer mittleren, halbphyllitischen
Zone. Für letztere insbesondere scheint uns die Wechsellagerung;
mit gewöhnlichem Thonschiefer und die Wiederholung der Zone
zu beiden Seiten der phyllitischen nur zu Gunsten jener Auffassung
zu sprechen. — Wie weit, ursprüngliche Bildung zugegeben, ein
rein diagenetischer Vorgang; — also successive Umbildung in situ
aus dem allgemeinen Sediment ohne Zutritt fremden Stoffes ■ —
ausreiche, die verschiedenen gneissartigen oder porphyroidischen
Modificationen zu verstehen, wie weit nicht, das bleibt dann immer
noch eine besondere Frage.
Aeussere Erscheinung des alten Schiefergebirges.
Wir berühren zum Schluss in Kürze die äussere Physiogno-
mie des alten phyllitisch-cambrischen Schiefergebirges.
Zunächst die Vegetationsdecke betreffend, ist unser Gebirge
vorwiegend Waldlandschaft; Forsten ziehen sich zumal an den
steilen Gehängen wie auch über die Hochflächen hin, und zwar
waltet in den Beständen das Nadelholz in seinen beiden Haupt-
Repräsentanten, gemeine und Edeltanne, entschieden vor. Laub-
holz, besonders durch die Buche vertreten, umsäumt öfters die
tieferen, günstiger situirten Ränder der Forsten, und gelangt auch
in einzelnen Thälern (z. B. Schleusethal) zu grösserer Ausbreitung.
Die näheren Umg ebungen der Ortschaften sind der Feldcultur
unterworfen, während das Wiesenland vorzugsweise die Sohlen
der grösseren Thäler und der von ihnen sich abzweigenden Seiten-
thäler einnimmt und sich bis in die obersten flachen Thalanfänge
oder Depressionen hinaufzieht.
Der Denudation gegenüber verhält sich dieses Gebirge nach
dem Material, aber auch nach der überall vorherrschend steilen
Stellung der Straten als ziemlich gleichartiges Ganze. Der Unter-
schied in der Widerstandsfähigkeit der verschiedenen, die Haupt-
masse dieses Gebirges bildenden Schiefergesteine gegen die chemi-
schen und mechanischen Eintlüsse der Verwitterung und Erosion
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
253
ist nicht so gross, dass er sich in dem Relief von Berg und Thal
sehr deutlich ausspräche. So fehlt es denn an jenen auffallenden
Längsthälern, welche durch besonders leicht zu zerstörende Schich-
tencomplexe zu Stande kommen könnten, wie solche Thäler weiter-
hin durch die Obersilur- und Mitteldevonschichten bewirkt werden.
Selbst die an sich so wenig verwitterbaren Quarzitlager machen
sich im Terrain durch besonderes Auf- und Hervorragen in der
Regel nicht geltend; ihre vielseitige Zerklüftung trägt dazu bei,
dass die Abtragung bei ihnen mit der des umgebenden, an sich
viel leichter verwitternden Thonschiefers gleichen Schritt halten
kann Q.
Das Relief des Gebirgslandes wird in seinen höheren Theilen
durch schwach gewölbte Gipfelformen, lang hinziehende Rücken
und sanft wellenförmig gestaltetete Hochflächen gebildet; die Höhen-
linien zeichnen sich o'eo-en den Horizont als sanft o-eschwunafene,
schwach auf- und absteigende Linien ab, wie dies in den alten
Schiefergebirgen so häufig wiederkehrt. Benachbarte Rücken
difleriren meist wenig an absoluter Höhe2); horizontal darüber
hingesehen, scheinen sie öfters sich plateauartig auszubreiten, in
Wirklichkeit erlangen diese Rücken und Hochflächen nirgends
mehr eine starke Ausbreitung ins Geviert, da die Erosion ringsum
Q Der höchste Punkt des Sehiefergebirges, das »Kieferle« bei Steinheid, liegt
zwar im Quarzit; die Höhendifferenz gegen die in Thonschiefer gelegenen Gipfel
des Wurzelberg und Blessberg beträgt aber nur einige Fuss. — Beim Wurzel-
berg liegt der höchste Punkt ( » Farmdenkopf «) in mildem, blaugrauem Thon-
schiefer; derselbe Schiefer bildet den oberen, langen Rücken des Wurzelberges,
von der »Moosbergsebene« bis zum »Jagdschirm«, während die benachbarten
Quarzitlager nicht bis zu der Rückenhöhe heraufragen, sondern längs dem NW.-
Hang hinziehen.
Auch der Cultur gegenüber, wenigstens der Forstcultur, ist, im Allge-
meinen gesprochen, der Unterschied in dein durch die verschiedenen eambrischen
und phyllitischen Schiefer gelieferten Boden nicht so bedeutend, dass er nicht
durch die Unterschiede in der Exposition und den sonstigen physikalischen Be-
dingungen, zumal bei den grossen hier vorkommenden Höhendifferenzen, mehr als
aufgewogen würde. Nur den reinen Quarzit kann man ausnehmen, der sich
allerdings durch seine Sterilität recht bemerklich macht.
2) Immerhin ragen einzelne Gipfel und Rücken über ihre Umgebung merk-
lich heraus, so der Blessberg (nahe dem Südwestrande des Gebirgs), der Wurzel-
berg, die Cursdorfer Koppe und die Hettstädt.
254
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
schon ziemlich stark eingegriffen hat; und der Grad des Fort-
schritts, den dieselbe erlangt hat, ist das bestimmende Moment
für die Modellirung im Einzelnen und die Höhenabstufung von
den Gipfeln zu den Thalsohlen hinab.
Die bedeutenderen Thäler schneiden tief in den Körper des
Gebirgslandes ein; der stärkste Höhenunterschied zwischen Thal-
boden und Gipfel der benachbarten Höhen erreicht etwa 1000
Decimalfuss (1200 gewöhnliche Fuss), so von der Höhe des Wurzel-
bergs zur Schwarza bei Goldisthal. Die Gehänge können einen
beträchtlichen Grad von Steilheit erreichen, und neigen hie und
da, wenn auch im Ganzen nicht viel zu Felsbildung. — Für das
Gebiet der Schwarza und ihrer Zuflüsse stellt sich leicht die Be-
ziehung heraus, dass nordwärts mit tieferer Lage der Thalsohle,
der Basis für die Erosion, auch die absoluten Höhen durchschnitt-
lich abnehmen, welche die benachbarten Berggruppen erreichen.
Wie weit die Thäler unseres Gebietes, welche ihre jetzige
Ausbildung fast nur der Erosion verdanken, in ihrer ersten An-
lage durch geotektonische Richtungen, namentlich parallel zur
allgemeinen Streichrichtung und quer dazu , vorgezeichnet worden
sein mögen, ist, wie in den meisten Fällen derart, nicht mehr zu
sagen, höchstens zu vermuthen. Allerdings ist der Verlauf von
manchen derselben, oder gewöhnlicher von Theilen solcher, in der
Richtung des Streichens der Schichtung und der Faltungen, und
anderer in der Querrichtung — etwa in der Hauptklüftungs-
richtung — nicht zu übersehen. Beispiele hierfür finden sich
leicht bei Betrachtung einer Karte. Was speciell das bedeutendste
Thal des Gebiets, das Schwarzathal betrifft, so liegt die mittlere
Richtung des grössten Theiles seines Laufes bis zum Austritt aus
dem Gebirge, abgesehen von den Krümmungen, beiläufig der all-
gemeinen Streichrichtung parallel, und es ist denkbar, dass in weit
zurück liegenden Denudationsepochen der Charakter als Längs-
thal bei diesem Theile reiner hervorgetreten, und seine allererste
Anlage durch den Verlauf von Sattel- und Muldenbiegungen längst
verschwundener Schichten gegeben war. Dagegen fällt die oberste
Strecke des Schwarzathals, von Scheibe nach Langenbach, unge-
fähr in die Richtung jener Verwerfungen, mit welchen das Er-
der cambrisch-phyllitisclien Schieferreihe in Thüringen.
255
scheinen der Zechstein- Und Buntsandsteinschollen zwischen den
alten Schieferschichten bei Scheibe zusammenhängt.
Auffällig ist eine Art von Terrassenbildung, wie sie sich an
beiden Seiten des Schwarzathals, aber auch seitwärts, in Neben-
thälern desselben wiederholt einstellt. Solche sehr merkliche Ver-
flachungen der Gehänge, mit steilerer Steigung aufwärts wie ab-
wärts, findet man hie und da mehrfach übereinander, wenn man
quer zur Thalrichtung die Berghöhen ersteigt. Obgleich nirgends
mehr alter Schotter auf diesen Verflachungen erhalten ist, und die-
selben in der Thalrichtung meist nicht lang aushalten, überhaupt
wohl stark durch Abwitterung und seitliche Erosion mitgenommen
sein mögen, kann man sie doch kaum anders, denn als Beste ehe-
maliger Thalstufen auffassen; um so mehr als durch Abwitterung
allein, bei der so wenig verschiedenen Beschaffenheit und Stellung
der Schichten, derartige Absätze nicht zu verstehen wären. Solche
Verflachungen machen sich z. B. am Wurzelberg an der Schwarza-
thalseite, aber auch au der Ostseite wiederholt bemerklich, und
ähnliches wiederholt sich noch am Lindig, sowie andererseits an
der Westseite des Schwarzathals, bis ins Oelzethal, und sodann
weiter abwärts im Schwarzathal. — Es scheint sogar nicht un-
möglich, dass in der jetzigen Configuration des Gebirgslandes über
den engern Bereich der jetzigen Thaleinschnitte hinaus, in dem
Verhältniss der oberen flach oder plateauartig sich ausbreitenden
Höhenstrecken zu den wenigen über diese hinaus anschwellenden
Erhebungen noch einzelne Züge aus weit zurückliegenden Denuda-
tionsperioden stehen geblieben sind ; wenigstens kann dieser Ein-
druck durch die Betrachtung des Gebirges von gewissen, hoch
gelegenen Punkten hervorgerufen werden.
O O O
256
H. Loretz, Beitrag zur geologischen Kenntniss
Inhalt.
Einleitendes. Einführung des cambrischen , silurischen etc. Systems in
das thüringische Schiefergebirge. — Sibirische Horizonte. — Cambri-
sches und phyllitisches System des Schiefergebirges ; Abgrenzung. —
Vergleichung des cambrischen Systems mit den entsprechenden Systemen
anderer Länder
Uebersicht der Schieferreihe nebst Einlagerungen und ihrer Lage-
rung. Phyllitisches und cambrisches System. — Das Gebiet. Unter-
scheidung dreier Zonen : phyllitische Schiefer , halbphyllitisehe Schiefer
und Thonschiefer mit Quarziten. • — Einlagerungen : Kieselschiefer,
gneissartige, amphibolische, porphyroidische. — Phyllit und Cambrium.
— »Untercamb risch«. — Lagerung der Zonen
Schiefer der phyllitischen Zone. Phyllit, Quarzphyllit , Phyllitcjuarzit-
schiefer. — Quarzknauer des Quarzphyllits. — Aufschlüsse. — Calcit-
führender Phyllit. — Kupfererzvorkommen bei Böhlen. — Engfaltung
und Fältelung der phyllitischen Schiefer. — Andeutungen von Trans-
versalschieferung
Schiefer der älteren cambrischen (halbphyllitischen) Zone. Petro-
graphisches; Verwandtschaft mit gewissen porphyroidischen Schiefern;
halbphyllitischer, resp. halbkrystallinischer Charakter. — Abgrenzung
von den phyllitischen Schiefern, äussere Aehnlichkeiten mit solchen. —
Quarzeinschlüsse. — Verwitterung. — Auftreten gleicher Schiefer im
Bereich der älteren und jüngeren Zone
Cambrischer Thonschiefer. Keine Unterabtheilungen. — Verschiedene
Färbungen und Verbreitung derselben. —HärtereStreifen und Knoten;
gerippte Schichtflächen und discordante Parallelstructur. — Phycoden
und Phycodenschiefer. — Transversalschieferung und Klüftung. —
Zerfallen; Verwitterung. — Wetzschiefer
Cambrischer Quarzit. Auftreten zwischen dem Thonschiefer. — Petro-
graphisches. — Schichtung des Quarzits. — Zerklüftung und Trümmer-
halden. — Oberster cambrischer Quarzit. — Vielfacher Wechsel von
Thonschiefer und Quarzit in gewissen Gebirgsstrichen. — Quarzit mit
Sericitflasern. — Conglomeratischer und breccienartiger Quarzit. —
Quarzausscheidungen und Goldführung. — » Quarzitische Schiefer«
Das Vorkommen von Versteinerungen im Quarzit von Siegmunds-
burg. Vorkommen, Localität und Gestein. — Deutung und palaeon-
tologischer Werth der Versteinerungen
Oberste cambrische Zone und Grenze zum Silur; Thuringithorizont.
Oberste, eisenreiehe Schiefer. Oolithischer etc. Eisenstein; Thuringit. —
Orthis in diesem Horizont
Seite
175
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208
211
der cambrisch - phyllitischen Schieferreihe in Thüringen.
257
Seite
Einlagerungen von Kieselschiefer und Alaunschiefer. Kieselschiefer
und Alaunschiefer der phyllitischen Zone. Kieseischieferfelsen. — Ent-
sprechende Schiefer der jüngeren Zonen 214
Einlagerungen von Amphibolgesteinen. Massig krystallinischo und
schieferige, Verbindung und Lagerung derselben zu einander und dem
umgebenden Schiefer. — Localitäten. — Beschreibung einer derartigen
Einlagerung im Oelzethal 218
Einlagerungen gneiss- und granitartiger Gesteine. Allgemeine Be-
schaffenheit. — Das Vorkommen bei Hinterod; TJebergänge zu anderen
Schiefergesteinen. — Das Vorkommen am Milchberg bei Bohlen;
Uebergänge zu Schiefergesteinen, Unterschiede von Porphyroiden. —
Vorkommnisse bei Katzhütte 221
Einlagerungen porphyroidischer Gesteine. Allgemeines. — Vorkommen
bei Langenbach. — Desgleichen am Jagdschirm. — Desgleichen am
Reichenbach. — Desgleichen am Bärentiegel und weiter aufwärts im
Katzethal. — Verwandtschaft mancher Porphyroide und Quarzite. —
Porphyroide der älteren Sehieferzonen. — Vorkommen im Hirschgrund
bei Böhlen. — Eigenthümliche Schieferporphyroide von halbklastischem
Habitus und Verwandtschaft derselben mit gewissen Schiefern der halb-
phyllitischen Zone. — Porphyroidische Gesteine der obersten cambri-
schen Zone 226
Die schichtigen Quarzzwischenmassen der Schiefer. Grosse Menge
derselben. — Vorkommen derartiger Quarzzwischenlagen bei Unter-
weissbach in cambrischem Dachschiefer 239
Lagerungsverhältnisse und Gebirgsbau. Ideales Querprofil durch die
cambrisch -phyllitische Schieferreihe. — Faltungen innerhalb desselben
und relative Grösse der Falten. — Grössere Sattel- und Mulden -
biegungen, an denen ganze Systeme theilnehmen. — Erzgebirgisclie und
hercynisehe Richtung. — Anhaltend nordwestliches Einfallen im west-
lichen Theil des Gebiets. — Schieferung und Parallelklüftung . . . 241
Einiges bezüglich der Bildungsvorgänge. Continuirlich und in weitem
Bildungsraum unter ähnlichen Bedingungen erfolgte Sedimentbildung.
Muthmaassliche Ablagerungsbedingungen der untersten sibirischen
Schichten. — Diagenetische oder metamorphische Auffassung der
granitartigen und porphyroidischen Einlagerungen. Gründe für erstere 247
Aeussere Erscheinung des alten Schiefergebirges. Vegetationsdecke. —
Gleichförmiges Verhalten gegenüber den denudirenden Agentien; Relief
des Gebirgs. — Thäler; Ausbildung derselben durch Erosion, in erster
Linie vielleicht nach geotektonischen Linien. — Terrassenartige Ver-
flachungen an den Gehängen des Schwarzathals und benachbarter Thäler 252
Bemerkung. Auf dem Kärtchen mussten bei der Kleinheit des Maassstabs einige
porphyroidische etc. Einlagerungen weg-gelassen werden; vor dem nördl. Rand werden
weitere Specialaufnahmen wohl noch einige neue ergeben. Manches konnte nur manierirt
dargestellt werden, z. B. die Kieselschiefereinlagerungen, z. Th. auch die quarzitischen,
und die geognostischen Grenzen.
17
Ueher Transversalschieferung'
und verwandte Erscheinungen im thüringischen
Schiefergebirge.
Von Herrn H. Loretz in Frankfurt a. M.
(Hierzu Tafel VII.)
Yo r b e m e r k n n g e n.
Das Auftreten der Transversalschieferung im thüringischen
Sehiefergebirge ist schon seit längerer Zeit bekannt, und von den
Geologen, welche über dieses Gebiet geschrieben haben, wiederholt
erwähnt und im Allgemeinen besprochen. Im Folgenden soll nun,
was bisher noch nicht geschehen ist, eine speciellere Darlegung
der Verhältnisse der Schieferung und verwandter Erscheinungen
mechanischer Natur in diesem Gebirge gegeben werden, soweit
dasselbe, vom Verfasser bei Gelegenheit seiner Aufnahmen für die
geologische Specialkarte von Preussen und den thüringischen
Staaten untersucht ist. Unsere vorliegenden Mittheilungen be-
ziehen sich dementsprechend auf den südwestlichen Theil des
Schiefergebirges und zwar in etwas grösserer Ausdehnung als bei
unserem, ebenfalls in diesem Bande enthaltenen Artikel über die
cambrisch-phyllitische Schieferreihe1); das Kärtchen, welches diesem
Artikel beigegeben ist, kann zugleich auch für vorliegende Mit-
') Die liier in Betracht kommenden erst später zu publicirenden Blätter der
geolog. Specialkarte, im Maassstab 1 : 25000 sind: Neustadt a. d. Haide, Sonne-
berg, Eisfeld, Steinheid, Spechtsbrunn, Masserberg, Breitenbach und Gräfenthal
zum Theil.
H. Loretz, über Transversalschieferung und verwandte etc.
259
theilungen dienen, im Uebrigen wird am besten die RiCHTER’sche
Karte des Thüringischen Schiefergebirges1) verglichen.
Die Transversalschieferung wird bekanntlich angesehen als
eine bestimmte und eigenthümliche Wirkung; des g;ebirg;sbildenden
Seitendrucks in der Erdrinde, oder zunächst vielleicht eine Wir-
kung von Druckkräften, welche von jenem allgemeinen Seitendruck
abzuleiten sind; und zwar ist sie eine sehr energische und weit-
gehende Druckwirkung, da sie sich, wenigstens wenn vollkommen
ausgebildet, auf die kleinsten Theile des Gesteins erstreckt und
physikalische Aenderungen bewirkt hat2). Die Schieferung ist mit
einer, wenn auch nur minimalen Compression oder doch Spannung
in der Druckrichtung, sowie ausweichenden Verschiebungen in dazu
normalen Richtungen verbunden gewesen, welche bald mehr, bald
weniger deutliche Spuren in dem Gesteinskörper hinterlassen haben
und je nach der Stärke und Vertheilung des Druckes und der
physikalischen Beschaffenheit des Materials schon zwischen benach-
barten dünnsten Lagen stattfanden, oder erst in grösseren Inter-
vallen.
Der Vorgang des seitlichen Ausweichens und Verschiebens
hat unter gewissen Umständen einen besonderen Verlauf genommen,
als deren Resultat jetzt eine Art von Linearstreckung des Ge-
steins, ein fast faseriges, griffeliges Gefüge vorliegt, eine physika-
lische Aenderung, die mit jener bei der gewöhnlichen Schieferung
verwandt ist; diese lineare Streckung ist nicht so verbreitet wie
die plane Schieferung, sie tritt mehr lokal, und dabei wohl mit
jener zusammen auf, und scheint darin begründet, dass das seit-
liche Ausweichen und Verschieben von Theilchen zu Theilchen
stattfand und dabei in ein und derselben Richtung.
Diese beiden auf mechanischem W ege in das Gestein einge-
führten Structuren, die Schieferung; und die Streckung; sind
7 0 O
es nun, deren Vorkommen im thüringischen Schiefergebirge den
x) Zeitschr. d. D. geol. Ges. Bd. XXI, 1869.
2) Dass wirklich physikalische Aenderungen eingetreten sind, ersieht man
sofort aus den J anx ettaz1 sehen Versuchen über die Wärmeleitung in geschiefertem
und nicht geschiefertem Gestein, und den entsprechenden Figuren auf Schnitt-
flächen.
17
260
H. Louktz, über Transversalschieferung
Hauptgegenstand der folgenden Darstellung bilden soll. Anhangs-
weise fügen wir noch einige Angaben über das Vorkommen der
Parallelklüftung und gewisser, durch Bewegungen auf
Schichtflächen zu Stande gekommener Mineralbildungen ein-
o O
fachster Natur bei.
Ausser Schieferung und Streckung sehen wir nun aber noch
eine lange Reihe von Aenderungen, welche an der Gesammtge-
steinsmasse eines Gebirges, z. B. unseres Schiefergebirges in Folge
der nachhaltigen Einwirkung grossartiger seitlicher Druckwirkun-
gen zu Stande gekommen sind, und es ist keineswegs leicht, die
richtige Stellung und Folge aller Glieder dieser Umgestaltungs-
reihe zu erkennen; nur im Einzelnen liegen Andeutungen und
Beweise vor, welche erkennen lassen, dass eine gewisse Aende-
rung oder Umgestaltung vor oder nach einer gewissen zweiten
entstanden sein muss. Die transversale Schieferung z. B. betreffend,
die uns hier besonders interessirt, sehen wir, dass sie erst nach
der Aufstauung und Zusammenfaltung der Schieferschichten ein-
getreten sein kann, weil sie durch alle Falten der Schichtenlage
durchschneidet und sich ihnen gegenüber sehr constant zeigt, und
weil die Oberflächen und öfters auch das Innere der aufgerichte-
ten und gefalteten Lagen sehr oft deutliche Merkmale des Schiefe-
rungsprozesses an sich tragen. Ebenso sehen wir mitunter, dass
gewisse das Gestein durchziehende Ablösungsflächen, welche ihrer-
seits auch nur von Seitenpressungen abgeleitet werden können,
schon vor der Schieferung da gewesen sein müssen, weil auch sie
in ähnlicher Weise wie die Schichtflächen von der Schieferung
afficirt sind. Wenn wir ferner berücksichtigen, dass über weite
Strecken unseres Gebirges die Schieferung eine etwas andere Lage
zu den Weltgegenden hat, als die Ausstriche und Falten der auf-
gestauten Schichten, so weist auch dies mit Wahrscheinlichkeit
auf zeitliche Unterschiede für die Ausbildung von beiderlei meclia-
nischen Aenderungen, auf einen Wechsel in der Richtung des
Seitendrucks hin. Dabei braucht nicht gerade ein längerer Inter-
vall oder eine Ruhepause stattgefunden zu haben; die ersten An-
fänge transversaler Schieferung könnten an die letzten Faltungs-
vorgänge angeknüpft haben, und in jenen kleinen Zerreissungen
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 261
nebst Verschiebungen zu sehen sein, welche so oft an den kleinen
engen Falten und Fältchen der älteren Schiefer Vorkommen, wäh-
rend die volle Ausbildung der transversalen Schieferung erst nach
Aenderung der Druckrichtung erreicht worden sein mag ]).
Ist Schieferung und auch Streckung nicht die erste der auf
mechanischem Wege bewirkten Aenderungen, so ist sie auch nicht
die letzte. Das Auftreten der Parallelklüftung z. B. in geschiefer-
tem oder gestrecktem Schiefergestein ist ein derartiges, dass wir
ihr nur eine spätere Entstehung zuschreiben können; auch manche
Verwerfungen und sonstige grössere Dislocationen rühren ohne
Zweifel aus späterer und z. Th. viel späterer Zeit her.
Ganz im Allgemeinen gesprochen, sind die durch den Seiten-
druck in den äusseren Theilen der Erdrinde hervorgerufenen Wir-
kungen oder Aenderungen zunächst solche, welche sich auf Gestalt
und gegenseitige Lage grösserer und kleinerer Theile der Gebirgs-
massen beziehen — wir könnten sie morphologische Aenderungen
nennen — sodann aber auch solche, welche sich bis zu den klein-
sten Gesteinstheilchen, selbst den Molekülen erstrecken und deren
physikalische, ja chemische Beschaffenheit modificiren können;
doch lassen sich diese verschiedenen Wirkungen nicht ganz scharf
auseinanderhalten und sind vielfach untereinander verbunden. Be-
züglich chemischer Aenderungen hat die Literatur neuerer und
neuester Zeit manche interessante Daten gebracht; zu den schon
die physikalische Beschaffenheit afficirenden Aenderungen gehören
Schieferung und Streckung; zu den Aenderungen der erstgenann-
ten Klasse aber können wir alle diejenigen ziehen, welche auf
Beanspruchung des Gebirgskörpers, resp. Schichtenbaues auf irgend
eine Art der Festigkeit (Biegungs-, Druck-, Abscheerungsfestig-
keit) in erster Linie erfolgen; also Biegungen und Faltungen aller
Arten und Grade, und als zweite, nebenhergehende Reihe, Zusam-
menhangstrennungen nebst Verschiebungen aller Arten und Grade.
') Wir setzen dabei voraus, dass die kleinen engen Falten erst später, nach
Eintritt der grösseren, bei gesteigerter Druckwirkung zu Stande gekommen sind.
Noch stärker als bei ihnen muss für dasselbe Material der transversal schiefernde
Druck gewesen sein, insoweit er Verschiebungen der kleinsten Partikel gegen
einander zu bewirken vermochte.
262
H. Loretz, über Transversalschieferung
Ein weiteres Eingehen auf diese allgemeineren Beziehungen
würde uns indess zu weit von unserem eigentlichen Gegenstände
ablenken, und wir wenden uns nunmehr zur näheren Betrachtung
der Schieferungsverhältnisse in Thüringen.
Auftreten der Transversalschieferung im thüringischen
Schiefergebirge im Allgemeinen.
Es bedarf kaum besonderer Erwähnung, dass die bekannten
Erscheinungen, welche das Auftreten der Transversalschieferung
bei den Schiefern und sonstigen Schichtgesteinen hervorzurufen
pflegt, auch in den von der Schieferung ergriffenen Theilen unse-
res Schiefergebirges sich geltend machen. Das Durchsetzen der
über grosse Flächenräume eine bemerkenswerthe Constanz zeigen-
den Schieferung unter den verschiedensten Winkeln von 0° — 90°
durch die entweder eben liegende oder in Falten geschlagene
Schichtung; das mehr oder minder deutliche Hervortreten, oder
Verstärkung und Abschwächung der ersteren je nach der physi-
kalischen Beschaffenheit des durchsetzten Schichtenmaterials; ihr
Abstossen an härteren, z. B. quarzitischen Schichten, oder die
gegenseitigen Einkeilungen und Eintreibungen, welche in Folge
der Schieferung an der Grenze von härteren und weicheren Lagen
oder Bänken Vorkommen — hier namentlich an der Grenze von
Thonschiefer und Quarzit — ; unter Umständen auch das Um-
springen der Schieferung in eine Art Klüftung innerhalb härterer
Bänke, wie Grauwacken; die Riffelung, Abtreppung oder völlige
Zerschneidung, welche sich mitunter auf den Schichtflächen der
transversal geschieferten Massen einstellen kann, u. a. m. *) : alles
x) In einer früheren Arbeit »Ueber Schieferung« (Jahresbericht der
Senckenberg. naturforsch. Gesellsch. Frankfurt a. M. 1880) hat Verfasser diese
und sonstige allgemein gültige Schieferungsverhältnisse übersichtlich behandelt
und zu erklären gesucht.
In vorliegendem Artikel werden die Ausdrücke Transversalschieferung,
secundäre, abweichende Schieferung oder auch Schieferung schlechthin
als gleichbedeutend gebraucht.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 263
sind Dinge, welche dem aufmerksamen Beobachter in den betreffen-
den thüringischen Gebirgspartieen nicht entgehen werden, und für
welche bestimmte Beispiele anzuführen, wir an dieser Stelle nicht
für nöthig erachten; auf einzelne derartige Erscheinungen werden
wir in der Folge noch zurückzukommen haben.
Hier möchten wir noch darauf hinweisen, dass die bekannten
Anzeichen für seitlich ausweichende Bewegungen beim Vorgang
der Schieferung, jene Riffelungen u. s. w., nicht nur auf Schicht-
flächen Vorkommen, sondern, wie oben schon einmal angedeutet,
mitunter auch auf andere Discontinuitätsflächen, welche vor Ein-
tritt der Schieferung da waren, insbesondere auf gewissen Ab-
lösungsflächen, welche meist nur kurz verlaufend, allem Anschein
nach durch Quetschungen oder Pressungen erzeugt sind. Und
eben die Lage dieser Ablösungen und ihre Afficirung durch die
Schieferung zeigt, dass das Gebirge schon vor letzterer anders
gerichteten Druckkräften ausgesetzt gewesen sein muss. Solche
Ablösungsflächen zeigen wohl ausserdem noch aus früherer Zeit
herrührende Rutschstreifen, welche sich indess durch ihre Richtung
und sonstige Beschaffenheit leicht von den durch die Schieferung
bewirkten parallelen Unebenheiten unterscheiden lassen.
Als ein weiteres Anzeichen für Verschiebungen in der Ebene
der Transversalschieferung ist die lineare Parallelstructur (oder
höchst feine Fältelung) anzuführen, welche manchmal auf der Ober-
fläche der nach der Schieferung gespaltenen Platten wahrzunehmen
ist. Sie ist natürlich wohl zu unterscheiden von der auf den Schicht-
flächen vorkommenden entsprechenden Structur; letztere kann ur-
sprünglich sein , erstere ist immer secundär und lässt sich am
einfachsten wohl als ein sehr schwacher, nur begonnener Streckungs-
vorgang in bestimmter Richtung auffassen, der die Deutlichkeit
der Schieferung durchaus nicht beeinträchtigt hat1). Manchmal
b Es mag hier daran erinnert werden, dass auch in physikalischer Hinsicht
die verschiedenen Richtungen auf einer Schieferungsfläche nicht gleichwerthig sein
müssen, wie der Umstand beweist, dass nicht nur auf Schnitten normal zur
Schieferung, sondern auf Schieferungsflächen selbst die Wärmeleitungsfiguren
elliptisch ausfallen können. (Daubrke, Synthet. Studien zur Experim. Geologie,
1880, p. 324.)
264
H. Loretz, über Transversalschieferung
ist auf den Schieferungsflächen sogar nach zwei Richtungen eine
solche lineare Parallelstructur oder Fältelung wahrzunehmen, von
denen eine etwas stärker sein kann als die andere. An solchen
Beispielen fehlt es auch im thüringischen Schiefergebirge nicht.
An einigen Stellen desselben wurden ferner noch viel weiter
gehende, in der Richtung der Transversalschieferung liegende Ver-
schiebungen beobachtet, welche geradezu als Verwerfungen be-
zeichnet werden können, und in dem Grenzverlauf benachbarter
Schichtenzüge auffallende Unregelmässigkeiten zuwege bringen.
So in der Gegend von Hämmern und Steinach. Das Nähere ist
aus dexr später zu publicirenden Specialkarten zu ersehen.
Obschon Erscheinungen, welche auf Transversalschieferung
hinauskommen, durch den ganzen Bereich des Schiefergebirges
verbreitet sind, so ist doch die Entwickelung oder der Vollkom-
menheitsgrad derselben bei den verschiedenen Formationen oder
Systemen der Schieferfolge, ja bei den einzelnen Abtheilungen
dieser Systeme, wie wir sehen werden, ein sehr ungleicher und
auch regional verschiedener; es kann derselbe Schiehtencomplex
an einer gewissen Lokalität sehr deutlich secundär geschiefert sein
und nicht weit davon höchstens nur Spuren dieser mechanischen
Aenderung aufweisen. Letzteres findet besonders in gewissen
stratigraphischen Horizonten oder Complexen statt, z. B. bei den
oberdevonischen Schiefern und Knotenkalken, während andere fast
durchgängig und in viel gleichmässigerer Weise geschiefert sind,
z. B. die cambrisclien Schiefer.
Auftreten der Transversalschieferung bei den einzelnen
Systemen.
Transversalschieferung bei den pliyl litischen und den
cambrisclien Schiefern. Wir können hier zunächst auf unsere
andere, in vorliegendem Bande enthaltene Arbeit: »Beitrag zur geo-
logischen Kenntniss der cambrisch-phylliti sehen Schieferreihe in Thü-
ringen« verweisen, wo über das Auftreten der Transversalschieferung
bei genannten Schiefersystemen einige Angaben gemacht werden.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 265
Wie daselbst bemerkt, wird, kommt Transversalschieferung
bei den eigentlichen phyl litischen Schiefern, Quarzphylliten,
Phyllitqnarziten etc. nur in ganz untergeordneter Art, nur an-
deutungsweise zum Ausdruck, und zwar so, dass die engen Falten
und Fältchen, in welche jene Schiefer so gewöhnlich gelegt sind,
in der Richtung ihrer Mittelebenen von kleinen Verschiebungen
betroffen sind, welche sich bei dem beständigen Wechsel quarziger
und phyllitischer Lagen und Blätter sehr deutlich zu erkennen
geben, und längs welcher auch wohl leichtere Ablösung der Ge-
steinsmasse stattfindet; der sprödere Theil, die Quarzlagen, sind
an den dünnsten Stellen gerissen, der nachgiebigere Pliyllit
zwischen eingeschoben. Aehnliches wiederholt sich auch noch bei
den halbphyllitischen, lokal an Phyllitgneisse erinnernden Schiefern,
welche in der untersten cambrischen Zone, zunächst der phylliti-
schen Zone, Vorkommen. Diese kleinen Verschiebungen erscheinen
zu Stande gekommen unter fortgesetzter Wirkung desjenigen
Druckes, welcher zunächst das Zusammenstauchen der Gesteins-
masse in die zahllosen Falten und Fältchen bewirkte, sie erschei-
nen als letzte Folge desselben, zu einer Epoche, wo die Zusam-
menstauchung an ihrer änssersten Grenze angekommen war, und
ein ferneres Nachgeben der Masse in der Richtung quer zum
Druck nur mehr unter Querrissen und Verschiebungen längs der-
selben möglich war. Diese Verschiebungen bilden ein Analogon
zur Transversalschieferung, oder eine Art von Vorstufe derselben,
auf welcher das Gestein stehen geblieben ist1).
1 ) So viel man auch bei den gebogenen und knotig verdickten Quarzstreifen
und -Bändern des Quarzphyllits auf Rechnung späterer, mit innerlicher Zertrüm-
merung verbunden zu denkender Umformung setzen mag, ist doch nicht ausser
Acht zu lassen, dass wohl schon die ursprünglich flach linsenförmige Gestalt vieler
derselben gegeben war, wie aus verwandten Vorkommnissen zu schliessen ist; es
wird kaum möglich sein, das Ursprüngliche und das Spätere streng auseinander
zu halten oder abzugrenzen. Etwas anders verhält sich die Sache bei den rauhen
cjuarzitischen Bändern des graugrünen cambrischen Thonschiefers; diese zeigen,
wo das Gestein ebenschichtig und ungefaltet liegt, also in ihrer ursprünglichen
Beschaffenheit, gewöhnlich durchweg gleiche Dicke.
Ferner ist die Frage nicht ganz zurückzuweisen , ob die ohne Zweifel auf
mechanischem Wege zu Stande gekommene Engfaltung des Quarzphyllits und
verwandter Gesteine nicht doch schon zur Zeit vor völliger Erhärtung des Sedi-
266
H. Loretz, über Transversalschieferung
In dem camb rischen Schiefersystem ist, im Gegensatz zu
den Phylliten, eigentliche Transversalschieferung überall verbreitet;
und obgleich sie, im Ganzen und Allgemeinen, nicht sehr voll-
kommen, oft genug nur unvollkommen ausgebildet ist, ausserdem
auch in den reiner quarzitischen Partieen zurücktreten und ganz
fehlen kann, so lässt sich doch behaupten, dass das cambrische
System, insoweit es aus Thonschiefer oder nur aus gegen Quarzit
vorherrschendem Thonschiefer besteht — und dies ist in dem
weitaus grösseren Theil des Gesammtbereichs der Fall — von
Transversalschieferung beherrscht wird, und dass solche meistens
mindestens so deutlich hervortritt als die Schichtenlage; so also,
dass dieses System mit zu denjenigen gehört, in welchen die
secundäre Schieferung den deutlichsten, allgemeinsten Ausdruck
gefunden hat. Dass aber diese so verbreitete Schieferung hier
doch selten sehr vollkommene Spaltbarkeit im Gefolge hat, liegt
wohl nur an der so häufig etwas rauhen, oder aber mit rauheren,
etwas quarzitischen Lagen verwachsenen Beschaffenheit der cam-
brischen Thonschiefer; wo sie homogener sind, entwickelt sich in
der Tliat auch vollkommenere Spaltbarkeit, die hie und da dem
Material die Qualität von Dachschiefern verleiht.
Jene engen und kleinen Falten, wie sie uns in den phylliti-
schen Schiefern , den Quarzphylliten etc. so deutlich entgegen-
treten, fehlen bei den cambrischen Schiefern durchaus nicht ganz,
wenn sie auch nicht so durchgängig und so ins Kleinste ausge-
bildet sind. An dem für die cambrischen Schiefer so typischen
und so häufig vorkommenden Wechsel von meist schmäleren,
helleren, etwas rauhen oder quarzitischen Lagen mit breiteren,
dunkleren Lagen von Thonschiefern sieht man nicht selten ähnliche
ments wenigstens in ihren ersten Anfängen eingeleitet sein könnte, wenn sie auch
ihre Hauptausbildung erst nachher erfuhr; es ist kein Grund, dass der jeden-
falls durch lange Zeiträume wirksame Seitendruck nicht schon zu Zeiten der
Sedimentbildung sich habe äussern können; vorausgesetzt müsste dabei werden,
dass der Erstarrungsprozess längere Zeit in Anspruch nahm. War aber einmal,
die völlige Erstarrung eingetreten, so dürfte die Ausbildung, resp. weitere Aus-
bildung der Engfaltung (Zusammenstauchung), als eine höhere Arbeitsleistung
erfordernd, nicht sofort, sondern erst nach Ausbildung leichterer, flacherer Faltung
erfolgt sein.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge.
267
kleine Falten und auch dieselben seitlichen Verschiebungen in der
Faltenrichtung wie bei den phyllitischen Schiefern, und mit diesen
Verschiebungen sind auch noch die bekannten gegenseitigen Ein-
treibungen der beiderseitigen heterogenen Massen und Form Ver-
änderungen abgetrennter Theile verbunden; aber bei diesem mecha-
nischen Effekt ist die Wirkung des Seitendruckes bei den cambrischen
Schiefern nicht stehen geblieben, sondern sie hat, weitergehend, in
späteren Phasen ihrer Wirksamkeit eine wirkliche transversale Schie-
ferung, oder transversale Spaltbarkeit zuwege gebracht.
Wir erkennen in diesen verschiedenen mechanischen Aende-
rungen eine fortgesetzte Wirkungsreihe des Seitendrucks im
Schichtenbau; aber diese Reihe stellt ohne Zweifel das Product
eines durch lange Zeiträume fortgesetzten Druckes oder auch
wiederholt angreifender und in verschiedenen Richtungen wir-
kender Druckkräfte dar. Das letztere ist sehr einleuchtend, wenn
wir berücksichtigen, dass die Lage der eigentlichen transversalen
Schieferung oder Spaltbarkeit eine merklich andere ist, als die
allgemeine Streichrichtung der Schichten in ihren grösseren Falten,
Sätteln und Mulden; beide sind auf Seitendruck zurückzuführen,
ihre verschiedene Lage documentirt aber einen Wechsel der Rich-
tuug des letzteren. Wie weit die kleinen, engeren Fältchen mit
ihren kleinen Faltenverwerfungen, wie wir sie von den phyllitischen
und cambrischen Schiefern erwähnten , mehr mit der einen oder
der anderen jener Streichrichtungen übereinstimmen, ist nicht durch-
weg leicht zu entscheiden, ändert indess an dem ausgesprochenen
Resultate nichts; genug, dass uns die Lage der ächten Transver-
salschieferung im grössten Theil des cambrischen, wie auch des
sonstigen Sckiefergebietes darauf hinweist, einen Wechsel in der
Richtung des Seitendrucks anzunehmen x).
Die Wirkungen der Transversalschieferung erstrecken sich im
cambrischen Gebiet bis in die quarzitreichen Partieen, selbst die
x) Die Beobachtung von Liebe, dass die quarzreicheren Bänder des cam-
brischen Schiefers öfters auf mechanischem Wege durch Druck in linsenförmige
Stücke getrennt worden sind, ist so recht geeignet den Wechsel der Seitendruck-
richtung zu' illustriren ; siehe die Erläuterung zu Section Zeulenroda der geolog.
Specialkarte von Preussen u. d. Thüring. Staaten, 1881, p. 4.
268
H. Loretz, über Transversalschieferung
eigentlichen Quarzitlager und auch die porphyroidischen Bildungen
hinein, soweit eben in diesen noch Thonschiefer und solche Ge-
steine vorhanden sind, deren Structur nicht allzusehr von einer
schieferigen abweicht und sich einer massigen und krystallinischen
nähert. Es liegt demnach auf der Hand, dass die Schieferung
in solchen Gebirgspartieen im Allgemeinen um so mehr hervor-
treten wird, je mehr Thonschiefer und auch noch quarzitische Schiefer
neben reinem Quarzit vorhanden sind und umgekehrt. Dabei
finden von Ort zu Ort immerhin noch Wechsel und Unbeständig-
keiten in der Deutlichkeit und Entwickelung der secundären
Schieferung statt, so dass gleichem Gesteinsmaterial an zwei ver-
schiedenen Stellen doch nicht immer gleiche Entwickelung der
Schieferung zu entsprechen braucht: so kann z. B. ein Wechsel
von Thonschiefer und Quarzitplatten, ' den man längs einer Strasse
beobachtet, vielleicht neben der Schichtung keine abweichende
Spaltungsrichtung oder Schieferung zeigen, während solche etwas
weiterhin sich deutlich einstellt, mindestens am zwischengelagerten
Thonschiefer sichtbar wird, an manchen Stellen aber auch sogar
noch den quarzitischen Theil afficirt1).
Transversalschieferung; bei den silurischen Schichten.
Bei den untersten silurischen Schiefern, den Griffelschiefern, ist Trans-
versalschieferung deutlich vorhanden; wir werden darauf zurück-
kommen, wenn wir die Streckung dieser Schiefer behandeln werden2).
Q Um ein bestimmtes Beispiel anzuführen, findet man in dem Wechsel von
quarzitischen, z. Th. grauwackeähnlichen Lagen und Thonschiefer, den man an
der Landstrasse im Saargrund, unterhalb Siegmundsburg bis Schirnrod passirt,
zunächst oben den Thonschiefer nicht oder doch sehr untergeordnet in von der
Schichtlage abweichender Richtung geschiefert; da, wo die Strasse bei 2025' Dec.
Höhe knieförmig in ein von N. herkommendes Seitenthälchen einbiegt und in
reinere Thonschieferschichten eintritt, macht sich, wenn auch nicht in den ersten
Schichten, doch sehr bald secundäre Schieferung im reineren Thonschiefer geltend
und setzt in bekannter Weise an härteren Zwischenlagen ab; abwärts, an der
nächsten Strassenbiegung, tritt man wieder in den an grauwackeähnlichem Quarzit
reicheren, nicht geschieferten Bereich. Weiter abwärts im Saargrund an der
Landstrasse und ähnlich an den Gehängen der Südseite, N. vom Blessberg, ist
der Wechsel von Thonschiefer mit Quarzit z. Th. unvollkommen, z. Th. nur im
Thonschiefer secundär geschiefert.
2) Die Thuringitzone, welche eigentlich die Basis des Silur bildet, kommt
wegen ihrer geringen Mächtigkeit hier nicht in Betracht.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge.
269
Der bedeutendere höhere Theil der thüringischen Untersilur-
schiefer, welcher jedenfalls eine Mächtigkeit von einigen hundert
Metern besitzt und trotz seines Mangels an Versteinerungen ein
bemerkenswerthes Glied des Schiefergebirges darstellt, ist nicht
als Griffelschiefer ausgebildet, sondern stellt einen in Platten und
Blättern zerfallenden, frisch dunkelblaugrauen, von heterogenen
Zwischenlager] so gut wie ganz freien Thonschiefer von grosser
Einförmigkeit dar. Eben wegen dieses Mangels an anders gearte-
ten Zwischenschichten und an irgendwie charakteristischen Schicht-
flächen ist es bei dieser Schichtengruppe sehr schwierig, Schich-
tung und Transversalschieferung auseinanderzuhalten. Mir ist die
Unterscheidung nicht sicher gelungen, doch bin ich zu dem Urtheil
gelangt, dass die schieferige Spaltbarkeit und Ablösung, welche
man an diesem Untersilurschiefer allenthalben wahrnimmt, manch-
mal Schichtung, an anderen Stellen wieder Transversalschiefe-
rung ist.
Dass letztere fehlen sollte, ist nämlich nicht anzunehmen; es
ist in der That gar kein Grund, warum bei einem so homogenen,
weichen Schiefer jene secundäre Structur nicht entwickelt sein
sollte, während sie doch in der liegenden Gruppe, den Griffel-
schiefern, und wieder in deren Liegendem, den cambrischen
Schiefern, so unzweideutig sich kundgiebt, und ebenso auch wieder
im Hangenden, im oberen Silur und im Devon, wenigstens in ge-
wissen Schichtenfolgen deutlichst wiederkehrt. Andererseits aber
giebt es Lokalitäten, wo die Orientirung der Schieferspaltung bei
diesen Untersilurschiefern so sehr abweichend ist von der so con-
stanten Lage der Transversalschieferung; in der betreffenden Gegend,
dass man anzunehmen geneigt wird, man habe es hier mit wirk-
lichen Schichten zu thun, die möglicherweise oder sogar wahr-
scheinlich in Falten, manchmal recht flache Faltenumbiegungen,
gelegt sind.
Wo daher im Bereich dieses Complexes die Absonderung der
Schieferblätter sich der allgemein herrschenden Lage der Trans-
versalschieferung accomodirt, habe ich sie für letztere angesehen;
wo grössere Abweichungen stattfinden, besonders in der Nähe der
oberen Grenze des Complexes, habe ich Schichtung angenommen.
270
H. Loretz, über Transversalschieferung
Dass diese verschiedene Anschauung an und für sich statthaft ist,
geht eben daraus hervor, dass auch in anderen Schichtengruppen,
welche deutliche Transversalschieferung aufzuweisen haben, letztere
dennoch nicht durchweg gleiehmässig entwickelt zu sein braucht,
sondern manchmal die Schichtung verdecken, manchmal durch sie
Verdeckt werden kann.
Um dies an einem bestimmten Beispiel vorzuführen, so zeigen
die Untersilurschiefer an der Landstrasse von Hasenthal nach
Spechtsbrunn, oberhalb des ersteren Ortes (Blatt Spechtsbrunn der
Specialkarte) Einfallen nach NW., und ebensolches Einfallen
herrscht auch in der ganzen, von diesen Schiefern eingenommenen
Partie nördlich von da. Im ersten Fall wurde dieses Einfallen
für Schichtung genommen: es stehen hier nämlich die oberen
Grenzschichten zu den nicht transversal schieferbaren, obersilurischen
Kieselschiefern an, und diese Grenzschichten sind überdies durch
flach ellipsoidische oder linsenförmige Scliwefelkiesconcretionen
charakterisirt, welche durch ihre Lage die Schichtung erkennen
helfen. Im zweiten Fall, nämlich weiter nördlich, wurde das
nordwestliche Einfallen für secuudäre Schieferung genommen; die
Untersilurschiefer breiten sich nämlich liier über einen sehr breiten
Raum aus, während sie wenig weiter nach SW., jenseits einer
bedeutenden Verwerfung sich auf einen schmalen Streifen zusam-
menziehen; und es ist kaum anders anzunehmen, als dass sie jene
grosse Breite nur durch Vermittelung von Falten erreichen, nicht
etwa blos durch sehr flaches Einfallen, welches in dieser Ausdehnung
im Schiefergebirge ganz ungewöhnlich wäre ; wenn nun trotz der
Faltungen doch nordwestliches Einfällen anhaltend herrscht, so kann
dies doch wohl nichts anderes sein als secundäre Schieferung ]).
x) Ebenso ist das anhaltende WNW. -Einfallen, welches die Untersilurschiefer
W. und SW. von Gräfenthal zeigen, wie es scheint, unbedenklich für Trans-
versalschieferung zu nehmen; denn die Schichtung kann in dieser Gegend un-
möglich eine solche Constanz zeigen, da nachweislich hier alle Complexe von
vielfachen Unregelmässigkeiten der Lagerung betroffen sind, wie dies an manchen
derselben, z. B. den Nereitenschichten oft sehr deutlich zu erkennen ist; über-
dies herrscht in diesen Gebirgspartieen eine sehr entschieden ausgebildete steil
WiSTW. einfallende Transversalschieferung, welche z. B. an den Culmdachschiefern
und den oberdevonischen Knotenkalken sehr deutlich als solche zu erkennen ist.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 271
An den schwarzen, kohlereichen, obersilurischen Kiese 1-
und Ct raptolithen schiefem habe ich keine secundäre Schiefe-
rung bemerkt. Die dickeren und dünneren Lagen und Platten
dieser Schiefer sind, wie dies bei den Kieselschiefern überhaupt
nicht selten ist, in Falten von verschiedenem Radius zusammen-
geschoben, und diese noch im Einzelnen öfters gestaucht und ge-
knickt, doch, wie die physikalische Beschaffenheit des Materials
erwarten lässt, nicht weiter geschiefert.
Auch die starren Bänke des Ocker kalks sind der Trans-
versalschieferung nicht zugänglich gewesen. Wohl aber kommt
es vor, dass die Verwerfungen und Verschiebungen, von welchen
dieser Complex so oft betroffen wurde, indem er den aufstauenden
und seitlich zusammenschiebenden Kräften nicht in derselben Weise
folgen konnte, wie die leichter sich biegenden umgebenden Schiefer,
in derjenigen Richtung liegen, welche auch die Richtung der
Transversalschieferung in der Nachbarschaft ist.
Auch bei den oberen Graptolithen sc hiefern wurde keine
deutliche Transversalschieferung beobachtet; obwohl solche, dem
Material dieser Schiefer gemäss, hier nicht befremden würde.
Transversalschieferung bei den devonischen Schich-
ten. Die unterste Schichtengruppe unseres Devon, der Tentacu-
liten-Knollenkalk ist für transversale Schieferung zugänglich ge-
wesen, was auch bei der über die Kalkknollen vorwaltenden, weichen
Thonschiefermasse dieses Gesteins nicht zu verwundern ist; doch
ist dasselbe keineswegs überall transversal geschiefert, sondern
zeigt oft genug nur eine Ablösung, die nach der Schichtenlage.
So z. B. findet man am Schmiedgrund bei Hämmern (Section
Steinheid), an dem ostwärts bergan führenden Pfad den Tentacu-
litenknollenkalk nicht, oder doch nur unmerklich von der Schich-
tung abweichend geschiefert; gar nicht weit davon, in dem Hohl-
weg ostwärts vor Hämmern bemerkt man in demselben Gestein
eine Ablösungsrichtung, nach welcher dasselbe, auch zerfällt, welche
ein ONO. gerichtetes Streichen und NNW. gerichtetes, ziemlich
flaches Einfallen zeigt, während die Lage der Kalkknollenreihen
und der Schiefermittel zwischen denselben nach NO. streicht und
nach SO. einfällt. Ersteres ist transversale Schieferung;.
272
H. Lorutz, über Transversalschieferun:
Auch in der Umgegend von Gräfenthal, z. B. im Teufelsgrand,
dann bei Grossneundorf, und dicht bei Gräfenthal, am W eg nach der
Abdeckerei, findet man transversale Schieferung in diesem Complex;
die Erscheinung wird dann ähnlich wie beim oberdevonischen
Knotenkalk, von dem weiter unten die Rede sein wird. Figur 6
stellt geschieferten Tentaculiten-Knollenkalk von Gräfenthal dar.
Der aufwärts folgende Complex der Ne reiten schiefer und
Tentaculitenschiefer bietet für die Entwickelung der secun-
dären Schieferung im Allgemeinen kein günstiges Feld. Die erst-
genannten Schichten sind vielfach gestaucht und gekrümmt worden,
aber nicht gescliiefert; und auch die zwischenliegenden weicheren
Tentaculitenschiefer, welche jene Unregelmässigkeiten mitmachen
müssen, lassen selten deutliche Transversalschieferung erkennen.
In der unteren Partie dieser Schichtengruppe sondern sich manch-
mal Tentaculiten oder Nereiten führende Thonschieferlagen aus,
welche als schlechte Dachschiefer gebrochen werden, an diesen
Schiefern wurde lokal transversale Schieferung beobachtet, anderswo
aber auch wieder nicht. Die Tentaculitenschiefer zeigen auch
öfters griffelförmiges Zerfallen.
Ebensowenig ist in dem mitteldevonischen Wechsel von
Tuffschiefern, Tuffgrauwacken und Thonschiefern die Transversal-
schieferung zu bemerkenswerther Entwickelung gelangt. In der
Regel bemerkt man nur Ablösung nach der eben verlaufenden,
oder auch Windungen und Biegungen beschreibenden Schichtung;
ausserdem kommt es wohl vor, dass eine Art von Klüftung vor-
handen ist, welche, soweit sie in der Richtung der in der Nach-
barschaft herrschenden Transversalschieferung liegt, letztere ver-
treten könnte. Wirkliche transversale Schieferung neben der
Schichtung wurde in Mitteldevonschichten beobachtet am Ausgang
des Pfmersbachthales x) in das Oelzetlial (Section Spechtsbrunn),
in einer Gegend, wo sich erstere überhaupt stark geltend macht.
Eine grössere Bedeutung als in den vorhergehenden Gruppen
erlangt dagegen die Transversalschieferung im Oberdevon,
speciell in den oberdevonischen Knotenkalken. Zwar ptlegt sie
auch hier nur lokal aufzutreten, doch sind die von ihr bewirkten
x) Richtiger als dieser Name der G. -St. -Karte (1 : 25000) ist wohl Mörsbach.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 273
Erscheinungen bemerkenswerte — Was zunächst die untere Partie
des Oberdevon betrifft, welche als weiche Schiefer, die mehrfach
als Wetzschiefer Verwendung gefunden haben, entwickelt ist, so
zeigt sich hier abweichende Schieferung nicht, oder tritt doch nur
wenig neben der Schichtung hervor ; deutlich sind beide neben
einander zu sehen an der Landstrasse von Spechtsbrunn nach
Gräfenthal, etwas abwärts von der Kniebiegung, welche die Strasse
in 1 500 Decimalfuss Höhe macht. — Die, einem höheren Horizonte
angehörigen quarzitischen Lagen des Oberdevon haben sich der
Transversalschieferung nicht gefügt, und wird dies um so auf-
fälliger, wenn neben ihnen geschieferte Thonschiefer oder Knollen-
kalklagen anstehen; wie z. B. bei Gräfenthal, am Bergsteig nach
Lichtenhain, 300 Decimalfuss Höhe über ersterem Ort, nicht weit
vor dem alten Culm- Dachschieferbruch.
Eigenthümlich ist nun das Verhalten der ob er devonischen
Knolle n k a 1 k e oder K n o t e n k a 1 k e gegenüber den mechanischen
Einwirkungen der transversalen Schieferung. In vielen, ja man
kann wohl sagen, den meisten Aufschlüssen macht sich eine ab-
weichende, secundäre Schieferung neben der durch die Lage der
Kalkknollen immer deutlich bezeichneten Schichtung nicht geltend ;
an anderen Stellen wieder ist das um so deutlicher der Fall und
beiderlei Verhalten kann an ziemlich nahe ^eleo-enen Lokalitäten
zum Ausdruck kommen. So z. B. zeigt bei Steinach im Steinach-
thal der Knotenkalk, der an der Strasse im Ort selbst und an
der Höhe über dem unteren Ende des Orts in Steinbrüchen oder
Felsen ansteht, keine abweichende Schieferung, während solche
wenig weiter westlich, an der ersten Biegung des Seitenthals,
welches am unteren Ende von Steinach von rechts her mündet, sehr
deutlich wird. (Vergl. Fig. 1.) Deutliche Transversalschieferung
ist ferner z. B. vorhanden an den oberdevonischen Knotenkalken,
welche an der Landstrasse von Gräfenthal nach Spechtsbrunn,
gleich oberhalb der starken Einbiegung der Strasse bei 1 500 Dec.-
Fuss Höhenlage, auf eine gewisse Strecke anhaltend anstehen;
nur tritt sie hier — und so mag es auch an anderen Lokalitäten
sich wiederholen — nicht in der ganzen Strecke mit gleicher
Deutlichkeit hervor, weil die Schichtenlage wechselt und so mit
18
274
H. Loretz, über Transversalschieferung
der constanteren Schieferungslage ganz oder nahezu Zusammen-
fällen kann.
Secundär geschiefert zeigen sich diese Knotenkalke ferner im
Oelzethal unterhalb Friedrichsthal (nicht oberhalb), und nicht weit
davon im Mörsbachthal (grossentheils) , ferner bei Buchbach bei
Gräfenthal und an anderen Stellen ; während sich in den Stein-
brüchen bei Haselbach u. s. w. keine solche Schieferune: neben
<ü>
der Schichtung zu erkennen giebt. Man bemerkt, dass die trans-
versale Schieferung dann leichter zur Ausbildung kommt und
deutlich wird, wenn die Kalkknollenlagen durch hinlänglich breite
Zwischenmittel des grünlichen, mit ihnen verwachsenen Thon-
scliiefers getrennt sind, während sie sich in den dicht mit Kalk-
knoten erfüllten Bänken nicht oder kaum hat ausbilden können.
Die einzelnen Kalkknoten oder -linsen sind bei den erwähnten
geschieferten Vorkommnissen nicht aus ihrer ursprünglichen Lage
gedreht, sie liegen nach wie vor mit ihrer langen Dimension in
der Richtung der Schichtenlage, können aber mit Beibehaltung
dieser Lage in der Richtung der schräg durchsetzenden Trans-
versalschieferung ein wenig gegen einander verschoben sein1);
vergl. Figuren 2 und 3; die transversale Schieferung stösst an den
Kalkknoten ab, und dringt kaum in sie ein; in dieser Richtung
spaltet das Gestein besser als in der Schichtenlage, nach welcher
meist nur unter Vermittelung der Hohlräume, welche der ausge-
witterte Kalk hinterlässt, Spaltbarkeit stattfindet.
Es kommt nun aber bei den Oberdevon-Knollenkalken noch
ein weitergehender Grad von transversaler Schieferung vor, welcher
sich darin offenbart, dass die einzelnen Kalkkörper aus ihrer ur-
sprünglichen Lage, welche natürlich der Schichtungslage entspricht,
herausgedreht wurden, so dass sie nunmehr mit ihrer langen Di-
mension in der Richtung der Schieferung liegen. Es wurde dieses
Verhalten namentlich an den obersten oberdevonischen Knollen-
kalken mehrmals wahrgenommen, welche über den quarzitischen
Auch Liebe erwähnt, Erläuterung zu Section Pörmitz der geol. Spiecial-
karte von Preussen und den Thüring. Staaten, 1881, dass die Kalkknoten der
oberdevonischen Knotenkalke bisweilen aus ihrer ursprünglichen Lage heraus gegen
einander verschoben seien.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 275
Schichten an der Grenze zu den Dachschiefern des unteren Culin
liegen. Diese Knollenkalklagen, deren Zahl 50 übersteigen kann,
sind durch breitere Zwischenmittel eines dunkleren, und dadurch
dem Cuhnschiefer schon ähnlichen Thonschiefers getrennt, und
verhalten sich eigentlich mehr als Kalkplatten, welche Platten aber
aus einzelnen, mit einander verwachsenen, resp. durch Thonschiefer-
masse flaserig getrennten Theilstftcken von beiläufig lang sphäroi-
discher, oder spindelförmiger Gestalt bestehen ; eben diese Theil-
stücke sind es nun, welche mitunter durch den mechanischen
Effect der Transversalschieferung aus ihrer Lage gedreht sind und
nun alle mit der längsten Dimension parallel in der Schieferungs-
richtung liegen, so dass ihr ursprünglicher Zusammenhang durch
von den Seiten her zwischeneingedrungene Schiefermasse aufge-
hoben ist; die Kalkstücke selbst brauchen dabei in ihrer Form
keineswegs geändert zu sein und zeigen auch sonst keine Brüche.
Dieses Verhalten lässt sich z. B. auf der Höhe östlich von
Steinach auf dem Bergsteig beobachten, da, wo dieser in 1600 Dec.-
Fuss Höhe eine ONO. -Richtung angenommen hat: so lange die
veränderliche und in Falten geschlagene Schichtung zufällig in die
constante Lage der Transversalschieferung hineinfällt, sieht man
zusammenhängende Kalkknollenlagen oder -platten; sobald sich
jene gedreht hat und einen, wenn auch nicht grossen Winkel mit
der Richtung der Schieferung macht, sieht man isolirte parallele
Kalkknollen1). Die Figuren 4 und 5 stellen dieses Verhalten dar.
Ganz dasselbe, wie hier bei Steinach, sieht man, fast noch
besser, bei Gräfenthal, in 1400 Dec. -Fuss Höhe, an dem Berg-
weg, der von dort in SSW. -Richtung bergauf führt, eine Strecke,
ehe man an den alten Culm-Dachschieferbruch kommt; auch schon
an dem unteren Knotenkalkhorizont, der, durch eine quarzitische
Zone von jenem oberen getrennt, Bänke mit kleineren und ge-
0 Durch Verwitterung lösen sich die Kalkknollen endlich zu braunem Mulm
auf. — An der genannten Lokalität lässt sich noch eine andere Beobachtung an-
stellen: da, wo die kalkigen Platten, also die Schichtung mit der Transversal-
schieferung zusammenfällt, zerfällt das Gestein in Blätter und Plättchen; in
dem Maasse als die Schichtlage sich gegen die Schieferung dreht, zerfällt es
griffelförmig.
18
276
H. Lorktz, über Transversalschieferung
drängt liegenden Kalkknoten enthält, scheinen an diesem Wege,
ausnahmsweise, einzelne dieser Kalkkörper in der Schieferungs-
richtung zu liegen. — Auch an der Ostseite des Thaies S. von
Buchbach bei Gbräfenthal, an dem Steig, der etwa 500 Schritt vom
Südende genannten Dorfes bergan führt, wiederholt sich die be-
schriebene Erscheinung.
Transversalschieferung in den Culmschichten. Die
untere Partie des Culm wird in Thüringen und weiterhin in
der Hauptsache durch einen dunkelen Thonschiefer gebildet, welcher
für die Transversalschieferung sehr zugänglich gewesen ist; es
lässt sich behaupten, dass dieser Schiefer durchweg secundär ge-
schiefert ist, wobei natürlich, wie sonst, diese Schieferung auch
stellenweise mit der Schichtenlage coincidiren kann. An einigen
Stellen zerfällt dieser Thonschiefer griffelig und wird sogar hie
und da zu Griffeln benutzt, worauf wir zurückkommen werden;
im Uebrigen zerfällt er in Platten und findet an vielen Orten als
Dachschiefer Verwendung, dessen Qualität allerdings erst weiter
östlich, in den bekannten grossen Brüchen von Lehesten sich zu
einer vorzüglichen erhebt ; es bedarf kaum der Bemerkung, dass
diese Dachplatten ihr natürliches Lager in der transversalen
Schieferung haben. Die Schichtung ist sehr gewöhnlich in Ge-
wölbe und Falten, ja mitunter in zickzackförmige Knicke gelegt,
lässt sich incless nicht allenthalben gut neben der sie verdeckenden
secundären Schieferung wiedererkennen.
Weit weniger, als im unteren Culm, macht sich die trans-
versale Schieferung im oberen Culm geltend, welcher aus Grau-
wackebänken und Thonschiefer zusammengesetzt ist. Selten wird
es in dieser Abtheilung dazu kommen, dass die vielfachen Sattel-
und Muldenbiegungen der Schichten durch Transversalschieferung
verdeckt würden, höchstens könnte dies einmal bei stärker ent-
wickelten Thonschiefern, nie bei Grauwacke sein. Sehr oft aber
tritt abweichende Schieferung in den Thonschiefern, oder auch in
einem Wechsel von Thonschiefer mit Grauwacke neben der
Schichtung und ihren Faltenbiegungen hervor, manchmal ganz
untergeordnet, manchmal stärker, manchmal so, dass beiderlei Ab-
lösungen sozusagen im Gleichgewicht sind, doch von Stelle zu
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 277
Stelle, oder von Strecke zu Strecke in ihrem Ausbildungsgrade
wechselnd. Es bedarf keiner ausführlicheren Herzählung von Lokali-
täten, um dies im Einzelnen nachzuweisen; ein aufmerksamer Gang
durch das Steinachthal, von Steinach abwärts bis zum Austritt
aus dem Gebirge, oder durch das Rögitzthal abwärts von Hasel-
bach, das Oelsethal abwärts von Friedrichsthal, oder das Tettau-
thal von Tettau nach Heinersdorf, wird das oben im Allgemeinen
Angeführte im Einzelnen bestätigen können. In den reineren
Grauwackedistrikten, wie in der Partie von Sonneberg über das
untere Steinach- und Tettauthal nach Stockheim und Rothen-
kirchen, fehlt Transversalschieferung fast ganz, äussert sich aber
doch manchmal in den Grauwackebänken in Form einer Quer-
klüftung. Dagegen kann sie in den allerdings beschränkten reineren
Thonschieferdistrikten, wie gesagt, recht ausgebildet sein; ein Bei-
spiel hierfür giebt. das Röthathal, in seinem Verlauf bis zur unteren
Grenze des oberen Culm, übeihaupt die ganze benachbarte Culm-
partie bis zum vorderen Gebirgsrand auf Section Neustadt. ■ —
Manche Stellen geben Gelegenheit, auch an den Schiefern des
oberen Culm die Beobachtung zu wiederholen, dass Interferenz
von Schiehtungs- und Schieferungsablösung ein scheitförmiges oder
grob griffelförmiges Abspringen und Zerfallen des Gesteins be-
wirken kann, und es ist anzunehmen, dass dies besonders dann
stattfinden wird, wenn die Ablösung in beiderlei Richtung gleich
gut von statten geht.
Nach diesem Ueberblick über das Vorkommen der transver-
salen Schieferung bei den einzelnen Systemen können wir unsere
eingangs ausgesprochene Behauptung wiederholen, dass diese
mechanische Einwirkung auf die Schichten zwar über den ganzen
Raum des Schiefergebirges hin verbreitet ist, dabei aber doch bei
den einzelnen Systemen und deren Abtheilungen zu einer sehr
ungleichen Ausbildung gelangt ist, welche von völliger Abwesen-
heit bis zur grössten Vollkommenheit geht; und ferner, dass eine
solche, wenn auch minder grosse, und örtlich oder regional sich
äussernde Ungleichheit sogar bei den einzelnen Abtlieilungen oder
doch einigen derselben besteht.
278
H. Loretz, über Transversalschieferung
Woher kommt nun diese Verschiedenheit in der Ausbildung
der secundären Schieferung? Verhielten sich die einzelnen petro-
graphisch verschiedenen Schichtensysteme in Bezug auf diese
mechanische Umänderung in sich selbst überall gleich, so liesse
sich behaupten, dass nur ihre physikalische Beschaffenheit prä-
disponireud für den Grad oder Ausfall der secundären Schieferung
gewesen sei. Wir haben nun aber gesehen, dass eine solche
Gleichheit nur bei gewissen Systemen annähernd besteht, so bei
den cambrisclien und unteren Culmdachschiefern, bei anderen
Systemen aber nicht, so beim oberen Culm. Wir müssen also
annehmen, dass auch ungleich starke, oder lokal und regional
ungleich vertheilte seitliche Pressungen zu obigem Resultate bei-
getragen haben. Ob sich solche Ungleichheiten in anderer Weise
wieder ausgleichen müssen, etwa durch vermehrte Faltung und
Stauchung oder sonstige mechanische Beanspruchungen, so dass
doch durchweg annähernd dieselbe mechanische Leistung des
Latraldrueks resultirt, ist sehr schwer zu sagen und kaum möglich
O O
zu beweisen ; man kann es nur vermuthen.
Richtung und Lage der Transversalschieferung.
Die Streichlinie der Transversalschieferung weicht im thürin-
gischen Schiefergebirge — soweit dasselbe unsererseits untersucht
wurde — von der Streichlinie der Schichtung, resp. dem mittleren
Streichen der Schichtenzüge und ihrer Falten, gewöhnlich etwas
ab, wenn auch nicht immer sehr beträchtlich, doch merklich genug.
Lassen wir das Gebiet der ältesten Schieferzonen, der phylli-
tischen und halbphyllitisclien (welches sich besonders auf den
Sectionen Eisfeld , Masserberg und auch noch einem Theil
von Section Breitenbach vorfindet) hier ausser Betracht, da dort
die Transversalschieferung sich wenig geltend macht, so können
wir auf Grund sehr zahlreicher Beobachtungen resp. Compass-
ablesungen sagen, dass in dem ostwärts folgenden Gebiet, in der
ganzen Schieferfolge von den cambrisclien Thonschiefern und Quar-
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 279
ziten bis in die Thonschiefer und Grauwacken des oberen Cnlm
das Streichen der Transversalschieferung fast stets sich der Rich-
tung ONO. nähert, während das Streichen der Schichten mehr mit
der Richtung NO. zusammenfällt. — Dieser Satz gilt indess nur
für das Gebiet, wo sich in der Anordnung der Schichtenzüge die
SW. — NO. tektonische Richtung als durchaus vorherrschend zeigt,
während wir etwas weiterhin, wo neben dieser Richtung die
kreuzende SO. — NW. tektonische Richtung als gleichberechtigt sich
geltend macht, ein anderes Verhalten finden, wie noch näher an-
gegeben werden wird.
Die nordöstliche Anordnung der aufgestauten Schichtenfolgen in
Verbindung mit ostnordöstlichem Verlauf der Transversalschieferung
tritt besonders im Bereich der Sectionen Breitenbach, Steinheid,
Spechtsbrunn, auch noch eines Theils von Section Gräfenthal
hervor, und gilt, wie gesagt, vom Cambrium bis in den Culm,
soweit eben deutliche Transversalschieferung vorhanden ist. Ab-
weichungen von der im Allgemeinen SW. — NO. laufenden Richtungs-
linie der Schichtenfalten etc., in Gestalt von Querverwerfungen u. s. f.
fehlen in diesem Gebiet nicht ganz, aber jene tektonische Linie
dominirt. Das Streichen der Transversalschieferung nähert sich
meist der Richtung ONO., überschreitet dieselbe auch wohl noch
und nähert sich fast der W. — O. -Linie; absolute Constanz ist darin
natürlich nicht vorhanden, und da solche auch bei der Streichlinie
der Schichten nicht sein kann, so weichen diese beiden Streichlinien
bald um einen grösseren, bald um einen kleineren Winkel von ein-
ander ab. Das Einfallen der Transversalschieferung ist in diesem
Gebiet fast immer ein nordwestliches, oder vielmehr ein nach NNW.
gerichtetes, mit den entsprechenden kleinen Abweichungen nach NW.
bis fast N. ; nur ausnahmsweise wurde eine Abweichung des Ein-
fallens von NW. nach W. zu beobachtet, ein Hinaustreten der Ein-
fallrichtung aus dem Quadranten W. — N. jedoch nie. Der Grad
des Einfallens bleibt sich nicht gleich; sehr oft ist das Einfallen
steil, bis sehr steil, steiler als das der Schichtung, aber es kommen
auch flachere Einfallwinkel, z. B. 40°, 30° vor. Die grössere Con-
stanz der Transversalschieferung gegenüber der Schichtung tritt
besonders in der genannten Richtung des Einfallens hervor;
280
H. Loretz, über Transversalschieferung
dem gegenüber bringen die vielfachen Umbiegungen und Falten
der Schichten öfters ein südöstliches oder sonst abweichendes Ein-
fallen für die Schichtung hervor.
Anders ist dagegen die Transversalschieferung, wie gesagt, in
der weiter nach O. gelegenen Gebirgspartie orientirt, wo in der
Anordnung der Schichtenzüge neben der tektonischen Linie SW.
— NO. die kreuzende Linie SO. — NW. gleichwerthig hervortritt,
und infolge davon auch grosse Unregelmässigkeiten der Lagerung
zu Stande gekommen sind. Soweit unsere Beobachtungen reichen,
gilt dies namentlich für den südöstlichen Winkel von Section
Gräfenthal und den anstossenden NO. -Winkel von Section Spechts-
brunn. (Umgegend von Gräfenthal, Buchbach, Lichtenhain, Partie
um die Landstrasse vom Rennsteig abwärts nach Gräfenthal.) Man
findet hier allenthalben die Transversalschieferung so orientirt, dass
ihr Streichen ein nordnordöstliches und ihr Einfallen ein westnord-
westliches, mitunter fast westliches ist, mit meist steilem bis sehr
steilem Einfallswinkel.
Eine ganz befriedigende Erklärung für die abweichende Lage
der Schieferung gegenüber der Schichtung, sowie für ihre Orien-
tirung an den verschiedenen Stellen zu geben, ist schwierig. Die
jetzt wohl allgemein getheilte Auffassung geht dahin, die Schieferung,
wie schon die Schichtenaufstauung und -Faltung von dem in
der äusseren Erdrinde wirksamen Lateraldruck abzuleiten. Wir
wissen nun, dass die Wirkungen desselben sich in vielen Gebirgen
nach mehreren Richtungen geäussert und in diesen Richtungen zu
verschiedenen Zeiten wiederholt haben, einmal in dieser, ein ander-
mal in jener Richtung. Gilt dies schon von qualitativ gleichen
Aeusserungen des Seitenschubes, wie von Aufstauung und Faltung,
so wird es nicht minder von qualitativ verschiedenen Aeusserungen
gelten, von Faltung einerseits und Schieferung andererseits. Und
insofern werden wir die mit dem Schichtenstreichen nicht zu-
sammenfallenden Streichlinien der Schieferung unserer Gebirgs-
gegenden von anders gerichteten Aeusserungen des allgemeinen
Seitendrucks ableiten dürfen, welche wahrscheinlich zu einer Zeit
eintraten, als der Schichtenbau schon aufgerichtet und gefaltet
war, welche aber, wie wir weiter oben sahen, die einzelnen Tlieile
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 281
des Ganzen nicht ganz gleichmässig betrafen. Ob sich in den oben
bezeichneten Streichlinien der Schieferung vielleicht gewisse Mittel-
kräfte von solchen Kräften kundgeben, welchen die beiden tekto-
nischen Faltungsrichtungen entsprechen, wagen wir kaum zu be-
haupten.
Wenn wir das Einfallen der Schieferung, wie in so vielen
anderen Gegenden, in der Regel nicht vertical, sondern mehr oder
minder steil geneigt finden, so weist dies darauf hin, dass wir sie
zunächst nicht von einem reinen Horizontaldruck abzuleiten haben,
sondern eher von selbst schon abgeleiteten Seitenpressungen oder
regionalen Modificationen des Horizontalschubes, auf deren Rich-
tung wahrscheinlich die Gestalt und Lage der bereits aufgestauten
Schichtenmassen oder Gebirgskörper bestimmend einwirkten.
Ein anderer Erklärungsversuch wäre der, die nicht verticale
Stellung der Schieferung als eine secundäre, erst durch spätere
Bewegungen resp. Hebungen und Senkungen erreichte aufzufassen;
diese Erklärung würde jedoch an den durchaus nicht immerklichen
Wechseln in der Lage der Schieferung von Strecke zu Strecke
Schwierigkeiten finden.
Der untersilurische GriffeSscliiefer und seine lineare
Streckung.
Der untersilurische Griffelschiefer, wie er in der Gegend von
Hämmern, Steinach, Ilaselbach, Hasenthal und Spechtsbrunn im
südlichen Theil des thüringischen Schiefergebirges sich entwickelt
findet, ist ein dunkelblau-schwarzer Thonschiefer von sehr gleich-
mässiger und weicher Beschaffenheit, welche ihn, in Verbindung
mit seiner fast faserigen Textur, zu einem so besonders geeigneten
Material für Schreibgriffel macht, und die Veranlassung zu seiner
ausgedehnten Gewinnung in einer grösseren Zahl bedeutender
Steinbrüche gewesen ist. Transversale Schieferung und lineare
Streckung lassen sich an diesem Schiefer neben einander und un-
282
H. Loretz, über Transversalschieferung
abhängig von der ursprünglichen Schichtung in den genannten
günstigen Aufschlüssen erkennen; zu ihnen tritt noch eine mehr-
fache Zerklüftung des Gesteins. Es ist nicht etwa nur die Inter-
ferenz zweier Schieferungsrichtungen oder die Interferenz der
Schichtung mit den Schieferungsrichtungen — wie solche mitunter
ein Ablösen des Gesteins in parallelepipedischen oder Stengeligen
Stücken bewirken — , was die hier vorliegende Griffelung zuwege
bringt; sondern eine noch weiter gehende, auf mechanischem Wege
in das Gestein eingeführte Structur, wie im Folgenden näher ge-
zeigt werden soll; denn gerade für diesen Griffelschiefer, wenigstens
grössere Partieen desselben, liegen recht augenscheinliche Anzeichen
für einen wirklichen Streckungsvorgang im Gestein vor.
Etwas schwieriger als Klüftung und Schieferung ist bei diesem
Griffelschiefer in der Pegel die Lage der ursprünglichen Schichtung
zu erkennen. Sie tritt hinter jenen zurück und hat von vorn herein
in dem gleichmässig beschaffenen Sediment, in welchem sich nur
selten heterogene Lagen und an Masse nur geringfügige heterogene
ö o o o o o o
Mineralbildungen vorfinden, öfters nur einen mangelhaften Aus-
druck gefunden1). Doch gelingt es im Ganzen ohne Schwierig-
keit, an verschiedenen Merkmalen die Schichtflächen zu entdecken2),
und solche zeigen sich dann in bekannter Weise, durch Interferenz
mit der leichter kenntlichen und in unzweideutigster Weise vor-
liandenen Transversalschieferung, höckerig, gegriffelt oder abge-
treppt und so zerschnitten, dass man keine grösseren, zusammen-
hängenden Platten in ihrer Richtung erhalten kann.
Wo sich solche Schichtflächen oder Schichtungslinien an
grösseren Steinbruchswänden etwas weiter verfolgen lassen, sind
mitunter Biegungen und Faltungen der Schichtung zu constatiren,
O ö o O
welche von der eonstant parallel bleibenden Schieferung durchsetzt
werden.
x) Es fehlt, im Griffelschiefer doch nicht ganz an einem durch geringfügige
Unterschiede in der Färbung bezeichneteu Wechsel in der Schichtungslage,
wenigstens ist ein solcher hie und da zu bemerken.
2) In einzelnen Fällen treten die Schichtflächen sogar mit derselben Deutlich-
keit hervor, wie die Flächen der Transversalschieferung, so z. B. hie und da in
dem obersten, alten Griffelbruch am Fellberg.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 283
Zur sicheren Erkennung der Schichtungsflächen sind nun ganz
besonders wichtig die Einlagerungen von Pyrit- oder Markasit-
knollen, welche sich mitunter in grosser Anzahl auf solchen Flächen
versammelt vorfinden.
Auch abgesehen von den Schichtungsflächen sind Knollen und
Concretionen von Schwefelkies durch die Masse dieses Schiefer-
gesteins hindurch sehr verbreitet, in Form einzelner oder in Menge
zusammengruppirter Krystalle oder zu Concretionen verwachsener
krystallinischer Aggregate; theils auch in Form grösserer sphäroi-
discher Linsen oder Concretionen von Pyrit mit quarzitischer Masse
und Quarz (die sog. Kälber oder Kieskälber der Steinbrecher);
und wenn schon im Allgemeinen solche Bildungen eine Anordnung
oder Reihung in der Schichtungsrichtung erwarten lassen und
wirklich zeigen, so wird insbesondere eine Ablösungsfläche,
auf welcher sich solche Schwefeleisenknollen in Menge neben-
einander finden, unzweifelhaft als ursprüngliche Schichtfläche be-
zeichnet, wie auch sonst die deutlicheren Schieferungs- und
Klüftungsflächen liegen mögen *).
Sehr häufig nun ist mit diesen krystallinischen Schwefeleisen-
concretionen Faser quarz verwachsen, neben und mit welchem
öfters auch ein weisses (bis schwachgrünliches), sehr weiches,
seiden- bis perlmutterglänzendes, ebenfalls faseriges Mineral vor-
kommt, welches mit dem, dem Pyrophyllit nahe stehenden Clüm-
belit identisch sein dürfte2). Bei näherer Untersuchung stellt sich
*) Mitunter treten die Markasit-Concretionen auf gewissen Schichtflächen so
dicht zusammen, dass sie förmliche Schwarten bilden, deren fest mit anhaftender
Thonschiefersubstanz verwachsene Oberflächen in eigenthümlicher Weise wulstig
erscheinen, indem die Concretionen dicht aneinander fast im Quineunx gestellt
sind; solche wurden z. B. in einem Griffelbruch am Steinheider Berg bei Steinach
beobachtet; sie wiederholen sich ebenso im unteren Culmschiefer.
Die Verwitterung des reichlich vorhandenen Schwefelkies resp. Markasit ist
auch der Grund der so oft den Griffelschiefer auf Klüften überziehenden rothen
Farbe; ein anderes Eisenmineral fehlt eben im Griffelschiefer. An frei der At-
mosphäre ausgesetzten Schichtflächen sieht man die Markasitknollen meist in
Rotheisen verwandelt.
2) Bei vergleichenden Löthrohrversuchen ergaben sich bei diesem Mineral
(Proben von Griffelbrüchen bei Steinach, sowie aus Griffelschiefer des unteren
Culm bei Haselbach, wo ganz dasselbe Mineral an Markasitknollen faserig ansitzt)
284
H. Loretz, über Transversalschieferung
immer heraus, dass die Fasern des Faserquarzes (und jenes
anderen Minerals) in derselben Richtung laufen, wie- die faserige
oder griflelige Structur des umgebenden Schiefers.
Mit besonderer Deutlichkeit wurde die Faserquarzbildung und
ihre erwähnte Lage in dem grossen Gritfelbruch am Fellberg bei
Steinach beobachtet, wo der Betrieb öfters solche Flächen mit
Markasitknollen, denen Faserquarz ansitzt, blosslegt; die nähere
Untersuchung eines solchen Vorkommens zeigt, dass die Faser-
quarzbildung mit den Streckungsvorgängen, denen diese Schiefer-
partie unzweifelhaft ausgesetzt gewesen ist, in engstem Zusammen-
hang steht, dieselben gleichsam erläutert; und es möge daher dieses
Vorkommen mit den sich daraus ergebenden Schlüssen näher er-
örtert werden.
Die Schwefeleisenknollen, die auf diesen Flächen in Menge
liegen, sind bis faustgross und kleiner, haben eine rundliche, kugelige
oder häufig flach sphäroidische und unregelmässig platt knollige
Gestalt; das Schwefeleisen ist durch Oxydation fast durchweg in
rothes Eisenoxyd übergeführt1).
Diese Schwefeleisenknollen sind es, welche auch hier die Basis
für eine secundäre Quarzbildung abgegeben haben, und zwar stellt
sich der Quarz entweder durchaus als Faserquarz mit z. Th. höchst
und bei Gümbelit (Proben aus Graptolithenschiefer von Hämmern, wo der Güm-
belit z. Th. mehr schuppig ist) dieselben Reaktionen.
Der Gümbelit tritt u. a. als Yersteinerungsmittel von Graptolithen auf und
ist auch sonst im Schiefergebirge sehr verbreitet. Siehe Gümbel , Geog. Beschr.
d. Fichtelgebirges, Sachregister.
*) Dies geht so weit, dass kleine Proben bei der Löthrohrprüfung keine
Reaktion auf Schwefel mehr geben ; doch können dabei, nach erfolgter Weglösung
des Oxyds durch längere Behandlung mit Salzsäure, am Rande, wo der um-
gebende Quarz beginnt, noch kleine Schwefelkiesreste vorhanden sein, häufiger
gewahrt man hier nur im Quarz die Eindrücke kleiner verschwundener Würfel
mit gestreiften Fachen. Das strahlige Gefüge, welches in dem die Stelle des
zerstörten Schwefeleisens einnehmenden Eisenoxyd öfters hervortritt, lässt für
solche Partieen mehr die frühere Anwesenheit von Markasit als von Pyrit an-
nehmen. Uebrigens schliesst die Gegenwart des einen der beiden Mineralien die
des andern nicht aus, da beide in Verwachsung Vorkommen können.
Nach Richter, »Das Thüring. Schiefergebirg « , Zeitschr. d. D. geol. Ges.
XXI, 1869, p. 442, bestehen die Schwefeleisenellipsoide des Griffelschiefers nur
ausnahmsweise aus Pyrit, in der Regel aus Markasit.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 285
feinfaseriger Structur dar, oder zeigt sich doch wenigstens äusser-
lich am Contakt mit dem umgebenden Schiefer faserig. Die Faser-
quarzbildung ist von zwei gegenüberliegenden Seiten eines Knollens
ausgehend nach entgegengesetzter Richtung in der Weise vorge-
schritten, dass alle Fasern annähernd parallel laufen, nicht nur
an ein und demselben Knollen, sondern überhaupt bei allen, soweit
solche auf der entblössten Schichtfläche zu bemerken sind. In der
Richtung quer zur Richtung der Fasern bleiben die Knollen von
dem Quarzansatz mehr oder weniger weit frei, je nach der Ge-
stalt des Knollens und der Möglichkeit des Eindringens der Kiesel-
säure haltenden Lösung zwischen Kiesknollen und einschliessendem
Thonschiefer in später näher anzugebender Weise. (Körperlich
betrachtet umschliesst der Quarz den Schwefeleisenknollen unregel-
mässig schalenförmig und breitet sich seitlich auf demselben zu
einer sehr dünnen Schicht aus, während er sich nach dem andern
Ende hin zu einem geschlossenen Faserbündel etwas verjüngt; der
von Quarz freibleibende Theil des Knollens ist eine Art sehr un-
regelmässig verlaufender Ringfläche.) Die Figuren 8 a und 8 b
zeigen derartige, zu Oxyd verwitterte Schwefeleisenknollen mit
Faserquarzansätzen in natürlicher Grösse. Figur 7 zeigt, ver-
kleinert, ein Stück einer mit solchen Knollen bedeckten Schicht-
fläche; alle Fasern des Quarzes laufen hier in derselben Richtung,
welche zugleich die Griflellage ist. In Wirklichkeit ist wegen des
o o o
alle Theile der Schichtflächen überziehenden und färbenden Eisen-
oxyds die Erscheinung etwas verundeutlicht.
Wir können, wie schon bemerkt, für diese Faserquarzmasse
nur eine secundäre Entstehungsweise annehmen; als ursprüngliche
Bildung, die gleichzeitig mit der Bildung oder Concentration der
Schwefeleisenknollen im Thonschiefer erfolgt wäre, sind sie unver-
ständlich. In der That kommen, wie angeführt, auch anderweitige
Concretionen im Schiefer vor, bei welchen man es mehr mit con-
centrisch angeordneten Verwachsungen von Schwefelkies und
quarziger oder besser quarzitischer Masse zu thun hat, und welche,
wie nicht minder die krystallinischen Gruppen und Knollen von
Schwefeleisen an und für sich (ohne Faserquarz betrachtet) alle
Merkmale jener knolligen oder sphäroidischen Concretionen be-
286
H. Loretz, über Transversalschieferung
sitzen, wie sie in Thonschiefer und auch anderen Schichtgesteinen
so häufig als ursprünglich eingebettete Mineralbildungen Vor-
kommen ; solche Concretionen werden aber, neben ihrer im All-
gemeinen concentrischen Anordnung, seihst wenn der Druck des
successive aufgelagerten Sediments auf ihre Anordnung und Ge-
stalt noch von Einfluss gewesen sein sollte, immer eine in der
Fläche der Schichtung ziemlich gleichförmig ausgedehnte oder
abgeplattete Gestalt besitzen, nicht aber nach ein und derselben
bestimmten Richtung in der Schichtungsebene alle eine Ver-
längerung oder Streckung oder lineare Parallelstructur annehmen
können, wie dies gerade bei jenen Faserquarzansätzen der Schwefel-
eisenknollen in so auffallender Weise hervortritt.
Da ferner so wenig wie diese Faserquarzansätze selbst, auch
der von ihnen eingenommene Raum ursprünglich vorhanden ge-
wesen sein kann, — denn die Concretionen müssen der Natur
der Sache nach und wie in allen solchen Fällen von dem um-
gebenden Sediment dicht umschlossen gewesen sein, — so muss
für diesen Raum und seine Ausfüllung eine spätere Entstehung
angenommen werden. Es verhält sich somit diese Bildung eiuiger-
maassen wie eine von Quarz erfüllte Kluft oder Gangspalte im
Gestein. Indess liegt es auf der Hand, dass die mechanischen
Bedingungen, welche zur Herstellung jener Discontinuitäten ge-
führt haben, die zwischen dem Pyrit resp. Markasit und dem
Thonschiefer bei jeder Concretion in ganz gleicher Weise sich
wiederholen, andere gewesen sein müssen, als diejenigen, welche
das Gestein durchsetzende Sprünge oder Klüfte zur Folge haben.
Vielmehr ist die in Rede stehende Faserquarzbildung ein augen-
scheinlicher Beweis von Streckungsvorgängen, die in diesen Schiefer-
schichten nach einer ganz bestimmmten Richtung — eben der
Richtung in welcher die Fasern verlaufen — stattgefunden haben.
Es lässt sich dies etwa wie folgt näher begründen. Was
zunächst den Streckungsvorgang als solchen betrifft, so ist der-
selbe eine Wirkung starken Drucks, oder genauer wahrscheinlich
eiue Art der Aeusserungen des Lateraldrucks in der äusseren
Erdrinde, und besteht derselbe in einer grossen Summe kleiner
und kleinster gleich gerichteter Verschiebungen, welche durch die
O ö o 7
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge.
287
ganze Masse des Gesteins hindurch von Theilchen zu Theilclien
stattfanden, resp. sich durch eine gewisse, vielleicht längere Zeit
wiederholten. Beim Eintritt dieses Streckungsvorgangs nun musste
sofort der grosse Unterschied in der physikalischen Beschaffenheit
des Pyrits oder Markasits und des ihn einschliessenden Tlion-
schiefers zur Geltung kommen: Die Massentheilchen des krystal-
linisch starren Schwefeleisens konnten der streckenden Bewegung
nicht in dem Maasse folgen, als die leichter an einander zu ver-
schiebenden Theilchen des weichen, nicht krystallinischen Thon-
schiefers, sie blieben wegen der überwiegenden krystallinischen
Cohäsion im anfänglichen Zusammenhang, während die Schiefer-
theilehen in der Bewegung oder Verschiebung voranschritten. So
musste eine Discontinuität zwischen Schiefer und Pyrit in der
Richtung der Bewegung, d. i. zugleich auf denjenigen Seiten der
Pyritknollen, welche am wenigsten dem Druck ausgesetzt waren,
entstehen, und in dieser Discontinuität konnte in dem Maass als
sie entstand und sich vergrösserte, nach Art irgend welcher andern
Secretionen in hohlen Räumen Kieselsäure aus Lösung auskrystal-
lisiren. Die faserige Textur der auskrystallisirten Kieselsäure giebt
zugleich einen Beweis für das nur allmähliche Voranschreiten des
Vorgangs; hätte der Hohlraum zwischen Schwefelkies und Thon-
schiefer sich wesentlich schneller gebildet als seine Ausfüllung,
oder wäre die Kieselsäure in den schon fertig gebildeten Hohl-
raum auskrystallisirt , so würden wir eine körnig krystallinisclie
oder eine in concentrischen Lagen erfolgte Ausfüllung des Hohl-
raums mit Kieselsäure — etwa nach Art der auskrystallisirten
Drusenräume, oder Geoden — finden, jedoch keine längsfaserige.
Die Faserstructur entspricht nun aber ganz einer successiven
Vergrösserung der Discontinuität, welche in ihrem ersten Beginn
den Anlass gab zum ersten Ansatz der auskrystallisirenden Kiesel-
säure in einer unendlich dünnen Schicht ; an diese aus dicht ge-
drängten krystallinischen Individuen zusammengesetzte Basis kry-
stallisirte mit dem Voranschreiten der Discontinuität neuer Stoff
aus Lösung an, was sich wiederholte so lange der Vorgang dauerte,
und so kam nach und nach ein längsfaseriges oder stengeliges
krystallinisches Aggregat, ein Faserbündel zu Stande.
288
H. Loretz, über Transversalschieferung
Eine weitere Voraussetzung zum Zustandekommen dieser
Faserquarzmassen ist offenbar genügender Zutritt der die Kiesel-
säure absetzenden Solution ; dazu war aber gerade auf den Ab-
lösungsfläclien der Schichtung, auf welcher die in Rede stehenden
Knollen liegen, mindestens so gute Gelegenheit als im Innern der
Gesteinsmasse, und wir finden daher bei den oben erwähnten im
Innern des Gesteins liegenden, meist grösseren Concretionen (sog.
»Kälbern«) jene secundäre seitliche Quarzbildung weniger. Auch
bei diesen musste sich natürlich die Cohäsionsdifferenz zwischen
Concretion und Schiefer bei der Streckung geltend machen, ein
leerer Zwischenraum wird aber auch hier nicht haben bestehen
können, da er durch die unter starkem Druck stehende und dem-
selben langsam nachgebende Schiefermasse wieder geschlossen
werden konnte1).
Wie die beschriebene Faserquarzbildung vorliegt, zeigt sie
deutlich das Vorhandensein und die Richtung der streckenden Be-
wegung an; wir ersehen, dass diese Bewegung hier nicht etwa
frei nach einer beliebigen Seite in der Normalebene des Drucks,
sondern nur in einer bestimmten Richtung erfolgt ist. Geringe
Knickungen, die im Verlauf der Fasern sich nicht selten zeigen
1 ) Zum Unterschied von den Schwefeleisenknollen sind diese grösseren, aus
quarzitischer Masse bestehenden Sphäroide bei der Streckung oft wiederholt ge-
rissen und die so entstehenden Spalten allerdings auch mit secundärem Quarz,
z. Th. Faserquarz, erfüllt.
Wenn die Faserquarzansätze der auf den Schichtflächen liegenden Pyrit-
oder Markasitknollen, wie es öfters vorkommt, im Tnnern mehr körnig als faserig
erscheinen, so dürfte dies vielleicht weniger in späterer Umkrystallisirung als
darin begründet sein, dass in solchen Fällen die gänzliche Erfüllung des Raumes
mit Kieselsäure nach innen zu etwas später eintrat als aussen herum.
Auch an Pyritwürfeln, die in der Griffelschiefermasse mehr vereinzelt liegen,
wurden Ansätze von Faserquarz beobachtet; derselbe bildet dünne Platten auf
gegenüberliegenden Seiten der Pyritwürfel, oder nur auf einer Seite, oder greift
auch um Ecken herum, je nachdem der Krystall zur Streckrichtung lag. Der
Quarz erscheint nicht gleichmässig an allen Pyritwürfeln und nicht gleichmässig
click an jedem; die Fasern laufen auch hier parallel. — Mitunter erscheinen die
Pyritwürfel verschoben und nicht mehr rechtwinkelig, wohl deshalb, weil sie bei
fortgesetzter Druckwirkung von inneren, wenn auch noch so kleinen und nicht
sichtbaren Brüchen betroffen sind und so an der Verschiebung etwas theilge-
nommen haben.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge.
289
(vgl. Figur 8b), bedeuten ohne Zweifel, dass die streckende Be-
wegung nicht ganz continuirlich war und sich nicht genau parallel
blieb. — In den Faserquarz büschein, welche an den Schwefeleisen-
knollen sitzen, haben wir überdies einen Maassstab für die Grösse
der stattgehabten Verschiebung.
Ein vollkommenes Analogon zu unserer Faserquarzbildung ist
die Ausfüllung der Zwischenräume der schon lange bekannten, in
letzter Zeit wieder viel besprochenen, durch Streckung gerissenen
Belemniten mit Faserquarz oder mit Faserkalk. Auch Daubree
kommt bei der Besprechung dieser Bildungen zu dem Schluss,
dass sie einen Beweis für den langsamen und allmählichen Ver-
lauf des Streckungsvorganges enthalten; er führt zum weiteren Ver-
gleich die Bildung des Fasergypses an und die in vielen Fällen
zu erkennende, langsame Ausfüllung von Erzgangspalten während
successiver Erweiterung 1).
Auch kann liier die von Sorby beschriebene Umformung von
Crinoidenstielgliedern verglichen werden, welche in geschiefertem
resp. gestrecktem Kalkstein vorkommt und bei welcher ebenfalls,
der von Sorby gegebenen Figur nach zu urtheilen, der auf der
Druckseite gelöste kohlensaure Kalk sich auf der vom Druck ab-
gewendeten Seite fas er artig ansetzt2).
Was nun die Lage der Streckung oder Faserung im Griffel-
ö Ö O
schiefer belangt, oder m. a. W. die Richtung, nach welcher das
Gestein schon in situ sich in Griffel auflöst oder künstlich in solche
getrennt werden kann, so wurde als Regel beobachtet, dass jene
*) Bull. soe. geol. France. 3 ser. tome IV, 1876, p. 551.
2) Quart. Journal, 1879, Proceedings, p. 88 ff. — Auch abgesehen von den
Griffelschiefern des unteren Silur und unteren Culm bemerkt man manchmal
Faserquarz an noch vorhandenem oder verschwundenem Pyrit in Thonschiefer,
und es mögen auch hier Streckungsvorgänge, wenn auch nicht so durchgreifender
Art wie bei den Griffelschiefern , den Anlass zur Bildung dieses Minerals ge-
geben haben; überhaupt könnte dieser Gesichtspunkt bei Vorkommnissen von
Faserquarz und anderen faserigen Mineralien .in’ s Auge zu fassen sein.
Gümbel erwähnt Faserquarz neben Schwefelkies in den koklereichen Silur-
schiefern. (Geog. Beschreib, d. Fichtelgebirges, p. 275.) — Verschobene Pyritwürfel
aus Dachschiefer erwähnt auch Daubree (Syntket. Studien z. Experimentalgeologie
1880, p. 337).
19
290
H. Loretz, über Transversalschieferung
Richtung in der Durchschnittslinie der Schichtenlage mit
der Transversalschieferung gelegen ist, oder doch nahezu
mit ihr zusammenfällt. Wohl in sämmtlichen Griffelbrüchen im
untersilurischen Griffelschiefer der Gegend von Steinach, Hasel-
bach und Spechtsbrunn trifft dies zu. Man findet hier durchweg
ein mittelsteiles Einfallen der Transversalschieferung nach NW.,
während die Schichten etwa mit demselben Steilheitsgrad nach
SO. fallen, so dass beide Lagen ziemlich rechtwinkelig aufeinander
stehen; ihre Durchschnittslinie und somit die Lage der Streckung
oder die Griffellage sieht man in der Regel mässig, bis zu ca. 20°,
nach NO. oder SW. ansteigen, mitunter auch nur wenig von der
Horizontalen abweichen 1).
Es ist hervorzuheben, dass die Deutlichkeit der Transversal-
schieferung, resp. die leichte Erkennung ihrer Lage im an-
stehenden Gestein durch die Streckung nicht beeinträchtigt worden
ist; wie früher bemerkt ist auch die Schichtenlage durch ver-
schiedene Anzeichen herauszufinden ; die Streckungs richtung
wird durch die griffelförmige Auflockerung des Gesteins in der
oben bezeiclmeten Richtung, wenn dasselbe einige Zeit der Atmo-
sphäre ausgesetzt gewesen ist, angegeben2); hierzu kommt endlich
die Parallelklüftung, von welcher namentlich dasjenige System
besonders ausgebildet ist, welches quer, fast rechtwinkelig zur all-
gemeinen Streichrichtung der Schichten läuft; aus diesen ver-
schiedenen Factoren setzt sich das Bild zusammen, welches man
in den Griffelbrüchen, zwar nicht immer mit gleicher Deutlichkeit,
öfters aber mit einem Blick von den verschiedenen mechanischen
Einwirkungen erhält, denen dieser Schiefer im Lauf der Zeit aus-
gesetzt gewesen ist.
*) Da die Schichten hie und da Falten erkennen lassen, könnte man einen
grösseren Wechsel bezüglich ihrer Lage und der jener Durchschnittslinie erwarten;
es scheint indess, dass die vorhandenen Falten die allgemeine Streichrichtung
einhalten, dabei nur schwach auf und absteigen und im allgemeinen Schichten-
einfallen nach SO. nur untergeordnete Abweichungen hervorbringen.
2) Man kann mitunter aus dem gelockerten Lagerungsverband das Gestein
in Griffeln, einen nach dem anderen herausnehmen ; anfänglich sind diese Griffel
sehr lang, wohl bis zu 1 Meter, zerfallen aber von selbst nach und nach in
immer kleinere Griffel; man sieht hieraus wie innerlich die Griffelstructur ist.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 291
Dass die Streckungsrichtung mit der Lage der Durchsclmitts-
linie von Schichtung und Transversalschieferung meisthin zusammen-
fällt, ist a priori eben nicht vorauszusehen; es wäre an sich sehr
wohl denkbar, dass das bereits transversal geschieferte Gestein zu
einer späteren Zeit einem Streckungsvorgang nach irgend welcher
anderen Richtung unterworfen worden wäre. Thatsäclilich kommen
auch Beispiele derart an anderen Stellen oder in anderen Ge-
birgen vor1).
Die in unserem Fall vorliegende Streckungsrichtung glauben
wir am besten so zu erklären, dass wir sie als Folge zweier Druck-
kräfte auffassen, die sich neben einander von zwei Seiten her
äusserten : nämlich einerseits des noch fortgesetzt wirksamen Drucks,
welcher zunächst die Transversalschieferung zuwege gebracht hatte,
und andererseits eines in der Richtung vom Liegenden zum Han-
üenden und mimekehrt, mit anderen Worten normal zur Schichten-
läse wirksamen Drucks. Die erste Druckkraft würde ein Aus-
weichen in der Ebene der Transversalschieferung, die zweite in
der Ebene der Schichtung, beide zusammen also in der Richtung
der Durchschnittslinie beider bewirkt haben. Derjenige Druck
aber, welchen wir normal zur Schichtenlage annehmen, könnte
1) So findet man aus den Schiefergebirgen wiederholt die Beobachtung an-
geführt, dass die lineare Streckung in der Richtung des Einfallens der Trans-
versalschieferung gelegen ist; in diesem Falle also war Ausweichen vor dem
Druck am leichtesten in der Richtung von unten nach oben möglich. Uebrigens
bemerkt auch Naumann (Lehrb. d. Geognosie, 2. Aufl., Bd. 1, p. 435), dass die
Streckung in vielen, aber keineswegs in allen Fällen mit der Falllinie der Schichten
coincidire.
Die ausweichende oder streckende Bewegung nach oben begreift sich leichter,
als die nach der Seite; man kann die Frage stellen, wie überhaupt in der ge-
schlossenen Gebirgsmasse ein seitliches Ausweichen, Schieben und Strecken mög-
lich war. Für den Fall unseres Griffelschiefers lässt sich hierauf antworten, zu-
nächst, dass die Streckrichtung keine rein seitliche ist, sondern nach der einen
oder anderen Seite etwas ansteigt ; sodann , dass von Stelle zu Stelle sich Aus-
gleichungen hergestellt haben mögen, denen vielleicht eine sehr verworrene Struotur,
vielleicht auch Brüche und grössere Verschiebungen entsprechen. Nachgewiesen
sind solche allerdings nicht; die Griffelbrüche werden natürlich von solchen Stellen
fern zu bleiben suchen; immerhin ist der Schiefer keineswegs in allen Brüchen
von gleichbleibender und gleich brauchbarer Structur , es kommen im Gegentlieil
grössere unbrauchbare Partieen vor.
19
292
H. Lorktz, über Transversalschieferung
darin begründet sein , dass sieh als nächstes Liegende der Griffel-
schiefer eine besonders harte und erheblich mächtige Schichten-
folge vorfindet, nämlich der oberste cambrische Quarzit; dieser
bildet einen ununterbrochen durchgehenden Zug vom SW. -Rand
des Schiefergebirges bis in die Gegend von Gräfenthal, und in
derselben Erstreckung verhält sich auch der unterste sibirische
Thonschiefer so gut wie ganz als Griffelschiefer. Dass sich aber
aus dem Widerstande, welchen harte und mächtige Gebirgsglieder
den zusammendrückenden Wirkungen des allgemeinen Lateral-
drucks oder daraus abgeleiteter Pressungen leisten, wieder spe-
cielle Rückwirkungen ergeben können, welche besonders an den
jenen festen Massen angelagerten weicheren Schichten zum Aus-
druck kommen müssen, steht mit vielfachen Beobachtungen in
diesem Gebiet der Geologie im besten Einklang.
Nächst den mechanischen Einwirkungen kommt für das vor-
liegende Resultat natürlich der Stoff, die physikalischen Eigen-
schaften des Gesteins sehr in Betracht : das Material des Schiefers
muss für diese Art von innerlichen Verschiebungen, wie sie sich
in der Griffelung aussprechen, besonders günstig gewesen sein,
und es ist dies bei einem so gleichartig gemischten, so wenig
durch abweichende Zwischenschichten unterbrochenen Material,
wie es in unseren untersten Silurthonschiefern vorliegt , auch recht
wohl verständlich.
Zum Wesen der linearen Streckung, wie sie sich bei den
Griffelschiefern zeigt, gehört, dass die Grösse der parallelen Be-
wegung von Theilchen zu Theilclien etwas verschieden war, so
dass alle in derselben Richtung etwas gegen einander verschoben
wurden. Transversalschieferung für sich allein bewirkt
bekanntlich noch keine griffelige, sondern nur eine platten förmige
Absonderung, wie bei den Dachschiefern; soweit bei der Schiefe-
ruög auch schon nicht blos Compression, sondern ausweichende
Bewegungen und Verschiebungen zu Grunde liegen, wird man
solche in auf einander folgenden dünnen Schichten nach verschie-
denen Richtungen — höchstens in derselben Schicht parallel —
vor sich gehend zu denken haben; im Wesen der linearen
Streckung liegt eben, dass durch die ganze Masse hindurch eine
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 293
Parallelbewegung mit Verschiebung von Theilchen zu Theilchen
stattfinde ]).
Die absolute Grösse der stattgefundenen Verschiebungen scheint
bei diesem Streckungsvorgang, wenn auch wohl grösser als bei
der einfachen Transversalschieferung, doch im Ganzen gering ge-
wesen zu sein. Wir könnten dies schon daraus schliessen, dass
nach der Streckung Transversalschieferung wie Schichtung noch
zu erkennen sind; diese würden durch stärkere Massenverschie-
bungen wohl mehr verwischt worden sein* 2). Das beste Anhalten
über die Grösse der Verschiebung benachbarter Theile geben uns
indess jene merkwürdigen, gestreckten und sonst deformirten Tri-
lobiten, welche im Griffelschiefer von Steinach wiederholt, wenn
auch als Seltenheiten vorgekommen sind. Liegt ein solcher orga-
nischer Rest mit seiner Längsrichtung ungefähr in der Streckuugs-
richtung, so sieht man wie die Symmetrie beider Hälften, rechts
und links von der Längsaxe verloren gegangen ist; zwei ent-
sprechende Punkte dieser Hälften können nicht nur in der Rich-
tung der Axe gegen einander verschoben sein, sondern ausserdem
auch noch so, dass der eine viel tiefer liegt als der andere, die
eine Seite schmal zusammengeschoben, die andere breit geblieben
und der Schnitt des Trilobiten normal zur Längsaxe eine ganz
unregelmässig gebogene Figur geworden ist3). Immerhin bleiben
J) In ähnlicher Weise wie hier in der Natur, zeigten ja auch bei den be-
kannten DAUBREifschen Versuchen die Thon- oder Bleimassen, mit welchen ex-
perimentirt wurde, ausser der Schieferung unter gewissen Umständen noch eine
faserige Structur resp. ein geriffeltes Aussehen ihrer Theilplatten, indem sich
offenbar die Masse beim Auspressen in Stränge oder Fäden von differenter Be-
wegungsgrösse theilte, die sich mithin an einander verschoben; ähnlich wie beim
technischen Auspressen und Auswalzen durch verschiedene Kaliber ein faseriges
Gefüge erzielt wird.
2) Ist das Gesein nicht mehr frisch, sondern verwittert, so tritt allerdings
die gestreckte Structur stärker hervor, es ist kein Spalten nach der Schieferung
mehr möglich und solche wird mehr und mehr verwischt.
3) Der durch ein gümbelitartiges Mineral ersetzte Körper dieser Trilobiten
ist sehr dünn und die faserige Textur des Gesteins schimmert hindurch. — Es
ist ersichtlich, dass manche dieser ohnehin nicht häufigen Fossilien in Folge ihrer
Lage zur Streckrichtung noch stärker verzerrt sein können, und durch ungünstige
Lage zur Spaltrichtung des Schiefers niemals im Zusammenhang zum Vorschein
kommen.
294
H. Loretz, über Transversalschieferung
diese Verzerrungen weit unter dem Maass derjenigen, welche bei
den künstlichen Experimenten über Schieferung und Streckung mit
Leichtigkeit erreicht werden können; obschon auch hier sehr ge-
ringe Verschiebungen als ausreichend befunden worden sind,
um jene Structuren hervorzurufen, wie wenigstens für die Schiefe-
rung von Daubree bemerkt wird. Für die letztere möchte man
dasselbe auch aus der Bemerkung schliessen, die Gümbel1) über
das Aussehen geschieferter Schiefer im Dünnschliff macht, welche
im Vergleich zu nicht geschieferten keinerlei Aenderung in der Lage
x;nd Richtung der erkennbar kleinsten Mineraltheilchen zeigten.
Es scheint demnach, dass der blose Spannungszustand in Folge
einer nur minimalen Compression und seitlichen Verschiebung zur
Schieferung genüge. Dass es indess bei derselben gewöhnlich
auch zu sichtbaren ausweichenden Bewegungen gekommen ist, he-
weisen die früher besprochenen Unebenheiten auf solchen Discon-
tinuitätsflächen, welche vor Ausbildung der Transversalschieferung
schon da waren.
Ein etwas grösserer Unterschied scheint zwischen der mikro-
skopischen Beschaffenheit griffeliger und nicht griffeliger Schiefer
zu bestehen. Nach Gümbel2) bieten nämlich griffelig zerfallende
Schiefer in der Regel im Dünnschliff ein etwas anderes Bild als
die sonst ähnlichen, aber nicht griffelig zerfallenden; die Gemeng-
theile jener erscheinen weniger in Streifen und Flasern, sondern
gleichmässiger vertheilt und gemengt, ohne dass sie dabei immer
feiner sein müssten als bei den anderen Schiefern. Wir dürfen
vielleicht annehmen, dass diese Anordnung der kleinen Theilchen
erst als Folge eines Streckungsvorgangs eingetreten ist. Im Uebri-
gen wird die griffelige oder faserige Structur in der einen Durch-
schnittsebene des Dünnschliffs sich kaum offenbaren können ; denn
erst bei mechanischen Vorgängen, wie Zerfallen oder
Zerspalten können sich die als Resultat der Streckung vor-
handenen Spann ungszus t ä n d e äussern und so j ene Structur
vortreten lassen.
J) Geognost. Beschreib, d. Fichtelgebirges, p. 641 ff.
2) 1. c. p. 289.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 295
Wir beschlossen diesen Abschnitt mit einigen Worten über
das Verfahren zur Herstellung der Schreibgriffel. Das
durch Sprengarbeit losgemachte und auf entsprechende Dimen-
sionen gebrachte Material wird zunächst durch Handsägen in
passende Stücke geformt; durch die letzten Sägeschnitte, welche
normal zur natürlichen Griffellage (Streckrichtung) stehen, erhält
man Stücke von der Länge der anzufertigenden Griffel; diese
Stücke werden dann durch Meissel quer zum Sägeschnitt in so
viel Theile gespalten, als sie Griffel geben können, und diese Theile
endlich durch den Kaliber einer maschinellen Vorrichtung gedrückt.
Die gesammte Arbeit muss mit frischem resp. noch bergfeuchtem
Materiale vorgenommen werden.
Sonstige Griffelschiefer und griffelig zerfallende Schiefer
des Schiefergebirges.
Abgesehen von den untersilurischen Griffelschiefern, welche
wir im Vorstehenden ausführlicher betrachtet haben, fehlt es auch
sonst im thüringischen Schiefergebirge nicht an solchen Schiefern,
welchen eine griffelige Ablösung eigen ist; in der Regel jedoch
sind solche Vorkommnisse lokal, und betreffen solche Schiefer,
welche nicht weit davon eine andere Ablösung, in Blättern oder
Platten zeigen; nirgends mehr erscheint eine Zone, welche. in der
Ausdehnung und Vollständigkeit sich als Griffelschiefer verhielte
wie die untersten Silurschiefer. Beschränken wir die Bezeichnung
» Griffelschiefer « überhaupt nur auf solche , welche bei hinläng-
licher Weichheit und zugleich Festigkeit eine Benutzung zu Schreib-
griffein gestatten, so giebt es ausser im Untersilur hauptsächlich
nur noch im unteren Culm Griffelschiefer, indem die hierherge-
hörigen, meisthin dachschief erartig ausgebildeten Thonschiefer aus-
nahmsweise auch einmal Stellen mit grifteliger Ablösung in Ver-
bindung mit den sonst nöthigen Qualitäten enthalten ; ausserdem
werden gegenwärtig noch an einer Stelle im unterdevonischen
Tentaculitenschiefer in unmittelbarer Nähe von Steinach Griffel
296
H. Loretz, über Transversalschieferun;
gewonnen. Abgesehen hiervon giebt es aber wie gesagt noch gar
manche Stellen in den verschiedensten Schieferzonen, wo eine grif-
felige oder steng'elige Ablösung und entsprechendes Zerfallen zu
beobachten ist.
Nicht immer ist ein Streckungsvorgang in der Art, wie wir
ihn bei den untersilurischen Schiefern kennen gelernt haben, nöthig
gewesen, um diese griffelige Ablösung zu bewirken. Es ist sehr
verständlich, dass einfache Interferenz von Schichtung und Trans-
versalschieferung dann schon ausreichen mögen, um ein solches
Zerfällen in stengelige und griffelige Körper im Gefolge zu haben,
wenn die Ablösungen nach beiderlei Richtung ungefähr im Gleich-
gewicht sind, oder mit anderen Worten das Gestein nach beiden
mit derselben Leichtigkeit und in nicht zu verschieden breiten
Intervallen spaltet. Dieses Verhalten kann natürlich auch an
härteren Gesteinen, rauhen oder quarzitischen Schiefern, und bei
verschiedenen Lagen von Schichtung und Schieferung zu einander
Vorkommen. Mancherlei Vorkommnisse griffeliger Ablösung, welche
man in den Schiefern des oberen Culm, sowie auch schon in den
cambrischen und anderen Schiefern beobachtet, mögen in der ge-
dachten Weise zu beurtheilen sein. Streckungsvorgänge sind aber
auch hier keineswegs ausgeschlossen; nur durch solche möchten
gewisse lokale und vereinzelte Vorkommnisse mit überaus faseriger,
an Holz erinnernder Textur, welche als solche noch entschieden
mehr hervortritt als bei den Untersilurgriffelschiefern, zu erklären
sein, wie ich solche im cambrischen Schiefergebiet beobachtet
habe 1).
D Dass es überhaupt äussere, mechanische Ursachen sind, welche der
Griffel structur zu Grunde hegen, lässt sich abstrahiren aus dem Vorkommen der-
selben an physikalisch differentem Material, sowie aus dem oft nur lokale n
Vorkommen derselben an ein und demselben Materiale (wie am unteren Culm-
schiefer). Andererseits kann die physikalische Beschaffenheit cles Materials auf
das Zustandekommen der Griffelstructur, besonders soweit solche durch wirkliche
Streckung erreicht oder befördert worden ist, prädisponirend gewirkt haben, ent-
sprechend dem in der mechanischen Geologie so allgemein gültigen Gesetz, dass
die physikalische Beschaffenheit des Materials, oder genauer seine Cohäsions-
verhältnisse für die Art und Weise seiner mechanischen Beanspruchung und
Umgestaltung sehr in Betracht kommen.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge.
297
Auch die bereits erwähnten nicht nntersiluri sehen, zu Griffeln
verwendbaren Schiefer scheinen ihre Structur durch wirkliche
Streckung erhalten zu haben. Mindestens ist dies für derartige
Schiefer des unteren Culm gewiss. Die bedeutendste Griffel-
gewinnung aus diesen Culmschiefern findet gegenwärtig im Rögitz-
thal etwas unterhalb Haselbach im Griffelbruch »Germania« statt.
Das Material ist hier, wie auch sonst bei den Culmschiefern, nicht
(ranz so weich als das der untersilurischen Griffelschiefer: im Uebri-
o
o-en stellen sich in dem Griffelbruch bei Haselbach die mechanischen
o
Einwirkungen, welchen das Gestein ausgesetzt gewesen ist, ebenso
dar wie in den Griffelbrüchen des Untersilur, was die folgenden
Bemerkungen noch etwas näher erläutern werden.
Die Schichtflächen bilden hier gewölbeartige Bogen, deren
Streichrichtung SW. — NO. mit einem Ansteigen NO.-wärts ist; die
Transversalschieferung fällt mit 45° nach N. 40° W. ; die Haupt-
klüftung mit 60° nach NO.; die Griffellage liegt etwa ebenso wie
die angegebene NO.-wärts ansteigende Streichlinie, was zugleich
wieder mit dem Durchschnitt von Schiefermur und Schichtung
stimmt. Eine grössere Zahl der in Gewölbe gelegten Schicht-
flächen ist auch hier durch zusammenhängende Krusten oder
Schwarten gekennzeichnet, welche aus härterer, mehr verworren
strnirter Thonschiefermasse mit sehr zahlreichen, concentrisch strah-
ligen, leicht zersetzbaren Schwefeleisen- (Markasit) knollen bestehen,
an welch' letzteren sich durchweg Ansätze von Faserquarz und
Gümbelit zeigen, ganz in der früher beschriebenen Weise.
Es ist wichtig zu bemerken, dass in nächster Nähe dieses
Griffelbruches ein zweiter Steinbruch in demselben dunkelblau-
schwarzen unteren Culm thonschiefer angelegt ist, wo die Schichten
ebenfalls Gewölbebiegungen in derselben Streichrichtung, nur nach
NO. etwas abfallend, bilden, nnd die Transversalschieferung eben-
falls ganz dieselbe Lage hat, wie in dem Griffelbruch, ohne dass
jedoch der Schiefer griflelig spaltet; er ist im Gegentheil früher
als Dachschiefer gebrochen worden. Diese günstigen Aufschlüsse
zeigen, wie lokal der Vorgang der Streckung aufgetreten sein kann,
und dienen zugleich als ausgezeichnete Beispiele für das auch
sonst oft zu beobachtende, bald plattige, bald griffelige Zerfallen
298
H. Loretz, über Transversalschieferung
ein und desselben Schiefers1). — In dem zweiten der genannten
Steinbrüche ist Faserquarzbildung nicht beobachtet worden.
Ausser den Krusten und Schwarten mit Markasitknollen
kommen in dem Griffelbruch, wie auch sonst so oft im unteren
Culmthonschiefer und auch dem Untersilurgriffelschiefer, Quarzit-
sphäroide (»Kälber«) vor, deren grösster, natürlich in der Schich-
tung liegende Durchschnitt bis 1 Meter erreichen kann; sie ent-
halten zahlreich eingesprengte Pyritwürfel. Sie werden von zahl-
reichen Quarzadern, resp. -lamellen und -platten durchsetzt, welche
grossentheils ein paralleles System, normal zur grössten Durch-
schnittsfläche bilden, doch finden sich auch vielfach solche in ganz
unregelmässiger Lage und Verwachsung; allem Anschein nach sind
diese Quarzmassen als secundäre Ausfüllungen von Rissen zu be-
trachten, welche bei der mechanischen Beanspruchung des Gesteins,
bez. dem Streckungsvorgang entstanden2).
Die durch Streckungsvorgänge hervorgerufene Griffel- und
Faserstructur, die wir in den letzten Abschnitten kennen gelernt
haben, ist eine besondere Art der » linearen Parallelstructur «3).
Als sehr verwandt mit dieser Art, als eine nur leichte, unvoll-
kommene Streckung; glaubten wir die feine Fältelung mancher
Schieferungsflächen ansehen zu können. Keineswegs jedoch ist
bekanntlich alle vorkommende lineare Parallelstructur auf diese
Weise entstanden. Mitunter ist sie ursprünglich4); und zu dieser
Q Auch in der Nähe von Lichtenhain (NO.- Winkel von Section Spechtsbrunn)
wird der untere Culmthonschiefer in einigen Brüchen als Griffelmaterial, nahe
dabei aber als Dachschiefer gewonnen.
2) Wenigstens die dünneren dieser Quarzadern zeigen Faserstructur, oder
stengelige Structur, quer zu ihrer Längenausdehnung. Der Quarz ist auch viel-
fach mit einem eisenhaltigen Carbonat verwachsen. Die Adern keilen sich oft
innerhalb des Sphäroids aus; sehr viele setzen aber ganz durch, sind jedoch nach
dem Innern des Sphäroids dicker als am Rand. Bei sehr vielen trifft es zu,
dass sie quer zu der oben angegebenen Streckrichtung stehen. — Die Pyritwürfel,
welche dem Quarzitsphäroid eingesprengt sind, zeigen sehr gewöhnlich eine zonale
Anordnung, conform der äusseren Oberfläche und näher an dieser als an der
Mitte des Sphäroids.
3) Vergl. Naumann, Lehrb. d. Geognosie, II. Aull., Bd. I, p. 432 ff.
4) Yergl. Naumann, 1. c.
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge.
299
letzteren dürfen wir auch sehr wahrscheinlich die feine parallele
Runzeln ng oder Fältelung rechnen, die anf den Schichtoberflächen
mancher Schiefergesteine, z. B. der mit feiner phyll bischer Sub-
stanz überzogenen, unterdevonischen Nereitenquarzite vorkommt1).
Noch etwas anders ist vielleicht die lineare Parallelstructur der
Phyllite und Qnarzphyllite zu beurtheilen; die genannte Structur
offenbart sich bei diesen Gesteinen darin, dass die feinen Phyllit-
lamellen, ganz abgesehen von ihrem innigen Anschmiegen an die
Unebenheiten der körnigen Gemengtheile (Quarz und Feldspath
z. Th.), durch die ganze Masse des Gesteins hindurch, soweit man
auch durch Spalten eindringt, eine in derselben bestimmten Rich-
tung verlaufende Fältelung zeigen. Es erscheint sehr fraglich, oh
hier in dem Maasse Streckungsvorgänge anzunehmen sind, als
jene Structur verbreitet ist; die Verbreitung derselben ist bei diesen
Gesteinen sehr gross, ohne dass griffeliges oder stengeliges Zer-
fallen, welches man von Streckungsvorgängen ableiten könnte, sich
sehr auffällig zu erkennen gäbe. Streckung mag hie und da nicht
ausgeschlossen sein, im Uebrigen aber diese lineare Parallelstruc-
tur doch wohl nur auf einen äussersten Grad von Eng- und Ivlein-
faltung durch Seitendruck hinauskommen, welche durch die be-
sondere mineralisch -physikalische Beschaffenheit dieser Gesteine
begünstigt wurde.
Bewegungen und ieobifdungen längs Schichtflächen.
Es ist bekannt, dass sich auf gewissen, durch Quetschungen
oder Pressungen erzeugten Sprüngen oder Ablösungsflächen der
Schiefergesteine öfters durch Verschiebung bewirkte Streifen und
andererseits auch secundäre Bildungen von Quarz und einem
Glimmermineral, letzteres als zusammenhängender Ueberzug vor-
finden; Bildungen, die von den primären Quarzlagen oder auch
-trümern zu unterscheiden sind und wahrscheinlich in dem Maasse
sich ausbildeten, als die Ablösungsflächen oder Klüfte sich ver-
) Vergl. Gümbel, Geog. Beschreib, d. Fiektelgeb. p. 645.
300
H. Loretz, über Transversalschieferung
grösserten. Derartigen Vorkommnissen begegnet man auch hie
o o o o
und da in den thüringischen Schiefergesteinen. Die gedachten
O Ö Ö
Flächen liegen meist in einer besonderen Richtung, abweichend
von Schichtung und Schieferung, und zeigen eben hierdurch die
Selbständigkeit besonderer Druckwirkungen, unabhängig von dem
transversal schieferndem Drucke an , wie wir schon wiederholt
Gelegenheit hatten zu bemerken.
Weniger häufig vielleicht sind Verschiebungen und Neubil-
dungen der genannten Art aufSchichtungsflächen beobachtet
worden. Gerade hierfür fanden sich in unserem Schiefergebirge
einige sehr deutliche Beispiele, bei welchen secundäre Quarz-
krusten und Parallelstreifung in der Richtung der Bewegung zu-
sammen auftretend zu sehen war. Ein besonders günstiger Auf-
schluss derart ergab sich gelegentlich im Griffelbruch am Fellberg
bei Steinach, demselben, aus welchem die Faserquarzbildung an
den Markesitknollen beschrieben wurde. Eine durch den Betrieb
freigelegte Schichtfläche war mit einer 1 — 2 Centimeter starken
Quarzkruste von augenscheinlich secundärer Entstehung überzogen;
die Kruste zeigte durch und durch eine parallelstengelige oder
grobfaserige Textur, nebst Verwachsung mit einem in höchst ge-
ringer Menge vorhandenen, fein faserigen Mineral (? Gümbelit).
Die durch die Lage der Faserung angezeigte Bewegungsrichtung
war eine andere als diejenige, nach welcher die Streckung und
Griffeluug des Schiefers stattgefunden hatte, und es zeigt sich
somit auch hier, dass nach verschiedenen Richtungen und wohl
zu verschiedenen Zeiten, Schiebungen und Bewegungen in der
Gesteinsmasse erfolgt sein müssen. \ In einem anderen hierherge-
hörigen Fall, welcher auf der Oberfläche einer Thonschieferschicht
im oberen Culm, unweit Steinach, beobachtet wurde, war der
Quarz der betreffenden Kruste durchaus mit feiner Thonschiefer-
masse verwachsen und das Ganze durch und durch parallel ge-
streift, so dass es aussah, als wenn in dem Maasse, als die schie-
bende und reibende Beweguung langsam voranschritt und Thon-
schiefertheilchen abtrennte, Quarz sich ansiedelte, mit letzteren
verwuchs, und zugleich, durch den Härteunterschied der beiderlei
Substanzen bedingt, die Streifung und Riefung zu Stande kam.
301
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge.
Solche Neubildungen zwischen ursprünglich dicht zusaminenliegen-
den Flächen beanspruchen offenbar zu ihrem Zustandekommen
einen gewissen Raum, und es ist deshalb anzunehmen, dass
während ihrer Entstehung ein so starker Druck, wie z. B. dei',
welcher der Schieferung und Streckung zu Grunde liegt, nicht
bestanden habe, nämlich nicht in der Richtung normal zu den
betreffenden Flächen.
Wir haben hier jene Systeme von Absonderungsflächen im
Auge, welche meist nach 1 bis 3 unter sich annähernd parallelen
Lagen geordnet in der Gebirgsmasse der Schieferschichten sich in
ebenso durchgreifender Weise allenthalben geltend machen, wie
jene anderen Absonderungen, die der ursprünglichen Schichtung,
und jene, die der secundären Schieferung entsprechen. In der
Thal ist diese, auch sonst so gewöhnliche und bekannte Klüftung,
oder Parallelklüftung, in unserem Schiefergebirge ebenso verbreitet,
wie die Transversalschieferung, wenn sie auch, wie letztere, nicht
durchweg mit gleicher Deutlichkeit und Schärfe ausgeprägt ist;
sei es , dass solche Unterschiede schon aus der Zeit ihrer Ent-
stehung herrühren, oder, wie wahrscheinlich, durch spätere mecha-
nische Einwirkungen, Zerrüttungen, Dislocationen und gegenseitige
Verschiebungen einzelner Theile des Gebirgskörpers gegen einander
noch vergrössert wurden.
In ihrer typischen Ausbildung schneiden die Kluftflächen
scharf und unbekümmert um Schichtung und Schieferung durch
den Gebirgskörper hindurch1); die Masse beiderseits ist dann
In den Griffel- und Dachschieferbrüchen werden manchmal grössere Kluft-
flächen freigelegt, die etwas abgetreppt aussehen; es scheint, dass dies durch ein
sich Verlieren einer Kluft und Abspringen ihrer Fortsetzung mit Beibehaltung
der Richtung zuwege gebracht wurde, in ähnlicher Weise wie manchmal eine
Verwerfung sich verliert und rechts oder links in derselben Richtung laufend,
wieder einsetzt. Mitunter verlaufen solche grössere Kluftflächen auch etwas wind-
schief statt eben.
ln den Lehestener Dachschieferbrüchen bezeichnet man die Absonderungs-
flächen der Parallel klüftung treffend als »Schnitte«.
302
H. Loretz, über Transversalschieferung
durch Verwitterung oder sonst chemisch so gut wie nicht verändert,
und meist auch nicht verschoben, auf der Kluftfläche selbst finden
sich höchstens nur dünne Lagen von Neubildungen, wie Oxyd-
hydrate und Quarz. In den Dachschiefer- und Griffelbrüchen
sind diese Klüfte dem Abbau ungemein nützlich, wenn sie nicht
zu gedrängt auf einander folgen. In letzterer Hinsicht, mit anderen
Worten, in der Zahl der Ablösungen auf eine gewisse Länge
normal zur Kluftrichtung herrscht allerdings sehr grosse Mannicli-
O Ö O
faltigkeit.
W as nun die Richtung oder Orientirung der Klüftung be-
trifft, so ist zunächst zu bemerken, dass in der Regel mehr als
ein System, meist 2 bis 3 Systeme, je unter sich paralleler oder
beiläufig paralleler Klüfte vorhanden sind, welche jedoch an Deut-
lichkeit und Schärfe der Ausbildung unter sich keineswegs gleich
zu sein pflegen; gewöhnlich dominirt ein System und macht sich
als Hauptkluftrichtung geltend, neben welcher strichweise auch
wohl noch ein zweites System zu annähernd gleicher Ausbildung
gelangt ist. Auf Grund sehr zahlreicher Beobachtungen kann nun
behauptet werden, dass für unser Gebiet durch alle Schiefersysteme
hindurch, von den ältesten bis zu den jüngsten, oder von der
phyllitischen Gruppe bis in den Culm, das Hauptklufstystem das-
jenige ist, welches quer zur allgemeinen, nordöstlichen Streich-
richtung der Schichten und Falten läuft, dessen Streichen also im
Allgemeinen SO. — NW. ist. Dabei zeigt jedoch die Lage dieser
Hauptkluftrichtung durchaus nicht jenen Grad von Constanz,
welcher der Transversalschieferung eigen ist, sondern ihre Streich-
linie weicht bald nach der einen, bald nach der anderen Seite,
bald mehr, bald weniger von der reinen SO. — NW. -Linie ab;
ähnlich verhält es sich bezüglich des Grades des Einfallens, welches
zwar in der Regel steil bis sehr steil, öfters saiger ist, dabei aber
strichweise nach SW., dann wieder nach NO. geneigt ist, und
mitunter auch wohl flacher werden kann; sogar in nächster Nähe
können in den genannten Beziehungen Schwankungen stattfinden,
so dass der Parallelismus der zu diesem System gehörigen Klüfte
nicht allenthalben sehr ausgeprägt ist. Immerhin tritt dieses
NW. — SO. orientirte Kluftsystem entschieden als das dominirende
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 303
auf. Das zweite und noch mehr das dritte derartige System
machen sich neben dem ersten meisthin nur untergeordnet geltend,
und zeigen dabei auch in sich selbst noch etwas weniger Regel-
mässigkeit; bezüglich ihrer Orientirung zum ersten lässt sich kein
durchgreifendes Cfesetz aufstellen. Oefters liegt neben der Haupt-
klüftung auch noch die Streichlinie einer zweiten Klüftung in dem
Quadranten NW. oder SO.
So wie die Klüftung uns entgegentritt, in der Schärfe und
Deutlichkeit des Durchschneidens durch das Gestein, kann sie nur
an einem völlig festen und versteiften Materiale entstanden sein,
welches Faltungs- und Schieferungsvorgänge schon durchgemacht
hatte, wenigstens darf dies von der vollkommeneren Parallelklüftung
behauptet werden. Unter den verschiedenen Theorien oder An-
schauungen über das Wesen der Parallelklüftung dürfte wohl die
Daubree 'sehe am meisten für sich haben. — Zu unterscheiden
sind von der Parallelklüftung bekanntlich jene weniger zahlreichen,
meist unregelmässiger verlaufenden Klüfte, an denen, ganz im
Gegensatz zu jener, Rutschungen und gegenseitige Verschiebungen
grösserer Gesteinskörper, verbunden mit Zerrüttung und chemischer
Zersetzung des anstossenden Gesteins, stattgefunden haben, so dass
die benachbarten Partieen nicht mehr ganz zusammen passen, und
sich nicht selten nach dem Gestein und dessen Zustand etwas
unterscheiden; obschon sehr verbreitet, sind solche Klüfte gewöhn-
lich nur an grösseren Aufschlüssen, z. B. in Steinbrüchen, deut-
licher zu beobachten; sie bilden schon den U ebergang zu den
grossen Dislocationsflächen und Verwerfungen, an denen sich ganze
Gebirgstlieile verschoben haben.
304
H. Loketz, über Transversalschieferang
Inhalt.
Seite
Vorbemerkungen. Gebiet. Transversalschieferung. Lineare Streckung.
Der Eintritt der Schieferung in seinem Verhältniss zu anderen Wir-
kungen desselben im Allgemeinen 258
Auftreten der Transversalschieferung im thüringischen Schiefer-
gebirge im Allgemeinen. Mit der Schieferung verbundene Erschei-
nungen. Verschiebende Bewegungen in der Ebene der Transversal-
schieferung, Fältelung auf Schieferungsflächen, Verwerfungen in der
Richtung der Schieferung. Ungleichheiten im Auftreten derselben . . 262
Auftreten der Transversalschieferung bei den einzelnen Systemen.
Transversalschieferung bei den Phylliten und Quarzphylliten ; gefaltete
Quarzbänder der letzteren. Transversalschieferung bei den cambrischen
Thonschiefern und Quarziten. Dieselbe bei den sibirischen Schichten,
besonders den Untersilurthonschiefern. Dieselbe bei den devonischen
Schichten , besonders den Knotenkalken des Oberdevon. Dieselbe bei
den unteren und oberen Culmschiehten. Rückblick 264
Richtung und Lage der Transversalschieferung. Abweichung der
Streichlinie der Transversalschieferung von der der Schichtung. Ein-
fallsrichtung der . ersteren. Orientirung der Transversalschieferung in
der Gegend von Gräfenthal etc. Bemerkungen dazu 278
Der untersilurische Griffelschiefer und seine lineare Streckung.
Allgemeines über den Griffelschiefer und seine Structur. Einlagerung von
Schwefeleisenknollen und -concretionen und Quarzitspharoiden. Faser-
quarz und Gümbelit an den Schwefeleisenknollen. Das Vorkommen
dieser Bildungen im Griffelbruch am Fellberg' bei Steinach näher be-
schrieben. Erklärung der secundären Entstehung des Faserquarzes
unter dem Streckungs Vorgang. Verwandte Bildungen, Richtung der
Streckung oder Griffellage zusammenfallend mit der Durchschnittslinie
von Schichtung und Transversalschieferung. Erklärungsversuch. Wesen
der linearen Streckung. Grösse der Verschiebung benachbarter Theilchen
hierbei. Ansehen im mikroskopischen Bild, nach Gümbel. Technische
Herstellung der Schreibgriffel 281
Sonstige Griffelschiefer und griffelig zerfallende Schiefer des
thürin g. Schiefergebirges. Griffelartiges Zerfallen überhaupt. Das-
selbe auch ohne Streckungsvorgänge. Gestreckte Griffelschiefer im
untern Culm, speciell im Griffelbruch bei Haselbach. Quarzitsphäroide
dieses Griffelschiefers; lokales Auftreten desselben. Lineare Parallel-
structur überhaupt 295
und verwandte Erscheinungen im thüringischen Schiefergebirge. 305
Seite
Bewegungen und Neubildungen längs Schichtflächen. Beispiele . . 299
Parallelkliiftung. Auftreten und Eigenschaften derselben. Lage der Klüf-
tungsrichtungen im thüring. Schiefergebirge. Sonstiges auf Klüftung-
bezügliches 301
Erklärung der Figuren.
Fig. 1. Felsen des oberdevonischen Knotenkalkes, transversal geschiefert.
Thal SW. hei Steinach (Section Steinheid). Schichtung in der
Richtung von unten nach oben, Schieferung in der Richtung von
links unten nach rechts oben. — Natürliche Höhe ca. 5 — 6 Meter.
— Zu Seite 273.
Fig. 2. ca. V6 der natürlichen Grösse. — Ein Stück von Figur 1 in
derselben Stellung, tr- Richtung der Transversalschieferung. Die
Reihen der (jetzt ausgewitterten) Kalkknollen sind durch die
Schieferung hie und da ein wenig verschoben, im Ganzen aber
noch gut erhalten und auch die einzelnen Knollen mit ihrer
Längsrichtung noch in der alten Lage. — Zu Seite 274.
Fig. 3. Ys der natürlichen Grösse. — Theil eines Handstückes von der-
selben Localität, in derselben Lage. — Zu Seite 274.
Fig. 4. Y21 der natürlichen Grösse. — Stück einer aus einzelnen Theil-
stücken zusammengesetzten Kalkplatte (Kalkknollenlage), wie sie
an der oberen Grenze des Oberdevon zwischen Thonschiefer
liegen, von oben gesehen. — Bei Steinach. — Zu Seite 275.
Fig. 5. Y25 der natürlichen Grösse. — Dieselbe Kalklage, wie in Fig. 4,
an einer anderen Stelle gesehen, wo sie durch die Transversal-
schieferung in ihre einzelnen knollenförmigen Theilstücke auf-
gelöst ist. — tr- Richtung der Transversalschieferung. — Zu
Seite 275.
Fig. 6. ca. Y40 der natürlichen Grösse. — Unterdevonischer Tentaculiten-
Knollenkalk, transversal geschiefert ss- Schichtung, welche nach
SSO. sehr steil einfällt, tr- Transversalschieferung, welche nach
WNW. steil einfällt. Die breiteren Streifen sind Kalk, die
schmäleren Thonschiefer. Bei Gräfenthal. — Zu Seite 272.
20
306 H. Loretz, über Transversalschieferung und verwandte etc.
Fig. 7. ca. Vio der natürlichen Grösse. — Ansicht eines Stückes einer
Schichtfläche im grossen Griffelbruch am Fellberg bei Steinach;
auf derselben liegen zahlreiche zu Rotheisen verwitterte Markasit-
knollen, an deren Enden sich Faserquarzbüschel in der Richtung
der Streckung oder Griffellage — ab — angesetzt haben. (Die
Faserquarzbüschel sind z. Th. etwas zu lang gezeichnet.) — Zu
Seite 285.
Fig. 8a und -b. Natürliche Grösse. — Ein kleiner und ein Fragment
eines grösseren, zu Eisenoxyd verwitterten Schwefeleisenknollen
von Fig. 7; der kleinere von aussen gesehen, der grössere durch-
brochen. m- Markasit, /-Faserquarz (zum Theil mit Gümbelit),
t h - Thonschiefer. — Zu Seite 285.
in Osttliüringen.
Von Herrn E. Dathe in Berlin.
Die paläozoischen Formationen des Fichtelgebirges, des öst-
lichen Thüringens und des Vogtlandes zeigen in ihrer Ausbildung,
sowohl in petrographischer und paläontologischer , als auch in
strati graphischer Hinsicht grosse Ueb er ein Stimmung. Diese Gleich-
heit oder wenigstens Aehnlichkeit besteht nicht nur in den sedi-
mentären Gesteinen und ihrer Petrefactentulirung, wenn auch der
Charakter beider sich local zuweilen ändert, sondern bekundet sich
auch in der petrographischen Beschaffenheit der mit ihnen verge-
sellschafteten Eruptivgesteine. Dass die basischen Eruptivgesteine,
namentlich die Diabase, sobald sie gleichalterig , also als Lager
zwischen bestimmten Formationsstufen eingeschaltet sind, auch in
den meisten Fällen in ihrer Zusammensetzung und Structur über-
einstimmen, ist ein wichtiges Resultat, das die Untersuchungen
von Gümbel und Liebe zu Tage gefördert haben und dessen
Richtigkeit ich nach meinen bisherigen Erfahrungen voll bestätigen
kann. Gümbel gründet bekanntlich auf diese von mancher Seite
noch nicht recht gewürdigten Thatsaclien seine Eintheilung der
Grünsteine, der Diabase und der Diorite. So sind beispielsweise
gewisse porpliyrische Diabase (Proterobase) von cambrischem, die
Paläopikrite von unterdevonischem und die Kalkmandeldiabase von
oberdevonischem Alter.
20*
308
E. Dathe, Diabas im Culm bei Ebersdorf in Ostthüringen.
Die Eruption der Diabase wird in den genannten Gebieten
von beiden Forschern mit der Ablagerung des Oberdevon als ab-
geschlossen betrachtet und das Auftreten von ächten körnigen
Diabasen in der nächst jüngeren Formation, dem Culm verneint.
Gümbel1) schreibt darüber: »Eigentliche Diabasgesteine durch-
brechen selbst die tiefsten Culmlagen nicht mehr und es sind nur
schmale, stets in Gängen aufsetzende glimmerreiche Gesteine, die
als Lamprophyr von dem Diabas abgeschieden wurden. Tuffe oder
Schalsteine sind damit nirgends verbunden.« Aelmlich spricht
sich Liebe2) aus, wenn er sagt: »Am Ende der Devonzeit fanden
die mit Eruptionen von Kalkdiabasen zusammenhängenden Bil-
dungen der so mächtigen hangenden Diabasbreccien statt — die
letzten Ergüsse von Grünstein im Gebiet.«
Die Kartirung der Section Lobenstein im südöstlichen Thürin-
gen, womit ich im Jahre 1881 beschäftigt war, hat indess ergeben,
dass der obige Erfahrungssatz zwar im Allgemeinen seine Richtig-
keit hat, dass jedoch auch ächter körniger Diabas noch in der
Culmformation gangförmig aufsetzen kann, wie dies in der Gegend
von Ebersdorf bei Lobenstein thatsächlich der Fall ist. Die Be-
gründung dieser Behauptung soll in den folgenden Zeilen in der
Weise geschehen, dass zunächst die geologischen Verhältnisse des
Schiclitencomplexes, in welchem das Gestein zur Eruption gelangt
ist, kurz beschrieben werden; sodann soll die petrographische Be-
schaffenheit der Felsart noch in Betracht gezogen werden.
Die Gesteine, welche die Culmformation in der Gegend von
Ebersdorf aufbauen, sind Thonschiefer, sogenannte Grauwacken
und Adinolschiefer. Ein einziges Mal, nordöstlich von Ebersdorf
an der Chaussee nach Saalburg (Section Hirschberg), wurden im
untersten Niveau auch dünne Lagen von Kieselschiefer im Culm-
thonschiefer beobachtet. Die Thonschiefer sind von grauschwarzer
Farbe, haben matten, wenig schimmernden Bruch und geringe
Härte und sind für das unbewaffnete Aime höchst feinkörnig.
Durch Beimengung von zahlreichen und bis hirsekorngrossen
*) Geognost. Beschreibung des Fichtelgebirges, pag. 528.
2) Die Seebedeckungen Ostthüringens, pag. 10.
E. Dathe, Diabas im Culm bei Ebersdorf in Osttluiringen.
309
Quarzkörnern in bestimmten Lagen entstehen sandige gebänderte
Schiefer, welche in reicher Abwechselung ausgebildet, den Ueber-
gang in die unter dem Namen Grauwacke zusammengesetzten
Gesteine vermitteln. Die Schichtung des Thonschiefers ist oft
durch die transversale Schieferung, welche die erstere unter ver-
schiedenen Winkeln schneidet, verdeckt. Die Grauwacken lassen
sich in Sandsteine und Conglomerate trennen, und besteht das
klastische Material der letzteren ausser einem bestimmten Antheil
von Schiefermaterial ans Bruchstücken und Gerollen von Kiesel-
schiefer, Quarzit, Feldspath, Quarz und mancherlei älteren Schiefer-
gesteinen. Die Adinolschiefer, wie solche am Gallenberge bei
Lobenstein, bei Schönborn und Unterlemnitz ausgebildet sind, ge-
hören immer dem tiefsten Niveau der Culmformation in dieser
Gegend an und sind wohl als aequi valente Bildungen der Culm-
kieselschiefer zu betrachten. Thonschiefer und Grauwacken, ebenso
Thonschiefer und Adinolschiefer sind durch vielfache Wechsellage-
rung mit einander verbunden; dabei sind namentlich die grob-
körnigen Grauwacken (Sandsteine) in höheren Stufen regelmässiger
anzutreffen.
Die Verbreitung und Lagerungsverhältnisse des als Culm be-
zeichneten Schiefersystems in der Umgebung von Ebersdorf sind
aber folgende. Im nordöstlichen Theile der Section Lobenstein
— Ebersdorf liegt auf der Grenze zwischen den Sectionen
Lobenstein und Hirschberg — herrschen die durch Wechsel-
lagerung von Thonschiefern und Grauwacken charakterisirten
Culmschichten, aus denen in schmalen Streifen an etlichen Punkten
oberdevonische Schichten und zwar Knotenkalke, Kalkdiabase,
Diabastuffe und gelblichgraue Schiefer (Cypridinenschiefer?) her-
vortreten. Culm und an einigen Stellen Oberdevon greifen bei
Lobenstein discordant auf eine grosse Strecke in der Richtung
von SO. nach NW. über camb rische Schichten; zwischen Culm
und den oberdevonischen Schichten ist in der betreffenden Gegend
jedoch eine gleichförmige Ueberlagerung zu constatiren. Oestlich
von Lobenstein und Ebersdorf gelangt man bald an die Grenze
der Culmformation, welche auf das Oberdevon daselbst gleichfalls
in concordanter Stellung folgt. Die Grenzlinien zwischen beiden
310
E. Dathe, Diabas im Culm bei Ebersdorf in Ostthüringen.
Formationen hält beinahe eine rein südnördliche Richtung ein und
fällt dieselbe bereits in dem grössten Theile ihres Verlaufes auf
die östlich anstossende Section Hirschberg. Nördlich von Ebers-
dorf und der Section Lobenstein nimmt die Verbreitung der Culm-
formation zu und scheint dieselbe sich über den grössten Theil
der Section Liebengrün auszubreiten. —
Da nun einerseits wohl charakterisirte Schiefergesteine, die
mit solchen aus bekannten versteinerungsführenden Culmschichten
Ostthüringens übereinstimmen, vorhanden sind, andererseits auch
direct gleichförmige Lagerung über oberdevonischen Schichten
zu beobachten ist, so ist es wohl über allem Zweifel erhaben, dass
die Schichten von Ebersdorf zur Culmformation und zwar zu
deren unteren Abtheilung gehören.
Die grosse horizontale Verbreitung der Formation in diesem
Bezirk lässt aut den ersten Blick eine bedeutende Mächtigkeit der-
selben vermuthen; indess ist dies nur scheinbar der Fall. Die
öftere Wiederkehr von gewissen Culmgrauwacken und der Adinol-
schiefer an verschiedenen nicht im Streichen liegenden und von
einander ziemlich entfernt auftretenden Punkten, drängt zu der
Annahme, dass die Culmschichten der Gegend von Lobenstein-
Ebersdorf zu zahlreichen Sätteln und Mulden zusammengeschoben
sind. Durch diesen Umstand und die starkwirkende Erosion ist
zugleich die Blosslegung von den oben erwähnten oberdevonischen
Schichten leicht erklärlich. Das durchschnittliche Streichen der
Culmschichten verläuft von SW. nach NO.
Westlich von Ebersdorf wurden in den beschriebenen Culm-
schichten bei der Kartirung der Gegend zuerst grosse und zahl-
reiche Diabasblöcke nördlich vom Dorfe Schönborn aufgefunden,
die, wie die weiteren Untersuchungen an Ort und Stelle ergaben,
einem dort aufsetzenden, meist aber oberflächlich zu einem gelb-
lichen Lehm verwitterten Diabasgange angehören. Bei einer nach-
gewiesenen Länge von circa 500 Schritt verbreitert sich der Gang
nach Süden zu bis zu 250 Schritt. Blöcke desselben Gesteins
wurden in nordwestlicher Richtung in der Flur von Friesau, ausser-
dem an drei anderen Punkten ermittelt, deren Erstreckung gleich-
falls mehrere hundert Schritt beträgt. Das nördlichste bis jetzt
E. Dathe, Diabas im Culm bei Ebersdorf in Ostthüringen.
311
constatirte Vorkommen greift noch auf die nördlich anstossende
Section Liebengrün in einer Länge von 500 Schritt über und ist
die Fortsetzung des Ganges in nordwestlicher Richtung noch nicht
gänzlich ausgeschlossen. Die Mächtigkeit des Ganges an den
letzteren Punkten ist augenscheinlich nicht beträchtlich und beträgt
wohl höchstens 1 Meter. Südwestlich von Ebersdorf wurde das-
selbe Diabasgestein bei Polilig’s Haus in einem Hohlwege in einer
Breite von 10 Metern recht gut aufgeschlossen gefunden. Die
Entfernung des bis jetzt bekannten nördlichsten und des südlich-
sten Punktes von einander beträgt über 7000 Schritt, also beinahe
3/4 Meilen. Da nun die fünf Ausstriche des Gesteins in einer
Linie hintereinander liegen, welche die Richtung SO. — NW. besitzt,
die Culmscliichten aber, wie oben bemerkt, NO. — SW. streichen,
so gehören sie unzweifelhaft einer einzigen Gangspalte an, welche
die Culmschichten ziemlich rechtwinkelig schneidet. Das Alter
des betreffenden Diabases ist demnach jünger als oberdevonisch;
doch lässt sich dasselbe, obwohl seine Eruption kurz nach Absatz
der Culmschichten wahrscheinlich ist, nicht noch näher bestimmen;
eine Abgrenzung betreffs des Alters nach oben muss geradezu als
unthunlich bezeichnet werden.
Der Diabas erweist sich bereits bei makroskopischer Betrach-
tung als ein deutlich körniges Gestein, in welchem die 1,0 — 1,5
Millimeter langen und schmalen 0,25 — 0,50 Millim. breiten Leisten
des Plagioklases und die schwarzen Augitkörner gleichmässig ver-
theilt sind. In manchen Handstücken ist der Augit auch noch in
etwas grösseren, 1 — 2 Millimeter langen Säulchen spärlich ver-
theilt, die im Verhältniss zu den übrigen Gesteinsgemengtheilen
fast porphyrisch hervortreten. In wechselnder Menge ist Eisen-
kies, theils in feinsten Pünktchen, theils in bis zu erbsengrossen
und kugelrunden Körnern eingesprengt. Auffallend ist die leichte
Verwitterbarkeit des schwärzlichgrünen Diabasgesteins. Das Aus-
gehende des Ganges ist überall bis zu beträchtlicher Tiefe (bei
Pohlig’s Haus, südlich von Ebersdorf 2 — 3 Meter) zu einem gelb-
lichbraunen Lehm zersetzt, in dem faust- und kopfgrosse, aber
auch noch grössere Blöcke zurückgeblieben sind. Sämmtliche
Blöcke sind entweder kugel- oder länglichrund. An ihrer Ober-
312
E. Dathe, Diabas im Culm bei Ebersdorf in Ostthüringen.
fläche sind sie mit einer 2 — 5 Centimeter starken Verwitterungs-
kruste bedeckt, die in zahlreiche 2 — 3 Millimeter dicke, concen-
trisch über einander liegende Schalen zerfällt. Manche der faust-
grossen Blöcke bestehen lediglich aus der graubraunen V erwitterungs-
masse, welche beim Schlagen mit dem Hammer in unzählige Schalen-
fragmente zerschellt. Die Erscheinung der kugeligschaligen Ab-
sonderung in Folge von Verwitterung und der Zersetzung in Lehm
theilt unser Diabas mit den gleiclialterigen Lamprophyren.
Von den Hauptgemengtheil eu der Felsart, Plagioklas und
Augit, überwiegt der erstere den letzteren in der Weise, dass nach
genauen Schätzungen an Dünnschliffen Plagioklas und Augit sich
verhalten wie 3:2. Die schmalen Plagioklasleisten sind theils als
einfache Zwillinge , theils als Viellinge vorhanden und letztere
zeigen zum Theil eine Zwillingsverwachsung nach dem Albit- und
Periklingesetz. Nach ihrer chemischen Zusammensetzung scheinen
die Plagioklase mehreren Mischungen anzugehören. So wurden
mehrfach einfache Zwillinge gemessen , welche beiderseits der
Zwillingsgrenze bei 14, 15 und 16 Grad; andere die bei 4, 5
und 2 Grad auslöschen; sie werden demnach wohl meistens
der Oligoklasreihe zugehören. An anderen Durchschnitten ergab
die Messung Werthe von 30 — 32 Grad; die somit Labrador an-
zeigen.
Vollständig frische Krystalle sind wenig zugegen; es macht sich
fast an allen die Zersetzung und zuweilen iu recht hohem Maasse
bemerklich. Die bekannten grauen weisslichen Körnchen und
Fäserchen, die bei gekreuzten Nicols die eisblumenähnliche Structur
zu erkennen geben, siedeln sich auf Spalten, Zwilliugsebenen bis tief
ins Innere der Krystalle an. In diesem Gemisch, das vermuthlich in
der Hauptsache aus muscovitälm liehen Gebilden besteht, lassen sich
noch zahlreiche kleine Kalkspathflimmerchen erkennen, welche
sich in Salzsäure leicht lösen, während die Hauptmasse selbst in
heisser Salzsäure unverändert bleibt. Die Zuführung vou chlo-
ritischen Gebilden geschieht namentlich in der Nachbarschaft von
stark zersetztem Augit und häufen sich dieselben besonders in
der äusseren Zone der Feldspatlie an. Eine Bildung von Pistazit-
in den Plagioklasen konnte nicht nachgewiesen werden.
E. Dathe , Diabas im Culm bei Ebersdorf in Ostthüringen.
313
Der Augit ist nie in wohl umgrenzten Durchschnitten zu
beobachten; er bildet vielmehr mehr oder minder lange und
schmale Leisten, seltener keilartige oder rundliche Krystalldurch-
schnitte. Augitzwi Hinge nach dem bekannten Gesetz und knäuel-
artige Verwachsungen von mehreren Individuen in verschiedenen
Ebenen sind seltener angetroffen worden. Die Augitdurchschnitte
sind fast farblos oder sie besitzen einen Stich ins Röthliche; sie
zeigen neben der prismatischen Spaltbarkeit auch solche nach der
Längsfläche. Die Auslöschungsschiefe beträgt 30 — 45 Grad. Eine
Verwachsung mit primärer Hornblende wurde einige Male am
Augit wahrgenommen.
Die Alteration der Augitsubstanz hebt entweder an den Rän-
dern der Durchschnitte an, oder beginnt in der Mitte des Krystalls,
wobei im letzteren Falle die Bildung von Spalten indess voraus-
gegangen sein muss. Die am Augite so interessanten Zersetzungs-
erscheinunsren schlaffen bei den Culmdiabasen verschiedene Rieh-
o o
tungen ein. Bei vielen Augiten besteht das erste Stadium der
Umwandlung in der Bildung von Hornblende. Im gewöhnlichen
Lichte lichtgrün, zeigt sie einen Dichroismus zwischen licht-
und dunkelgrün. Die Auslöschungsschiefe der etwas gefaserten
Hornblendesubstanz beträgt 16 — 20 Grad. Ein Auflösen des
Augits in schilfähnliche oder spiessige Hornblendenadeln, wie das
sonst hei manchen Diabasen vorkommt, fehlt. Schreitet die Zer-
setzung des Augits von den Rändern nach dem Innern fort, so
ist in der Regel die neue Zersetzungspartie zwar auch wiederum
Hornblende, doch deren äussere Randzone zerfällt bereits wieder
in faserige und schuppige, zuweilen auch recht homogene Um-
bildungsproducte, die indess die Auslöschung der Hornblende nicht
mehr besitzen, sondern parallel der Nicolhauptschnitte auslöschen
oder Aggregatpolarisation zeigen.
Die begonnene Umbildung des Augits in Uralit wird somit
auf halbem Wege unterbrochen; es ist in diesem Gestein nie ein
vollständig zersetzter Augit nur aus Hornblende zusammengesetzt
gefunden worden. Im Gegentheil, die vollkommenen Pseudomor-
phosen nach Augit zeigen entweder radialstrahlige , faserige und
schuppige grünliche Gebilde, die, da sie sich meist schon in kalter
314
E. Dathe, Diabas im Culm bei Ebersdorf in Ostthüringen.
Salzsäure auf lösen, vorzugsweise aus Chlorit bestehen, oder sie
sind ein grünliches, ziemlich homogenes und nur wenig gefasertes
Mineral. Die Auslöschung des letzteren erfolgt parallel seiner
Faserung, sein Dichroismus ist schwach. Es wird von Salzsäure
auch nach längerer Behandlung, wobei sich aller Kalkspath
und Chlorit gelöst hatte, nur etwas gebleicht, aber nicht zer-
setzt. Rosenbüsch1) erwähnt im Kapitel über Diabase diese
Pseudomorphose nach Augit; er fügt hinzu, dass sie im sel-
bigen Verhältniss zum Augit zu stehen scheine , wie der
Bastit zum Enstatit, und er vermuthet sogar in derselben selbst
Bastit. Nach meinen Beobachtungen möchte ich letztere An-
nahme für das Wahrscheinlichste halten; der Bastit würde aber
nur ein Zwischenstadium für die weitere Zersetzung in Ser-
pentin bilden; eine Möglichkeit, die durch das Vorhanden-
sein von Pikrolith auf Diabasklüften auch makroskopisch ge-
stützt wird.
Neben den im Vorhergehenden geschilderten Zersetzungsvor-
gängen am Augit ist die directe Bildung von Chlorit aus dem-
selben wohl am häufigsten ; sie erfolgt in der so oft beschriebenen
Weise und liefert faserige und schuppige Chloritpartieen, die oft
auch radialstrahlig gestellt sind.
Als weitere Producte gehen aus der Zersetzung des Augits
pulverförmige Eisenerze (Magneteisen) hervor, wie dies von mir
zuerst beschrieben worden ist2); ferner Kalkspath, der theils in
feinen zierlichen Flimmern sich zwischen Chlorit, Hornblende,
Bastit? vertheilt, oder in rundlichen Körnern mit Zwillingsver-
wachsung nach — Y 2 R. ausgeschieden ist. Die Kieselsäure, welche
bei der Augitzersetzung frei wird, erscheint entweder in der Ge-
stalt von Quarz in rundlichen oder scharf begrenzten Krystall-
durchsclmitten ausgebildet, oder in radialstrahligen , feinfaserigen
Gebilden, welche bei gekreuzten Nicols ein schwarzes Interferenz-
kreuz geben. Letztere Bildung scheint dem Chalcedon anzuge-
hören. Quarz und Chalcedon sind stets vergesellschaftet mit
1) Physiographie der massigen Gesteine, pag. 331.
3) Zeitschrift der Deutschen geol. Gesellschaft 1874, pag. 14.
E. Dathe, Diabas im Calm bei Ebersdorf in Osttliürmgen.
315
Kalkspath und Chlorit und ist ihre secundäre Entstehung dadurch
bewiesen.
Ein geringer Theil von Quarzkörnchen in diesen Diabasen
ist aber auch primärer Entstehung; es sind diejenigen, welche
zwischen noch verhältnissmässig frischen Augiten und Plagioklasen
keilförmig eingeklemmt sind.
Von den Erzgemengtheileu ist neben dem secundären Magnet-
eisen Titaneisen und Eisenkies zugegen. Beide letzteren sind,
da beide noch recht frisch, schwer zu unterscheiden; die feine
Durchlöcherung des Eisenkieses giebt jedoch bei der mikroskopi-
schen Untersuchung hierfür noch einigen Anhalt. Eisenglanz
kommt zahlreich in wohlbegrenzten winzigen Blättchen an manchen
Stellen recht häufig vor; es scheint fast, da ihre Zahl zwischen
den anderen Zersetzungsproducten des Gesteins sich mehrt, ihre
secundäre Entstehung gleichfalls wahrscheinlich zu sein. Apatit
ist spärlich in den Diabasen des Culms von Ebersdorf vertreten.
Die Structur der Diabase ist eine rein krystalline; denn irgend
welche amorphe Zwischenklemmungsmasse wurde in denselben
nicht beobachtet. Die richtungslos körnige Structur herrscht im
Allgemeinen vor; doch macht sich an manchen Handstücken und
Präparaten auch eine Andeutung zur kugeligen Gruppirung von
Plagioklas und Augit geltend. Bereits makroskopisch spricht sich
das Gefüge dadurch aus, dass namentlich die Plagioklase in stern-
förmigen Gruppen an einigen Vorkommnissen zu erkennen sind.
Besonders charakteristisch und zahlreich zeigt diese Aggregation
ein Handstück von Friesau, an welchem 1 Millimeter lange Feld-
spathleisten zu vier-, fünf- und sechsstrahligen Sternchen ver-
einigt sind. U. d. M. macht sich das radialstralilige Gefüge gleich-
falls geltend, indem man zugleich bemerkt, dass Augitsäulchen
zwischen derartigen mehr oder weniger sternförmigen Plagio-
klasleisten sich einldemmen und an der kugeligen Bildung theil-
Ö O O
nehmen. Manchmal giebt der Augit die Tendenz zu dieser Aggre-
gation; so bildet er in einigen Präparaten (Friesau und Schönborn)
einige Male recht regelmässige vierstrahlige Sterne, zwischen deren
Strahlen sich Plagioklasnädelchen und Erzgemengtheile einfügen.
Die Plagioklase und Augite zeigen nach den Enden, welche sich
316
E. Dathe, Diabas im Culm bei Ebersdorf in Ostthüringen.
im Centrum treffen, eine keilförmige Zuspitzung. Vollendete
Sphärolithe, wie sie so schön bei den Varioliten des Vogtlandes,
namentlich in denen von Wurzbach, welche ich erst neuerdings
aufgefunden und demnächst eingehender behandeln werde, Vor-
kommen, sind es nicht; denn zur Bildung dieser ist augenschein-
lich das Gestein noch zu körnig; doch die Tendenz zu solcher
Bildung ist in den Diabasen des Culm von Ebersdorf entschieden
vorhanden.
Die Stellung im System verweist diese Diabase zu den Dia-
basen schlechthin ; der wenige primäre Quarzgehalt, sowie die noch
seltenere primäre Hornblendeführung berechtigen noch nicht, dies
Gestein zu den Proterobasen zu ziehen.
Gletscliererscheiiiuugeii
im Frankenwalde und vogtländisclien Berglande.
Von Herrn E. Dathe in Berlin.
Die Bildung des norddeutschen Diluviums hat man bis in die
jüngste Zeit heran durch die Drifttheorie zu erklären versucht.
Eine Anzahl von wichtigen Beobachtungen, welche innerhalb der
letzten fünf Jahre in diesem Gebiete gemacht wurden, hat indess
einen Theil der norddeutschen Geologen bewogen , jene Theorie
aufzugeben und einer neuen, der Glacialtheorie sich zuzuwenden,
also derjenigen Theorie, welche die Entstehung des nordischen,
speciell auch des norddeutschen Diluviums auf eine allgemeine
Vergletscherung dieser Landstriche, welche von Skandinavien und
Finnland ausging, zurückführt. Den Geschiebelehm mit seinen
geschrammten und gekritzten Geschieben von nordischer und ein-
heimischer Herkunft deutet man als Grundmoräne des gewaltigen
und wohl mehrere hundert Meter mächtigen Inlandeises; während
man in der gerundeten und geschrammten Oberfläche vieler Felsen,
welche im Bereiche des Diluviums an vielen Orten (Rüdersdorf,
Wurzen, Taucha, Kleinsteinberg, Halle, Lommatzsch, Velpke) auf-
gefunden worden sind, gleichfalls die Wirkungen desselben Phä-
nomens erblickt. Die südliche Grenze des Diluviums in Nord-
deutschland, welche von Holland aus durch Deutschland am Fusse
der mitteldeutschen Gebirge in ziemlich gebogener Linie von West
nach Ost entlang verläuft und bis zu einer Meereshöhe von 440
Meter (Erzgebirge) aufsteigt, ist nach der Glacialtheorie zugleich
318
E. Dathe, Gletscherersclieinungen
die Grenze der grössten Ausdehnung des Inlandeises, welches
jene Gebirge, also die Sudeten, das Riesengebirge, das Erzgebirge,
den Frankenwald, den Thüringerwald und den mehr nördlich ge-
legenen Harz demnach nicht erstiegen hat.
Wenn aber nach der Glacialtheorie eine so grossartige Eis-
bedeckung Norddeutschlands einst stattgefunden hat,_ so muss noth-
wendigerweise in allen den oben genannten Gebirgen, welche eine
beträchtliche Ausdehnung und Erhebung besitzen, das Klima auf
lange Zeit ein so niedriges und feuchtes gewesen sein, wie solches
in arktischen Regionen der Erde noch jetzt herrscht.
Diese Beschaffenheit des Klimas zu jener Zeit bedingt aber,
dass der als atmosphärischer Niederschlag in den Gebirgen ange-
häufte Schnee die Form des Firns angenommen haben wird, wo-
mit zugleich die Bedingungen zur Bildung localer Gletscherströme
gegeben waren.
Von der Richtigkeit dieser Schlussfolgerung seit Jahren über-
zeugt , lenkte ich bei den geologischen Aufnahmen in Ost-
thüriimen in den beiden letzten Jahren mein Augenmerk auf alle
diejenigen Erscheinungen, welche als Spuren des Glacialphänomens
gedeutet werden konnten. Schon in den ersten Monaten meiner
dortigen Thätigkeit glückte es mir, Pfingsten 1880 bei Saalburg
die ersten Glacialspuren aufzufinden, wozu im vergangenen Jahre
sich noch weitere Beobachtungen bei Wurzbach gesellt haben.
Es liegt nahe, die Gletschererscheinungen in Ostthüringen nach
ihren einzelnen Localitäten zu betrachten und zuletzt die sich
daraus ergebenden Schlüsse zu ziehen. — Wir beginnen die Be-
Schreibung mit dem Wurzbacher Vorkommen.
Wurzbach liegt im nördlichen Theile des waldreichen Mittel-
gebirges, welches den Thüringerwald und das Fichtelgebirge in
der Richtung von Südost nach Nordwest verbindet und das der
Frankenwald genannt wird. Dieses Gebirge ist durch zahl-
reiche und langausgedehnte Bergrücken, welche eine geringe
Breite besitzen und durch tiefe, steilgeböschte Thäler von einander
getrennt sind, charalrterisirt, Seine Stellung als Mittelgebirge
bringt es mit sich, dass seine Erhebungen über dem Meeresspiegel
diejenigen der beiden genannten Gebirge nicht ganz erreichen;
im Frankemvalde und vogtländischen Berglande.
319
doch kommen sie der Durchschnittshöhe der meisten mitteldeutschen
Gebirge immerhin ziemlich nahe, wie aus den folgenden Angaben
ersichtlich wird. Die wichtigsten Höhenpunkte im Frankenwalde
sind folgende: der Rennsteig bei Tettau (1819')1), der Culrn bei
Lehesten ( 1 900 ' ) , Osslahügel bei Ossla ( 1 800 ' ) , Rodacherbrunn
(1810'), der graue Berg (1808'), der Vogelberg (1800'), der »Fels«
(1875’) — die letzteren drei bei Wurzbach gelegen — , der Lerchen-
hügel bei Heinersdorf (1817 '), der neue Berg bei Neundorf (1 770'),
der Sieglitzberg bei Lobenstein (1878'), der Culmberg bei Schlegel
(1900') und der Krähenhügel bei Schlegel (1742,5').
Die Menge der atmosphärischen Niederschläge ist in diesem
Gebirge noch jetzt eine ansehnliche. Ein grosser Tlieil derselben
und zwar aus dem mittleren Theile des Frankenwaldes werden
durch die Loquitz und Sormitz der Saale zugeführt. Die Sormitz
entsteht aus der Vereinigung von acht Bächen, die in verschie-
denen Richtungen der Windrose aus den Wäldern des Franken-
waldes bei Wurzbach Zusammentreffen. Zwischen Wurzbach und
dem südöstlich von demselben liegenden Höhenrücken, dem »Fels«
findet sich in der Umgebung; der sogenannten Ziegelhütte eine
Ablagerung von Geschiebelehm , welcher , wie die folgenden
Zeilen ergeben werden, eine glaciale Bildung zugeschrieben wer-
den muss.
Zur besseren Beurtheilung der Lage des Vorkommens ist um-
stehendes Höhenprofil, Maassstab 1 : 25000 entworfen worden.
Geht man von Wurzbach, also aus dem Sormitzthale, dessen Thal-
sohle 1400' über dem Meeresspiegel liegt, nach O. den 1800 Schritt
weiten Weg zur Ziegelhütte, so steigt man die ersten 1300 Schritte
allmählich, aber stetig aufwärts bis zur Höhencurve 1625'; von da
ab mindert sich die Steigung des Terrains bis zur Ziegelhütte,
denn sie beträgt auf 500 Schritte nur 50’, so dass eine ganz flach
geböschte Stufe im Terrain entsteht, die sich nördlich und südlich
der Ziegelhütte auf viele hundert Schritte ausdehnt. Diese Terrain-
stufe erscheint fast als eine ebene Hochfläche, die nach S. ganz
1) Die Höhen in preussiscken Decimalfussen angegeben. 1 preuss. Decimal-
fuss = 1,2 preuss. Fuss (0,31385 Meter) = 0,37662 Meter.
320
E. Datiie, Gletschererscheinungen
allmählich sich nach dem Querenbachthale
senkt und zwar auf 800 Schritt um 100';
nördlich von der Ziegelhütte verbreitet sich
dieselbe nach O. und W. und erstreckt sich
gleichfalls noch viele hundert Schritte weit.
Auf dieser ziemlich ebenen Hochfläche ist
nun die fragliche Glacialbildung in derselben
Ausdehnung abgelagert worden. Ihre Länge
beträgt circa 1500 Schritt bei einer Breite von
circa 500 Schritt. Ehe wir nun diese inter-
essante Localität näher betrachten, mag noch
erwähnt werden, dass das von der Ziegel-
hütte nach SO. gelegte Höhenprofil bis zum
»Eels« eine starke Steigung des Terrains an-
zeigt, die auf eine Länge von 1200 Schritt
sich auf 200’ beläuft, da der »Fels« eine
Höhe von 1875' erreicht.
Die Gruben der Ziegelhütte bei Wurz-
bach, welche nördlich und südlich derselben
und am Wege nach dem Dorfe Helmsgrün
liegen, erschliessen gerade den mittleren Theil
der
ganzen Ablagerung.
Durch den lam
jährigen Abbau sind die Aufschlüsse recht
ansehnliche geworden ; denn die nördlichen
Gruben haben eine Längte von 75 Schritt bei
gleicher Breite, und das südliche Gruben-
feld hat eine Länge von 100 Schritt bei einer
Breite von 60 — 90 Schritt. Beim Eintritt in
die Aufschlüsse fallen sofort zweierlei Schich-
ten dem Beobachter in die Augen ; eine
obere mit zahlreichen Blöcken erfüllte Lelnn-
ablagerung (5) und eine untere, welche keine
Spur von solchen aufweist. Die untere Partie besteht aus einem
ockergelben Lehm (a), welcher aus der Verwitterung von daselbst
anstehenden Diabasmassen der Devonformation hervorgegangen ist.
Lediglich dieser Verwitterungslehm, der freilich wegen starken
im Fraukenwalde und vogtländisclien Berglande.
321
Wasserzutritts nur bis 1 Meter tief abgebaut wird, wird zur Ziegel-
fabrikation gewonnen, während die überlagernde 1,30 Meter, an
manchen Stellen auch 1,50 Meter mächtige Schicht wegen ihrer
grandigen Beschaffenheit entweder gar nicht oder nur theilweise
dazu verwandt werden kann. Von den Lagerungsverhältnissen und
sonstigen Eigenthümliclikeiten der ganzen Ablagerung giebt folgender
Holzschnitt aus einer der südlichen Gruben ein getreues Bild.
Jeder Geologe wird in der mehrfach schon erwähnten oberen
Partie des Aufschlusses einen typischen Blocklehm erkennen. Der-
selbe ist grau- bis ockergelb und in seinen lehmigen Bestandtheilen
ungemein plastisch ; es ist kaum zweifelhaft, dass der grös-
sere Theil seiner feinerdigen Lehmmassen der Verwitterungsschicht
der Diabase entstammt. Als achter Blocklehm ist er erfüllt von
zahlreichen Blöcken und noch zahlreicheren Schiefergeschieben,
die in die lehmige Zwischenmasse gleichsam eingeknetet worden
sind. Die Vertheilung der Geschiebe, sowohl der grösseren Blöcke
als auch der kleinsten Geschiebe im Lehm ist eine ganz unregel-
mässige ; viele derselben stehen entweder senkrecht oder mehr oder
weniger schief geneigt auf einer ihrer schmalen Kanten. Eine An-
deutung von irgend welcher Schichtung fehlt der ganzen Lehm-
ablagerung durchaus; regellos, wie die kleine Skizze lehrt, sind
grosse und kleine Geschiebe darin vertheilt.
Nach ihrem Material sind die Geschiebe tlieils paläozoische
Schiefergesteine, theils Diabase. Am vorherrschendsten von den
Schiefergesteinen sind schwarze unterdevonische Schiefer und die
Nereitenquarzite; denn diese Schichten stehen östlich bis zum
»Fels«, überhaupt in der Umgebung der Ziegelhütte an. Auch
die in der Nähe, nach Süden auftretenden Culmschiefer und Grau-
wacken bilden noch einen ziemlich ansehnlichen Procentsatz der
21
322
E. Dathe , Gletschererscheinungen
Geschiebe. Seltener sind die schwarzen glimmerreichen untersilu-
rischen Schiefer, die mittelsilurischen Schiefer (Lydit) und die
cambrischen Schiefer und Quarzite darin enthalten. Ihr Vorhanden-
sein ist deshalb so interessant und wichtig, weil ihr nächster be-
kannter Fundort jenseits des »Fels«, also weiter nach O. in der
Nähe des Dorfes Helmsgrün sich vorfindet. Auf die Bedeutung
dieses Umstandes soll weiter unten zurückgekommen werden. Die
Diabase entstammen, soweit sich das ermitteln liess, vorzugsweise
aus dem nach Südost sich ausdehnenden Unterdevon ; es sind die
grobkörnigen Varietäten (unterdevonischer Hauptdiabas), sowie der
Epidiorit, welcher am »Fels« ansteht, unter denselben mit Leichtig-
keit wieder zu erkennen ; auch fehlen Diabastuffe nicht gänzlich.
Die Grösse der Geschiebe ist eine höchst verschiedene. Die
Diabase kommen in Blöcken vor, die nach genauen Messungen
bis zu 0,8 Kubikmeter halten; auch devonische Schiefergerölle er-
langen eine Grösse, welche bis zu 0,4 Kubikmeter aufsteigt.
Kleinere Dimensionen sind häufiger und zahllos sind die kleinen
kaum Decimeter langen und Centimeter breiten Schieferstücke.
Das Verhältniss zwischen Geschieben und den sie beherbergenden
Lehmmassen ist 1 : 1,5; während das Verhältniss der Schiefer
zum Diabas ungefähr 10 : 2,5 betragen mag.
Wenden wir uns schliesslich zu dem wichtigsten Punkte der
ganzen Frage, nämlich zu der Beschaffenheit der Oberfläche der
Geschiebe. Bei Durchmusterung derjenigen Blöcke, welche infolge
des Abbaues in grossen Haufen in den Gruben umherliegen, fällt
dem Beobachter sofort auf, dass die Mehrzahl derselben an ihren
Kanten mehr oder minder gerundet sind, vielfach sind gleichzeitig
ihre Flächen ziemlich glatt geschliffen, so dass man auf denselben
keine auffallende Rauhigkeit bemerkt. An anderen Blöcken hin-
gegen sind mehrere Flächen noch vollständig uneben und höckerig,
während nur an einer oder zwei eine Polirung sich kenntlich
macht. Die weicheren Schiefer sind im Grade der Abschleifung
durchgängig weiter vorgeschritten und meist recht glatt polirt.
Bei einer grossen Anzahl von Schiefergeschieben, welche mit der
grössten Vorsicht aus dem Blocklehm herausgenommen wurden,
zeigten sich auf der glatten Oberfläche nicht nur deutliche Kritzer,
im Franken w.ilde und vogtländisclien Berglande.
323
sondern auch Schrammen, welche unter sich vollkommene Paralle-
lität bei geradlinigem Verlauf besitzen. Bei etlichen geschrammten
Geschieben sind gleichzeitig zwei Systeme von Schrammen zu be-
merken, welche sich unter spitzem Winkel schneiden. Ein grosser
Tlieil der Geschiebe besitzt somit eine Beschaffenheit, wie man
solche an den Scheuersteinen der Moränen zu sehen gewohnt ist
und wie solche gleichfalls an den Geschieben von nordischer und
einheimischer Herkunft in den norddeutschen Geschiebelehmen
schon längst bekannt sind. Es sind nach dem Vorstehenden dem-
nach zwei Punkte, welche bei Beurtheilung der Entstehung der
Ablagerung ins Gewicht fallen; nämlich erstens die vollkommen
regellose, ungeschichtete Structur des Blocldelnns und zweitens die
abgeschliffene Oberfläche der Geschiebe mit ihren Kritzen und
Schrammen. Daraus folgt aber, dass man den Blocklehm in der
Umgebung der Ziegelhütte bei Wurzbach als Grundmoräne einer
ehemaligen Vergletscherung des Frankenwaldes ansprechen muss.
Die muthmaassliche Richtung, aus welcher der angenommene
Gletscher gekommen sein mag, lässt sich mit vollständiger Sicher-
heit nicht angeben. Das Vorhandensein von Lydit, untersilurischem
Schiefer und cambrischem Quarzit als Moränenmaterial verweist
uns nach O., resp. SO.; denn das nächste Vorkommen dieser Ge-
steine in der betreffenden Gegend liegt von der Ziegelhütte, wie
oben bereits bemerkt, 'Q Meile östlich davon entfernt. Da aber
jenes Schiefersystem sowohl nach Nord und Süd von jenem Punkte
fortstreicht, so kann auch jeder andere, namentlich südlich ge-
legene Punkt dabei in Frage kommen.
Nimmt man jedoch das erstere als das Wahrscheinlichste an,
so würde eine rein östliche oder wenigstens südöstliche Bewegung
der Gletschermassen sich ergeben; dieselben müssten alsdann ihre
Grundmoränen entweder grösstentheils nördlich vom » Fels « , wo
eine kleine Einsattelung des Höhenrückens noch jetzt vorhanden
ist, oder südlich desselben bei der sogenannten Kreuztanne, bis in
die Umgebung der heutigen Ziegelhütte vorgeschoben haben; hier
ist sie von der später wirkenden Erosion zum Theil verschont
geblieben und in ihrer jetzigen Ausdehnung und Mächtigkeit er-
halten worden.
21
324
E. Dathe , Gletscherersclieinunge]
Das Saalburger Vorkommen liegt nicht mehr im Gebiete
des Frankenwaldes, sondern im vogtländischen Berglande.
Unter dieser Bezeichnung fassen wir dasjenige Gebirgsland zu-
sammen, welches zwischen Thüringerwald, Frankenwald, Fichtel-
gebirge und Erzgebirge sich einschiebt. Feste Grenzen lassen
o o o o
sich für dasselbe nicht ziehen, da es allmählich in jene Ge-
birge übergeht und gewissermaassen als deren Vorberge zu be-
trachten ist. Der westliche und südwestliche Strich des vogtlän-
dischen Berglandes, welcher sich also an den Frankenwald und
das Fichtelgebirge anlehnt, wird von der Saale in einem tiefen
und engen, mit vielfachen Naturschönheiten geschmückten Thale
durchströmt. In diesem Gebirgstheile herrschen noch langgezogene
wellige Höhenrücken vor, welche nur strichweise von sporadisch
auftretenden Diabaskuppen unterbrochen werden. Hier verleihen
sie der Gegend eine angenehme Abwechselung; weiter nach Osten
aber, wo sie sich mehren und nur kurze, felsige Bergrücken bilden,
die sich immer und immer wiederholen, geben sie der Landschaft
ein eigenthümlich unruhiges und zugleich einförmiges Gepräge. Die
höchsten Erhebungen im südwestlichen Tlieile des Berglandes reichen
fast an die Höhen des Frankenwaldes heran; die wichtigsten sind:
der Culmberg bei Saalburg (1525'), der Horlaer Acker (1521')
bei Hirschberg, der Lerchenhügel (1500') bei Frössen und die
Cappel (1666') bei Schilbach.
Am rechten Ufer der Saale, wenige hundert Schritte nördlich
von dem romantisch gelegenen Städtchen Saalburg liegt an der
Chaussee nach Schleiz eine Ziegelei, in deren Gruben gleichfalls
Blocklehm als oberste Schicht aufgeschlossen ist. In dem unten-
stehenden Höhenprofil ist die Lage und Verbreitung der Ablage-
im Frankenwalde und vogtländischen Berglande.
325
rung (von Ost nach West) im Maassstab 1 : 25000 dargestellt
worden. Man ersieht aus demselben, dass, wie das Wurzbacher
Vorkommen nicht einem Thale angehört, so auch dieses nicht
im Saalthale, sondern auf einer ziemlich ebenen Hochfläche,
welche nur noch dem Saalthale im weiteren Sinne zuzählt, ge-
legen ist.
Das nur 400 Schritt breite Saalthal wird kurz unterhalb des
Schiesshauses von Saalburg von hohen Gehängen begrenzt. Von
diesen ist das linke 225' hoch, aber nicht so steil geböscht, wie
das rechte; denn dieses bildet sehr steile und 125’ hohe nackte
Felswände. Von der Thalkante aus breitet sich nach Ost und
zwar bis zur Ziegelei Saalburg eine ganz flach geböschte Fläche
aus. Ihre Steigung beträgt auf 950 Schritt nur 100', demnach
liegt die Ziegelei Saalburg über dem dortigen Saalspiegel 225 ' hoch.
Weiter östlich von derselben beginnt das Terrain eine stärkere
Steigung anzunehmen, indem es einerseits, ungefähr in der Rich-
tung nach dem Dorfe Culm zu, bis zu 1400' Meereshöhe aufsteigt,
andererseits, kaum 1000 Schritte weiter nach Nordost jedoch bis
zu 1 525 ’ im Culmberge bei Saalburg sich erhebt. Eine mittlere
Flöhe von circa 1400' ist auch dem hügeligen Gelände weiter nach
Ost eigenthümlich ; dasselbe erreicht eine Meile östlich von Saal-
burg in der Kuppe der Cappel (1666') den höchsten Punkt im
ganzen vogtländischen Berglande.
Auf dem westlichen Theile dieser oben erwähnten und im
Profil dargestellten Hochfläche bei der Ziegelei Saalburg, zwischen
dieser und dem westlich gelegenen Fahrwege nach der Kloster-
mühle breitet sich die mehrfach genannte Ablagerung auf eine
Erstreckung von 400 Schritt in der Richtung von O. nach W.
aus. Ihre südliche Grenze liegt kaum 100 Schritt weit von der
Ziegelei entfernt, während ihre Verbreitung nach N. noch nicht
ganz sicher bestimmt werden konnte; sie beträgt indess mindestens
500 Schritt.
Der Blocklehm ist nicht nur durch eine recht grosse Grube
bei der Ziegelei aufgeschlossen, sondern an dem Querwege, welcher
von dieser zu den westlich davon gelegenen Scheunen führt, ist
er auch in einer Anzahl kleinerer Gruben, die jedoch oft auflässig
326
E. Dathe, GletscherersaheLnungen
werden, gut entblösst. Seine Mächtigkeit beträgt 1,2— 1,5 Meter
in der ersterwähnten Grube und verringert sich dieselbe nach W.
zu etwas, so dass sie sich in den westlichsten, bei den Scheunen
gelegenen Aufschlüssen nur noch auf 0,75 Meter beläuft. Die
obere, 0,5 Meter starke Schicht des Lelnns ist ‘graugelblich gefärbt;
nach unten nimmt er jedoch eine gelblichbraune Färbung an. Er
besitzt alle charakteristischen Eigentümlichkeiten eines ächten
Block-, resp. Geschiebelehmes und gleicht ebenso sehr dem oben
beschriebenen Wurzbacher Vorkommen, als auch den Geschiebe-
lehmen, wie man solche in der norddeutschen Ebene findet. Er
ist erfüllt von zahlreichen bis über kopfgrossen Blöcken, und
kleinere Geschiebe bis zu den winzigsten Grössen sind zahllos
darin vertheilt. Schichtung mangelt ihm gänzlich; denn beide,
grosse und kleine Geschiebe sind ganz wirr in demselben einge-
mengt, so dass viele derselben gerade auf ihrer schmälsten Kante
in demselben liegen; manche stehen sogar auf der Spitze.
Die Geschiebe gehören folgenden Gesteinsarten an. Schiefer
und zwar cambrische, untersilurische , mitte'lsilurische (Lydit), de-
vonische und Culmsehiefer sind vorwiegend vertreten; ausserdem
sind verschiedene Diabasvarietäten, sowie Gangquarz und sibirische
und cambrische Quarzite aufzuführen. Nach ihrem Ursprung mag
ein Theil derselben der nächsten Umgebung entstammen, da einer-
seits Culm und Devon die Unterlage der Ablagerung zum Theil
bilden und weiter nach Ost zu anstehen. Indess kann, wie weiter
unten zu ersehen ist, die Heimath der Geschiebe auch eine andere
sein. Das feinere, .sandige Material hat natürlicherweise, wenigstens
zum Theil den gleichen Ursprungsort wie die Geschiebe, da es
durch Zerreibung derselben entstanden ist, zum anderen Tlieile
ist es aus dem Untergründe der Ablagerung aufgenommen und
mit dem übrigen Material innig vermischt worden; denn die
Unterlage des Blocklehmes besteht, wie die günstigen Aufschlüsse
bei der Ziegelei lehren, aus einem thonigen, gelblichbraunen Ver-
witterungslehm. Dei’selbe ist aus devonischen Schichten entstanden
und besitzt eine Mächtigkeit von vielen Metern; denn er wird bis
zu einer Tiefe von 4 Meter zur Ziegelfabrikation abgebaut, wobei
man aber noch nicht auf festes Gestein gestossen ist.
im Frankenwalde und vogtländischen Berglande.
327
Was nun die Beschaffenheit der Oberfläche der Geschiebe an-
langt, so ist im Allgemeinen sowohl die Abschleifung als auch die
Schrammung und Kritzung derselben eine ganz ausgezeichnete.
Unter den zahlreichen geschrammten Scheuersteinen, welche ich
hier in den Jahren 1880 und 1881 unter Beobachtung der nöthi-
gen Vorsichtsmaassregeln gesammelt habe, sind nicht nur Schiefer,
sondern auch Diabase höchst deutlich geschrammt. Es liegt bei-
spielsweise ein handgrosses Diabasgeschiebe vor, welches an den
Kanten gerundet und gekritzt, aber nur auf der einen Breitseite
glatt geschliffen ist, während die andere Rauhigkeit zeigt. Auf
der glatten Fläche bemerkt man eine Anzahl kurze Kritzer, sowie
drei 5^2 Centimeter lange und 1 Millimeter tiefe Schrammen, die
zusammen eine Breite von 5 Millimeter einnehmen und vollkommen
parallel mit einander verlaufen. Die schwarzen untersilurischen
Schiefer scheinen für die Schrammung besonders geeignet gewesen
zu sein. Ihr Material gestattete die Ausbildung von höchst feinen,
ziemlich lang aushaltenden Schrammungslinien, welche oft die ganze
Schlifffläche gleiclnnässig überziehen und oft zwei oder drei Strei-
fungssystemen angehören. Das Hauptsystem verläuft in der Regel
parallel mit der grössten Längenausdehnung des Scheuersteins,
während die beiden übrigen dasselbe unter Winkeln von 20° und
30° schneiden. In allen Systemen kommen neben den zarteren,
auch stärkere bis 1 Millimeter tiefe ausgehobelte Riefen vor.
So besitzt denn auch der Blocklehm nördlich von Saalburg
in seiner Structur und in der Führung von geschrammten und ge-
kritzten Geschieben alle die Erfordernisse, welche man an Glacial-
bildungen bisher zu stellen gewohnt ist; es ist deshalb gewiss
nicht gewagt, wenn man dies Vorkommen unter gleichzeitiger Be-
rücksichtigung seiner Lagerung als eine Grundmoräne auffasst,
welche jedenfalls früher eine grössere Mächtigkeit besass, aber
durch Erosion gewiss um vieles verringert worden ist.
Welchen Weg hat der Gletscher genommen, oder wo haben
wir das Ursprungsgebiet der Geschiebe zu suchen? Eine bestimmte
Antwort ist auf diese Frage nicht zu ertheilen. Mehrere Beob-
achtungen scheinen dafür zu sprechen, dass der eigentliche Gletscher-
strom im Allgemeinen dem Saalthal gefolgt ist, dass also sein
328
E. Dathe , Gletsclierersclieinungen
Ursprung südlich, dem Fichtelgebirge zu, liegt. Vorigen Herbst habe
ich beobachtet, dass ein ähnlicher Geschiebelehm am rechten Ufer
der Saale bei Gottliebsthal, an der Strasse nach Hirschberg von
der Saale an auf eine weite Strecke und bis 100' hoch am Ge-
hänge ganz allmählich aufsteigend, abgelagert ist. Der Mangel
an Aufschlüssen und die Ungunst der Witterung verhinderte zwar
eingehendere Beobachtungen zu machen , doch zweifele ich nicht,
dass er mit dem Saalburger Geschiebelehm in Parallele zu stellen
ist. Eine ähnliche Stelle liegt weiter abwärts von Saalburg am
linken Gehänge der Saale bei der Klostermühle bei Saalburg, hier
ist ebenso Geschiebelehm 60 ' hoch über dem Saalspiegel abgelagert.
Beide Vorkommen, die wegen ungenügender Aufschlüsse jetzt nicht
eingehender behandelt werden können, zeigen jedoch, dass die obige
Behauptung, dass der Gletscher seinen Lauf im Saalthal genommen
haben dürfte, an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Hoffentlich wird
mir Gelegenheit, beide Localitäten, sowie den oberhalb Saalburgs
gelegenen Tlieil des Saalthals an geeigneten Stellen in dieser Bich-
tung näher untersuchen zu können.
Eine andere Möglichkeit muss indess bei Beantwortung obiger
Frage noch in Berücksichtigung gezogen werden. Der Gletscher,
welcher bei Saalburg die Grundmoräne hinterlassen hat, könnte
auch aus Ost, resp. Südost gekommen sein, nämlich aus jenem
Striche des vogtländischen Berglandes, welcher sich in einer Meeres-
höhe von 1400 — 1500' bis zu der »Cappel« ausbreitet. Die Ge-
schiebe bezüglich ihrer Gesteinsnatur würden allerdings dieser
Ansicht nicht widersprechen, sondern dieselbe eher befürworten;
denn sämmtliche Gesteine, die darin gefunden worden sind, stehen
in jenem genannten Landstriche an.
Nach Beschreibung dieser Verhältnisse bei Saalburg und Wurz-
bach mögen noch einige Punkte im Frankenwalde und vogtländi-
schen Berglande Erwähnung finden, welche bei Betrachtung der
Gletschererscheinungen in diesen Gegenden noch weitere Berück-
sichtigung verdienen.
o o
Südlich von Schleiz und westlich von dem Schlosse Heinrichs-
ruhe breitet sich nördlich der Chaussee Schleiz-Saalburg Blocklehm
aus, welcher in einigen kleineren Gruben aufgeschlossen ist. Das
im Frankenwalde und vogtländischen Berglande.
329
Material der Blöcke und kleineren Geschiebe scheint mir der
nächsten Umgebung zn entstammen und besteht aus nntersil arischen
Schiefern und Quarziten, ferner aus Kieselschiefer, Gangquarz und
Diabasen. Sämmtliches Geschiebematerial ist von dem südlich
vorliegenden Höhenrücken, der sogenannten Hirschraufe (1540'
hoch), auf das gegenwärtige Ablagerungsgebiet transportirt worden.
An der Oberfläche der Geschiebe ist zwar eine Abschleifung zu
erkennen, doch habe ich gekritzte und geschrammte Geschiebe,
als ich in Gemeinschaft mit Prof. Liebe jenen District 1880 kar-
tirte, trotz sorgfältigen Suchens nicht finden können. Aehnliche,
an Moränen erinnernde Ablagerungen sind nach Mittheilungen des
Prof. Liebe auch südlich des Culm im Frankenwalde vorhanden.
Bei Annahme der Vergletscherung des Frankenwaldes und
vogtländischen Berglandes gewinnen auch die Störungen am Aus-
gehenden der verschiedenen Schiefergesteine erhöhte Bedeutung;
sie lassen sich möglichenfalls auf den grossen Druck, den die be-
wegenden Eismassen ausübten, zurückführen. Mit dieser Frage in
Beziehung zu setzende Verhältnisse habe ich vorigen Herbst bei
Wurzbach im herrschaftlichen Schieferbruche beobachtet. Es wurde
hier zum Zwecke der Aufsuchung abbauwürdiger Schiefer (Culm)
ein über 50 Meter langer Stölln getrieben und dadurch ein inter-
essantes Profil blossgelegt. In dem ziemlich horizontal gelagerten
Culmschiefer setzen drei Lampropliyrgänge auf, die allerdings bis
zu mehreren Metern Tiefe vollständig in einen ockergelben, thonigen
Grus zersetzt sind. Das Ausgehende dieser Gänge ist nun schweif-
artig in die Schottermassen, welche in einer Mächtigkeit bis zu
1,5 Meter die festen Schieferschichten bedecken, bis auf eine Er-
streckung von 8 Meter gezogen worden, wodurch eine starke Be-
wegung des Schotters angezeigt wird. Da noch einige Punkte
der weiteren Untersuchung bedürftig erscheinen, so sei hiermit auf
diese Verhältnisse hingewiesen und hoffe ich demnächst auf diese
Localität zurückzukommen.
Ob nun die Vergletscherung des Frankenwaldes und des vogt-
ländischen Berglandes eine allgemeine gewesen ist, oder ob nur
besonders orographisch bevorzugte Striche derselben von dem
Glacialphänomen betroffen worden sind, lässt sich jetzt noch nicht
330
E. Dathe, Gletschererscheinungen im Frankenwalde etc.
bestimmt entscheiden. Soweit sich die Verhältnisse beurtheilen
lassen, möchte ich letztere Annahme für wahrscheinlich halten.
Schliesslich mag noch bemerkt werden, dass die beobachteten
und als Grundmoränen angesprochenen Blocklehme von Wurzbach
und Saalburg nicht etwa weit nach Süden vorgeschobene Posten
des norddeutschen Diluviums sind, und dass sie nicht mit der tief
nach Thüringen eingreifenden Bucht desselben Zusammenhängen.
Ich berühre diese Frage deshalb, weil vielleicht bei Manchem
dieser Gedanke aufsteigen könnte; denn bekanntlich liegt der süd-
lichste Punkt des norddeutschen Diluviums in Thüringen bei Saal-
feld, woher Richter1) »Feuersteinfragmente mit den ihnen eigen-
thümlichen Petrefacten « vom rothen Berge bei Saalfeld und einen
kleinen Granitblock auf dem Gleitsch bei Obernitz aimiebt. Da
O
aber in unseren diluvialen Ablagerungen irgendwelches nordische
Material nicht vorhanden ist, auch jeder dieser Orte von Saalfeld
3 Meilen entfernt ist, so lassen sie sich mit dem nordischen
Geschiebelehm nicht in directe Verbindung setzen, sondern man
muss denselben eine locale Entstehung zuschreiben.
So ist durch den Nachweis von Gletschererscheinungen im
Frankenwalde und vogtländischen Berglande, und da auch
E. Kayser 2) im vergangenen Jahre ähnliche Verhältnisse aus dem
Harz bekannt gemacht hat, ein dunkler Punkt in der norddeutschen
Glacialfrage erledigt worden. Hoffentlich wird die Zeit nicht ferne
sein, wo ähnliche Ablagerungen auch in den übrigen mitteldeutschen
Gebirgen nachgewiesen werden.
t) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 18G9, p. 441.
2) E. Kaysee, Gletschererscheinungen im Harz. Verhandlungen der Gesell-
schaft für Erdkunde zu Berlin 1881.
Ueber
die geologischen Verhältnisse der Sec berge
und des Galherges1) bei Gotha,
mit besonderer Berücksichtigung der Lagerungs-
verhältnisse.
Von Herrn IHax Bauer in Königsberg i. Pr.
(Mit Tafel V11L und IX.)
Einer der interessantesten Punkte des ebenen Thüringens
nördlich vom Thüringer Wald ist unstreitig der Rücken der See-
berge mit seiner nordwestlichen Fortsetzung, dem Gaiberg, einmal
wegen der dort anstehenden Rhät- und Juraschichten, dann wegen
der complicirten Lagerungsverhältnisse. Ich habe im Nachfolgen-
den eine specielle Darstellung davon zu geben versucht, nachdem
die geologische Specialuntersuchung des Gebietes beendigt ist,
habe mich aber nicht auf das völlig Neue beschränkt, was dabei
ermittelt worden ist, sondern auch mannichfach schon Bekanntes
herbeigezogen, um Liebhabern der Geologie, wie sie in Thüringen
und speciell in Gotha nicht selten sind, das Verständniss der Ver-
hältnisse nach Möglichkeit zu erleichtern.
Südöstlich von der Stadt Gotha zieht sich auf eine Erstreckung
von etwa einer Stunde ein Bergrücken bis zum Dorfe Seebergen
‘) So wird der Berg, diese nordwestliche Fortsetzung des Seebergzuges, in
Gotha genannt; die Karte schreibt Galgenberg.
332
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
hin, der den Namen des kleinen nnd des grossen Seebergs führt
und der sieh auch nordwestlich von der Stadt noch in dem soge-
nannten Gralberg fortsetzt. Dieser Bergrücken hat schon frühe,
theils wegen der zum Theil interessanten Gesteine, die ihn zu-
sammensetzen, theils wegen der stellenweise sehr complicirten
Lagerungsverhältnisse, welche die Schichten darbieten, die Auf-
merksamkeit der Geologen auf sich gezogen, und es ist nament-
lich der um die Kenntniss der geologischen Verhältnisse seiner
Thüringischen Heimatli so hoch verdiente Heinrich Credner,
der sich mit der in Rede stehenden Gegend beschäftigt und ihren
Bau im Detail studirt hat. Es sind namentlich zwei grössere Ar-
beiten, die sich eingehend mit der vorliegenden Aufgabe befasst
haben neben mannichfachen zerstreuten Bemerkungen über den-
selben Gegenstand. Beide Arbeiten sind im Neuen Jahrbuch für
Mineralogie etc. abgedruckt. Die eine führt den Titel: »Geo-
gnostische Beschreibung des Höhenzuges zwischen Gotha und
Arnstadt«, Jahrg. 1839, pag. 379 — 403, mit 2 Tafeln, eine Karte
des Terrains und seiner Fortsetzung nach Osten und viele Profile
enthaltend. Es ist darin eine Beschreibung der den Höhenzug
bildenden Formationen nebst deren gestörten Lagerungsverhältnissen
gegeben, die aber z. Th. dem jetzigen Standpunkt der Geologie
nicht mehr entspricht, und es werden die beobachteten Dislocationen
schliesslich zurückgeführt auf Hebungen, die in der Hauptkette des
Thüringerwaldes und in den anliegenden jüngeren Formationen nach
der Eruption der Melaphyre und der Porphyre stattgefunden haben
sollen, ohne dass dabei neue Gesteinseruptionen sich ereigneten. Die
zweite Arbeit (Jahrg. 1860, pag. 293 — 320 mit einer Tafel, eben-
falls eine Karte und Profile enthaltend) beschäftigt sich hauptsächlich
mit den obersten Keupergebilden, den rhätischen Schichten des
grossen Seebergs und anderer benachbarter Gegenden; und sie corri-
girt in dieser Beziehung eine irrthümliche Auffassung der früheren
Arbeit, wo diese Gebilde als Liassandstein dargestellt waren. Die
Lagerungsverhältnisse besonders der den rhätischen Sandstein
stellenweis überdeckenden Liasschichten werden besprochen und
die von ihnen erlangte Anschauung in den Profilen und der Karte
zur Anschauung gebracht.
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
333
Mehr im Zusammenhang mit anderen ähnlichen Erscheinungen
am Nord- und Südrande des Thüringerwaldes wird die hier zu be-
trachtende Gegend sodann geschildert in der Erläuterung zu der 1855
in 2. Auflage erschienenen geognostisclien Karte des Thüringer-
waldes: »Versuch einer Bildungsgeschichte der geognostischen
Verhältnisse des Thüringerwaldes.« Es werden die vorhandenen
Formationen kurz geschildert und dann namentlich die Dislocationen
auf eine Reihe von in der Zeit verschiedenen Hebungen zurück-
geführt, die verschieden gerichtete Hebungslinien zur Folge ge-
habt haben. Eine erste Hebung hat darnach zur Zeit der Ab-
lagerung des bunten Sandsteins stattgefunden, eine zweite gehört
der Zeit der Ablagerung des oberen Muschelkalks und der Letten-
kohlengruppe an, eine dritte Hebung muss nach Credner ’s An-
sicht nach der Ablagerung der bunten Keupermergel stattgefunden
haben, da an einigen Stellen auch diese steil aufgerichtet sind und
die letzte Hebung endlich, welche die Lagerungsverhältnisse in unse-
rem Gebiet definitiv so gestaltet hat, wie sie sich uns jetzt dar-
stellen, muss nach der Ablagerung des Lias vor sich gegangen
sein, da Schichten, die dieser Formation angehören, dabei dislocirt
worden sind.
In ähnlichen Anschauungen bewegt sich, offenbar durch Cred-
ner beeinflusst, die Arbeit von Tegetmeyer x). Derselbe giebt
eine genaue und sorgfältige Darstellung der Schichtenfolgen im
o o o o o
Keuper des von ihm bezeichneten Gebietes und führt dabei Man-
ches an, was von ihm und auch von K. v. Fritsch neu beob-
achtet worden ist. Die Complication der Lagerungsverhältnisse
ist auch ihm nicht entgangen, aber er spricht davon allerdings
nur nebenbei, da es ihm eben weitaus in erster Linie auf die Er-
forschung der Gliederung der Schichten ankam. Er hält den jetzigen
Umfang der Keuperablagerungen (und damit natürlich implicite auch
der Liasablagerungen) für im Wesentlichen ursprünglich und
sieht so in der jetzigen Verbreitung einer Formationsabtheilung an-
nähernd auch die Ausdehnung des Meerestheils , aus der die be-
*) Beiträge zur Kenntniss des Keupers im nördlichen Thüringen. Zeitsehr.
für die gesummte Naturwissenschaft 1876, Bd. 13, pag. 403 — 484 mit 2 Tafeln.
334
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
treffende Ablagerung sich ausschied, indem er der Erosion nur unter-
geordneten Einfluss zuschrieb und da, wo auf grosse Erstreckung
Keuper an wesentlich ältere Schichten des Muschelkalks angrenzte,
sah er eine Anlagerung von Keupermaterial an eine Muschelkalk-
steilküste aus einem diese letztere bespülenden Keupermeeresarm.
Die orographischen Verhältnisse.
Die von uns zu betrachtende Gegend erhebt sich in ihrem süd-
östlichen Theil zum Maximum ihrer Höhe in dem »grossen Seeberg«,
der an seiner höchsten Stelle bis zu ganz annähernd 1100 Fuss1)
ansteigt. Der »grosse Seeberg« stellt ein kleines von Rhätsand-
stein gebildetes Plateau mit wenig ebener Oberfläche dar, von
welchem aus steile von Steinmergelkeuper gebildete Abhänge nach
Norden, Osten und Süden in die umgebende Ebene abfallen,
während nach Südwesten hin eine langsamere und allmählichere
Verflachung in das Apfelstädtthal beim Dorfe Günthersleben statt-
findet. Ein grosser Theil des Berges ist mit Wald und auf grosse
Erstreckung von dichter, junger Schonung bestanden, die vielfach
eine genauere Untersuchung des geologischen Baues fast ganz
verhindert. Andererseits haben aber die zahlreichen Sandstein-
brüche an vielen Stellen den Schichtenbau bis in beträchtliche Tiefe
aufgeschlossen.
An das Plateau des grossen Seeberges schliesst sich im Osten
ein schmaler Bergrücken an, der sich nach Nordwest bis zum
Leinathal weiterzieht, in welchem in derselben Richtung sich die
Stadt Gotha angesiedelt hat. Dieser lange, auf eine Erstreckung
von ungefähr 5000 Fuss sich hinziehende Bergrücken soll hier in
seiner Gesammtheit als »kleiner Seeberg« bezeichnet werden. Er
stellt einen schmalen, nur wenige Schritt breiten Grat dar, der
sich nur an seinem nordwestlichen Ende, da wo die alte Stern-
warte steht, etwas weiter ausbreitet. Seine Abhänge fallen nach
*) Es sind darunter preussische Decimalfusse verstanden, welches Maass den
preussisclien Generalstabsmesstischblättern zu Grunde liegt.
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
335
Norden sowohl, als nach Süden zuoberst ziemlich steil ab, ver-
flachen sich aber nach unten hin langsamer und allmählicher in die
beiderseits anliegende weit ausgebreitete Ebene. Uebrigens ist die
natürliche Form dieses Bergrückens zum Tlieil ganz verändert durch
den ausgedehnten Steinbruchbetrieb, der sowohl auf seiner Höhe, als
auch an seiner südlichen und stellenweise auch nördlichen Flanke
stattfindet, und der so umfangreich ist, dass eine fast ununterbrochene
Reihe von neuen und verlassenen Brüchen mit ihren bedeutenden
Schutthalden sich von einem Ende bis zum anderen hinzieht. Der
grosse und der kleine Seeberg stossen an der Butterleiste zusammen
und die Grenze zwischen Beiden ist geologisch eine sehr scharfe, da
der aus Sandstein gebildete grosse Seeberg in seiner Gesteins-
beschaffenheit sich von dem wesentlich aus Kalk bestehenden kleinen
Seeberg auf das Schärfste unterscheidet ; auch zieht zwischen beiden
eine Hauptverwerfungsspalte hindurch, die den Rhätsandstein in das
Niveau des mittleren Muschelkalks gebracht hat. Auch der Ober-
flächengestaltung nach ist die Grenze ziemlich scharf, da sich an
dieser Stelle der grosse Seeberg rasch ziemlich weit ausbreitet im
Gegensätze zu dem ganz schmalen kleinen Seeberg, der sich zu
jenem, der Gestalt nach, gewissermaassen verhält wie der Löffel-
stiel zum Löffel selbst, die Beide in der Butterleiste mit einander
vereinigt sind.
im Nordwesten, dicht hinter der alten Sternwarte, fällt der
kleine Seeberg ziemlich steil in das Leinathal ab und erreicht hier
als solcher seine Endschaft. Ueberschreitet man aber das Leinathal
und geht in nordwestlicher Richtung weiter, so findet man, dass der
Rücken sich jenseits des Thaies noch weiter fortsetzt. Schon in der
Stadt Gotha erhebt sich der Bergkegel, auf dem das Schloss
»Friedenstein« liegt, genau im Streichen des kleinen Seebergs und
von diesem eben nur durch das Leinathal getrennt, das wohl als
ein Erosionsthal aufzufassen ist, welches den Rücken des kleinen
Seebergs und seiner Fortsetzung nach Nordosten an jener Stelle'
durchschnitten hat, an der, wie es scheint, besonders starke
Schichtenstörungen den Durchbruch hervorgerufen oder doch er-
leichtert haben. Leider verdeckt die Stadt Gotha diese Verhält-
nisse vollständig, so dass die Beobachtung irgend welcher Einzel-
336
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
heiten dort nicht möglich ist, man sieht aber, wie gerade an jener
Stelle, welche die Leina zu ihrem Durchbruch gewählt hat, zwei
Systeme verschieden streichender Verwerfungsspalten sich schneiden.
Auch die Beschaffenheit des Untergrundes von Schloss Friedenstein
lässt sich nicht direct beobachten, und auch Erkundmunffen haben
nicht zu einem sicheren Resultat geführt. Geht man aber von dort
aus in der Richtung des Streichens des kleinen Seebergs noch weiter,
so sieht man, dass ausserhalb der Stadt derselbe schmale Rücken
mit oben steileren, nach unten zu in die nördlich und südlich vor-
liegenden Ebenen sich verflachenden Abhängen sich genau in der
Streichrichtung des kleinen Seebergs noch weit hinzieht, eben-
falls oben und an den beiden Flanken durch zahlreiche und aus-
gedehnte Steinbrüche verunstaltet und hinter dem Arnoldithürm-
eben sich allmählich in das Plateau des Krähnbergs ausbreitend.
Dieser Rücken, der Gaiberg, oben etwas breiter als der kleine
Seeberg, liegt ganz genau in der Fortsetzung desselben, beide
in Beziehung auf die Streichrichtung mit dem Thüringer Wald
übereinstimmend und er besteht auch aus ganz genau denselben Ge-
steinen wie der kleine Seeberg, die in den gleichen Lagerungs-
verhältnissen angeordnet sind, es ist also gerechtfertigt, den Gaiberg
und kleinen Seeberg als ein zusammengehöriges Ganzes anzusehen,
das die Leina in zwei Theile zerschnitten hat.
Das dem geschilderten Bergrücken in seiner ganzen Erstreckung
vom grossen Seeberg bis zum Krähnberg nach Nord und Süd vor-
liegende Terrain ist eine schwach wellige ausgedehnte Ebene, aus
der sich der Seeberg isolirt und auf weite Entfernung sichtbar
erhebt, und die z. Th. von Keuperschichten, zum grösseren Tlieil
aber von Alluvium und Diluvium gebildet wird. Diese Ebene
wird an einigen Stellen aber unterbrochen durch einzelne scharf
sich hervorhebende kleinere Buckel, die durch ihre Gesteinsbe-
schaffenheit zeigen — sie bestehen, abweichend von ihrer Umgebung,
aus Triasschichten — , dass hier besondere Verhältnisse vorliegen.
Es ist der Grenzberg bei Remstedt und der Petersberg1) bei Sieb-
*) Den Namen Petersberg bat die Generalstabskarte nicht, er wird aber
von Ceedner gebraucht; es ist die unmittelbar nordwestlich vor Siebleben dicht
an der Erfurter Chaussee liegende Kuppe.
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
337
leben, neben denen nur noch zwei hervorragendere kleine Kuppen
beim Dorfe Siebleben zu erwähnen sind, die geologische Bedeutung
haben. Schliesslich ist noch aufmerksam zu machen auf eine
Reibe kleiner Hügelehen, die am Nordostabfall des grossen See-
berges den Fuss desselben umsäumen und deren Existenz ebenfalls
in gewissen später zu besprechenden geologischen Vorgängen be-
gründet ist.
Die geologischen Formationen.
Die unser Gebiet zusammensetzenden Formationen gehören
der Trias und dem Jura an. Von der Trias ist es der Muschel-
kalk von der Anhydritgruppe an aufwärts und der ganze Keuper
nebst dem Rhät und vom Jura der untere und mittlere Lias. Dazu
kommt Diluvium und Alluvium auf ausgedehnten Flächen.
Der Muschelkalk. Das älteste Glied dieser Gruppe, das
hier beobachtet ist, zugleich die älteste Formationsabtheilung, die
in unserem Gebiet überhaupt sich findet, ist der mittlere Muschel-
kalk, oder die Anhydritgruppe, die längs des ganzen kleinen
Seeberges und seiner jenseits der Stadt liegenden Fortsetzung, so-
wie am Grenzberg und Petersberg aufgeschlossen ist in den viel-
fachen und ausgedehnten Steinbrüchen, welche sich an all den
genannten Orten befinden. Auch am Südwestabhang des grossen
Seeberges steht der mittlere Muschelkalk auf einer allerdings nicht
sehr grossen Fläche zu Tage an.
Ö O
Besonders vollständig aufgeschlossen ist die Anhydritgruppe
am Südabhang des kleinen Seeberges, wo in den grossen Gyps-
brüchen fast die ganze obere Hälfte der Abtheilung entblösst ist,
die untere Hälfte ist überhaupt in unserem Gebiet nicht aufge-
schlossen. Das liegendste ist am Südabhang des kleinen Seeberges
ein mächtiger Gypsstock. Es ist ein weisser bis grauer, nicht rother,
dichter bis feinkörniger Gyps, der an einzelnen Stellen späthige
Gypspartieen, aber meist nur von geringem Umfang einschliesst und
der stellenweise von Schnüren von Fasergyps durchzogen wird.
22
338
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
Nach Credner schliesst er auch Quarzkrystalle von grauer Farbe,
aber allerdings in ziemlich spärlicher Anzahl ein. Er unterscheidet
sich dadurch von dem später zu betrachtenden Keupergyps, der
sich durch häufig rothe Farbe und zahlreiche Quarzkrystalle dem
Muschelkalkgyps gegenüber leicht erkennen lässt. Dieser letztere
ist, wie die Untersuchung eines der Sohle eines Steinbruchs ent-
nommenen unzweifelhaft ganz frischen Handstücks gezeigt hat, reiner
Gyps, d. h. der Wassergehalt entspricht genau der Formel CaSCQ
-f- 2 H2 O, von einer Anhydritbeimengung ist also keine Rede. Ist
dieser Gyps je aus Anhydrit entstanden, so muss die Umwandlung
wenigstens bis auf die von den Steinbrüchen erreichte Tiefe ganz voll-
ständig schon vor sich gegangen sein. Ueber die Verhältnisse in
grösserer Tiefe, die über diese Frage vielleicht Aufschluss geben
könnten, ist, wenigstens am kleinen Seeberg, nichts durch Be-
obachtung bekannt. Die in jenen Steinbrüchen beobachtete Mächtig-
keit des Gypses beträgt ca. 40 — 50'; wie weit unter der Sohle der
Steinbrüche noch Gyps folgt, ist, wie eben erwähnt, noch nicht er-
mittelt worden. Unter allen Umständen steht aber fest, dass diese
Gypsmasse eine der grössten, wenn nicht die grösste Muschelkalk-
gypsmasse ist, die in Deutschland zu Tage ansteht. Die sonstigen
massenhaften Gypsvorkommnisse gehören fast ausschliesslich dem
Zechstein und nicht dem Muschelkalk an. An all den anderen
oben genannten Orten unseres Gebiets, wo der mittlere Muschelkalk
zu Tage ansteht, ist Gyps noch nicht beobachtet worden, dagegen
hat man wenig jenseits der Nordostgrenze unserer Karte bei Buff-
leben und Tröchtelborn, nördlich und nordöstlich von Gotha durch
Bohrungen Gyps in der Tiefe nachgewiesen, der unzweifelhaft eben-
falls der Anhydritgruppe angehört. Dieser Gyps ist von noch
grösserer Bedeutung als der am Seeberg, da er Steinsalz einschliesst,
zu dessen Gewinnung bei Buffleben die Saline Ernsthall angelegt
worden ist und dessen Vorhandensein bei Tröchtelborn bei der
Bohrung festgestellt wurde. An solchen Steinsalz führenden Stellen
ist der Gyps nach Credner mächtiger als sonst und er soll so
stellenweise bis zu einer Mächtigkeit von 300 Fuss entwickelt sein.
Der Gyps ist überlagert von ca. 50 Fuss des charakteristischen
weissen, dünngeschichteten, dolomitischen Mergelkalks, der durch
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
339
ganz Thüringen den mittleren Muschelkalk auszeichnet. Er ist
nicht nur in den Gypsbrüchen, sondern auch in den auf der Höhe
des Seeherges gelegenen Trocliitenkalkbrüchen, ebenso am Peters-
berg und Grenzberg gut aufgeschlossen, da man in den steil
stehenden Schichten vielfach von unten her den Trochitenkalk ab-
baut. Es ist weitaus das auffallendste Glied der Gruppe und
vielfach von weiter Entfernung her an der weissen Farbe kenntlich.
Die dünnen Schichten sind von ganz ebenen Schichtflächen be-
grenzt, die weissen Platten zerfallen beim Verwittern vielfach in
sranz dünngeschieferte Massen. Meist sind die Platten ganz gleich-
artig und homogen und nur selten, wenn die Schichten etwas
mächtiger werden, tritt eine poröse oder cavernöse Beschaffenheit
ein, so dass eigentliche weisse Zellendolomite entstehen, die in
unserem Gebiete aber keine grosse Holle spielen, sondern höchstens
als untergeordnete Einlagerungen in den dünnplattigen, nicht
porösen Dolomiten Vorkommen. Andere Einlagerungen untergeord-
neter Natur sind braungraue Hornsteine in einzelnen Knauern
oder auch in dünnen, zusammenhängenden, aber wenig ausgedehnten
Bänkchen, die bei der Verwitterung ihre Farbe verlieren und
schneeweiss werden und auf deren Oberfläche dann die gebogenen
Durchschnitte von Molluskenschalen zuweilen, aber nicht immer
deutlich hervortreten. Nach Credner sind es Beste der Terebrci-
tula vulgaris. Den Schluss der Anhydritgruppe machen einige
Fuss eines zwar noch hell, aber doch mehr gelblich gefärbten Do-
lomites, der zwar noch dünn, aber nicht mehr ganz so eben ge-
schichtet ist, wie der ächte Plattendolomit des mittleren Muschel-
kalks. Ausgezeichnet ist dieser oberste Dolomit der Anhydrit-
gruppe dadurch, dass in einigen Schichten stellenweise Massen
von Exemplaren eines Mytilus zum Vorschein kommen, die kleiner
sind, als die sonst gewöhnlich im Muschelkalk jener Gegend sich
findenden Exemplare von Myt. vetustus Golde. ( Myt . eduliformis
v. Schlotei.) und daher vielleicht einer anderen Species angehören.
Die Stelle, wo diese Muschel sich in Menge findet, ist unmittelbar
neben der auf der Höhe des kleinen Seeberges führenden Fahr-
strasse im Chausseegraben dicht hinter dem Gebäude der alten
Sternwarte, anderwärts habe ich sie nicht beobachtet. Sonst habe
22
340
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
ich von Versteinerungen im mittleren Muschelkalk nichts angetroffen,
Credner dagegen giebt als Seltenheit Modiola Credneri und Tri-
gonia curvirostris an. Ich habe diese Schichten mit Mytilus spec.
noch dem mittleren Muschelkalk zugerechnet, da sie demselben
in ihrer Gesteinsbeschaffenheit näher stehen, als dem folgenden
Glied des Muschelkalks, dem Trocliitenkalk , als dessen Basis
die unmittelbar folgenden oolithischen Schichten angesehen zu
werden pflegen.
Die den Gyps überlagernden Schichten des mittleren Muschel-
kalks haben eine Gesammtmäclitigkeit von 40 — 50 Fuss.
Der obere Muschelkalk wird eröffnet durch den Tro-
c hi ten kalk, der ebenfalls wie der Gyps von hoher technischer Be-
deutung ist. Derselbe schliesst sich in seiner Verbreitung durchaus
an den mittleren Muschelkalk an, dessen auf etwas grösseren
Flächen verbreitetes Vorkommen er als ein schmales Band um-
säumt und von dem Verbreitungsbezirk der obersten Muschelkalk-
schichten mit Am. nodosus abgrenzt. Auf grösseren Flächen ist
er nirgends ausgebreitet. In dieser Weise umgiebt er den mittleren
Muschelkalk am Südwestabhang des grossen Seebergs und zieht
sich als schmales Band längs des ganzen kleinen Seebergs auf
dessen oberster Höhe hin von der Butterleiste bis unterhalb der
alten Sternwarte und ebenso auf dem Galberge jenseits der Stadt
Gotha in mehreren durch \ erwerfungen unterbrochenen kleineren
Stücken, tlieils ziemlich geradlinige, tlieils in seinem Verlauf com-
plicirte Schlingen und Bogen bildend und dadurch Störungen des
ursprünglichen Schichtenbaues anzeigend. Endlich kommt der
Trocliitenkalk noch ganz ebenso am Petersberg bei Siebleben und
am Grenzberg bei Remstedt vor. Die Basis bildet ein Schichten-
system von ca. 5 Fuss eines an den meisten Stellen oolithischen
Kalks. Es ist ein weisser oder gelblich weisser, dolomitischer
Kalk, der nun aber seine Schieferigkeit und seine ebenen Schicht-
flächen verloren hat und dadurch sich sehr wesentlich von den
ähnlich gefärbten Kalken der Anhydritgruppe unterscheidet. Es
sind ziemlich dicke wulstige Schichten, die beim Zerschlagen leicht
in mehr oder weniger regelmässige gerundete Knauern zerfallen.
Der oolithische Charakter entsteht dadurch, dass in der weissen
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
341
IT auptmasse des Kalks concentrisch schalige runde Körnchen eines
grauen Kalks eingewachsen sind, die ihrerseits wieder vielfach
einen grünen Kern eines wahrscheinlich dem Glaukonit nahestehen-
den Minerals enthalten. Diese grünen Kerne sind zuweilen ver-
wittert und ausgelaugt und der Oolith nimmt dann an einzelnen
Stellen eine grob schaumkalkartige Beschaffenheit an. Sehr deut-
lich ausgeprägt ist der geschilderte oolithische Charakter, z. B. auf
dem kleinen Seeberg, an manchen anderen Stellen ist aber diese
Eigenschaft auch weniger deutlich erkennbar. Am kleinen See-
berg, aber auch sonst, enthält dieser oolithische Kalk eine nicht
unerhebliche Menge von Petrefakten, der Muschelkalkoolith ist
die älteste einen grösseren Petrefaktenreichthum führende Schichten-
gruppe unseres Gebietes. Es sind zwar meist wenig gut erhaltene
Steinkerne, die man im Oolith findet, aber es haben sich doch
die folgenden Arten mit Sicherheit bestimmen lassen:
* Encrinus liliiformis Goldf. einzelne Glieder ziemlich
reichlich, aber doch noch lange nicht so wie im
eigentlichen oberen Trochitenkalk.
O
* Terebratula vulgaris v. Sciiloth.
Pecten discites Bronn.
Pecten laevigätus Bronn.
Hinnites comtus Giebel.
* Lima striata v. Alb.
Gervillia socialis v. Schlotii. spec.
Gervillia costata Quenst.
* Trigonia vulgaris Bronn.
Kleine undeutliche Schnecken, vielleicht
Natica oolithica Zenker.
Die mit einem * bezeichneten Formen sind weitaus die häufig-
sten, wie das auch Credner schon angiebt, die anderen sind nur
vereinzelt gefunden worden. Credner giebt ausserdem noch an,
dass hier Ammonites nodosus und Nautilus bidorsatus zuerst Vor-
kommen. Ich habe diese Arten so weit unten nicht beobachten
können, trotzdem dass ich meine Aufmerksamkeit besonders dar-
auf richtete, und auch die Gothaer Lokalsammlungen enthalten
zur Zeit davon nichts aus dieser Schicht. Sie erscheinen erst in
342
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
den die eigentlichen Trochitenkalke überlagernden Schichten, die
vom Am. nodosus ihren Namen haben.
Durch eine wenig mächtige Thonzwischenlagerung wird der
Oolith vom eigentlichen Trochite nkalk getrennt. Dies ist ein
dickbänkiger, splittriger, blauer, braungefleckter Kalk, der in grosser
Menge Stielglieder von Encrinus liliiformis Goldf. eingeschlossen
enthält, aber durchaus nicht überall gleich viel, stellenweise werden
sie wohl auch spärlicher. Die Mächtigkeit beträgt im Ganzen
10 — 15 Fuss. Stellenweise enthält dieser Kalk ausser den ge-
nannten Trochiten noch zahlreiche andere Petrefakten, besonders
häufig Lima striata v. Alb., daher wurde diese Schichtenreihe von
Credner und Anderen Limakalk oder Limabank genannt. Ausser-
dem sind noch zu erwähnen:
Terebratula vulgaris v. Schloth.
Gervillia socialis v. Schloth. spec.
Gervillia costata Quenst.
Trigonia vulgaris Bronn.
Credner führt noch als besonders häufig in dieser Stufe Pecten
inaequistriatus und discites an, bei Gotha scheinen diese beiden
Arten aber zu fehlen, ich habe sie wenigstens nicht dort beobachtet.
Diese Trochitenschichten sind nun technisch von grosser Be-
deutung und werden als Werksteine, zur Beschotterung der
Chausseen und zum Kalkbrennen im ausgedehntesten Maassstabe
verwendet und zu diesem Zweck in höchst zahlreichen Steinbrüchen
gewonnen. Die Keihe dieser Steinbrüche beginnt am kleinen
Seeberg, an der Butterleiste, wo sie erst vereinzelt im Walde
liegen ; sie häufen sich aber mehr und mehr und bald ist ein Bruch
dicht am anderen auf der südlichen Seite der über die Seeberffe
hinführenden Strasse ganz oben auf der Höhe, während wenige
Schritte weiter südlich am Abhang die fast ebenso ausgedehnte
Keihe der Gypsbrüche parallel damit verläuft. Nach einer kleinen
Lücke umgeben die Steinbrüche die alte Sternwarte in einem
weiten Bogen und hören dann diesseits des Leinathaies auf, um
jenseits der Stadt Gotha am Gaiberg wieder anzufangen, liier aber
auch am südlichen Abhang des Berges, nicht blos auf der obersten
Höhe, wie am kleinen Seeberg. Auch hier am Gaiberg ist Stein-
der Seeberge and des Galberges bei Gutlia.
343
brach an Steinbruch und die stellenweise sogar doppelte Reihe hört
erst da auf, wo auf dem Plateau des Krahnberges jüngere Schichten
den Trochitenkalk bedecken. Verhältnissmässig ebenso umfangreich
ist die Ausbeutung dieser Schichten in den isolirten Muschelkalk-
partieen des Grenzberges und des Petersberges, auch hier ist auf der
ganzen Erstreckung des Ausstreichens des Trochitenkalkes Stein-
brach an Steinbruch, oder besser es ist das ein einziger zusammen-
hängender grosser und ausgedehnter Steinbruch. Dieser Steinbruchs-
betrieb scheint schon seit sehr langer Zeit stattzufinden, denn an
vielen Stellen ist der Trochitenkalk schon total ausgebrochen, so dass
es oft schwer ist, an den Orten, wo er sich offenbar befunden haben
muss, ein Stück davon aufzufinden. Vielfach, wie z. B. vorn am
kleinen Seeberg, am Abhang gegen das Leinathal, sind die alten
Gruben wieder zugeschüttet und überackert und an Stelle des
Trochitenkalkes zieht sich dann ein flacher langgestreckter Graben
hin statt des charakteristischen hervorragenden Rains, der sonst den
Verlauf der Trochitenbänke an der Erdoberfläche zu markiren
pflegt. So ist es auch an der kleinen, isolirten Muschelkalkpartie
an der Kesselmühle bei Gotha, südöstlich von der Stadt, wo
scheinbar mittlerer Muschelkalk und Nodosenkalk unmittelbar zu-
sammenstossen , weil der dazwischen liegende Trochitenkalk fast
spurlos verschwunden ist, so dass statt seiner nur noch der die
Stelle der früheren jetzt zugeschütteten und beackerten Steinbrüche
bezeichnende flache Graben vorhanden ist. Uebrigens sind auch
noch Trocliitenkalkpartieen vorhanden, deren Ausbeutung noch gar
nicht in Angriff genommen ist, so namentlich die, welche sich am
südwestlichen Abhang des grossen Seeberges quer über die Felder
hinzieht, so dass an ein vollständiges Verschwinden dieses werth-
vollen Materials trotz der massenhaften Gewinnung vorläufig und
noch lange nicht zu denken ist, ganz abgesehen davon, dass auch
die schon in Angriff genommenen Partieen von der vollständigen
Erschöpfung noch weit entfernt sind. Schon oben habe ich er-
wähnt, wie bedeutend die äussere Gestalt des kleinen Seeberges
und des Galberges und ebenso des Petersberges und Grenzberges
durch diese umfangreichen Steinbruchsarbeiten verändert worden ist.
Der N o dosenkalk, das oberste Glied des Muschelkalks, be-
344
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
deckt verhältnissmässig grössere Gebiete, als die zwei schon ge-
nannten Stufen desselben. Er zieht sich neben dem Trochitenkalk
über den kleinen Seeberg und den Gaiberg bin, von dessen west-
lichem Ende aus er sich nach Norden, Westen und Süden plateau-
artig: weit ausbreitet und den Kralmberg bildet. Am Grenzberg und
Petersbei’g überlagert er ebenfalls den Trochitenkalk und ebenso in
der Muschelkalkpartie am Südwestabhang des grossen Seeberges. Er
ist in Folge der Steinbruchsarbeiten auf den Trochitenkalk an vielen
Stellen ziemlich gut aufgeschlossen, wenigstens in seinen unteren
Theilen, die oberen Schichten sind es fast nirgends, da der No-
dosenkalk selbst nirgends technisch verwendet und also auch
nirgends gebrochen wird. Es sind wie überall in Thüringen
blaue, wenig mächtige Kalkbänke mit Zwischenlagern von grauem,
oft sehr plastischem Thon, der nicht selten an Gesammtmächtig-
keit den Kalk fast erreicht, meist aber ziemlich dahinter zurück-
steht. In diesem im Ganzen wohl mehr als 200 Fuss mächtigen
Schichtensystem sind einige durch besondere Petrefakteneinschlüsse
charakterisirte Bänke eingelagert. Credner erwähnt eine über
weite Strecken nachweisbare nicht weit über dem Trochitenkalk
abgelagerte Bank mit Nuculasteinkernen , Dentalium laeve und
selten Spirifer fragüis. Ich habe diese Bank jedenfalls anstehend
bei Gotha nicht beobachtet, dagegen finden sich nicht selten in
dem Abraum der Trochitenkalkbrüche isolirte Platten mit Den-
talien und unbestimmbaren Steinkernen von kleinen Muscheln
(Sp. fragüis habe ich nie gesehen), die vielleicht dieser Bank an-
gehören. Gegen das obere Ende des Nodosenkalkes hin ist die
Schicht mit Ter. vulgaris var. cycloides zwar auch bei Gotha vor-
handen, aber nicht in so ausgezeichneter Weise entwickelt, wie
das sonst in Thüringen vielfach der Fall ist. Meine darauf be-
sonders gerichtete Aufmerksamkeit hat nie zur Auffindung be-
sonders charakteristischer und terebratelreicher Stücke geführt,
doch ist im obersten Tlieil der Nodosenschichten eine solche
Bank auch bei Gotha unzweifelhaft vorhanden , ebenso eine
Bank mit vielen Exemplaren von Pecten discites , deren Lage-
rung gegen die Cycloidesschichten aber nicht zu ermitteln war.
Dagegen lässt sich an mehreren Stellen dicht unter der Letten-
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
345
kohle der oberste Horizont des Nodosenkalks, die Schichten mit
Ammonites semipartitus Monte. deutlich erkennen. Es sind theils
blaugefärbte Kalke, in denen auch die eingeschlossenen Verstei-
nerungen, besonders der genannte Ammonit aus blauem Kalk be-
stehen: so findet er sich beispielsweise am kleinen Seeberg als
Seltenheit ; oder es sind gelbe dolomitische dichte Kalke mit gelben
Petrefakten, welch letztere, auch isolirt, durch ihre Farbe auf diesen
Horizont hinweisen, wie das, allerdings nicht in sehr ausgezeich-
neter Weise, an beiden Abhängen des Galberges zu beobachten
ist. Diese gelbe oder braune obere Grenzschichte des Nodosen-
kalks wird vielfach und, wie es scheint auch von Credner, wegen
der Farbe schon zur Lettenkohle gerechnet. Fs ist dies aber
nicht richtig, da man in diesen Schichten an vielen Stellen in Thü-
ringen noch die Muschelkalkammoniten eingeschlossen findet, so
dass doch nähere Beziehungen nach unten, als nach oben vor-
handen sind. Allerdings ist, wenn die Ammoniten fehlen, die
Sache zweifelhaft, da die Lettenkohle mit ganz ähnlich aus-
sehenden Schichten oft beginnt.
Die Versteinerungen der Nodosenschichten sind dieselben, die
überall in Thüringen in diesem Niveau Vorkommen, etwas beson-
ders Hervorzuhebendes habe ich in der Nähe von Gotha nicht
beobachtet. Es wurden besonders folgende Formen gefunden:
Terebratula vulgaris v. Sciiloth.
Discina cliscoides v. Schloth. spec.
Ostrava complicata GoLDF.
» spondxjloicles v. Schloth.
» ostracina v. Schloth. sp.
Anomict bergx Giebel.
Pecten reticulatus Brongn.
» Albertii Giebel.
» cliscites Bronn.
» laevigatus Bronn.
Hinnites comtus Giebel.
Lima lineata Golde.
Geroillia socialis v. Schloth. sp.
» costata QüENST.
346
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
Mytilus vetustus Goldf.
Nucula elliptica Goldf.
Trigonia vulgaris Bronn.
Myacites musculoides Goldf.
Dentalium laeve Goldf.
Melania Schlotheimii Quenst.
Fusus Hehlii Zieten.
Kleinere unbestimmte Schnecken.
Nautilus bidorsatus Bronn (die Schale und die Kiefer).
Ammonites nodosus Bruguiere sp.
» semipartitus v. Buch.
Schuppen, Zähne und Knochen von Fischen und Sau-
riern.
L)er Keuper. Diese Formation beginnt mit der Letten-
kohle oder dem Kohlenkeuper. Diese Abtheilung ist an ver-
schiedenen Stellen etwas verschieden zusammengesetzt und ver-
schieden mächtig:. Die Mächtigkeit beträgt im Minimum ungefähr
100 Fuss, geht aber wohl meist darüber hinaus. Zu unterst
liegen fast überall gelbe oder braune eisenschüssige dolomitische
Kalke, die aber mit Bestimmtheit nur dann zur Lettenkohle ge-
rechnet werden können, wenn sie cavernös mit vielen grossen
polyedrischen Flohlräumen versehen sind, deren, Volumen das der
Gesteinsmasse überwiegt, welch letztere nur in Gestalt von mehr
oder weniger ebenflächigen Platten oder Leisten als Begrenzungen
jener Hohlräume vorhanden ist. Sind diese Schichten nicht
cavernös — wie schon bei Betrachtung der obersten Muschelkalk-
schichten bemerkt wurde — , dann ist die Zugehörigkeit zweifel-
haft, da letztere Formationsabtheilung von ganz ähnlichen Gesteinen
nach oben als dem letzten Glied begrenzt rvird und Sicherheit
tritt erst wieder ein, wenn das Auffinden A7on Ammoniten die
Zutheilung zum Muschelkalk erforderlich macht. Im Ganzen liegen
die Verhältnisse so, dass man im Zweifelsfall solche Schichten
eher zum Muschelkalk als zur Lettenkohle ziehen wird. Von hier
aus wird die Gliederung im Gebiet unserer Karte zweifelhaft, da
nirgends ein Aufschluss durch die ganze Lettenkohle oder durch
die einzelnen sich zu einem Gesammtprofil ergänzenden Niveaus
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
347
vorhanden ist. Nur die oberen Schichten sind ungefähr halbwegs
zwischen Gotha und dem südöstlich davon gelegenen Dorfe Sund-
hausen au der durch die Sundhauser Vorstadt in Gotha führenden
Chaussee aufgeschlossen (an dem sogenannten »Tollen Hund«,
welchen Namen aber die Generalstabskarte nicht hat, derselbe hegt
nur wenige hundert Schritt ausserhalb des Gebietes unserer Karte),
wo die Lettenkohlensandsteine in grossen Steinbrüchen gewonnen
werden. Auf diesen Mangel an Aufschlüssen ist vielleicht auch ein
Theil der Verschiedenheiten und Abweichungen in der Ausbildung
des Kohlenkeupers zurückzuführen, die man mehrfach auf geringe
Entfernung wahrzunehmen meint. Ein ausgezeichnetes Profil durch
die ganze Lettenkohle und einen Theil der darüber liegenden
Keuperschichten beschreibt aber Credner aus einem Wasserriss
zwischen Holzhausen und Bittstedt ca. 2 Meilen in südöstlicher
Richtung von unserer Kartengrenze entfernt. Es ist allerdings
zweifelhaft, ob man auf so weite Entfernung Gleichheit der Ver-
hältnisse in den Hauptsachen voraussehen darf, aber das Profil
vom »Tollen Hund« bei Gotha stimmt so sehr mit dem ent-
sprechenden Theil des Profils bei Holzhausen überein, dass man
vielleicht annehmen darf, dass durch dieses Profil auch die Ver-
hältnisse bei Gotha in den Grundzügen richtig dargestellt werden.
An jener Stelle liegen zuunterst wie überall sonst jene schon
besprochenen eisenschüssigen dolomitischen Kalke (hellbrauner
Bittermergelkalk) in geringer Mächtigkeit, nicht cavernös, also
vielleicht ganz oder zum Theil noch zum Muschelkalk zu ziehen.
Hierauf folgen aschgraue, schwarze, oft auch grünlichgraue Mergel-
schiefer und Thonletten, dazwischen finden sich dünne eisen-
schüssige ockergelbe oder braune Dolomitbänkchen von festerer
oder lockerer Beschaffenheit eingelagert, die Lingula tenuissima
zuweilen in Menge enthalten. Credner führt von dieser Stelle
nicht Estheria minuta an , an anderen Orten , auch im Gebiet
unserer Karte bei Gotha findet man oft die Schichtflächen der
Thonletten mit vielen Exemplaren dieses Muschelkrebses bedeckt,
wie das auch schon Beyrich früher bemerkt hat1), der sie von
b Zeitschr. d. Deutsch, geolog. Ges. II, 168, 1850. In späteren Arbeiten er-
wähnt auch Ckednek das Vorkommen dieser Versteinerung in der Lettenkolile.
348
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
Sonneborn nordwestlich von Gotha aus kohligen Schiefern, aus
der Schlotheim sehen Sammlung, erwähnt.
Die Gesammtmächtigkeit dieser Lettenkohlenthone und -Mergel
beträgt nach Credner 381/2 Fuss. Hierauf folgt das Niveau der
Lettenkohlensandsteine in einer Mächtigkeit von ungefähr 60 Fuss,
der » Trauen Sandsteine« von E. E. Sciimid. Es sind grünlich-
graue Mergelsandsteine mit Pflanzenresten, von denen besonders
Calamites arenciceus erwähnt wird. Dazwischen ist ein schwarzer
Mergelschiefer stellenweise mit Schnüren von Kohlenmulm ne-
lagert, und bedeckt wird der Sandstein von bunten (grünen und
rothen) Thonen, deren Gesammtmächtigkeit Credner zu ca. 10 Fuss
angiebt und welche dann von der Abtheilung des Grenzdolomiten
15 Fuss mächtig überlagert werden, von dem nachher noch weiter
die Rede sein wird. Es hat somit die Lettenkohle dort eine
Mächtigkeit von ungefähr 120 Fuss.
Am »Tollen Hund« !) ist die untere Lettenkohle, die Letten-
kohlenthone, nicht aufgeschlossen. Man beobachtet in den dorti-
gen Steinbrüchen zum Tlieil gelbgraue und zum Theil auch rothe
Sandsteine mit undeutlichen Pflanzenresten in erheblicher Mächtig-
keit (30 — 40 Fuss) anstehend. Es sind weiche, ziemlich lockere,
aber doch zu Bausteinen immer noch gut brauchbare Sandsteine
mit thonigem Bindemittel und mit vielen weissen Glimmerschüpp-
chen, besonders auf den Schicht flä chen. Neben den sehr reichlich
vorhandenen, unbestimmbaren kohligen Pflanzenresten finden sich
auch mannichfach deutlich erhaltene und bestimmbare Pflanzenver-
steinerungen. Es ist Calamites arenaceus , Equisetum columnare ,
Taeniopteris vittata und mehrfache andere, noch nicht bestimmte
oder beschriebene Arten; Credner führt z. B. noch eine Neu-
ropteris- Species auf, sowie zahlreiche Exemplare einer Mya- Art und
Wirbelthierreste, Zähne und Schuppen etc., von denen ich an der
genannten Stelle nichts beobachtet habe.
Diese Sandsteine sind überlagert von den ca. 10 Fuss mäch-
tigen, bunten, grünen und rothbraunen Thonmergeln, die überall in
Thüringen im oberen Niveau der Lettenkohle sich finden und die
D Die Lokalität liegt nickt mekr im Bereich unserer Karte,
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
349
nur durch ihre Lagerung unter dem Grenzdolomit sich von den
darüber liegenden bunten Mergeln des mittleren Keupers unter-
scheiden, nicht aber im Aussehen. Genau dasselbe Profil kann
man auch an der Kesselmühle beobachten, wo in einem Hohlweg
der Sandstein ansteht und darüber dann die bunten Mergel mit
dem Grenzdolomit lagern, aber der Aufschluss ist hier nicht durch
Steinbrüche erweitert.
Den Schluss der Lettenkohle nach oben macht endlich der
Grenzdolomit, ein meist intensiv gelbei’, mehr oder weniger dick
geschichteter Dolomit mit zwischengelagerten weicheren Schichten,
der durch sein constantes Auftreten einen der schärfsten Trias-
horizonte in Thüringen bezeichnet. Er umsäumt als schmales Band
im Südwesten und auch zu einem kleinen Theil im Nordwesten,
wo er unter dem Diluvium verschwindet, die Stadt Gotha, und
findet sich ebenso bei der schon erwähnten Kesselmühle und am
Südwestabhange des grossen Seeberges.
Wo der Grenzdolomit gut aufgeschlossen ist, zeigt er sich
überall sehr reich an Petrefakten aller Art, von denen besonders
Trigonia Goldfussn von Alb. häufig und charakteristisch, ausserdem
habe ich bei Gotha an verschiedenen Stellen noch folgende Petre-
fakten beobachtet :
Lingula tenuissima Bronn (ein Bruchstück),
Trigonia vulgaris Bronn,
Gervillia socialis v. Schloth. sp.,
daneben unbestimmte Steinkerne verschiedener anderer Muscheln
und zahlreiche Ueberreste von Fischen und Sauriern.
Die oben als häufig und typisch angeführte Beschaffenheit
dieses Grenzdolomits ist aber durchaus nicht die ganz allgemeine,
sondern es ist im Gegentheil ein starker Wechsel an verschiedenen
Stellen des Vorkommens zu beobachten. Bald ist der Dolomit
gelb und fest und wird dann wohl als Baustein verwendet —
Stücke davon finden sich schon in den Mauern des alten Schlosses
Gleichen bei Wandersleben östlich vom grossen Seeberge eilige-
mauert — oder er ist gelb, aber locker und mürbe, sogar fast
zerreiblich; bald sind es aber auch feste, rauchgraue, dichte bis
sehr feinkörnige Dolomite, in denen dann die Petrefakten nicht so
350
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
deutlich zum Vorschein kommen, wie bei den gelben. Zuweilen
zeigt auch ein und dasselbe Stück an verschiedenen Stellen die
beiden Beschaffenheiten nebeneinander, so dass es aussieht, als
wäre die gelbe, festere oder lockere Ausbildungsweise nur eine
durch Verwitterungsprozesse aus dem festen rauchgrauen Vor-
kommen entstandene sekundäre Bildung, bei welchen Prozessen
dann auch die Petrefakten erst aus dem Gestein herauswitterten,
wenigstens treten diese bei den gelben Dolomiten viel mehr her-
vor, als bei den graubraunen, bei denen sie sich oft sehr verstecken,
so dass sie schwer wahrzunehmen sind. So stark bituminöse Ab-
arten, dass sie dem Stinkschiefer im Zechstein gleichen, und wie
sie Credner von anderen Orten in Thüringen beschreibt, habe
ich bei Gotha nicht wahrgenommen.
Die nun folgende Abtheilung des Gypskeupers besteht
ebenfalls, wie die obere Lettenkohle, aus rothen und grünen
Thonen, die sich von den entsprechenden Letteukohlenthonen
kaum durch etwas grösseren Wechsel der Farben im Aussehen,
sondern wesentlich nur durch die Lagerung über dem Grenz-
dolomit unterscheiden lassen. Ist die Lagerung solcher bunter
Thone zum Grenzdolomit nicht mit Sicherheit nachgewiesen, dann
ist auch die Zugehörigkeit derselben zur Lettenkohle oder zu der
höheren Abtheilung des Keupers, dem Gypskeuper, zweifelhaft, vor-
ausgesetzt, dass nicht die dem Gypskeuper eigenthümlichen Ein-
lascerunffen vorhanden sind, die aus mit den Thonen wechselnden
Gypsbänken und deren Residuen bestehen. Diese Gypsbänke sind
tlieils sehr dünn, theils dicker, vielfach auch stellenweise rasch an-
scliwellend und sich wieder verdrückend. Der Gyps selbst ist roth
oder doch weiss mit rothen Flecken, und unterscheidet sich da-
durch leicht von dem nie rothen Muschelkalkgyps. Er ist meist
dicht, enthält aber stellenweise derbe, krystallinische Partieen ein-
gesprengt. Auch enthält er in grösserer Menge undeutlich aus-
gebildete Quarzkrystalle eingesprengt. Dieser Gyps ist aber nicht
überall vorhanden, wo die Abtheilung des Gypskeupers entwickelt
ist, vielmehr fehlt er wohl an deu meisten Stellen, was aber nur
darauf zurückzuführen ist, dass der ursprünglich vorhandene Gyps
von den im Innern der Schichten circulirenden Wässern aufgelöst
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
351
und fortgeführt wurde, womit viele kleine lokale Schichtenstörungen
verbunden sind. Wenn dieser Prozess noch nicht ganz beendigt
ist, so sind nur einzelne Knollen von Gyps statt der zusammen-
hängenden Schichten vorhanden, in denen die unlöslichen Bei-
mischungen des Gypses dann stärker angehäuft sind, besonders
die Quarzkrystalle. Solche Gypsresidua liegen z. B. in grosser
Menge in der Gypskeuperpartie nördlich vom Dorfe Günthers-
leben, an deren südlichem Rande aber auch Gyps in der ursprüng-
lichen Form von dicken Bänken ansteht, die dort in Brüchen ge-
wonnen werden. Ebenso findet man den Gyps längs des südlichen
Abhanges des kleinen Seeberges sich hinziehen. Er steht dort nicht
eigentlich zu Tage an, ist aber vielfach in Löchern aufgeschlossen,
die zu seiner Gewinnung gegraben werden, welche aber ihre Stelle
rasch wechseln und sich nie zu eigentlichen Brüchen ausdehnen,
da die Quantität des vorhandenen Materials dazu, wie es scheint,
doch zu gering ist. Es ziehen sich also zwei Gypsgewinnungs-
zonen vom Südabhange des kleinen Seeberges auf wenige Schritt
Entfernung ziemlich lange nebeneinander hin; oben am Abhange
der ungleich wichtigere und massenhaftere Muschelkalkgyps, unten
auf den Feldern der Keupergyps. Natürlich mischen sich viel-
fach in dem dort lose herumliegenden Gesteinsmaterial beide Gypse
mit einander, man kann aber beide in jedem Handstück sicher
auseinander halten, da der Keupergyps stets einen, wenn auch nur
schwachen Stich ins Roth hat, was beim Muschelkalkgyps nie der
Fall ist. An manchen Stellen wird der Thon von Schnüren von
Fasergyps durchzogen, doch sind das wenig wichtige secundäre
Bildungen. Mit dem Fasergyps kommt nach Credner am kleinen
Seeberge auch fleischrother Cölestin vor, ich habe davon nichts
wahrgenommen.
Im Allgemeinen ist diese Abtheilung des Gypskeupers charak-
terisirt durch das Fehlen von Steinmergelbänken, die sich erst
weiter nach oben einstellen. Einzelne solche Bänke sind aber doch
auch hier schon an manchen Stellen ausgebildet. So durchzieht
im Liegenden der dortigen Gypsbänke nördlich dem Dorfe Günthers-
leben eine ungefähr einen Fuss mächtige, sehr feste und harte
Steinmergelbank von hell violetter Farbe die Gypskeuperschichten,
352
Max Bauer , über die geologischen Verhältnisse
die vielleicht mit der sogenannten Bleiglanzbank in Schwaben und
Franken und an anderen Orten in Thüringen äquivalent ist, doch
ist Bleiglanz darin noch nicht aufgefunden worden, ebenso wenig
Petrefakten irgend welcher Art.
Ausser diesen lokalen Steinmergeleinlagerungen sind aber noch
andere Zwischenschichten vorhanden, die einiges Interesse ge-
währen, nämlich solche von Sandsteinen, die ihr Lager im oberen
Gypskeuper haben und somit wohl dem süddeutschen Schilfsandstein
äquivalent sind. Das Vorkommen ist aber nur sehr lokal und es
sind im Gebiet unserer Karte nur zwei Punkte, wo dieser Sandstein
deutlich aufgeschlossen ist. Der eine Punkt ist nordwestlich vom
Dorf Siebleben auf der Höhe; dort ist in einer ziemlich grossen
Grube ein sehr weicher und lockerer, ja zwischen den Fingern
zerreiblicher, rother oder gelber Sandstein mit vielen undeutlichen
kohligen Pflanzenresten und vielen Glimmerblättchen aufgeschlossen,
der dort gewonnen wird, aber nicht als Baumaterial, wozu er wegen
seiner lockeren Beschaffenheit durchaus ungeeignet ist, sondern
zur Verbesserung der Felder in jenen Gegenden. Fs ist dieser,
an der bezeiclmeten Stelle circa 20 Fuss mächtig; aufgeschlossene
Sandstein unzweifelhaft eine Einlagerung der Gypskeuper, was
man noch deutlicher sieht an der zweiten Stelle, wo er zu Tage
ansteht, nämlich in dem am weitesten bis zur Eisenbahn vorge-
schobenen der Hügelchen nördlich vom Dorfe Seebergen, die in einer
ziemlich langen Reihe den Fuss des grossen Seebergs umsäumen.
Dort findet sich ein dem obigen petrographisch in jeder Beziehung
gleicher Sandstein, der sich auf den ersten Blick in jeder Beziehung
von den anderen Sandsteinen der Gegend, dem Lettenkohlensandstein
und dem später zu betrachtenden rhätischen Sandstein des grossen
Seeberges, unterscheidet, so dass eine Verwechslung auch in Hand-
stücken kaum möglich erscheint.
Zwischen diesen beiden Punkten ist bisher von diesem Sandstein
keine Spur beobachtet worden, und es hat daher den Anschein,
als wären an beiden Stellen plötzlich die Sandsteine zu erheb-
licher Mächtigkeit angeschwollen, die sich aber nach allen Seiten
rasch wieder verliert. Dies scheint auch aus der Terraingestaltung her-
vorzugehen, indem an beiden genannten Punkten, wo der Schilfsand-
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
353
stein vorkommt, der Bergabhang eine markirt vorspringende, von
weitem schon auffallende Nase bildet, die sonst fehlt. Ist dieser
Zusammenhang zwischen dem Vorkommen des Sandsteins und der
Oberflächengestaltung richtig, so kann man die Vermuthung aus-
sprechen, dass auch in dem unmittelbar nördlich von Siebleben vor-
handenen kleinen Bergvorsprung dieser Sandstein in der Tiefe ansteht,
den man aber nicht sieht, weil die Kuppe von einer sehr mäch-
tigen diluvialen Schottermasse bedeckt ist. Diese Kuppe liegt auch
ganz in der Linie, in welcher der Sandstein an der Erdoberfläche
ungefähr verlaufen müsste, wenn es eine continuirlich und in
stets gleicher Mächtigkeit verlaufende Schicht wäre. Da andere
in ähnlicher Weise vorspringende Kuppen nicht weiter vorhanden
sind, so wäre weiter zu vermuthen, dass an anderen Stellen der
Sandstein nicht oder doch nur sehr untergeordnet vorkommt, um
so mehr, als auch auf den Feldern Spuren seiner Existenz nicht
zu finden sind. Sandsteine in diesem Niveau und von ähnlicher
Beschaffenheit, aber immer nur als wenig umfangreiche, aber zum
Theil mächtige, stockförmige Einlagerungen finden sich übrigens
auch noch vielfach anderwärts in Thüringen, so z. B. nördlich von
Gotha bei Langensalza und Bollstedt, östlich in dem oben an-
geführten Lettenkohlenprofil, in dem Credner noch einen Sand-
stein über dem Grenzdolomit und im oberen bunten Mergel
anführt, und an manchen anderen Orten, doch sind es nie
solche feste, zusammenhängende Schichten, wie der Schilfsandstein
in Schwaben und Franken.
Gegen oben verschwindet der Gyps überall, die oberen Thon-
mergel werden allmählich härter und luftbeständiger, als die unter-
sten, den Gyps einschliessenden, was wohl mit einem grössex'en
Kalkgehalt zusammenhängt, und damit geht Hand in Hand ein
Bunterwerden derselben, ein Hervortreten von grelleren rothen
und blauen oder grünen Farben. Zugleich stellen sich allmählich
zwischen den immer noch leicht in kleine, scharfeckige und -kantige
Stücke zerfallenden Thonmergeln festere Bänke von Steinmergel
(Credner’ s Thonquarze) ein, welche, anfangs nur wenig mächtig
und vereinzelt, nach oben mächtiger (bis zu 1 Fuss) und häufiger
werden, wie das besonders an dem vom Dorfe Seebergen auf die
354
Max Bader, über die geologischen Verhältnisse
Höhe des grossen Seeberges führenden sogenannten Triftwege zu
beobachten ist.
Wegen der Steinmergeleinlagerungen heisst diese Abtheilung
der Steinm ergelkeuper. Er zieht sich ungefähr 200 Fuss
mächtig: um den ganzen grossen Seeberg herum und bildet einen
scharfen Vorsprung gegen Siebleben hin, endlich tindet sich eine
kleine Stelle auf der Höhe des grossen Seeberges; an anderen
Orten des Kartengebietes kommt er nicht vor. Er bildet überall
um den grossen Seeberg herum sehr schroffe Abhänge, die sich
durch grosse Unfruchtbarkeit von den meist ergiebige Aecker und
Wiesen tragenden Gypskeupermergeln sehr unterscheiden, was mit
der schwereren Verwitterbarkeit der Thonmergel der oberen Ab-
theilung zusammenhängt. Der von ihnen gebildete Boden trägt
o ö o ö
meist nur eine höchst sparsame Vegetation, wenigstens an den
steilen Bergabhängen und stellenweise fehlt eine solche auch so
vollständig, dass die von Steinmergelkeuper gebildeten Flächen
ganz nackt sind.
Diese Abtheilung des Steinmergelkeupers hat keine scharfe
Grenze gegen den Gypskeuper. Es sind zwar zwei in ihrer Ge-
sammtbeschaffenheit entschieden sich bedeutend unterscheidende
und daher auseinanderzuhaltende Stufen, aber es ist nicht möglich,
eine durchgehende und überall leicht wieder aufzufindende Schicht
anzugeben, die in ähnlicher Weise scharf scheidet, wie z. B. der
Grenzdolomit zwischen Lettenkohle und Gypskeuper. Es folgt
daraus, dass man leicht die Grenze zwischen beiden Stufen an
verschiedenen nicht zusammenhängenden Stellen etwas verschieden
legt, da es sich dabei um Abwägung einer grösseren Anzahl von
Erscheinungen und Eigenschaften der constituirenden Gesteine
handelt, die ja auch an verschiedenen Stellen in Folge von sekun-
dären Einflüssen, die auf sie gewirkt haben, sich etwas verschieden
verhalten können.
Sandsteineinlagerungen, wie an der Wachsenburg und sonst
im Osten unseres Gebietes sind am Seeberg von mir nicht beob-
achtet, dagegen ist zn erwähnen, dass in manchen Steinmergel-
bänken sich zuweilen Versteinerungen finden. Es sind sparsame
Fisch- und Saurierreste und Conchylien, Corbula Keuper in a , oft
der Seeberge und des Galberges bei Gotlia.
355
in grösserer Anzahl und unbestimmbare Steinkerne von Bivalven
beobachtet worden. In den Thonmergeln, in denen die Stein-
mergel eingelagert sind, sind dagegen Versteinerungen von mir
nie beobachtet worden.
Die letzte Abtheilung der Trias endlich ist die Rhätische
Gruppe, der Sandstein des grossen Seeberges, ausschliesslich nur
auf diesen Berg beschränkt und dort in zahlreichen und ausge-
dehnten, theils noch im Betrieb stehenden, theils verlassenen
Sandsteinbrüchen aufgeschlossen. Credner hat in seiner Arbeit
aus dem Jahr 1839 diesen Sandstein mit dem darüberliegenden
Angulatensandstein zusammengefasst unter dem Namen Liassand-
stein, welche Ansicht er aber später (1860) gegen die jetzige allgemein
übliche vertauscht hat. Diese Steinbrüche bauen aber nur auf den
mittleren Schichten, entblössen daher auch beim Abräumen Schichten
der höheren Niveaus, lassen dagegen die untersten Schichten ganz
intakt, so dass diese jetzt nur unvollkommue zufällige und ge-
legentliche, auch stets wenig ausgedehnte Aufschlüsse zeigen.
Dagegen hatte Credner die Gelegenheit, einen Stölln zu
beobachten, der aus dem herrschaftlichen Bruch des Grossen See-
herges ungefähr nach Norden getrieben wurde, um das Wasser aus
dem Bruche abzuleiten und hier gelang es dem genannten Forscher,
die Schichtenfolge auch im untersten Niveau des Rhät aufs Ge-
naueste im Detail festzustellen. Dieser Stölln ist heute unzu-
gänglich und ich folge daher in der Darstellung dieser Schichten
in der Hauptsache Credner unter Berücksichtigung meiner eigenen
zum Tlieil, aber nur in unwesentlichen Punkten abweichenden
Beobachtungen.
Zuunterst liegt ein weisser bis lichtgelber Sandstein, unten
etwas dicker (ungefähr lFuss), oben dünner geschichtet und so-
gar schieferig werdend, mit vielen kleinen weissen Glimmerblätt-
chen, im Ganzen ca. 30 Fuss mächtig. In ihm eingelagert ist
die einzige am Seeberg vorkommende versteinerungsreiche Schicht,
die sogenannte Gurkenkernschicht. Es sind dünne feste Bänkchen
desselben hellgelblichweissen , aber etwas festeren Sandsteins,
wenige Fuss über der Grenze zu den unterlagernden Ylergeln,
die ganz vollgefüllt sind von der von Deffner und Fraas soge-
23*
356
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
nannten Anodonta postera, genauer nicht bestimmbarer Bivalven-
steinkernen. In dieser Schicht hat R. v. Fritsch im Jahr 1875
auch Wirbelthierreste gefunden1) und zwar: Hybodus minus Ag.,
Acrodus minimus Ag. , Saurichthys acuminutus Ag. und S. lon-
giconus Plien., sowie Fischschuppen ( Gyrolepis tenuistriatus Ag.).
Die Ueberlagerung der Sandsteine über den Mergeln ist besonders
gut zu beobachten auf dem schon genannten Triftweg, der vom
Dorf Seebergen aus dessen südlichem Ausgang in südwestlicher
Richtung; auf die Flöhe des grossen Seeberges führt und hier steht
auch die Gurkenkernschicht besonders deutlich an. Weniger deut-
lich zeigen sich die Verhältnisse überall sonst an der Kante des
grossen Seeberges. Die Gurkenkernschicht findet sich fast rings
um den Berg herum, wird aber stellenweise nicht anstehend,
sondern nur in einzelnen losen Plättchen gefunden.
Diese Abtheilung in ihrer Gesammtheit würde nach Pflücker
y Rico2) das Pflanzenrhät repräsentiren. Pflanzen sind allerdings,
auch in unbestimmbaren kohligen Resten nicht oder nur sehr spärlich
vorhanden. Alles was von Rhätischen Schichten noch darüber folgt,
entspricht darnach dem Protocardienrhät, dessen einzelne Abthei-
lungen sich nach Pflücker deutlich erkennen und unterscheiden
lassen.
Auf jenes unterste Glied folgen ungefähr 20 Fuss weisse oder
gelblich weisse Sandsteine und Sandsteinschiefer ohne organische
Reste (unterer Protocardienrhät) und darüber dann der eigentliche
Werksandstein, der in den Brüchen vorzugsweise gewonnen wird.
Es ist ein gelblich weisser feinkörniger Sandstein, bis zu 40 Fuss
mächtig, feinkörnig, fest, in dicken Bänken geschichtet, vielfach von
dunklen, braunen Schnüren und oft sogar von förmlichen Adern von
Brauneisenstein durchzogen , der auch auf Kluftflächen zuweilen
mit traubiger Oberfläche vorkommt. Zuweilen enthält der Sand-
stein faustgrosse, oft ziemlich regelmässig polyedrisch umgrenzte
Löcher mit stark eisenschüssigen Wänden, welche ganz mit feinem,
losen Sand erfüllt sind, der beim Zerschlagen herausfällt.
B Teyetmeyer, 1. c. Zeitselir. ges. Nat. 1876. 13, p. 473.
2) Zeitselir. d. Deutsch, geol. Ges. 1868. Uebersichtstabelle.
der Seeberge und dos Galberges bei Gotha.
357
Auf den Schichtflächen ist dieser Sandstein, wie übrigens auch
die Sandsteine der anderen Stufen, vielfach mit den schönsten
Wellenfurchen bedeckt, oft auf weite Erstreckungen hin. Ebenso
findet man auf diesen Flächen leistenförmige, sich nach verschie-
denen Richtungen durchschneidende, niedrige Erhabenheiten, offen-
bar Ausfüllungen von schmalen Spalten und Kluften der Oberseite
der unmittelbar darunterliegenden Schicht. Am Ausgehenden der
Schichten wird der Sandstein am grossen Seeberge vielfach durch
Verwitterung lose und locker und zerfällt zu Sand, der in vielen
Gruben gegraben und als Stuben- und Scheuersand verwendet
wird. An organischen Resten ist dieser Sandstein arm. Verkohlte,
aber selten deutlichere Pflanzenreste kommen auf den Schicht-
flächen nicht selten vor, dagegen sind animalische Reste um so
seltener. Ich habe nie welche gefunden, Credner führt aber Ab-
drücke von Cardium cloacinum Quenst. und Taeniodon ( Protocar -
dia) Ewaldi Bornem. als Seltenheiten an. Ausserdem sollen auch
in diesem Sandstein einige Fischzähne gefunden worden sein, wie
aber Credner nur gerüchtweise mittheilt. Ueberlagert wird dieser
Sandstein von 2 — 4 Fuss grauen, mageren Thons, der feuerbeständig
ist und daher zu Kapseln in der Porzellanmanufaktur in Gotha
verwendet wird. Er enthält als einzige organische Reste schlecht
erhaltene, verkohlte Pflanzenstengel, dagegen etwas häufiger runde
Geoden von im Inneren vollkommen dichter, nicht zerborstener
septarienähnlicher Beschaffenheit und von einer auf dem Quer-
bruch zum Vorschein kommenden eigenthümlichen saftgrünen Farbe,
die allerdings beim Liegen an der Luft und Austrocknen in eine
mehr ins Graue gehende Nüance übergeht. Der Sandstein oder
Thon, der eine unten, der andere oben vollkommen herrschend,
gehen auf der Grenze dadurch allmählich in einander über, dass
zwischen den Sandsteinbänken sich erst schwächere, dann stärkere
Schichten grauen und stellenweise auch rothen Thons einstellen,
bis der graue Thon endlich den Sandstein ganz verdrängt. Beide
zusammen, Sandstein und Thon, repräsentiren nach Pflücker y
Rico das mittlere Protocardienrhät.
Noch weiter nach oben tritt nun der Sandstein zurück, er ist
nicht mehr so dickbänkig und fest, wie oben, sondern oft schieferig
358
Max Bauer, über die geologischen Verhältnisse
und locker und zwischen den Sandsteinschichten stellen sich immer
massenhafter Thon und Mergel ein. Credxer unterscheidet über
dem letztgenannten Tlione noch eine 10 — 15 Fuss mächtige Masse
eines gelblichgrauen bis grünlichgrauen Sandsteins und Sand-
schiefers mit mergeligem Bindemittel, von unten nach oben immer
schwächere und schwächere Schichten bildend, bis endlich ein voll-
kommener Sandsteinschiefer nach oben abschliesst. Die unterste
Schicht ist noch D/2 bis 2 Fuss mächtig und in ihr fand man
früher ein Equisetum in meist aufrecht stehenden Exemplaren und
mannichfache andere Pflanzenreste, aber keine Thiere. Dann folgt
ein gelblichgrauer, unten ebenfalls Geoden führender Mergelschiefer,
der nach oben mehr thonig wird und dünne Platten von Sandschiefer
einscldiesst, im Ganzen in einer Mächtigkeit von 6 — 10 Fuss. Der
Mergelschiefer enthält als Seltenheiten Petrefakten mit zerstörten
Schalen und zwar:
Modiola minuta Quenst. (wahrscheinlich = Mocliola minima
Sow.)
Cardium rhäticum E. v. d. Lintii. = Protocardia rhätica.
Cardium Philippianum Dxkr. = Protocardia carinata
Pflücker.
Diese drei Arten sind häufiger. Seltener sind:
Posidonomya Hausmanni Borxem.
Taeniodon ( Protocardia ) Ewaldi Borxem.
Taeniodon ellipticus — Protocardia praecursor Schlöxb. sp.
Inoceramus ?
Cassianella contorta ist bis jetzt noch nicht gefunden worden.
Verkohlte Pflanzenreste mit Schwefelkies finden sich nicht
selten. Endlich wird das Rhät von einer ca. 4 Friss mächtigen
röthlichgrauen oder grünlichgrauen Thonmergelschicht geschlossen.
O OO OO
Dieser ganze obere Rest repräsentirt dann das obere Protocardien-
rhät Pflückers, das weiterhin vom Lias überlagert wird.
Der Lias. Der Lias ist auf einem kleinen Gebiet am süd-
östlichen und südlichen Abhang des grossen Seeberges entwickelt
und es ist von ihm die untere und mittlere Abtheilung bis zu den
Schichten des Ammonites amaltheus inclusive vertreten. Die untere
Abtheilung ist schon längst von dieser Stelle bekannt. Credxer
der Seeberge und des Galberges bei Gotha.
359
spricht, wie schon oben erwähnt, 1839 von Liassandstein auf dem
grossen Seeberg, aber er führt keine einzige Versteinerung an, die
dafür beweisend wäre und fasst namentlich noch den ganzen rhä-
tischen Sandstein mit dem Liassandstein zusammen. Noch in der
zweiten Auflage der geologischen Karte von Thüringen, 1854, wird
der ganze Gipfel des grossen Seeberges als aus Liassandstein be-
stehend dargestellt, von Rliät ist damals noch keine Rede, aber es
werden in der Erläuterung zur Karte nun schon ächte Versteine-
rungen des unteren Lias als am Seeberg vorkommend angeführt,
nämlich Stein kerne kleiner Cardinien, und in der That kommen
diese dort auch in grosser Menge vor. Anderes war aber damals
wie es scheint von dort noch nicht bekannt und erst 1860 führt
Credner dann weitere Belege für das Vorkommen des unteren
Lias an : Am. angulatus , Lima Hausmanni, Corbula cardioides und
noch manches Andere, was unzweifelhaft auf unteren Lias hinweist.
Auf jener genannten Karte war auch die Verbreitung des Lias
am kleinen Seeberg nicht richtig dargestellt. Einmal war die
Ausdehnung eine zu weite, weil der ganze grosse Seeberg als
davon gebildet dargestellt war, was eine Folge der Verwechselung
des Rhätsandsteins mit dem Liassandstein war; zum anderen war
aber das Verbreitungsgebiet auch zu enge dargestellt, weil die Ver-
breitung der Liassandsteine und der anderen Liasschichten auf
den Feldern am südwestlichen Abhang; des grossen Seeberges bis
zum Dorfe Günthersleben hin Credner unbekannt geltlieben war.
Ganz unbekannt war aber vor allem der mittlere Lias geblieben,
der